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9 Seiten

Mortal Sin November 2005- Dollface

Romane/Serien · Spannendes
© JoHo24
Man kann über Psychopathen sagen, was man will, sie neigen stets dazu den ersten Schritt zu tun.
- David Foster Wallace


Seine Kehle war völlig ausgetrocknet und schrie nach Flüssigkeit, weswegen er die Bar auf-suchte und sich einen Whiskey on the Rocks geben ließ. In Rekordzeit stürzte er den Alkohol herunter und bestellte sich gleich den nächsten Drink. Während er sich locker an den Tresen lehnte, schweifte sein Blick über die Gäste der Party und er dachte an die vergangene halbe Stunde.
Auf seinen Lippen spürte er noch immer die heißen Küsse Emilia McDermotts, die ihm den Atem raubten. Die Gedanken an die blonde Schönheit, die er vor knapp einem Monat auf einem Event, wie diesem, kennengelernt hatte, führten bei ihm zu einem überglücklichen Lächeln. Seitdem trafen sie sich regelmäßig, doch stets versteckt vor William Cunninghams Augen, weil vor allem Emilia Konsequenzen seitens ihres Bosses fürchtete. Sie wusste nicht, wie er auf eine Liaison zwischen einem seiner Geschäftspartner und einer Mitarbeiterin reagieren und welche Strafe sie erwarten würde.
Marcus Elijah Dubois störte dieser Umstand nicht, im Gegenteil. Die Geheimnistuerei; das Versteckspiel war für ihn spannend und anturnend. Er spürte in Emilias Nähe stets einen Hauch von Gefahr, was besonders ihrem Beruf zu verschulden war. Zwar bewegte er sich selbst hin und wieder in kriminellen Kreisen, aber einer Auftragskillerin war er noch nie zu-vor begegnet und so hatte diese zierliche junge Frau ihn in ihren Bann gezogen und auf eine Art seine Seele berührt, wie es niemand zuvor jemals getan hat.
Marcus Dubois schwebte in immer höheren Sphären, die ihn fantasieren und träumen ließen. Er hatte das Gefühl, als sei er auf einem Drogentrip, der ihm neue Welten eröffnete, die er neugierig und nach Lust und Laune erkunden konnte. Gerne hätte er sich weiterhin in diesen Ebenen bewegt, aber ein silbriges Licht, was er zunächst für eine Halluzination hielt, holte ihn zurück in die Realität. Sein Blick klärte sich und seine blauen Augen blieben an einer brünetten Frau hängen.
Sie war eine attraktive und aufregende Erscheinung, dessen Anblick und Aura ihn gefangen nahm. Sie hatte etwas Wildes an sich, gepaart mit Unschuld und Eleganz.
Leichtfüßig bewegte sie sich auf High Heels durch den Raum und steuerte ihn direkt an. Marcus war verwundert und fragte sich, wer sie war und was sie wohl von ihm wollte. Indes näherte sie sich Meter um Meter, bis sie nur noch eine Armlänge von ihm entfernt war. Erst jetzt fiel ihm die Schlüpfrigkeit ihres Kleides auf, das ihn mit seinen handbestickten mehrfarbigen Kristallen schier blendete. Ihre Arme und Beine wurden dabei bloß durch einen transparenten schwarzen Stoff bedeckt, der zusätzlich mit kleinen Glitzersteinen verziert war.
Trotz der unzähligen und aufwendigen Ornamente und Muster, die den Großteil ihres Körpers bedeckten und ihn ganz schwummrig machten, konnte er dennoch ihre Unterwäsche hervor-blitzen sehen.
Schnell ließ Marcus seinen Blick nach oben in ihr Gesicht wandern, dessen elfenbeinfarbene und ebenmäßige Haut ihn an das Porzellan einer kostbaren Puppe erinnerte. Er wurde völlig eingenommen von ihrem übermächtigen Zauber, der ihn der Fähigkeiten des Bewegens und Sprechens beraubte. Aus diesem Grund machte sie den ersten Schritt.
„Guten Abend, ich bin Ophelia Monroe.“ Sie hielt ihm ihre rechte Hand entgegen, die er, zu seiner eigenen Überraschung, ohne Verzögerung ergriff. Die Zartheit ihrer Haut und der sanfte Händedruck wollten nicht zu ihrer listigen Miene und ihrem starken Auftreten passen.
„Mein Name ist Marcus Dubois“, stellte er sich ihr mit einer gewissen Zurückhaltung vor, die er von sich selbst nicht kannte.
