7


3 Seiten

Die Weihe von AMABO I. zum König im NEUEN REICH

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Die Regierungszeit des bisherigen Königs im NEUEN REICH war zuende. Sie war überschattet von seiner Hilflosigkeit und am Ende von einer großen Not, die über das einstmals so mächtige Land gekommen war. Denn die Termiten hatten den Bewohnern über ihren Köpfen die hier üblichen Holzhäuser weggefressen, und die Heuschrecken hatten alles Papyrusgeld vernichtet, so dass die Mittel zum Wiederaufbau fehlten. Wen wundert es also, dass der bisherige König, der es vorgezogen hatte Kriege zu führen, anstatt sich um die inneren Bedürfnisse des Landes zu kümmern, keine Freunde hatte.

In dieser Not trat ein mutiger Mann vor das verunsicherte Volk und rief aus „Wenn Ihr mich zu Eurem neuen König macht, dann will ich Euch ins Licht führen, so wahr, wie mir die Götter dabei helfen mögen.“ Woher kam dieser offensichtlich wissende Mann, der durchs ganze Land reiste und mit vielen Zungen die Abschaffung der Missstände und jeder Familie ein neues Dach über dem Kopf versprach? Nun, als Gouverneur einer Provinz hatte er sich schon einen Namen gemacht. An den Fremdanteil in seinem Blut mussten sich viele aber erst einmal gewöhnen. Dieses Fremdblut wiederum begeisterte die vielen Sklaven und gab auch den Unterprivilegierten des Landes neue Hoffnung, so dass sich die hohe Priesterschaft mit einer gewaltigen Fürsprache für AMABO als neuen König konfrontiert sah. So hieß nämlich dieser Mann, der mit seiner Leuchtkraft die Herzen der Massen eroberte.

Die konservativen Kräfte mussten dem Druck des Volkes nachgeben und einigten sich auf AMABO als den neuen König. So kam der Tag seiner Weihe. Das ganze Volk war auf den Beinen, um dieser prunkvollen Zeremonie beizuwohnen. Von überall her erschollen Fanfarenklänge. Auf den Dächern der wenigen Steinhäuser waren Scharfschützen postiert, um mit ihren Pfeilen eventuelle Attentäter auszuschalten. Vom nahen Nil drangen 21 Böllerschüsse herauf, wozu man das erforderliche Schwarzpulver gerade erfunden hatte. Und aus allen Provinzen des Landes trafen bunte Reitertrupps und würdevolle Delegationen ein.

Und dann fuhr der Auserwählte in einem vergoldeten zweirädrigen Streitwagen vor, der von zwei prachtvollen Hengsten, wovon der eine die seltene Farbe Rot und der andere eine noch seltenere bläuliche Färbung aufwiesen, gezogen und von dem Erhabenen selbst gelenkt wurde. (Nebenbei gesagt, dieses stattliche Fortbewegungsmittel hatte man erst kürzlich den Römern abgeschaut.) Als AMABO in seinem schlichten Überwurf sodann die steinernen Treppen zum Altar vor dem Großen Weihetempel empor schritt, dem das Kapitol in Washington zum Verwechseln ähnlich sieht, erhob sich die Stimme des Volkes, das schon seit dem Morgengrauen auf diesen Augenblick gewartet hatte, immer wieder zu einem Ausruf, der in die damalig gängige Fremdsprache mit „Salve Caesar“ zu übersetzten war.

AMABO blieb vor dem Altar aus purem Gold stehen, ohne vor ihm nieder zu knien. Und der oberste Hohepriester wies ihn mit dem Zeigefinger nach unten gerichtet, erfolglos dazu an. Dieser Vorgang sollte dann später genügend Anlass zu der Diskussion bieten, ob die Standhaftigkeit des neuen Königs einen schweren Formfehler bei seiner Weihe dargestellt habe. Sodann forderte der Hohepriester AMABO auf, seine rechte Hand auf den Altar zu legen und ihm eine Beschwörungsformel nachzusprechen, die die Götter gnädig stimmen sollte. Danach musste AMABO eine Figur auf einem goldenen Stab küssen, die wahrscheinlich „HORUS“ darstellte. Und dann erhob der Hohepriester seine rechte Hand gen Himmel als Zeichen, dass das Land einen neuen König habe, worauf das Volk in einen ohrenbetäubenden Jubel ausbrach.

AMABO I. wandte sich zu dem Volk unter ihm und verkündete mit fester Stimme und unbewegter Miene u. a., dass jetzt jeder den Buckel noch krummer machen müsse, damit die Not ein Ende habe, und ihr von den Göttern besonders geliebte Land wieder das mächtigste auf Erden werde, was auch ganz im Sinne der tapferen und erfolgreichen Ahnen wäre, deren große Opfer nicht vergebens erbracht sein dürften. Die um ihn nunmehr versammelten Gesandten aller Länder nahmen dies mit versteinerten Mienen zur Kenntnis. Nur der etwas abseits stehende bisherige König lächelte, offensichtlich glücklich darüber, dass er seine Regierungszeit lebendig überstanden hatte, und dass ihm nun ein komfortables Leben im Exil winkte.

AMABO I. bewegte sich mit seinem Gefolge sodann hinab zu seinem Streitwagen, wobei links und rechts von ihm die Würdenträger des Landes in erwartungsvoller Unterwürfigkeit das Haupt senkten und ein Knie beugten, so, wie es schon immer Brauch war und immer sein wird.

Der neue König bestieg seinen prachtvollen Streitwagen und fuhr zu seiner ersten Amtshandlung, wobei er von zwei Streitwagen zu seiner Sicherheit eskortiert wurde. Denn in seinem Palast mit seinen Hunderten von Räumen, erwarteten ihn bereits die besten Architekten des Reiches, um ihm Vorschläge für den Bau einer gewaltigen Pyramide zu seinem Ruhm und als seine Grabstätte zu machen. Danach zog sich der König in seine Privatgemächer zurück. Und während ihm dort seine allerliebste Gemahlin eine Fußmassage bereitete, dachte er heftig darüber nach, wie er es angesichts der immensen Probleme in seinem Reich schaffen könnte über Wasser zu laufen; denn dies erwartete das Volk von ihm.

Diese prachtvolle Zeremonie hatte großen Eindruck gemacht und das zerstrittene Reich vielleicht auch in der Person des andersartigen, neuen Königs geeinigt. Viele Führer kleinerer Staaten boten ihm ihre Hilfe an, nicht zuletzt auch deshalb, um an seinem Glanz teilzuhaben; wobei sie vergaßen, dass sie selbst bis zum Hals in Schwierigkeiten steckten.
Dies alles bedenkend, schien der enorme Aufwand der Feier berechtigt, der nach heutiger Währung 120 Millionen Dollar betragen haben dürfte.

K. A. 20. I. 20009
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Ja, wen könntest du wohl damit meinen...hm hm?

doska (04.02.2009)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Ein Urlaub zu dritt - Inhaltsangabe  
Die Schattenkönigin  
Lara  
Nur ein Traum?  
Von Skalvö, dem Troll  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De