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3 Seiten

Immer Du

Trauriges · Kurzgeschichten
Lächelnd umarme ich dich zur Begrüßung und wuschel dir durch deine blonden Locken. „Lass das“, sagst du lachend und alles ist so als würden keine 6 Monate vergangen sein seit wir uns das letzte Mal verabredet haben. Damals war es warm und die Sonne schien. Jetzt ist es kalt und dunkel und wir wollen den Sommer zurück. Eis essen, Trampolin springen, Horrorfilme schauen und wach bleiben bis die ersten Leute frühstücken.
Durch die Kälte laufen wir zum Supermarkt, einkaufen für die bevorstehende Nacht. Die Kälte spüre ich kaum, denn du lenkst mich ab und ich vergesse all die Dinge, die mich bedrücken. Du und ich, wir sind die einzigen Menschen, die Eis so sehr lieben, dass wir nicht mal bei -30° darauf verzichten würden. Bei den süßen Verführungen wissen wir genau was wir wollen, in dieser Hinsicht sind wir so gleich: salzige Chips, saure Würmer und Eis und ansonsten keinen Plan für die nächsten 10 Minuten. Vor dem Eisschrank piekse ich dich in die Hüfte und du hüpfst zur Seite, direkt in eine Frau, die daraufhin ihre Einkäufe fallen lässt. Ich breche in Gelächter aus, während ich beginne die Sachen der Frau vom Boden aufzuheben. Bevor sie sich mit ihren aufgesammelten Einkäufen zur Kasse entfernt, wirft sie mir noch einen wütenden Blick zu. Aber kaum ist sie verschwunden, gehst du zum Gegenangriff über, aber ich lache nur und du ziehst mich in deine Arme. Ich genieße jeden Augenblick dieser trauten Zweisamkeit und während ich mein Gesicht in deiner Schulter vergrabe, vergesse ich, dass ich einen Freund habe. „Welches Eis wollen wir?“, fragst du und öffnest die Kühltruhe. Gleichzeitig greifen wir nach dem gleichen Becher und unsere Finger berühren sich. Es durchzuckt mich und mir wird schmerzlich bewusst, dass ich mich zusammenreißen muss. Du nimmst das Eis und lächelst mich an.
Auf dem Weg zu dir laufen wir dicht nebeneinander, nur wenige Millimeter trennen uns. Zwischen uns ist zu wenig Distanz für Freundschaft und zu viel für mehr. Oft habe ich versucht zu dir durchzudringen, aber wirklich gelungen ist es mir nicht. Ich lernte andere Leute kennen und nach den Ferien war zwischen uns plötzlich eine unüberwindbare Distanz. Du hast mich belogen, dich selbst belogen. Du hast gesagt, es sei nichts. Und ich wusste nicht, wen ich wollte. Dich oder Leo. Denn eigentlich wollte ich alleine bleiben. Auch ich habe mich damals erfolgreich selbst belogen und habe Leo gewählt.
Bei dir setzen wir uns in deinem Zimmer auf dem Boden und reden. Ich erzähle dir, dass Leo mich nervt, dass ich seine arrogante Art hasse. Wie sehr ich es verabscheue, dass er kein bisschen Selbstironie hat. Wie anstrengend es ist, wenn er nicht bemerkt, was er tut. Wie überheblich es ist, wenn er sich über andere das Maul zerreißt und keine Ahnung hat. Du hörst mir zu und munterst mich auf, lenkst mich ab.
Irgendwann liege ich in deinen Armen und ich wünsche mir, für immer hier liegen bleiben zu können. Wir können nicht schlafen. Wir küssen uns. In diesem Moment wird mir bewusst, was ich seit Monaten versucht habe zu verdrängen. Es warst immer du und es wirst immer du sein. Wenn ich die Wahl hätte, ich würde mich immer für dich entscheiden. Ich weiß, dass du mich verletzen wirst. Aber ich habe mich schon längst darauf eingelassen. Mit dieser Gewissheit schlafe ich ein.

Drei Monate später haben wir uns seit fast drei Wochen nicht gesehen, ich war in Rom und du in Amerika. Ich bin sauer auf dich, wir wollten uns treffen und von dir kam mal wieder nichts. Seit Wochen frage ich mich wieso ich mir das antue, aber ich weiß es nicht. Wahrscheinlich, weil ich noch immer die Hoffnung habe, dass es sich ändert.
Bei einem Freund haben wir uns kurz gesehen und du sagtest, dass wir uns am nächsten Tag wahrscheinlich treffen würden, aber du hattest noch nicht mal gefragt, ob du Zeit hast. Um kurz vor Mitternacht kommt dann die Nachricht, dass es doch nicht geht und wir uns dann in der nächsten Woche sehen würden. Seit dem hast du dich nicht mehr gemeldet und die Wut in mir wird von Tag zu Tag größer. Irgendwann reicht es mir und ich schreibe dich an. Du bist verwirrt, schreibst du und ich frage weshalb, obwohl ich die Antwort bereits kenne. Du bist dir nicht mehr sicher wegen deiner Gefühle und es tut dir Leid ist dein Antwort. Ich will dich anschreien, dir sagen, dass du endlich damit aufhören sollst mich zu belügen, denn es tut dir nicht Leid. Es ist dir egal, wie so vieles.
Doch stattdessen antworte ich nur, dass ich mir das dachte und stelle ein paar Fragen. Du schreibst eine ganze Menge Schwachsinn und irgendwann reicht es mir. Ich sage dir, dass ich nicht sauer bin, weil du keine Gefühle mehr hast, sondern weil mich dein Verhalten ankotzt. Ich sage dir, dass es sich anfühlt, als seien ich und unsere Freundschaft dir komplett egal und dass dieses Gefühl da ist, seit wir uns kennen. Du sollst dir überlegen, ob dir etwas an mir liegt und dir was einfallen lassen, um es wieder gut zu machen.
Ich bin dir nicht egal und ich war dir nie egal ist deine Antwort. Ich möchte es dir so gerne glauben, aber ich kann nicht, ich weiß, dass du mich belügst, wie immer. Du sagst du musst etwas ändern. Wenn du das tust, dann kann ich dir glauben. Und ich hoffe, dass du etwas änderst, denn ich will dich nicht verlieren.
In den nächsten Tagen und Wochen warte ich auf irgendwas, aber nichts passiert. Und jeden Tag tut es ein bisschen mehr weh, denn jeden Tag glaube ich ein wenig mehr, dass ich dich verloren habe.
Jedes Mal, wenn ich einen Gedanken an dich verschwende, kneife ich mich. Der Bereich unterhalb meiner Brust und oberhalb meiner Hüfte ist geschmückt von unzähligen blauen Flecken und Blutergüssen.
 
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