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Engel wie wir

Kurzgeschichten · Erinnerungen
Wenn ein Engel fällt, brechen ihm die Flügel.
Irgendwann sucht sich jeder Engel jemanden, auf den er aufpasst, den er wärmt, den er liebt.
Er tut alles, um denjenigen glücklich zu machen, damit derjenige ein gutes Leben führt.
Aber ab und zu ist der Engel nicht stark genug für denjenigen, den er sich ausgesucht hat.
Ihm brechen die Flügel und irgendwann läuft er davon, wird wie jeder andere und vergisst, was er gewesen ist. Wer er gewesen ist.
Jeder Engel hat eine andere Fassade, jeder hat seine Fehler, keiner von ihnen ist perfekt.
Aber sie sind gut. Sie unterscheiden sich von uns anderen, indem sie sich selbst niemals aufgeben.
Außer wenn man sie kaputt macht.
Mein Engel steht an der Bushaltestelle und inhaliert den Zigarettenrauch tief in seine Lunge.
Er beginnt zu husten.
Ich stehe weit entfernt, ich habe ihn verloren. Ihn kaputtgemacht.
Neben ihm steht ein anderer, der war wie ich, bevor ich jemand anders wurde. Jemand besseres, wie ich hoffe. Jemand, der probiert gut zu sein.
Engel rauchen, natürlich tun sie das, jeder tut das. Aber dieser Engel wollte es nie tun. Hat sich selbst versprochen, es nie zu tun.
Als er fiel, fielen auch seine Versprechen.
Vielleicht hatte ich zu viel erwartet. Vielleicht ist es normal, dass sie sich ändern, anfangen sich selbst aufzugeben, wie wir alle es tun.
Vielleicht sind all diese Vorwürfe falsch.
Aber ich habe nie jemanden kennen lernen dürfen, der so gut ist, wie er.
Er hat mir beigebracht, ich zu sein.
Durch mich hat er es verlernt.
Ich kann nicht loslassen, und sehe dem Rauch, den er wegpustet hinterher.
Vielleicht sollte ich wieder diejenige werden, die ich vor ihm war.
Ich habe ewig nicht geraucht.
Neben mir steht diejenige, die dort immer steht, die immer da ist, wo ich sie brauche.
Sie reicht mir wortlos die Zigarette, liest meine Gedanken.
Ich nehme sie. Halte mir das qualmende Ding vors Gesicht. Atme die rauchige Luft ein.
Lasse sie fallen. Das bin ich nicht mehr.
Er kann sein, wer er will.
Aber ich werde immer den vermissen, der er war. Der Engel, der fiel.
 
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Kommentare  

Hallo Luna,

dieser Geschichte merkt man wieder an, dass du noch recht jung bist (oder die Geschichte schon etwas älter), denn hier geben sich jugendlicher Kitsch, emotionaler Überschwang und die dazu passende Sprache die Klinke in die Hand.

Das heißt nicht, dass diese kleine Geschichte schlecht ist. Sie gibt einen netten Einblick in jugendliche Gedankenwelt, trotzdem komme ich nicht umhin etwas zu schmunzeln. Unweigerlich werde ich hierbei an den vierzehnjährigen Jungen erinnert, der Rotz und Wasser heulend in meinen Armen lag, da die große Liebe seines Lebens, die einzig Wahre und einzig wichtige Frau für sein Leben nach zwei Monaten Beziehung Schluss gemacht hatte.


Jingizu (27.10.2012)

Finde ich auch das es irgendwo Engel gibt. Eine schöne Geschichte, dem kann ich nur zustimmen.

Amatör (27.10.2012)

Eine sehr schöne Geschichte, die nachhaltig bewiesen hat, dass es auch Engel gibt, die nicht frei von Sünde sind - in diesem Fall handelt es sich um die schwerwiegende Sünde des Rauchens.
Besonders gefallen hat mir auch dein sehr gefühlvoller Schreibstil.
LG. Michael


Michael Brushwood (27.10.2012)

Du kannst so gut schreiben!
Wie du deine Gefühle ausdrückst und sie untermalst!
Perfekt!


Any *sentire* (27.10.2012)

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