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8 Seiten

Mortal Sin 2001- Blood Red Sky

Romane/Serien · Spannendes
© JoHo24
Dein Denken kann aus einer Hölle einen Himmel und aus dem Himmel eine Hölle machen.
- John Milton


Emilia Sophia McDermott befand sich in einer Art Dämmerzustand, in dem sie die Reize der Außenwelt nur gedämpft wahrnahm und deshalb nicht klar einordnen konnte, was Einbildung und was Realität war. Ihre Lider waren zaghaft angehoben und schufen so einen schmalen Spalt zu ihrer Umgebung.
Vor ihr bewegten sich Schatten im hellen Mondlicht, das sie blendete und ihr weh tat. Die Blondine presste die Augen fest zu und wollte nur noch in einen tiefen, traumlosen Schlaf fallen. Sie wollte die Bilder dieser Nacht vergessen, in denen sie zu ertrinken drohte. Unentwegt sah sie diesen Mann vor sich, auf den sie zweimal geschossen hatte. Ihre Hand hatte heftig und unaufhörlich gezittert, als sie die Waffe auf ihn gerichtet hatte.
Zu ihrem Glück und Entlastung ihres Gewissens hatte sie ihn nicht getötet, sondern ihm bloß einen Streifschuss und eine Kugel in den Oberarm verpasst.
Aber da es ihr zweiter Auftrag gewesen war und sie bereits einem Menschen das Leben genommen hatte, hatten ihre beiden Kollegen, die sie begleiteten, dementsprechend Professionalität und Erfolg von ihr erwartet. In ihren Augen war sie kläglich gescheitert; sie hatte versagt und Patton Massey, der grobschlächtige Ex-Soldat, war gezwungen gewesen einzuspringen, um ihren Fehler zu korrigieren.
Bei dem Gedanken an den Tod des Mannes biss sie sich kräftig in die Oberlippe und ihre Eingeweide verknoteten sich. Er war getötet worden. Er hatte nicht fliehen können, wie sie es gehofft hatte, als sie sah, wie er trotz allem noch durch das Fenster gestiegen war. Ihr Kollege hatte ihn erwischt und sich so richtig vorgenommen, nachdem er sie bei Navarro Henstridge abgeladen hatte.
Navarro. Augenblicklich hoben sich ihre Lider und sie scannte aufmerksam den Raum nach dem Schwarzhaarigen. Er war nicht hier, doch im nächsten Zimmer war das Licht an und es erklangen dumpfe Geräusche. Emilia überfiel ein Zittern, als sie an seinen Angriff gegen sie dachte. Wie mechanisch führte sie die rechte Hand an ihren Hals und ihr stiegen die Tränen in die Augen. Ihr Kollege hatte sie gnadenlos überrumpelt und anschließend gewürgt und zwar so lange, bis sie keine Luft mehr bekommen und beinahe das Bewusstsein verloren hatte. Navarro hatte ihren Tod riskiert und stoisch in Kauf genommen, was sie schockierte. Natürlich war ihr bewusst, dass sie keine Freunde waren oder sich gut verstanden, aber immerhin waren sie Kollegen, die zusammenarbeiten und sich nicht gegenseitig töten sollten.
Wahrscheinlich sah er das anders, besonders, nachdem sie den Auftrag versaut und Patton und ihn in Schwierigkeiten gebracht hatte. Dazu kam die vorangegangene Situation zwischen ihnen, die Emilia absichtlich provoziert hatte. Mit dem Kuss wollte sie ihn in seine Schranken weisen und aufzeigen, dass auch er ein Mensch war. Navarro leugnete dies gerne und ließ den eiskalten Killer raushängen, dem niemand etwas anhaben konnte.
