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Mein Freund, der Führer

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
"Hin und wieder gebe ich ihr etwas Olivenöl ins Futter, dashalb glänzt ihr Fell so."
Der Mann sprach nicht, wie die breite Öffentlichkeit es von ihm gewohnt war.
Seine Stimme klang anders, wesentlich weicher.
Hörte man ihn so reden, spürte man die künstlerische Seele, die in ihm steckten mochte. Vielleicht auch das Kind in ihm. Auf jeden Fall klang er weit weniger gefährlich.
"Ich habe gehört, dass es Kapseln extra für Hunde gibt. Sie sollen das Fell weich und glänzend machen und gut für die Knochen sein.", sagte Werner um die Konversation fortzuführen.
"Schnickschnack !", unterbrach ihn der Mann, den ganz Deutschland den Führer nannte.
"Ein echter Hund braucht keine Chemikalien, die seinen Körper vergiften. In ihm steckt noch die natürliche Robustheit, die vielen Menschenvölkern abhanden gekommen ist."
Werner senkte den Kopf, denn er hatte geglaubt, dass seine Idee mit den Kapseln beim Führer Anklang finden würde. Der Führer lehnte sich an das Geländer und genoss die Aussicht.
Seine Pose wirkte einstudiert.
Blondie, seine Schäferhündin, beschnüffelte das Bein des Führers, bis hoch zum Schritt, wo sie innehielt. Was sie roch, schien ihr nicht zu gefallen, denn sie wandte den Kopf ab und trottete wieder Richtung Haus.
Der Führer blickte ihr hinterher.
"Ein großartiges Tier. Würde mir bis in den Tod folgen."
Werner bekam bei dieser Vorstellung eine Gänsehaut.
Sein eigener Schäferhund, genau wie Blondie reinrassig und mit langem Stammbaum, verharrte noch immer neben ihnen. Aufrecht sitzend, die lange Zunge hechelnd heraushängend.
"Ihr Hasso ist aber auch ein edles Tier. Er und Blondie werden ausgezeichnet miteinander auskommen."
Der Führer beugte sich nach vorne um dem Schäferhund den Kopf zu tätscheln, doch der wich zurück, legte die Ohren an und zeigte seine Zähne.
Der Mann mit dem lustigen Schnurrbart, wie Werners Tochter ihn einmal genannt hatte, wirkte verwundert und Werner tat sein Bestes, um die Szene zu beruhigen.
"Hasso ! Aus !", schrie er in dem harten, keinen Widerspruch duldenden Ton, den er sich in der Wehrmacht angeeignet hatte.
Der Hund hörte nicht auf zu knurren.
"Für gewöhnlich hört er aufs Wort", versuchte Werner zu beschwichtigen.
Der Führer schien seine anfängliche Verwunderung abgelegt zu haben. Mit eiserner Miene, wie man sie von den Wahlplakaten kannte, baute er sich vor dem Tier auf.
"Ein Hund", sagte er, jetzt in jener herrischen, abgehackten Sprechweise, die er auch bei seinen Reden verwandte, "versteht nur Zuckerbrot und Peitsche. Sonst nichts. Ein Hund ist und bleibt ein Tier."
Er stemmte die Hände in die Hüften und starrte Hasso eindringlich an.
"Aus!", schrie er mit hoher, kehliger Stimme.
"AUS! AUS! AUS!"
Der Hund knurrte immer heftiger. Ein tiefes, bedrohliches Grollen. Werner hatte noch nie solche Töne von ihm gehört.
"Er scheint Sie nicht zu mögen. Vielleicht ist er ein Jude, oder ein Bolschewik."
Es hatte ein Witz sein sollen, doch der Führer funkelte ihn bedrohlich an.
"Befehlen Sie ihrem Köter, er soll auf der Stelle still sein !"
Da war Wahnsinn in seiner Stimme und in seinen Augen. Wahnsinn, den Werner niemals zuvor bemerkt hatte. Bevor er etwas zu seinem Hund sagen konnte, schrie der Führer weiter mit sich überschlagender Stimme auf Hasso ein.
"AUS! SOFORT AUFHÖREN! ICH BEFEHLE ES DIR! AUS, AUS, AUS!"
Der Schäferhund fing an abwechselnd wütend zu bellen und die Zähne zu fletschen.
Er schien bereit, den Führer jeden Moment anzuspringen.
Werner sah wie in Zeitlupe, dass der Führer in die Innenseite seines Jackets griff und eine Pistole zog. Ansatzlos schoss er dem Hund in den Kopf. Sein lebloser Körper sackte im selben Moment zu Boden. Werners erster Instinkt war, sich auf den Führer zu stürzen und den Tod seines geliebten Tieres zu rächen. Nur mit Mühe konnte er dem widerstehen.
Der sonst akurate Seitenscheitel des Führers hing ihm nun wild ins Gesicht. Er atmete ein paar Mal tief durch, dann wischte er ihn wieder zur Seite, wo er seiner Meinung nach hingehörte. Er sah Werner an. Der Wahnsinn war größtenteils wieder aus seinem Gesicht verschwunden.
"Es tut mir leid, ich habe die Beherrschung verloren", sagte er und legte eine zitternde Hand auf Werner´s Schulter.
"Sie bekommen natürlich eine angemessene Vergütung. Ich weiß, wie viel Ihnen das Tier bedeutet hat."
Mit diesen Worten wandte er sich ab, ging mit gesenktem Haupt ins Haus, und ließ Werner mit dem Leichnam seines Hundes auf der Terrasse zurück...

