117


5 Seiten

Fridolin verschläft

Kurzgeschichten · Frühling/Ostern · Für Kinder
© Arnika
„Uaaah!“ sagte Osterhase. „Was für ein Winter!“ Dabei drehte er sich auf die andere Seite und schlummerte weiter. Er träumte von grünen Wiesen, blühenden Krokussen, Tulpen, Narzissen und weißen Schäfchenwolken. „Määäh,“ sprach ihn eines der Wolkenschäfchen an.
„Määäh! Willst du nicht aufsitzen, um auf meinem Rücken zu reiten?“
„Wie herrlich!“ jauchzte Osterhase.
Da flog er tatsächlich mit Schäfchen durch den blauen Frühlingshimmel. Unter ihm lag das Tal mit dem Wäldchen. Der Bach sprudelte lustig durch die grünbunte Wiese und am Rande erblickte er sein eigenes Haus. Eine Fahne weißen Rauches stieg zögernd zum Schornstein heraus. Ein Rest schlappen Schnees sonnte sich in der Dachrinne. Vor seinem Schlafzimmerfenster allerdings waren die Läden noch dicht verschlossen. Aber wer lärmte denn da?
„Osterhase! Meister Lampe! Hase! Fridolin!“
Als er mit Schäfchen über den Garten flog, sah er sie.
„Ach diese Bande!“ schimpfte Osterhase. „Da gönnen sie mir nicht einmal meinen schönsten Traum“
Ja da standen sie wirklich alle vor seiner Küchentür, Fuchs, Gänschen und Ganter, Hahn, Hühner, Küken und Entchen, beide Schafe mit ihren Lämmern ,sogar die kleinen Stadthasen, die eigentlich Kaninchen hießen, hatten sich eingefunden. Sie hämmerten, klopften und riefen, dass es ein Höllenspektakel war. Osterhase wurde so mürrisch, dass er beinahe aufgewacht wäre. Mit beiden Pfoten zog er sich die Hasenlöffel bis zur Schnuppernase. Doch Schäfchen war längst fortgeflogen. Vorbei war das fröhliche Bild der bunten Osterwiese, des springenden Bächleins und der Krokusse.
„Wiese? Bunt? Krokusse? Osterbunte Tulpen und Narzissen?“ ging es Hase durch den Kopf.
„Wach doch auf! Mach doch endlich auf!“ riefen die Tiere.
Osterhase sprang mit einem solchen Satz aus dem Bett, dass er sich die Stirn am Sessel anstieß. Aber nichts war so schlimm, wie der Schrecken, der ihm in alle Glieder fuhr. Er rannte durch die Stube zur Küche und weiter zur Küchentür und riss sie auf.
„Was? Welcher Tag? Wie viel Uhr?“ stotterte er in die Runde der herbeigeeilten Tiere. Sehen konnte er nichts, denn die Sonne schien ihm genau ins Gesicht. An der Stirn wuchs ihm eine dicke Beule.

Osterhase konnte sich wirklich auf seine Freunde verlassen. Die Hühner hatten bemerkt, dass er ihre Eier nicht holte. Sonst kam er schon Wochen vor Ostern und ermahnte sie, ja eifrig zu legen. Die Hühner hatten miteinander getuschelten. Irgendetwas musste dieses Jahr mit Hase geschehen sein. So beschlossen sie den Hahn zu fragen. Der hatte sich an seinem Hahnenkamm gekratzt, in den Himmel, auf die Wiese und in den Mist geblickt.
„Mit Meister Lampe stimmt was nicht!“ krähte er, „Wir müssen nach ihm sehen!“
Hahn wusste natürlich, dass Osterhase Fridolin hieß, aber ‚Meister Lampe’ klang offiziell und hier ging es um etwas Bedeutungsvolles. Hühner müssen zu Ostern viele Eier legen und Hasen müssen zu Ostern die Eier holen. So gehört es sich.
„Aufladen!“ befahl Hahn.
Dabei sah er zu, wie die Hühnern eine Schubkarre besorgten und Ei für Ei behutsam hineinlegten. Kaum dass sie fertig waren, versammelten sie sich wieder vor Hahns Misthaufen.
„Abmarsch! Ordentlich und in Reih und Glied!“ kommandierte Hahn.
Damit setzte er sich an die Spitze des Zuges. Schubkarre und alle Hühner folgten ihm hinterher. Sogar die Küken, die sonst gar nicht gut hörten, kamen freiwillig mit.