Sie hatte es als ihre Pflicht angesehen ihm eine Lektion zu erteilen, die unmissverständlich war und sein Ego angriff. Dass ihre Aktion dermaßen nach hinten losgehen würde, hatte sie allerdings nicht erwartet. Die Blondine ärgerte sich selbst über ihre Naivität in Hinblick auf Navarro; einen gefährlichen Auftragskiller, der sie mit einer erschreckenden Leichtigkeit fertig machen konnte, was er ihr vorhin eindrucksvoll bewiesen hatte. Wie hatte sie auf die Idee kommen können ihn dermaßen vorzuführen? Und wie hatte sie ernsthaft glauben können glimpflich aus der Sache rauszukommen?
Dumm, dumm, dumm, ging es ihr durch den Kopf. Ich habe mit meinem Leben gespielt, weil ich dachte, dass ich ihm überlegen sei. Dabei bin ich eine blutige Anfängerin, die mit den knallharten Anforderungen dieses Metiers nicht zurecht kommt und ihr Dasein hasst. Ich verachte mich. Ich verachte meinen Kollegen und das wollte ich ihn spüren lassen. Mein Vorhaben habe ich jedoch mit Schmerz und Todesangst bezahlt. Ein viel zu hoher Preis für…
Ihr Gedankengang brach ab, als sie auf einmal Schritte vernahm. Emilias Herz pochte heftigst, denn seine schemenhafte Gestalt erschien im Türrahmen, was seine Rückkehr ankündig-te. Überstürzt warf die Blondine die Decke zur Seite, die er über sie geworfen hatte, setzte sich auf und wollte davonlaufen, doch sie war unverändert nur mit einem Höschen bekleidet und…
„Willst du etwa schon gehen, McDermott?“, fragte Navarro zynisch und durchkreuzte somit endgültig ihren Fluchtplan. Sie stetig im Blick näherte er sich und nahm ihr gegenüber auf dem niedrigen Wohnzimmertisch Platz. In seinen Händen hielt er eine dampfende Tasse, die dem Duft nach zu urteilen Kräutertee enthielt.
„Du solltest in deinem instabilen Zustand noch hier bleiben. Ich habe dir auch einen Tee ge-macht.“ Demonstrativ hielt er ihr die Tasse entgegen, die sie mit Skepsis beäugte. Seine penetrante und widerlich anmutende Fürsorge war ihr unheimlich und versetzte sie in Alarmbe-reitschaft.
„Du hast etwas in den Tee getan“, war es eine Feststellung und keine Frage. Emilia war sich absolut sicher, dass dieser Dreckskerl ihr irgendwas in den Tee gemischt hatte, aber was? Ein Schlafmittel? Drogen? Gift? Navarro verfiel nach ihrer Unterstellung in hämisches Gelächter.
„Das ist das Absurdeste, was ich jemals gehört habe“, jappste er und bekam sich gar nicht mehr ein. „Soetwas würde ich niemals tun, McDermott, und weißt du auch warum?“
Gelassen stellte er die Tasse mit Tee neben sich auf den Tisch, ehe er seinen Oberkörper nach vorne beugte und ihrem Gesicht ganz nahe kam. Emilias Mund wurde staubtrocken und ihr Kinn zitterte.
„Ich gehe den direkten Weg. In diesen Genuss bist du eben gekommen bist, Schätzchen. So eine feige und hinterhältige Aktion, die du mir vorwirfst, ist nichts für mich und habe ich auch nicht nötig.“ Die Miene des Langhaarigen war gezeichnet von Wut und Empörung, denn er war beleidigt über ihren geäußerten Verdacht.
„Wer sagt mir, dass du nicht lügst?“, blaffte sie mutiger zurück, als sie sich gerade fühlte. Ihre Frage verführte ihn zu einem herausfordernden Schmunzeln.
„Ich schwöre dir, dass ich die Wahrheit sage. Ich bin ein ehrlicher Mann.“ Darauf hob er seine Hand wie beim Eid vor Gericht. Emilia verengte misstrauisch die Augen zu Schlitzen. Sie wusste rein gar nichts über Navarro Henstridge. Sie kannte und traute ihm einfach nicht.
Ihr anhaltendes Zögern brachte ihren Kollegen dazu einen anderen Weg zu beschreiten, um seine Ehrlichkeit unter Beweis zu stellen. Ohne ein weiteres Wort nahm er die Tasse und genehmigte sich einen großen Schluck. Emilia machte große Augen.
