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Souterrain der Seele, Johanna Ringena, vierte Folge

Romane/Serien · Nachdenkliches
Als Amanda den Speisesaal betrat, wurde sie von Mme. de Beaufort, die sie Samira nennen sollte, freundlich begrüßt und den anderen Gästen vorgestellt. Amanda war die letzte und sie bekam einen Platz an der großen Tafel neben einem Mann in den Fünfzigern zugewiesen, der sich als William Kendall aus York vorstellte. An dieser Tafel, reich gedeckt mit Silberbesteck und edlem Porzellan auf blütenweißer Leinendecke, in der Mitte sommerliche Blumengestecke, saßen, Amanda mit eingerechnet, 10 Personen.

Das Entrée wurde aufgetragen. Amanda sah nun den Hausherrn, Hippokryte de Beaufort, der seine Gäste gekonnt, als wäre das schon immer sein Beruf gewesen, bediente. Er reichte jedem Gast einen angerichteten Vorspeisenteller, jedes Mal mit ein paar charmanten Worten, gerade auf den Gast zugeschnitten. Bei Amanda erwähnte er den wunderschönen alten Volvo, mit dem Amanda doch so viele Kilometer zurück gelegt habe.

Die Vorspeise bestand aus frischer gebratener Foi Gras an einer fruchtig süßen Sauce. Dazu gab es noch warmes Baguette, dessen braune Kruste leicht zerbrach und einen süßen Wein.
Ihr Tischnachbar William versuchte, Amanda zu unterhalten und sie ging darauf ein, indem sie fragte, ob er denn alle diese Gäste kenne. William bejahte und erzählte, dass er schon seit einer Woche hier sei. Amanda war im Nachhinein ihrer Erziehung sehr dankbar, dass sie beide Sprachen, Englisch und Französisch, wenigstens so beherrschte, dass sie Gespräche des Alltags gut bewältigen konnte.
Sie lauschte Williams Erklärungen, fragte manchmal nach und allmählich gegann sich ein Bild von der Gesellschaft, die sich an dieser Tafel versammelt hatte zu formen.
Und so erfuhr sie zwischen Foi Gras, Pintades aux tomates, dass ihr gegenüber Dr. Lucien Fabre und seine Gattin Claudine saßen. Beide waren Mitte vierzig, schlank, elegant, etwas steif, zurück haltend. Lucien musterte Amanda intensiver als ihr lieb war und Claudines Fassade konnte Amanda nicht über eine unglückliche Seele hinweg täuschen. Daneben, zur Linken, saßen zwei Männer zwischen 45 und 50 Jahren, Paul Ré und Max Girodot, die im Frebruar dieses Jahres in Matha, einem kleinen Ort in der Nähe, geheiratet hatten.
William erzählte über die einzelnen Personen ruhig und in diskreter Lautstärke in seiner warmen englischen Sprache und Amanda fühlte sich wohl an diesem Tisch.
Nach dem Käse und dem Dessert, das aus einer wohlschmeckenden Crème Brulée bestand, spürte sie plötzlich eine bleierne Müdigkeit, eine Folge des guten, schweren Bordeaux-Weines und ihrer langen Reise. William war mit seinen Ausführungen noch lange nicht fertig, aber Amanda entschuldigte sich, nickte allen am Tisch zu, schob ihren Stuhl zurück und wünschte eine gute Nacht.
Es war spät geworden.

Durch das geöffnete Fenster floss die weiche Nachtluft des Sommers in ihr kleines Turmzimmer. Amanda lehnte sich weit hinaus, um diese Luft in sich aufzunehmen,diese klare Luft, vermischt mit dem Strahlen der glänzenden Perlen an einem majestätischen Himmel, der sich in gewaltiger Dunkelheit über ihr wölbte.
 
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