Ein lauter Knall riss Werner aus dem Schlaf, der ohnehin nicht besonders tief gewesen war. Irgendwo in seiner Nähe waren Granaten eingeschlagen.
Er sah sich im Schützengraben um und stellte fest, dass er bis auf zwei schwerverletzte Kameraden alleine war. Die anderen waren ohne ihn weitergezogen.
Er erinnerte sich an seinen Traum, der einmal Wirklichkeit gewesen war. Er konnte das wahnsinnige Gesicht des Führers vor sich sehen, wie er seinen Hund anschrie. Er konnte den Wahnsinn fast spüren. Erst jetzt, wo Tod und Zerstörung um ihn herum waren, wie ein tödliches Gas, wurde ihm klar, was dieser Wutausdruck bedeutet hatte.
In diesem Moment hatte er die wahre Natur des Führers gesehen.
Er haderte mit sich selbst, wie dumm er doch gewesen war, das nicht früher bemerkt zu haben.
Doch noch war es nicht zu spät.
Werner schleuderte seine Waffe auf den regendurchnässten Boden.
Sollten sie ihn doch hinrichten, oder gefangennehmen, was auch immer. Jedes Schicksal wäre ihm Recht gewesen. Er wollte nur nicht im Kampf für einen kleinen, cholerischen Mann sterben, den die verweigerte Bewunderung eines Tieres zu einem solchen Gewaltausbruch verleitet hatte.
Kein gemeiner Hundemörder sollte sein Schicksal bestimmen.

ENDE
 
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Kommentare  

Diese Geschichte habe ich inzwischen schon zwei mal gelesen und ich muss sagen, dass sie mir wirklich sehr gut gefallen hat - tolle Idee und ganz gut umgesetzt.
Eine interessante Satire, ich denke, es wird einige geben, die das wohl nicht in dieser Form sehen würden. Ich persönlich finde es großartig und gut gewählt :-)


Sascha Gries (02.07.2010)

Gelungen! Zu einer Satire (worunter du den Text ja eingeordnet hast) fehlt vielleicht noch eine Spur Bissigkeit und Überspitzung, aber die Idee ist gut, ordentlich umgesetzt und wie ich finde lesenswert. Ich persönlich halte Satire prinzipiell für eine angemessene Umgangsform, das gewählte Thema betreffend. Das wird ja von vielen eher nicht so gesehen und deshalb oft von vornherein missverstanden oder verurteilt.
Gruß
Christian Hoja


Chrstian Hoja (19.12.2007)

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