„Siehst du, McDermott? Es besteht keine Gefahr für dich.“ Kaum hatte er zu Ende gesprochen, da übergab er ihr die Tasse und wartete auf ihren nächsten Schritt. Die blonde Killerin blickte noch etwas scheu in den Tee, dennoch überwand sie sich und trank. Sogleich erfüllte ein angenehmer Geschmack nach Kräutern ihren ausgetrockneten Mund, was eine reine Wohltat war. Navarro war sichtlich zufrieden und lehnte sich wieder zurück.
„Ich habe mit Massey telefoniert“, erwähnte er dann eher beiläufig, als sei dies kein großes Thema, doch sein Blick enthüllte die Wahrheit. Seine braunen Augen sprühten Funken anlässlich der Informationen über den Ablauf des heutigen Auftrags.
„Wir haben darüber gesprochen, warum ich den Babysitter für dich spielen muss.“ Emilia war nicht wohl in ihrer Haut, als er sich ein weiteres Mal vorbeugte. Ihre Muskeln spannten sich an und machten sich bereit zur Flucht. Indes streifte Navarros warmer Atem ihre Wangen, was bei ihr zu einer Gänsehaut führte.
„Du hast Mist gebaut, Schätzchen“, zischte er erbost. „Wegen deiner mangelnden Erfahrung und deinem verfluchten Gewissen hast du uns alle in Gefahr gebracht. Wie kann man nur so dumm und unfähig sein, huh?! Scheiße, du stehst bloß wenige Meter vor diesem Kerl und schaffst es trotzdem nicht ihm das Hirn wegzupusten!!!“ Ungehalten verpasste er ihr eine saftige Ohrfeige, die ihren Kopf zur Seite warf.
„Du bist eine beschissene Anfängerin; eine schwache Frau, die sich von ihren Gefühlen be-herrschen lässt. Oh man, du hast heulend auf meiner Couch gelegen, einem Nervenzusam-menbruch nahe, und von deiner verlorenen Seele geschwafelt“, fuhr er abwertend fort, während sie vor Schmerz leise wimmerte.
„Ich habe verdammt noch mal keine Ahnung, warum du dich entschieden hast für William zu arbeiten oder warum er dich eingestellt hat. In meinen Augen hast du nämlich keinerlei Fähigkeiten oder Qualitäten, die dich zu einer Killerin machen. Du bist zu nichts zu gebrauchen, McDermott.“ Ihr Kollege gab ihr die alleinige Schuld. Sie war der Sündenbock, den es loszuwerden galt, damit er keinen weiteren Ärger machte.
„Der heutige Auftrag hat es gezeigt. Man kann sich nicht auf dich verlassen. Du wirst uns immer wieder Probleme machen und in Schwierigkeiten bringen und dazu habe ich keine große Lust, weißt du?“ Navarro neigte den Kopf und strich ihr eine Strähne ihres hellblonden Haares hinters Ohr. Automatisch zuckte sie zurück, um sich vor ihm zu schützen.
„Deine Fehler wird William dir nicht durchgehen lassen. Wir werden sie dir nicht durchgehen lassen“, drohte er ihr offenkundig und zückte aus heiterem Himmel ein Messer aus seiner Hosentasche. Navarro musste es in der Küche eingesteckt haben, als er den Tee für sie zubereitet hatte. Panik und Todesangst machten sich in ihr breit, doch sie wusste, dass sie nicht wie an-gewurzelt hier sitzen bleiben konnte. Der Langhaarige würde sie ansonsten für ihre Verfehlungen gnadenlos bestrafen.