„Dubois? Vous êtes de France?” Die dunkelhaarige Schönheit wechselte ins Französische, womit sie ihn überrumpelte. Er hatte schon verdammt lange kein Französisch mehr gespro-chen.
„Oui…c'est vrai“, kramte er daher eher ungeschickt und spontan aus seinem mangelhaften Wortschatz hervor.
„Oh, un compatriote. Je suis enchanté“, antwortete sie in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit, die ihn überforderte und ihm zusätzlich die Kommunikation mit ihr erschwerte.
„Je ne parle pas bien français. Je préfère anglais.“ Dass er vor ihr sein Versagen zugeben musste, war für ihn eine Niederlage.
„Ach, das finde ich aber schade. Sie schlagen sich doch sehr gut, Mr. Dubois.“ Ihr Kompliment unterstrich sie mit einem entzückenden Lächeln, das ihm die Röte in die Wangen trieb.
„Danke, Miss Monroe“, entgegnete er, war aber dennoch froh wieder in Englisch weitersprechen zu können.
„Sie sprechen nicht viel Französisch, oder?“ Sie belegte ihn mit einem mysteriösen Blick, den er nicht deuten konnte und leckte sich dabei flüchtig über die vollen Lippen, was ihn im ersten Moment aus dem Konzept brachte. Sein Herzschlag erhöhte sich, wie auch bei seiner ersten Begegnung mit Emilia McDermott, doch dieses Mal fühlte es sich anders an. Marcus konnte sich nicht genau erklären, woran dies lag, aber er hatte ein ungutes Gefühl bei Ophelia Monroe. Es schien, als sende ihm sein Körper Warnsignale, weil ihm noch nicht ganz bewusst war, mit wem er es zu tun hatte und vorerst vorsichtig sein sollte. Ja, sie war ihm fremd, wie es auch Emilia gewesen war, aber es war eine völlig andere Art von Frau, die vor ihm stand.
„Durch meine Großmutter habe ich Französisch gelernt, doch über die Jahre habe ich es kaum genutzt und als sie dann verstorben ist, hatte ich keine Verbindung mehr zu dieser Sprache.“ Es schwang in seiner Stimme mehr Trauer mit, als beabsichtigt, was ihr nicht entging. Ophelia Monroe war eine kluge Frau, die ein Gespür für die unterschwelligen und unwillkürlichen Zeichen ihrer Mitmenschen hatte. Diese Tatsache verleitete ihn zu der Annahme, dass er in ihrer Anwesenheit gut auf seine Mimik und Gestik achten musste, wenn er ihr nicht ungewollt zu viel über sich verraten wollte.
„Der Tod Ihrer Großmutter tut mir Leid“, äußerte sie mitfühlend, aber die Eiseskälte ihrer blaugrünen Augen straften ihrer Worte Lügen. Marcus wurde argwöhnisch und beschloss das Gespräch zu unterbrechen, ehe die Situation für ihn noch unangenehmer wurde.
„Danke, Miss Monroe.“ Er setzte ein höfliches Lächeln auf, bevor er fortfuhr. „Es hat mich gefreut Ihre Bekanntschaft zu machen, aber ich habe morgen früh einen wichtigen Termin und muss deswegen leider schon gehen. Aufwiedersehen“, verabschiedete er sich kurz und knapp, was sonst nicht seine Art war, doch das hier war ein Notfall. Marcus wandte sich ab und war bereits im Begriff die Bar und somit auch Ophelia Monroe zu verlassen, als jene sich ihm urplötzlich in den Weg stellte, sodass er beinahe in sie hineingerannt wäre.
„Glauben Sie wirklich, dass ich Ihnen diese erbärmliche Ausrede abkaufe und Sie so einfach gehen lasse, Mr. Dubois?“, fragte sie ihn spitz und mit unterschwelliger Wut. Marcus war im ersten Moment perplex, bis auch bei ihm der Zorn die Oberhand gewann.
„Was zum Teufel wollen Sie von mir?“ Seine Stimme verwandelte sich in ein tiefes Knurren, das sie einschüchtern sollte. Allerdings löste er damit bei ihr eine ganz andere Reaktion aus: Sie verfiel in hämisches Gelächter, das ihm in den Ohren schmerzte und sein Ego ankratzte.
„Ich werde Ihnen mit Vergnügen sagen, was ich von Ihnen will“, sagte sie, nachdem ihr Lachen verstummt war. „Ich will wissen, was da zwischen Emilia und Ihnen läuft, Mr. Dubois.“ Die Brünette schien zu genießen, wie seine Gesichtszüge nach diesem Satz entglitten und das Entsetzen in seine Augen trat.
