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2 Seiten

Tolle Aussicht

Trauriges · Kurzgeschichten
Vor meinem Fenster geht die Welt unter und manchmal denke ich in mir auch. Ein Zimmer mit Aussicht! Welche Aussicht, bitte? In den Regen? Auf die nächste gelb gestrichene Wand, die doch so langsam ihre Farbe verliert? Tolle Aussicht.
Um mich pumpt und quietscht es, kleine Lichter blinken, Bildschirme die mich an meine Existenz erinnern. Ich bestehe aus Schläuchen und kleinen Leuchtdioden. Ich besitze noch so viel Kraft diesen Maschinen ihre nervtötenden Geräusche abzuverlangen. Wie lächerlich mir das hier scheint. Alles ist so lächerlich geworden in den letzten Tagen. Da erzählen die mir „Herr Kurt, wir müssen sie nun aber auf Diät setzten!“ und lächeln mir mit den Worten falsch ins Gesicht. Ob die hier übersehen haben, dass ich mit fast zwei Meter Körpergröße nur noch 70 kg wiege? Tendenz fallend! Muss ja wohl oder wie soll ich das bitte sonst verstehen.
Haben die meinen eigentlichen Feind übersehen? Ist denen entgangen - um was es geht? Wer und was in mein Innerstes greift und versucht mich zu zerstören?
Frauen in ihren blütenweißen Kitteln schauen zu mir herab, schenken mir ein heraus gequältes Lächeln: „Geht es ihnen gut Herr Kurt?“
„Ja, alles bestens!“
Die wenigen Fragen, die ich stellen kann, wenn mein Gehirn mal für einen kurzen Moment sich dem erinnert, für was es geschaffen wurde, erhalten einfach keine Antwort. Ich erhalte keine Antwort.
Mein Vater, über achtzig ist er nun, steht an meinen Bett und weint erbärmlich - er weint! Und ich - der sonst immer für ihn da ist, liege hier in diesem bunten Gesang der Maschinen. Zu oft musste er hier schon stehen und es bricht mir das Herz, ha welch ein Witz - mein Herz, es schmerzt mein Herz, ihn so zu sehen. Ihm das noch zuzumuten.
Schmerzen - nur noch Schmerzen. Das Herz schon wieder langsam seinen Dienst tut. Ja, es schlägt noch. Etwas zaghaft, doch es schlägt. Mein Herz! Auch wenn der klägliche Rest von mir gar nicht mehr so wirklich funktionieren will, mein Herz gibt noch nicht auf.
Gebe ich auf? Ich weiß es noch nicht!
Keiner sagt es mir, keiner redet mit mir, doch ich seh es in den Augen aller! In den Augen der Schwestern - Mitleid! In den Augen der Ärzte - Hoffnungslosigkeit! In den Augen meiner Eltern - Angst! In den Augen meiner Freunde - Schmerz!
Alle sehen sie auf mich herab, diese Augen!
Ein Zimmer mit Aussicht auf das was mir keiner sagt! Ich sag doch, tolle Aussicht!
 
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Kommentare  

Hallo, auch dieser Text gefällt mir. Lg Sabine

Sabine Müller (26.03.2008)

Hat mir gefallen! Ich finde, dass auch in dieser Geschichte eine Menge, wieder sehr eigenwillige Atmosphäre steckt. Aus der fast klaustrophobischen Perspektive des Patienten entwickeln sich intessante erzählerische Varianten.
Gruß
Christian


Chrstian Hoja (10.02.2008)

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