In Bruchteil von Sekunden reagierte sie und schüttete ihm den noch warmen Tee ins Gesicht. Reflexartig ließ er das Messer fallen und schlug brüllend und fluchend die Hände vor sein Gesicht. Emilia nutzte das schmale Zeitfenster, das ihr bloß zur Verfügung stand, und schlüpfte rasendschnell in ihr Kleid. Dann rannte sie barfuss los. Zu ihrem Leidwesen war sie bisher nicht in Navarros Wohnung gewesen, weshalb sie orientierungslos nach dem Ausgang suchte. Je mehr Zeit verging, desto verzweifelter wurde sie, denn wenn er sie erwischte, dann…
„Du haust nicht ab, Miststück. Nicht, bevor ich mit dir fertig bin“, donnerte Navarros tiefe, hasserfüllte Stimme, was sie dazu veranlasste einen flüchtigen Blick hinter sich zu riskieren.
Mit großen, hastigen Schritten und mit dem Messer bewaffnet kam er auf sie zu und verringerte die Distanz zu ihr. Emilia nahm die Beine in die Hand und lief weiter den Flur entlang, an dessen Ende sie die Tür in die Freiheit vermutete.
Sie war schnell unterwegs, aber nicht schnell genug. Navarro erwischte sie und bremste sie abrupt aus, indem er einen Arm um ihre Taille schlang und sie auf den Boden schleuderte.
„AHHH!!!“ Emilia schrie spitz auf, als sie hart aufkam und einen scharfen Schmerz im Brust-bereich spürte. Jeder Atemzug peinigte sie, was auf eine oder sogar mehrere gebrochene Rippen hindeutete.
„Jetzt geht´s los, McDermott.“ Aus den Augenwinkeln nahm sie seine Silhouette wahr. Er war im Begriff sie erneut anzugreifen, doch sie wehrte sich mit gezielten und kräftigen Tritten gegen seinen Brustkorb und Kopf. Navarro taumelte stark im Gesicht blutend nach hinten und stolperte letztlich über seine eigenen Füße. Nun war er es, der sich in einer prekären Lage befand und diese Chance würde sie nutzen.
Unter starken Schmerzen rappelte sie sich auf und ging zu ihrem Kollegen herüber, der sich auf dem Boden wand. Ihre Aufmerksamkeit lag jedoch auf dem Messer, das unweit von ihm entfernt lag. Kurzerhand hob sie dieses auf und ehe er sich versah, setzte sie sich auf ihn und presste ihm die Klinge gegen die Kehle.
„Du hast Recht, Henstridge, jetzt geht´s los“, höhnte sie und ließ sich von Rachegelüsten leiten, die jede Zelle ihres Körpers infizierten. Sie würde diesem Scheißkerl überdeutlich zeigen, dass William sie aus guten Gründen zur Killerin ausgebildet hatte. Vergessen waren ihre Ge-wissensbisse, die sie bisher geplagt und in die Verzweiflung getrieben hatten. Ihm die Qualen, die er ihr zugefügt hatte, zurückzuzahlen, war momentan das Einzige, woran sie dachte und sie wirklich interessierte.
Zu ihrer Überraschung reagierte Navarro nicht mit Respekt oder Furcht auf ihre Aktion. Tat-sächlich strahlte ihr ein breites Lächeln entgegen, was nicht nur durch seine blutbefleckten Zähne etwas Irritierendes hatte.
„Wer hätte das gedacht? Die unschuldige Emilia hat eine dunkle und böse Seite“, frohlockte er mit glänzenden Augen und leckte sich gierig die Lippen. „Das gefällt mir.“ Er sah sie und das Messer an seinem Hals nicht als Bedrohung. Noch immer nahm er sie nicht Ernst und hielt sie für eine Lachnummer.
„Ach, das gefällt dir, ja?“, zischte sie bissig. „Dann kannst du gerne mehr davon haben.“ Kaltblütig fügte sie ihm einen langen Schnitt am Hals zu, der tief genug war, damit er Schmerzen litt und stark blutete, aber nicht so tief, dass sie ihn in Lebensgefahr brachte. Navarro verzog daraufhin das Gesicht und biss die Zähne zusammen. Emilia ließ nicht von ihm ab und schnitt ihm mehrfach über den Brustkorb, bevor sie ausholte und ihm das Messer mit voller Wucht in die linke Schulter stach. In diesem Moment hörte sie das erste Mal einen Schrei von ihm, der ihr ihre Macht und Überlegenheit bestätigte. Die blonde Killerin war auf den Geschmack gekommen und genoss die Qualen, die ihn unübersehbar zu schaffen machten.
