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3 Seiten

Die Farbe Schwarz. - I

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Er stand am Rand der Straße und sah hinüber. Er kannte das Haus, das gute alte Haus. Es roch, es roch so sehr, dass man es auf der Zunge schmecken konnte. Gabriel schob seine Hände tiefer in die Jackentaschen. Eine Tasche lag neben seinen Füßen. Nur eine Tasche, das war alles was von seinem Leben blieb. Es war alles darin. Sparsam und praktisch, als sei es einfarbige Kleidung. Und diese war schwarz. Dezent, schlicht, unscheinbar.
Mit schwarz machte man niemals was falsch. Es war zeitlos, weil sich alles darin verlor. Reiche Menschen trugen diese gerne und auch die Armen konnten sich das schwarz unter den Nägeln leisten.
Gabriel fühlte sich immer schon schwarz, seit er denken konnte und dies war auch die einzige Farbe die ihn kleidete. Er hatte einst eine Freundin, die ihm immer sagte, Türkis würde seine Augenfarbe unterstreichen. Er hasste Türkis. Schon der Klang der Farbe hatte etwas aufgesetztes Fröhliches.
Sein Kopf war schwer.
Er fragte sich, ob „Neues Spiel, neues Glück“ auf ihm zutraf? Er fragte sich, ob er auch wie das Haus riechen wird, mit der Zeit?
Das Haus hatte Charme, wenngleich es alt war und überwachsen von Efeu. Gabriel war hier als Kind öfter gewesen, doch die Besuche nahmen in all den Jahren mehr und mehr ab. Und man wurde sich fremd. Die Zeit schreibt jeden Tag Geschichten neu und setzt sie um.
Gabriel mochte keine Veränderungen, weil sie viel zu oft schlecht waren, als das man sagen konnte jeden Tag gewinnt jemand im Lotto und in der 3ten Welt sterben keine Kinder.
Tot, Endgültigkeit, das war etwas anderes. Man konnte niemals mehr zurück. Vergangen, Geschichte, Erinnerungen. Alles verblasst und selbst die Erinnerung trägt grau.
Er war Sohn des Pianisten Jasper Lewis und der Näherin Violett Sage. Er hatte keine Geschwister, keinen Hund und auch sonst hatte er nichts, das über eine Tasche hinaus ging.
Er fühlte sich arm. Doch seine Konten waren voll mit Geld.
Sie hatten an ihn gedacht, zumindest dies.
Der Staub hing an seinen Schuhen. Das grau wanderte bis zu Rand seiner Jeans, doch es berührte ihn nicht. Er wollte sich in dem grau auflösen und verschwinden. Alles hatte sich verändert und er mochte es nicht.
Gabriel griff nach unten und fasste seine Tasche. Er konnte sonst nirgends hin. Es war wichtig, dass er wieder zu leben anfing. Alles hinter sich zu lassen.
Gabriels Stiefel setzten sich in Bewegung und überquerten die Straße, um mit jedem Schritt zu vermindern, was einst gewesen war. Er wollte es nicht, doch er musste es tun.
Vor einer Stunde war er angekommen, an einem alten und grauen Bahnhof. Calw. Er hatte einen früheren Anschlusszug erwischt und war somit auch früher angekommen. Niemand war da um ihn abzuholen. Was 15 Minuten später sicherlich anders ausgesehen hätte. Gabriel wollte nicht warten und hatte sich einfach zu Fuß auf den Weg gemacht. Der Ort war klein und glühte in einem satten Herbstkleid. Die Modernisierung war noch nicht bis hier vorgedrungen, und erlaubte durch all die alten Bauten und vielen Grünflächen einen gewissen Charme, den Gabriel an einen kleinen Ort in England erinnerte. Er wusste nicht viel von diesem Ort, nur dass einst Hermann Hesse hier aufgewachsen sei. Nie vergaß er den Anblick, als er einmal im jungen Alter mit seinen Eltern über den Berg gefahren kam und er hinab ins Tal, auf Calw blickte. Es schien, als sei Calw inmitten eines Berges, in einem großen Loch. Eine riesige Wolke hing über dem Ort und Gabriel konnte von oben auf die Wolke blicken. Es war faszinierend. Er hatte sich in dieses Bild verliebt und er hatte es niemals vergessen können.

