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Gift

Kurzgeschichten · Winter/Weihnachten/Silvester · Erinnerungen
Es klingelt und mit dem öffnen der Tür weht ein kalter Wind die ersten Schneeflocken ins Haus. Wir umarmen uns und du drückst deine kalte Nase in mein Haar. Heute ist feiern angesagt.
Draußen gefriert mein Atem und der Geruch von gebrannten Mandeln und Mutzen erinnert daran, dass das Jahr fast vorbei ist. An der Schlittschuhbahn holen wir unser Grasmädchen ab. In ihrer Wohnung kochen wir Nudeln und trinken Wein, du zerkleinerst die Pollen. Wir drehen Joints und leeren die zweite Flasche Wein, dann die dritte.
Wir machen uns auf den Weg zur Party und rauchen den ersten Joint. Ich atme tief ein und spüre wie sich das Gift einen Weg durch meinen Körper sucht. Kaum sind wir angekommen wird der zweite Joint geraucht, dann geht es auf die Tanzfläche. Wir tanzen als wären wir allein, als wäre niemand da. An der Bar gibt es die erste Runde, wir fangen mit Tequila an. Gleich die zweite hinter, dann ein Stück Brot. Wir gehen raus und rauchen. Ich ziehe kräftig an meiner schlecht gedrehten Zigarette und spüre wie die Zellen in meiner Lunge sterben, spüre, wie das Gift meinen Körper angreift. So läuft es den ganzen Abend, tanzen,trinken, rauchen. Die Party ist langweilig, aber ich genieße die Augenblicke in denen ich zitternd in der Kälte stehe und den Rauch, das Gift, aus meinen Lungen in den Himmel puste. Bei der siebten oder achten Zigarette am Tag kotzt uns plötzlich das erste Absturzkind vor die Füße, sein Körper wollte das Gift loswerden.
Um kurz nach eins verlassen wir die Party, sie langweilt uns und wir laufen durch die verlassene Stadt, nur noch zu zweit, das Grasmädchen und ich. Ich genieße die Lichter, die Einsamkeit, dieses Gefühl, alles tun zu können ohne, dass irgendwer es mitbekommt, mitten in einer Großstadt.
Um zwei Uhr nachts klettern wir mit Rührei aufs Dach und ich genieße den Ausblick, oder probiere es zumindest. Ich habe Höhenangst, von Jahr zu Jahr wird es schlimmer. Mit zittrigen Händen drehe ich mir eine Zigarette und das ein- und ausatmen des Rauches beruhigt mich ein wenig. Und wie wir hier sitzen - so könnte es immer sein. Auf dem Dach sitzen, weit weg vom Boden und der Realität, dem Leben und Rauchen. Spüren, wie das Gift unsere Lungen zerstört.

Am nächsten Tag sitzen wir in dem Laden, in dem du arbeitest. Es ist kaum was los und ich warte darauf, dass mein Freund mich abholt. Ich habe die nach Rauch und Gras stinkenden Klamotten von gestern an. Wir langweilen uns und gehen hinter dem Laden eine rauchen. Es ist dreckig, überall stehen Mülltonnen und Abfälle vom Dönerladen gleich nebenan. Während ich einatme überlege ich wie viele ZIgaretten ich gestern geraucht habe, viele. Und mit denen der letzten zwei Wochen komme ich bestimmt auf 19, meine Lieblingszahl. Das wären mehr als in den letzten Jahren, seit ich meine erste Zigarette geraucht habe.
Kaum sind wir zurück im Laden kommt mein Lieblingsjunge auf mich zu und will mich küssen. Er hält inne und schaut mich an. Riechst du nach rauch? Vielleicht, antworte ich mit einem Grinsen. Ein wenig komisch schaut er mich an.

Auf dem Weg zu ihm drückt er mich gegen eine Hauswand und küsst mich.
Du schmeckst nach Rauch.
Ich weiß.
Fängst du jetzt damit an?
Nein, gestern war die Party, da ist es okay.
Okay. Rauchen... das schmeckt nicht, finde ich. Und es hat keine Wirkung. Man spürt nur, wie das Gift den Körper zerstört,wie es ihn kaputt macht.
Ja, das gefällt mir daran. Du spürst wie das Gift in deinen Körper dringt und sich seinen Weg sucht, wie es in deine Lunge gelangt und deine Zellen zerstört. Wenn du dir eine Zigarette anzündest, hast du Macht. Du kannst über Leben und Tod entscheiden. Jeden Tag.
 
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Kommentare  

Guter, kurzer Stil ohne Girlanden, der trocken die Leere "cooler" und abgefuckter Typen beschreibt und sich auf das Wesentliche beschränkt. Auch dein "Zeigefinger" ist nicht zu offensichtlich, sondern leicht versteckt. War angenehm zu lesen.

Michael Kuss (05.12.2012)

nein, allein ist sie eigentlich, das grasmädchen ist da. nur
rückt das mehr in den hintergrund, denke ich, da es eher
um die dinge geht, sie sie denkt und erlebt.


snow white (04.12.2012)

sehr gut geschrieben.
ich frage mich grade nur, ob sie jetzt die ganze zeit alleine ist und das 'Grasmännchen' nur in ihrem Kopf herrumgeistert


Sebastian Mortimer Grey (04.12.2012)

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