„Du miese Schlampe“, knurrte er tollwütig, ehe er seine Kräfte mobilisierte und sie roh von sich herunter schob. In Sekundenschnelle tauschten sie die Plätze, denn Navarro setzte sich auf sie und erdrückte sie beinahe mit seinem Gewicht. Emilia blieb die Luft weg, wozu auch ihre gebrochenen Rippen beitrugen. Schockiert und angeekelt zugleich sah sie dabei zu, wie er sich, ohne mit der Wimper zu zucken, das Messer aus der Schulter zog.
Warmes Blut floss aus seiner Wunde und ergoss sich über ihr Gesicht. Vor ihren Augen entstand ein gefärbter Schleier, wodurch sie den Eindruck erhielt in einen blutroten Himmel zu blicken.
„Dich mache ich platt.“ Seine Stimme überschlug sich vor Aggressivität, was sie das Schlimmste befürchten ließ. Emilia wappnete sich innerlich bereist gegen einen nächsten An-griff, dem sie allerdings hilflos ausgeliefert war. Navarro hatte die Oberhand und dazu konnte sie nicht viel sehen, weil sein Blut sich in ihren Augen sammelte. Emilia musste sich dringend eine Strategie überlegen, wie sie ihn aufhalten und einer neuen Attacke entgehen konnte, an-sonsten würde es nicht gut für sie aussehen.
„Glaub ja nicht, dass du ungestraft davonkommst, McDermott. Ich…“
„Verschon mich mit deinen lächerlichen Drohungen, Henstridge“, fiel sie ihm ins Wort, weil sie sein Gelaber nicht länger ertrug. Sie hatte es satt. „Du hast gedacht, dass ich mich nicht zur Wehr setzen würde und jetzt willst du mich für deinen Irrtum bestrafen.“
Die Blondine schimpfte los und ignorierte die Tatsache, dass er das Messer; die todbringende Waffe in der Hand hielt und sie jederzeit abstechen konnte.
„Du schlägst mich. Du bedrohst mich. Du jagst mich!“, zählte sie martialisch auf und bemerkte dabei die zunehmende Irritation ihres Kollegen, der in ihrer Lage keine Gegenwehr von ihr erwartet hatte.
„Ich habe mich bloß geschützt. Ich habe mein Leben vor einem widerlichen Schwein, wie dir, gerettet und dabei gezeigt, dass man immer mit mir rechnen muss. Ich habe dir bewiesen, dass ich ernst zu nehmen bin und Qualitäten besitze, die William dazu bewogen haben mich aus-zuwählen.“ Emilia machte ihrem ganzen Ärger Luft und präsentierte ihm eine völlig andere Facette, als zu Beginn dieses Abends. Sie hatte sich aus dem Kokon der Schwäche und Hilflo-sigkeit befreit, um als Kämpferin hervorzugehen und Navarro die Stirn zu bieten. Jener war perplex und schien nicht zu wissen, was er sagen oder wie er reagieren sollte.
Die Blondine wartete ab, schwer atmend und mit dem Blick starr auf das Messer geheftet. Sie blieb trotz ihrer Ansprache weiterhin argwöhnisch und vorsichtig, denn sie traute dem Schwarzhaarigen nicht über den Weg.
„Du überraschst mich, Schätzchen“, gab er nach einigen Minuten Schweigen zu. „Vielleicht steckt in dir doch eine kaltblütige Killerin ohne Seele und Gewissen.“ Absichtlich und augenzwinkernd spielte er auf die Punkte an, die ein Reizthema für sie waren; die sie quälten und nicht schlafen ließen.
