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Der Bankräuber

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
„Du nervst mich!“ schrie er und holte sich die vierte Büchse Bier aus dem Kühlschrank. „Eines Tages werde ich es dir zeigen!“ Er fläzte sich vor den Fernseher, klickte wahllos über die Selbstbedienung und flippte das Bier auf. Sie sortierte die Hemden und klappte das Bügelbrett zusammen.
„Du willst mir doch nicht erzählen, dass du noch nicht einmal nebenher einen Gelegenheitsjob finden kannst!“ sagte sie, während sie die Wäsche im Schrank verstaute. „Dein Bruder ist sogar mit dem Fahrrad rüber in die Villengegend gefahren, hat Haus für Haus abgeklappert und nach Aushilfsarbeit gefragt; Gartenpflege, kleine Hausreparaturen, Wege säubern, alles Mögliche; hauptsache es kommt ein bisschen mehr Geld ins Haus und du hängst nicht den ganzen Tag hier rum…!“ Sie schaute ihn geringschätzig an. Er wird seinen Hintern nie hochkriegen, denkt sie, und eines Tages wird sie mit Willi auf und davon gehen und diese Hanswurst sich selbst überlassen!
„Ich hab‘ keine Ahnung von Gärtnerei! Oder soll ich vielleicht den Reichen ihre Scheiße wegfegen?!“ Geschickt warf er die leere Bierdose in den Müllbehälter. „Und mein Bruder Willi? Wenn ich das schön höre! Willst dich wohl an ihn heranmachen? Ihr hängt ja schon dauernd zusammen!“
„Ich will gar nichts!“ wich sie aus. „Ich will nur, dass du endlich arbeiten gehst und Geld ins Haus bringst! Wie, das ist mir völlig egal…!“
„Soll ich vielleicht 'ne Bank überfallen?“ schrie er sie an.
„Großmaul!“ sagte sie resigniert. „Dein Mut reicht nicht mal, um im Supermarkt ne Salami zu klauen!“
„Ich werd’s dir zeigen!“ schrie er und rannte ins Schlafzimmer. In ihrer Wäsche suchte er ein paar Nylonstrümpfe, unter dem Kissen angelte er die Gaspistole hervor. Dann knallte er die Haustür zu und fuhr mit dem Motorrad weg.
'Er hat wieder mal seinen Anfall', dachte seine Frau. 'Soll mir recht sein. Wenn er nur nachher Ruhe hält und nicht wieder randaliert‘.
Rastlos fuhr er durch den Ort, kippte sich im Goldenen Anker noch zwei Pils rein und schmiedete Pläne. Eine Bank überfallen? Keine schlechte Idee! Rein in die Bank und ein paar Geiseln die Knarre vorhalten, die Nylons über dem Kopf und der Kassiererin einen Zettel hinschieben: „Das ist ein Überfall! Keinen Alarm! Keine Polizei! Alle Scheine hier in den Plastiksack! Sonst gehen die Geiseln hops!“ Lief das nicht in den Fernsehkrimis so ab? Aber beim Tatort bleiben die Bullen immer Sieger. Kein Wunder, denn die Tatort-Gangster sind Luschen ohne Mumm.
Trotzdem wurde er nachdenklich. Musste es gleich eine Bank sein? Warum nicht eine kleine Postfiliale hier bei uns in der Nachbarschaft? Die waren noch schlecht abgesichert und auf dem flachen Land konnte er sich besser aus dem Staub machen, als in den überfüllten Verkehrsstraßen der nahen Großstadt.
Mit dem Geld würde er…, zunächst ein Auto. Dann ab über die Grenze in den Süden. Ohne Sabine! Sie ist eine Nervensäge. Am Mittelmeer gibt es Weiber wie Sand am Meer! Spanien! Große Freiheit! Mein Bruder Willi? Ein Hungerleider! Ein Hinterstuben-Poet! Ein Spinner ohne Mut! Ich werde es allen zeigen! Vor allem Sabine! Sie wird mich nicht mehr Großmaul nennen! Es wird zu spät sein! Wer Geld hat, kann bestimmen! Geld verschafft Ansehen!
Er trank sein Bier aus, suchte das Kleingeld zusammen, zahlte und fuhr aufgekratzt und ziellos durch die Gegend. Bis plötzlich seine Chance direkt vor seinen Augen auftauchte…
*
Gegen Fünf hielt der Streifenwagen vor Sabines Tür. „Ihr Mann hat einen Raubüberfall begangen und wurde dabei schwer verletzt!“ erklärte der Streifenführer.
„Das darf nicht wahr sein!“ rief Sabine. „Also doch…?!“ Ihre Überraschung schien echt zu sein. „Wo? Was? Hat er eine Bank...?“
Die junge Polizistin grinste beinahe ironisch. „Na ja, wenn Sie so wollen, dann war es eine Bank. Drüben im Stadtpark hat er auf einer Parkbank einer alten Oma die Handtasche weggerissen. Bei der Flucht ist er mit dem Motorrad an einen Baum gefahren. Jetzt liegt er in der Notaufnahme vom Kreiskrankenhaus…!“
 
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Kommentare  

Und ich dachte, er klaut gar nichts. Hat mich zum Schmunzeln verführt.

Evi Apfel (20.10.2012)

Ich hatte ehrlich bis zum Schluss hin erwartet, dass er eine Salami zu klauen versucht.

Jingizu (20.10.2012)

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