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Betrachtungen von der Flughafenterrasse

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
Ein zweistrahliger Learjet steht an der Startbahn und macht sich bereit zum Start. Es ist ein kleines Flugzeug, wie es von Geschäftsreisenden und Prominenten gern genutzt wird. Die zwei Triebwerke, rechts und links des Leitwerks brüllen über das gesamte Flughafengebiet, laut, wütend, zornig. Die stählernen Flügel, der ganze Körper des Flugzeugs erzittert.
Wer mag sich im Bauch dieses schreienden, stählernen kleinen Vogels befinden?
Sind es hochgestellte wichtige Personen, Geschäftsleute, Handelsvertreter, Vorstände, Firmenbesitzer, Künstler? Wen treffen sie, was wird verhandelt, welche Auswirkungen wird das Zusammentreffen solcher Persönlichkeiten am Zielort ergeben?
Die großen Brüder und Schwestern stehen hinter ihm, wartend, geduldig, bis vom zornigen Bruder ein letztes Zittern durch den Rumpf geht und er brüllend die Startbahn ins endlos ferne Nichts donnert, immer mehr beschleunigt, immer wütender, immer lauter, immer tobender, schließlich seine Nase hebt und steigt und steigt und steigt und sich alsbald verwandelt zu einem kleinen Punkt unter´m grenzenlosen Himmel…

Die großen Brüder und Schwestern indes strahlen Gelassenheit aus, Ruhe, Überlegenheit und doch so etwas wie Bescheidenheit. Bis zu 800 Menschen nimmt der wuchtige A 380 auf, die neue gestreckte Version der Boeing 747/8, in nichts der eindrucksvollen Größe und Massigkeit ihres vorderen Bruders nachstehend, fasst immer noch die Hälfte, beide brummen nurmehr während sie sich gemächlich dem Anfang der Startbahn nähern, gemächlich die riesigen Hecks drehen, dann ein langgezogenes Röhren und der Doppelstöcker hebt sich schon nach kurzem hoch durch die Luftschichten dem Himmel entgegen, wird von der Wolkendecke aufgenommen, verhüllt.
Anmutig beschleunigt nun auch die riesenhafte Boeing, hebt völlig entspannt die Nase und verabschiedet sich mit einem zärtlich anmutenden, langgezogenem, heiteren Brummen vom Flughafen, der Stadt, dem Land, dem Kontinent um wie der Bruder ihrem Ziel entgegen zu fliegen.

Sie sind die unangefochtenen Könige der Lüfte. Sie müssen nichts beweisen, nicht brüllen, nicht donnern. Ohne Wut und Zorn, geradezu freundlich dienend tragen sie ihre tonnenschwere Fracht, befreit aus den Fesseln der Schwerkraft über die Tiefen der Erde.

Ende
 
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