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2 Seiten

Vorsätzlicher Mord

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Die Polizei hatte meine Mutter wieder freigelassen. Mutter war zu klein und zu schwach, um die kräftigen tödlichen Schläge ausführen zu können. Außerdem hatte sie ein Alibi. Zur Tatzeit war sie bei Tante Luise im Nachbarort, hatte dort übernachtet und sich wieder einmal ausgeheult.
“Er hat uns das Leben zur Hölle gemacht", sagte meine Mutter, als ich mit ihr am Küchentisch saß. "Aber einen solchen brutalen Tod -, ich weiß nicht ...!"
Ich konnte nicht begreifen, wie Mutter auch nur einen Funken Mitleid haben konnte. „Wir haben uns oft seinen Tod gewünscht und sogar verrückte Pläne geschmiedet!" sagte ich deshalb und Mutter antwortete "Ja! Das ist wahr! Aber zwischen wünschen und ausführen ist eben doch ein entscheidender Unterschied! Wir beide sind jahrelang durch die Hölle gegangen, aber eher gewöhnt man sich an die Hölle, bevor man den Teufel umbringt..."
'Ja!' dachte ich. 'Eher gewöhnt man sich an die Tyrannei, als rechtzeitig den Tyrannen auszuschalten. Das war bei Hitler und Konsorten nicht anders als bei meinem Alten!' Und um Mutters Erinnerung aufzufrischen, sagte ich: "Weißt du noch, wie wir das mit dem Gift planten?" Wir wollten Unkrautvernichtungsmittel mit dem Medikament mischen, dass er sich jeden Tag spritzen musste. "Oder die Sache im Italienurlaub?" Naiv hatten wir geplant, in der Bahnhofsgegend von Neapel einen berufsmäßigen Killer anzuheuern; aber dann waren wir verirrt herumgelaufen und nur arbeitslosen Trottel oder begriffsstutzigen Illegalen, aber keinem coolen Mafia-Profi begegnet. Du meine Güte, wie muss es um eine Familie stehen, um auf solche absurden Gedanken zu kommen?
"Ich weiß!" sagte Mutter und legte müde ihre Hand auf meinen Arm. "Aber jetzt hat sich das erledigt! Wir werden neu beginnen!"
"Ja! Denke nicht mehr daran ...!" sagte ich. "Du hast genug gelitten!" Ich wollte Mutter nicht noch mehr Sorgen bereiten und sagte: "Jetzt haben wir endlich Ruhe, und das ist die Hauptsache!"

„Und du musstest alles mit ansehen und anhören, meine Kleine!" sagte Mutter. "Mit deinen knapp fünfzehn Jahren!" Sie seufzte. "Wer kann ihn denn erschlagen haben?"
"Ist doch egal!" sagte ich. "Darum soll sich die Polizei kümmern! Irgend so ein hergelaufener Saufbruder, mit dem er gezecht und vielleicht Spielschulden gehabt hat! Der ganze Ort weiß doch, dass er keine Freunde aber jede Menge Feinde hatte!"
Die Polizei hatte auch mich vernommen. Aber ich war cool geblieben. Jürgen hatte mich um Acht mit der Honda nach Hause gebracht. Mutter war nicht da. Der Alte saß im Grünen Baum und zechte und ich wusste, was mir wieder blühen würde, wenn er nach Hause kommt und alleine mit mir ist.
Ich hatte uns den Nudelauflauf in der Mikrowelle aufgewärmt, danach hatten wir im Wohnzimmer auf dem Sofa geknutscht. Jürgen wollte mehr. Ich sagte, ich hätte meine Tage, mir sei nicht gut und ich müsse früh ins Bett. Beim Wegfahren gegen zehn machte Jürgen mit seinem Schlitten gehörigen Krach. So etwas bleibt bei uns in der Siedlung nicht unbemerkt. Frau Mateijka schräg über uns lag noch fett und breitarmig im dunklen Fenster, als Jürgen weg war und ich ins Haus zurückging. Sie konnte schattenhaft sehen, wie ich mich auszog, ins Bett stieg und die Glotze anmachte.
Der Fernseher lief bis gegen Vier. Das hat die Mateijka der Polizei bestätigt. Ich war vor dem Fernseher eingeschlafen, als die Polizei mich weckte. Die Müllmänner hatten den Alten tot hinter der Stadtmauer gefunden. Anscheinend mit einem Hammer erschlagen. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen, zog mich an und wir begannen Mutter zu suchen, konnten sie aber nicht finden.
Abends ging ich zum Tatort zurück und angelte den Hammer aus dem Kanaldeckel. 'Ich, deine Tochter, ich war drei Jahre lang deine Hure! Erst hast du Schwein mir Geld gegeben! Schweigegeld! Dann hast du mir gedroht! Ich kleine Göre hatte eine höllische Angst vor dir! Wie kann man nur vor einem miesen Waschlappen wie dir so lange Angst haben? Wie konnte ich nur jemals vor einem armseligen Wicht wie dir zittern? Von dem, was du Mutter angetan hast, einmal ganz abgesehen! Aber meine Wunden werden erst verheilen, wenn du im Grab verfault bist!“
Ich steckte den Hammer in meine Handtasche und überlegte, wo ich ihn endgültig entsorgen könnte. Drüben am Eingang zum Park hielt ein Polizeiwagen. Zwei Uniformierte und die Kommissarin, die mich heute morgen schon vernommen hatte, stiegen aus und kamen langsam auf mich zu.
 
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Kommentare  

Na ja, um die Zukunft der Kleinen muss man ja auch Angst haben. Immerhin hat sie einen vorsätzlichen Mord begangen, der kurz vor der Aufklärung steht, und nun kann man gespannt sein, wie Gericht und Behörden unter Berücksichtigung der Umstände und nach dem Jugendstrafrecht entscheiden. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich der Phantasie der Leser überlasse.

Michael Kuss (28.11.2012)

Dramatisch, da bekommt man am Schluss deiner Story direkt Angst um die Kleine. Klasse Story.

Evi Apfel (28.11.2012)

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