„Vielleicht bist du doch ein Teil von uns.“ Emilia entschied sich dafür still zu sein und nichts darauf zu erwidern, da er sich allem Anschein nach beruhigt hatte und von der Idee abgewichen war sie zu bestrafen. Und tatsächlich erhob sich Navarro, wodurch ihren Rippen das belastende Gewicht genommen wurde und sie im wahrsten Sinne des Wortes wieder aufatmen konnte. Trotz ihrer neu gewonnenen Freiheit blieb sie erstmal liegen und versuchte sich zu sammeln und das Geschehene zu verarbeiten. Erst jetzt bemerkte sie ihren rasenden Herz-schlag und ihre schweißnassen Hände. Während sie sich nicht rührte, entfernte sich Navarro und verschwand aus ihrem Blickfeld.
Dieser Umstand machte sie unsicher und nervös, weshalb sie sich auf die Seite drehte, was jedoch nicht ohne Schmerzen von Statten ging. Stöhnend stemmte sie sich nach oben und kämpfte sich in einen wackligen Stand. Sicherheitshalber stützte sie sich an der nächstgelegenen Wand ab und wartete, bis sich ihr Kreislauf stabilisiert hatte. Dann suchte sie nach ihrem Kollegen, der unweit von ihr an einem Türrahmen gelehnt war und sie nicht aus den Augen ließ. Er sah erschöpft aus. Hinzu war sein zerschnittenes, khakifarbenes T-Shirt mit Blut über-sät, das noch immer geringfügig aus seiner Schulterwunde floss.
„Du solltest dich wieder hinlegen, McDermott. Du siehst nicht gut aus“, meinte er mit einer Prise Sarkasmus und Hohn. Ihr entlockte sein letzter Ausspruch ein freches Grinsen und verleitete sie zu einem gehässigen Kommentar.
„Das kann ich dir nur zurückgeben, Henstridge. Du bietest einen furchtbaren Anblick.“ Auch er begann zu grinsen und strich sich das schwarze Haar aus dem erblassten Gesicht.
„Das kann ich mir denken. Wir beide sehen beschissen aus.“
„Und sind am Ende unserer Kräfte“, ergänzte Emilia und war verwundert, dass er ihr in diesem Punkt nicht widersprach. Sie hatte erwartet, dass er den starken Mann markieren und keine Schwäche zeigen würde.
„Ich sollte mich wohl um meine Schulter kümmern.“ Seine braunen Augen schweiften automatisch zu der blutenden Wunde, die sie ihm zugefügt hatte.
„Das solltest du tun“, stimmte sie Navarro trocken zu. Sie hoffte, dass er sie für die Versorgung seiner Verletzung alleine ließ und sie dann ungesehen von hier verschwinden konnte.
Unverständlich nuschelte er etwas vor sich hin, ehe er sich umwandte und um die nächste Ecke verschwand. Vermutlich war er auf dem Weg ins Badezimmer, um die Blutung zu stillen und sich ein frisches T-Shirt anzuziehen.
Die Blondine hatte bloß auf diesen Moment gewartet, daher verlor sie keine Zeit und eilte umgehend die letzten Meter des Flures entlang. Immer näher kam sie der Tür, die sie vorhin nicht hatte erreichen können, weil ihr Kollege sie gewaltsam daran gehindert hatte. Vorfreudig legte sie die rechte Hand um den Kauf, drehte ihn und öffnete die Tür.
Kühle Luft aus dem Treppenhaus strömte ihr entgegen und verstärkte das Gefühl der Freiheit.
Barfuss und mit Blutflecken übersät verließ sie endlich Navarros Wohnung. Sie machte sich keine großen Gedanken um ihre Schuhe, die sie zurückgelassen hatte oder ihr katastrophales Aussehen nach dem Kampf, denn die Dunkelheit würde ihr als Schutz dienen. Die Dunkelheit würde sie einhüllen, wie ein Mantel, und sie nach Hause geleiten. Die Dunkelheit war in die-sem Moment ihr Retter, was kaum zu glauben war. Denn die Dunkelheit war ihr erbitterter Feind, den sie nicht in ihr Leben oder Herz lassen wollte.
 
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