Als sie an der Wiese vorbeikamen, blökten die Schafe eifrig los.
„Was gibt es denn?“ wollten sie wissen. Obwohl sie aus dem aufgeregten Hühnergegacker kaum etwas verstanden, begriffen sie schnell, dass mit Fridolin irgendetwas Furchtbares geschehen sein musste. – Na, ja, Hühner übertreiben ein bisschen. Es wird schon nicht so schlimm sein, wie das Federvieh befürchtet.

Fuchs räkelte sich vor seinem Bau am Waldrand in der Frühlingssonne. Da erreichten ihn seltsame Geräusche aus dem Tal. Neugierig setzte er sich auf die Hinterpfoten. Drei Besonderheiten fielen ihm auf. Erstens, war sein Freund Fridolin noch nicht aufgestanden, denn seine Fensterläden waren geschlossen. Zweitens aus Richtung Stadt kam ein ganzes Rudel Kaninchen gehoppelt. Drittens marschierte Hahn wie ein Marschall mit geschwellter Brust und wichtigtuerischem Gesicht vor einer eiergefüllten Schubkarre und seiner ganzen Hühnerschar her. Fuchs war klug, ein Stratege und wusste über fast alles bestens bescheid. Aber wozu schoben die Hühner eine Schubkarre voller Eier auf die Landstraße hinaus? Klar, es war Ostern und es wurden sehr viele Eier gebraucht. Aber bisher hatte Hase die immer selbst geholt. Hase ist überhaupt das einzige Tier, das von Hühnern freiwillig Eier bekommt, Fuchs geben sie keins, auch den Kaninchen nicht, nicht Iltis, nicht Marder, nicht Elster ….
„Ach, papperlapapp!“ rief Fuchs. „Hier gibt es ein Problem. Was haben die Hühner mit den Eiern vor und was haben Kaninchen damit zu tun?“
Mit einem Male stellte Fuchs sich auf seine vier Pfoten, streckte den buschigen Schwanz gerade aus, die Barthaare spitz zur Seite und die Nackenhaare in die Höhe. Mit Fridolin, wie er den Osterhasen vertraulich nannte, stimmte was nicht. Mit der rechten Hinterpfote schubste Fuchs seine Bautüre zu und schnürte durch die Wiese auf die Landstraße hinab.

Die Hühner bekamen einen gehörigen Schrecken, als Reinecke Fuchs vor ihnen auftauchte. Hahn fasste sich als erster.
„Dies“, sprach er den Hühnerdieb an „ist eine Situation, bei der es auf den Zusammenhalt aller Tiere ankommt.“
Fuchs hockte sich vor Schreck auf die Hinterpfoten und bekam einiges von Hahns Rede nicht mit.
„Es ist eine Woche vor Ostern“, schnabelte Hahn weiter „ und Meister Lampe ist noch nicht einmal zum Hühnerhof gekommen“.
Fuchs grummelte es merkwürdig im Magen. Er war sich dabei nicht sicher, ob mehr aus Appetit auf eine Portion Federvieh oder eher aus Sorge um seinen Freund, der schon den ganzen Winter bis in den Frühling hinein schlief.
„Papperlapapp!“ herrschte Fuchs das Hühnervolk an und setzte sich noch vor Hahn an die Spitze des Zuges. Ab und zu drehte er sich um, wobei er die Hühner mit
„Noch alles in Reih und Glied?!“ anraunzte.
Dabei achtete er aber weniger auf die Hühner, als vielmehr auf den hoch aufgestapelten Eierberg. Und wie das so ist, wenn man immerzu angemahnt wird, tatsächlich stolperte ein Huhn, die Schubkarre geriet ein ganz klein wenig ins Schwanken. Das aber reichte, um eines der Eier mit einem lauten Platsch auf dem Boden aufschlagen zu lassen.
„Daaas hab ich gehört“, keifte Fuchs, lief zur Schubkarre und schleckte Eigelb und Eiklar in Windeseile auf.
„So eine Schweinerei, kann man nun wirklich nicht auf der Landstraße liegenlassen.“
Damit setzte er sich wieder an die Spitze des Zuges. Die kleine Zwischenmahlzeit hatte er nun wirklich nötig gehabt. Endlich konnte er klar denken. Und er machte sich echte Sorgen um Fridolin.

