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3 Seiten

Der Geist aus der Lampe

Fantastisches · Kurzgeschichten
Shakira und ihre Amme standen, die eine an der Tür, die andere an der Lampe, wie zu Marmorbüsten erstarrt, waren schreckensbleich geworden und zitterten wie Espenlaub. Aischa, der Lampe am nächsten, fasste sich zuerst und flüsterte mit angstvoller Stimme: „Prinzessin, habt ihr das gehört? Das war der Geist! Was, um Himmels Willen, können wir jetzt tun?“
Die Prinzessin schritt mutig ins Gemach zurück, packte die Lampe am Haltegriff, zog die Lunte aus dem Luntenhals und goss das Lampenöl aus. Danach griff sie zu einem trockenen Tuch und begann die Lampe soweit sie kam in ihrem Inneren, trockenzureiben. Plötzlich entstieg dem Luntenhals ein weißer Nebel, so dass Shakira erschrocken die Lampe fallen ließ. Der geruchlose Nebel verdichtete sich zunehmend, senkte sich herab und löste sich langsam auf. Als er sich gänzlich aufgelöst hatte, stand da plötzlich ein Mann. Er war nur mit einem Lendenschurz bekleideter, schien sich in den besten Jahren zu befinden und bestach mit einer Glatze, auf deren Mitte ein mächtiges pferdeschwanzähnliches Haarbüschel prangte. Der Glatzköpfige kreuzte beide Hände vor der Brust, verneigte sich tief und ließ einen donnernden Bass erklingen:
„Ich bin der Dschinn dieser Lampe! Oh, meine Gebieterin, euer Wunsch ist mir Befehl! Befehlt, und ich werde euren Befehl erfüllen!“
„Der Lampengeist…!“ Die Prinzessin schrie es, wich mit schreckgeweiteten Augen vor dieser unheimlichen Erscheinung zurück und Aischa ergänzte trocken:
„…ist der Geist der Lampe!“
„Aber, was muss ich jetzt tun?“ Shakira schien immer noch wie gelähmt, doch sie löste sich mit Gewalt aus ihrer Angst, trat einen Schritt auf die Erscheinung zu und nahm all ihren Mut zusammen:
„So, du heißt also Dschinn, darf ich dich dann Dschinni nennen?“
„Wenn schon!“, brummte er gutmütig, „ich bin zwar ein Dschinn, und ein Dschinn ist in der Gattung „dienstbarer Lampengeister“ ein sehr hoher Rang, aber mit Dschinni kann ich schon leben! Ist ein toller Vorname, so etwas ist mir in meiner tausendjährigen Dienstzeit noch nicht untergekommen: Dschinn Dschinni!“
„Das klingt wie ein Longdrink, den man sich an einer Bar in Sultanstadt mixen lassen kann!“, kicherte Aischa übermütig.
Dschinni und Shakira richteten plötzlich ihren Blick, wie in stummer Übereinkunft, auf Aischa, und sahen sie gleichermaßen strafend an. Jedoch der Dschinn brach im nächsten Augenblick in ein dröhnendes Gelächter aus, das zuerst die Prinzessin und dann auch Aischa ansteckte. Sie konnten gar nicht wieder aufhören zu lachen und lachten und lachten, bis es Shakira mit einer deutlichen Handbewegung und ernstem Gesicht unterbrach:
„Sag mal Dschinni“, fragte Shakira kühn und etwas ketzerisch, „warum hast du denn dem alten Schah den Dienst verweigert?“
Der Flaschengeist glotzte die Prinzessin ungläubig an und erklärte erstaunt: „Dienst verweigert? Ich habe während meiner ganzen Karriere als Flaschengeist noch keinem Besitzer nicht den Dienst verweigert!“
„Aber wie konnte es dann geschehen, dass der Schah trotz seiner grenzenlosen Möglichkeiten, die er durch dich schließlich besessen haben muss, derart verarmte, dass er die Lampe in die Pfandleihe geben musste?“
„Das kann ich dir erklären, oh meine Gebieterin, der alte Tattergreis vergaß schlichtweg, wie man die Lampe bedient. Dann fädelte er noch eine Lunte ein, goss Petroleum darauf und zündete sie an. Nicht mal ich fand heraus, warum er das tat. Schätze, er wollte Licht damit machen. Das war ein Gestank in meiner Heimstatt, nur gut, dass er zuletzt auch noch vergaß, wie man Feuer macht, so trocknete das Petroleum ein und der Gestank verzog sich so nach und nach!“
Der Dschinn nickte bedächtig mit dem Kopf und schaute die Prinzessin um eine Antwort heischend an: „Also, da kann ich mir keinen Reim drauf machen“, entfloh es Shakira!
„Ich schon“, ereiferte sich der Geist, „der Alte leidet nämlich unter Alzheimer und so vergaß er nicht nur mich, sein Alter und seine Gebrechlichkeit, sondern auch, dass sein Bestreben in seinem gesetzten Alter eine Prinzessin zu freien, vollkommen unmöglich war. Bei euerm Vater, dem Sultan über alle Maoniter, wäre sein Buhlen und Bemühen fast von Erfolg gekrönt gewesen, wenn, ja, wenn er nicht eine Tochter gehabt hätte, die genau weiß, was gut für sie ist!“
Shakira lächelte still und beschämt in sich hinein, fing sich aber gleich wieder und fragte mit herrschaftlicher Strenge:
„Gibt es noch mehr über den Alten zu berichten?“
„Nicht viel“, erklärte der Dschinn, „nur, dass der Alte nicht so ein Scheusal ist, wie ihm immer nachgesagt wird. Er ist also kein Heiratsschwindler und Mitgiftjäger, sondern einfach nur ein alter und verwirrter Mann!“
„Gut, dass die Geschichte endlich vom Tisch und auch mein Vater klug geworden ist. Passt auf, wir machen nun Folgendes: Aischa! Wir haben noch tausend Dinge zu tun! Und du Dschinni, du verdrückst dich wieder in deine Flasche, denn du wirst Vaters große Überraschung werden..!“
 
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Kommentare  

So sah die Sache also mit dem Schah von Persien in Wahrheit aus. Schecklich für den Dschinn, dass seine tolle Zauberlampe so missbraucht worden war. Aber jetzt kommen anscheinend bessere Zeiten für ihn .

Gerald W. (27.04.2012)

Shakira weiß sich immer mehr zu helfen und Aischa ist ihr treu ergeben. Auch der Dschinn scheint froh endlich wieder einem vernünftigen Menschen begegnet zu sein. Doch wo ist Mukhtar?

Else08 (24.04.2012)

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