Gabriel öffnete ein großes, schweres Tor und trat hinein. Als er das Schloss einrasten lies, sah er nochmals von der anderen Seite hinaus. Es fühlte sich nicht an, als sei er nun gefangen. Es war anders. Als wäre das da Draußen eine andere Welt.
Gabriel drehte sich um, und marschierte den langen blattbedeckten Weg hinauf, Richtung Haus, das auf einem kleinen Hügel stand.
Auf dem Boden waren frische Reifenspuren klar zu erkennen. Es waren insgesamt 4, die immer wieder übereinander labten. Sie waren also wieder zurück vom Bahnhof. Er wunderte sich, warum sein Handy noch nicht geläutet hatte.
Das Haus war aus grauem Stein, robust und der Efeu war ein schickes Kleid. Er mochte es. Er sah die schwere alte Holztür und erkannte sie wieder. Die Gravuren darin hatten ihn damals schon fasziniert.
Noch bevor er den Vorplatz erreichte, öffnete sich die große Türe und eine Frau trat hinaus, und blieb dort stehen, ihn anblickend. Es kam ihm komisch vor. Er winkte ihr nicht und sie winkte ihm auch nicht. Er ging einfach weiter, und sah sie nur stumm an, bis er direkt vor ihr stand. Ihr Haar war ergraut und auch ihre Haut trug Zeichen. Doch sie war noch immer wunderschön und hatte rosige Wangen. Ihre schlanke Figur und ihre leicht wirkende Kleidung machte sie zeitlos.
„Hallo Tante Hanna.“
„Hallo Gabriel, komm doch erst mal herein.“ Ihre klaren blauen Augen lächelten, während sie zur Seite trat und ihn damit bat einzutreten.
Gabriel hatte keine Probleme an seiner Tante mit der Tasche durch die Tür zu treten. Die Tür war nicht riesig, dennoch war sie großzügig und wirkte dadurch noch prächtiger.
Das Erste das Gabriel in die Augen fiel war die grau-weiß gefleckte Katze, die ihm neugierig entgegen kam und schnurrend um sein Bein strich. Er traute sich kaum noch einen weiteren Schritt zu machen, aus Angst, vielleicht auf sie zu treten. Mit dem freien Bein drehte er sich mehr in das Haus und ging rückwärts hinein und stieß mit dem Rücken gegen was, so dass er überrascht stehen blieb und ein leises „Uhm“ von sich gab. Er spürte 2 Hände in seinem Rücken, und blickte seiner Tante überrascht in die Augen, die gerade die Tür geschlossen hatte, als er ein „Oh entschuldige.“ hinter sich hörte.
Gabriel drehte sich um und sah in die grünen Augen eines jungen Mädchens. Sie schien in seinem Alter zu sein und hatte ein schüchternes Lächeln:“Verzeihung.“
„Oh, nein nein, das ist meine Schuld, Verzeih.“, entgegnete Gabriel verlegen.
„Das ist Noa. Noa nimmt bei mir Klavierunterricht. Und das ist Gabriel. Er ist mein Neffe. Und er wird nun hier leben.“, stellte Hanna beide einander vor.
„Willkommen Gabriel. Es wird dir bestimmt hier gefallen.“, strahlte ihn Noa an, als ob sie ihm aufzumuntern versuchte, doch Gabriel wusste nicht, ob sie selber glaubte was sie sagte. „Ich werde dann mal gehen. War schön dich kennen zu lernen. Und danke Hanna für die Zeit.“ Noa nahm ihre Jacke und ging Richtung Tür.
„Hat mich auch gefreut.“, erwiderte Gabriel und blickte sie kaum an. Ja, sie war schön und sie gefiel ihm auch, aber er kannte sie nicht und im Moment stand ihm nicht der Sinn, sich auf jemand einzulassen.
„Machs gut Noa“, sagte seine Tante und wandte sich wieder an Gabriel und strich ihm dabei über den Arm:„Komm, ich zeig dir dein Zimmer.“
 
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Kommentare  

Danke euch.

Ja, das ist selbst geschossen und selbst bearbeitet.
Meine Hobbies sind unter anderem eben Fotografieren und Grafikdesign.
Auch dafür Danke.


fog of crows (M.R.) (16.11.2010)

Dieser romantische Text gefällt auch mir. Mann, ist das ein tolles Bild. Hast du das selbst geschossen?

Petra (16.11.2010)

Der Anfang war schonmal gut. Und nun bin ich auf die Fortsetzung gespannt.

doska (15.11.2010)

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