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3 Seiten

Einfach ein schlechter Tag (Teil 4)

Romane/Serien · Spannendes
© Middel
Das ist jetzt ziemlich genau vor 10 Minuten gewesen und mittlerweile hat das Wasser Kinnhöhe erreicht. Hey, da fällt mir einer dieser „wenn-dann“-Sätze ein: „Wenn meine Eltern kleinwüchsig wären, dann wäre ich jetzt Fischfutter.“ Ich komme immer in den unmöglichsten Situationen auf solche „wenn-dann“-Kreationen. Irgendwie hilft mir das wohl bei der emotionalen Bewältigung – oder auch nicht, eigentlich egal. Ich bezweifle im übrigen ohnehin, dass sich in diesem tosenden Monstrum überhaupt Fische befinden. Aber eventuell trägt’s meine Überreste ja irgendwann in andere Gewässer und ich erweise der Natur meinen letzten Dienst als Dinner. Henkersmahlzeit postum sozusagen. Es ist schon erfrischend, seinen Humor nicht zu verlieren. Aber so bin ich halt. Selbst damals, als ich die Ferien bei meinen Großeltern auf dem Land verbrachte und mich die ältere Dorfjugend herausgeforderte, hab ich keinen Deut zurückgesteckt. Ich muss damals 15 gewesen sein und es war irgend so ein trotteliges Dorfjugend-wir-saufen-uns-die-Hucke-voll-Fest in irgendeiner Scheune. Ich hatte mich in ein Mädchen verguckt. (Da fällt mir grad auf, dass nahezu alle meine Probleme mit Frauen anfingen, na ja bis auf dieses, aber das schieb ich irgendwie noch meiner Ex in die Schuhe, schließlich hat sie mich sitzen gelassen!) Wie das in so Geschichten dann immer so ist, war sie natürlich die Tuse vom Obermacker der Dorfprollos. Ich forderte sie dann irgendwann (irgendwann ist gleichzusetzen mit nach drei Bier) zum Tanz auf. Was macht man als Halbwüchsiger außer saufen und tanzen auch auf so ner verschissenen Dorffete? Ähm ja richtig, küssen ... und als sie und ich soeben den Zungenmarathon eröffnen wollten, als ich also grad mal die ersten 100m geschafft hatte, packte mich auch schon so ein Hirni am Kragen und zog mich unsanft von der Tanzfläche. Kurze Zeit später stand ich dann vor der Scheune gut einem Dutzend dieser einheimischen Plage gegenüber und man verlangte von mir mich bei Hans, dem Chef der Bauernjugendlichen, zu entschuldigen, ansonsten gäb’s richtig Dresche. Ich tat dies dann auch ganz charmant mit den Worten: „Es tut mir leid, dass ich deiner Schwester mal zeigen wollte, wie richtige Männer küssen.“ Lächelnd und mit mehreren verstauchten Kochen, sowie zwei nicht zu verachtenden Veilchen humpelte ich dann einige Minuten später zum Haus meiner Großeltern. Annika, so hieß Hans` (von dem Moment an) Exfreundin, kam mich am nächsten Tag besuchen und pflegte mich die gesamten restlichen Ferien gesund. So verlor ich übrigens auch meine Unschuld, aber das nur am Rande.
Und während mir das Wasser langsam bis über genau die Zone steigt, die mir damals soviel Ärger eingebracht hat – ja, ich meine den Mund – (obwohl es andere Stellen gibt, die mir noch ne Menge mehr Ärger einbrachten, aber dafür ist jetzt nicht die Zeit), hab ich den rettenden Einfall.
Ich tauche in das dreckige Wasser und kann mit viel Mühe erkennen, warum hier nichts mehr abfließt. Verschiedenste Dinge haben sich in dem Loch verfangen, dass – soweit ich es erkennen kann – sogar mal so groß gewesen sein muss, dass ein (allerdings nicht allzu massiger) Mensch hindurchpassen könnte. Ich versuche mit unmenschlicher Kraft alles Mögliche aus diesem verschlossenen Ausweg herauszubekommen und ironischerweise habe ich als erstes etwas Schlamm und das Foto von mir und meiner Verflossenen in der Hand. Ich versuche – während ich zwischendurch Luft hole – immer wieder etwas von dem ganzen Schund (kleine Steine, größere Brocken, Schlamm, Erde, sogar tote Nagetiere) abzutragen und unglaublicherweise gelingt es mir stetig das Loch zu vergrößern. Bis es plötzlich gänzlich aufbricht und das angestaute Wasser mit einer unbändigen Kraft nach draußen dringt. Irgendwie werde ich mitgerissen, stoße mir mal wieder heftig den Kopf und vor mir wird alles schwarz.