An der großen Kreuzung trafen sie mit den Kaninchen zusammen. Genauer gesagt, traf niemand mit den Kaninchen zusammen. Diese hatten nämlich Fuchs als den Anführer der Hühner erkannt. Schnell reimten sie sich eine wilde Geschichte zusammen. Bestimmt hatte Fuchs die Hühner mitsamt Hahn und Eiern gekidnappt. Hase lag wohl gefesselt und geknebelt in seinem Hasenhaus. Iltis und Dachs werden ihn bewachen. Auch die beiden wollen von dem dreisten Raub profitieren. Nun Kaninchen waren so fantasiebegabt. Aber sie waren auch fest entschlossen, dass sie selber dieser Räuberbande nicht in die Hand fallen wollten. Also drückten sie sich so fest es ging auf den Boden der Wiese. Ihre Augen weiteten sich auf Kaninchenart und die Schnupperbarthaare witterten aufgeregt in alle Winde.

Doch der Wind hatte Fuchs längst verraten, dass eine ganze Horde zartesten Kaninchenfleisches in der Wiese lag. Gut dass er gerade seinen Magen gefüllt hatte. Ansonsten hätte er vielleicht den Kopf verloren und eines der lieben Freunde als Mittagsmahl gejagt. Aber so fauchte er die ängstlichen Stadthasen nur an.
„Kommt heraus, ihr feiges Pack!“ brüllte er,
„Es gibt wichtigeres zu tun, als den Tag im Grünen zu verschlafen! Schließt euch an, wir müssen nach Meister Lampe schauen!“
Die Kaninchen begriffen, dass die Angst ihnen etwas vorgegaukelt hatte. Fuchs war diesmal kein Hühner- und Eierdieb und Hase hatte er auch nicht gekidnappt. Ja, ja, auch die Kaninchen machten sich Sorgen um den Osterhasen. Für gewöhnlich kam er drei Wochen vor Ostern, spätestens, um mit ihnen die Verteilung der bemalten Eier zu bereden. Klar, dass ein Hase allein an Ostern nicht alle Osterneste der Welt bestücken kann. Da braucht er Helfer, viele Helfer. Hasen und Kaninchen vom Lande halfen, manchmal auch Hühner und Strauße. Die Stadtkaninchen trugen die Eier dann in ihrer Umgebung aus. Sie waren nun mal wie geschaffen dafür. Immerhin kannten sie sich am besten in ihren Straßen aus, hatten gelernt, auf den Verkehr zu achten und wussten, wo die Kinder wohnten. Schon das ganze Jahr über hatten sie nach geeigneten Verstecken gesucht und freuten sich, wenn sie nur daran dachen, welchen Spaß die Kinder beim Suchen haben.

Mittlerweile waren auch Vögel, Mäuse und Schnecken auf die Karawane aufmerksam geworden. Es sprach sich schnell im Tal herum, dass mit Osterhase etwas nicht stimmte. Nun fiel auch jedem auf, dass er noch nicht aus seiner Winterruhe gekommen und die anderen Wiesenbewohner begrüßt hatte. War er nun krank oder fortgezogen? Oder war gar etwas Schlimmeres geschehen. Wer konnte, schloss sich dem Zug an, wer nicht, zog mit den Schnecken hinterher.