Zwei Wochen später sitz ich hier auf der Veranda und lasse Kindheitserlebnisse via Fotoalbum Revue passieren. Ich hatte ganz vergessen, wen ich da alles verewigt habe. Fotos von Nick Sinkewitz, diversen Exbekanntschaften und vielen guten Freunden.
Wie ich es nun doch noch geschafft habe lebend aus dem Schlamassel herauszukommen? Man erzählte mir später, dass einige Waldarbeiter mich am Rande eines Waldbaches gefunden hätten. Sie waren zuerst von einem Verbrechen ausgegangen und hielten mich für tot. Als sie dann näherkamen und bemerkten, dass ich es wohl nur zur Hälfte war, riefen sie sofort die Bergwacht, die mich ins nächste Krankenhaus brachte.
Gestern bin ich dann entlassen worden, da ich die Verletzungen, die mir jetzt noch zu schaffen machen (vor allem der Beinbruch) auch zuhause auskurieren kann. Mir ist in dieser Höhle eines klar geworden, mein Leben ist gar nicht so schlecht, wie ich dachte und ich hänge dran, sogar sehr. Ich habe zwar schon eine Menge ärgerlicher Dinge erlebt, aber irgendwie überwiegen die guten Erinnerungen. Und ich möchte keine dieser Erinnerungen jemals missen, sie haben mich zu dem gemacht, der ich jetzt bin. Nicht gut, nicht schlecht, einfach ich. Hin und wieder werde ich mir jetzt die Zeit nehmen, auch mal über Vergangenes nachzudenken und in Erinnerungen zu schwelgen. So wie jetzt, eine schöne Erfahrung.
Aber das Schönste ist doch wenn man sagen kann es ist noch so viel Platz für neues, deshalb habe ich mir ein frisches Fotoalbum gekauft und das erste eingeklebte Bild wird ein Foto von meinem Gipsbein sein.

(Die gesamte Geschichte ist noch nicht als fertig zu betrachten. Ich werde noch bestimmte Dinge ändern und evtl. ganze Passagen ergänzen. Totzdem würde ich mich über Kommentare - auch bzgl. Fehler aller Art - freuen.)
 
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Kommentare  

Dann schraub du mal rum. Bin gespannt, wenns' fertig ist. Gefallen hat mir die Geschichte, wie bereits erwähnt, trotzdem.

Sabine Müller (07.04.2008)

Ich werd noch dran rumschrauben. Sind sowieso noch einige Fehler drin, außerdem gefällt mir das Ende auch noch nicht so wirklich.

Middel (07.04.2008)

Danke, dass du mir den Abend mit der Geschichte gerettet hast. Es war wieder lustig. Mit Fehlern kann ich dir allerdings nicht helfen. Das Einzige, was mit spanisch vorkommt, ist das Ende. Da ist plötzlich Alles wieder ok und Alles war so einfach, zu einfach irgendwie. Nun ja, Trottel haben eben einen Schutzengel. Bei den Protagonisten ist es eben der Schreiber. Also der Schreiber ist dann der Schutzengel, nicht der Trottel :) Aber ich hätte mir noch ein ein wenig ausgeschliffeneres Ende gewünscht. Da muss noch irgendein Schenkelklopfer kommen. Und ich dachte, die Geschichte geht noch ein paar Kapitel weiter, damit noch mehr gelacht werden kann. Ist dir nichts mehr eingefallen oder keine Lust mehr gehabt oder war das so geplant? Dennoch eine gute Geschichte, die ich gern gelesen habe. Gruß sabine

Sabine Müller (06.04.2008)

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