Endlich gelangten sie an Fridolins Haus. Der Garten lag verlassen da. Kein Beet war umgegraben, kein Pflänzchen gegossen. Alle Fenster waren mit Läden verriegelt. Doch oben stieg feiner Rauch zum Schornstein heraus. Osterhase musste also zu hause sein und zwischenzeitlich seinen Ofen geheizt haben.
„Osterhase! Hase! Fridolin! Meister Lampe!“ schrien sie alle durcheinander, krähten, pfiffen, gackerten, blökten und tirilierten. Die vorne standen schlugen gegen die Küchentüre, andere liefen ums Haus und versuchten durch die Ritzen der Fensterläden zu spähen. Plötzlich stand Meister Lampe in der Tür. Ganz erschrocken sah er aus und drückte mit der Pfote auf eine dicke Beule, die auf seinem Kopf wuchs.
„Was? Welcher Tag? Wie viel Uhr?“ stotterte er in die Runde der herbeigeeilten Freunde.
Ach waren die Tiere froh, dass er nur eine Beule hatte.
„Hast du etwa verschlafen?“ lachte Fuchs ihn an.
Da blickte Osterhase etwas verschämt.
„Das macht doch nichts!“ riefen nun alle Tiere und mussten ebenfalls lachen.
„Wir helfen dir schnell.“

Nun, in den nächsten Tagen waren die Stadtkaninchen und beinah alle Tiere des Tales mit Abschrubben, Auspusten, Kochen, Malen, Verzieren und Wachsen beschäftigt. Einige bauten Nester, andere wickelten Eier ein. Die Kaninchen planten mit Hilfe des Fuchses, wie sie alle Ostereier am besten verteilen. Ostersamstag, als alles erledigt war, gab Meister Lampe eine Feier mit Kuchen, Wiesentee, Musik und Tanz. Das ging bis zum frühen Morgen. Dann lud jeder Hase und jedes Kaninchen seinen Osterkorb auf, schaute noch einmal auf seinen Plan und hoppelten davon. Die Schnecken, die bis hundertdreiundzwanzig und einen halben Meter an Meister Lampes Haus herangekrochen waren, winkten ihnen freundlich Ade. Jetzt waren auch sie beruhigt. Alles ist gut und Ostern kann kommen!
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Nee is det süß. Eine wirklich drollige Ostergeschichte.

Evi Apfel (02.04.2010)

Grün auch von mir. Zwar hätten die Stadthasen ausgeholfen, aber ob die das nun so richtig gemacht hätten? :) Bezaubernde Ostergeschichte.

Petra (01.04.2010)

Gut, dass Fridolin geweckt worden ist, denn was wäre Ostern ohne Eier? Die ganzen Kinder würden weinen. Grün natürlich für den Hasen.

Jochen (01.04.2010)

Was für eine süße Ostergeschichte! Und alles ist so niedlich, kingerecht beschrieben.
Sehr gelungen finde ich und passt perfekt auf Ostern.

Liebe Grüße


Tis-Anariel (01.04.2010)

Welch eine herrliche Geschichte! Wundervoll geschrieben und so kindgerecht hübsch alles beschrieben - einfach wundervoll.

Jingizu (29.03.2010)

Das ist ja wirklich eine ganz entzückende Ostergeschichte, nicht nur für Kinder. Und da sieht man mal wieviel Mühe sich die österliche Tierwelt geben muss, bis wir zu unserem Eichen kommen. Essen wir es also mit Verstand, hehe.

doska (29.03.2010)

puh! gut, dass der osterhase jetzt doch kommt. ;))
und ich wusste gar nicht, dass kaninchen auch stadthasen heißen.
lieben gruß


Ingrid Alias I (29.03.2010)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Das Honigkerzlein  
Mottolalia  
Oktober  
Ladenschluss-Rap  
Frühlingsrinnen  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De