„Ich weiß nicht wovon Sie sprechen“, versuchte er noch verzweifelt die Sache zu leugnen, obwohl er genau wusste, dass sie ihn nicht so einfach davonkommen lassen würde.
„Tun Sie mir den Gefallen und sparen Sie sich diese miesen Versuche mir etwas vorzumachen. Damit beleidigen Sie bloß mich und meine Intelligenz.“ Ihre steigende Gereiztheit war weder zu überhören, noch zu übersehen. Marcus wurde überdeutlich klar gemacht, dass sie nicht zu Späßen aufgelegt war.
„Woher kennen Sie Emilia?“ Er entschied sich dafür erstmal keinerlei weitere Versuche zu unternehmen aus dieser bizarren und unerträglichen Gesprächssituation zu entkommen und ihren Absichten auf den Grund zu gehen.
„Sie ist meine Kollegin, Mr. Dubois“, verkündete sie stolz. „Ich arbeite für William Cunningham.“ Ophelia Monroe war also eine Auftragskillerin, was ihn nicht sonderlich schockierte.
„Das scheint Sie nicht zu überraschen“, fasste sie seinen Gedanken in Worte, was ihm bewies, dass sie eine Meisterin darin war, die Gefühls- und Gedankenwelt anderer Menschen im Bruchteil einer Sekunde zu entschlüsseln.
„Nun, Ihr Verhalten ließ darauf schließen“, entgegnete er trocken und gab sich größte Mühe ihr nicht erneut durch seine Mimik oder den Klang seiner Stimme etwas über sich preis-zugeben.
„Mich interessiert brennend, wie ich mich Ihrer Meinung nach verhalte.“ Die Killerin hatte die Lippen zu einem bitterbösen Grinsen verzogen, was ihm eine Gänsehaut bescherte. Marcus Dubois hatte sich selbst in eine missliche Lage manövriert und musste nun zusehen, wie er unbeschadet aus dieser wieder herauskam.
„Ihr Verhalten ist berechnend, abgebrüht und falsch“, gab er ihr unverfroren und ungeschönt zur Antwort.
„Dass Sie mich dermaßen böse einschätzen, schmerzt mich“, gab sie belustigt von sich, ehe sie mädchenhaft kicherte. Sie nahm ihre Aussage nicht einmal selbst ernst, was Marcus vor Augen hielt, dass sie mit Vergnügen ihre Spielchen mit ihm trieb.
„Dabei kennen Sie mich nicht einmal, Mr. Dubois.“
„Ich brauche Sie nicht zu kennen, um zu wissen, was für eine Art Mensch Sie sind. Ihr Beruf ist Beweis genug.“
„Tz. Tz. Tz. Und das kommt ausgerechnet von einem Mann, der mit dem Boss von Auftrags-killern Geschäfte macht“, höhnte sie mit hochgezogener Augenbraue. „Emilia ist auch eine Killerin, würden Sie dasselbe auch über sie sagen?“, kehrte sie höchst provokant zu dem Thema zurück, was sie am allermeisten interessierte und vermutlich der ausschlaggebende Grund war, warum sie ihn überhaupt angesprochen hatte. Er war in ihre gestellte Falle ge-tappt, worüber er sich maßlos ärgerte. Jetzt stand seine Beziehung zu Emilia auf dem Prüf-stand und wurde von ihr kritisch beäugt und beleuchtet.
„Ich würde nicht dasselbe über sie sagen. Emilia ist anders.“ Marcus übermannten in diesem Moment seine starken Gefühle für die blonde Auftragskillerin, was seine Stimme vor Erfurcht zittern ließ.
„Anders? Dass ich nicht lache“, kam es quietschend aus ihrer Kehle. „Sie können gar nicht objektiv und realistisch sein, weil Sie etwas für sie empfinden, Mr. Dubois. Dadurch sind Sie blind für Emilias Fehler und dunkle Seiten.“ Ophelia Monroe wollte einen Keil zwischen sie treiben; ihm weismachen, dass er Emilia nicht kannte und ihr deshalb nicht trauen konnte. Sie war perfide und ging mit Kalkül vor.
„Ich dagegen weiß genau, was für ein Mensch sie ist, denn ich arbeite seit zwei Jahren mit ihr zusammen. Wir beide führen ein Leben hart an der Grenze und sind uns dabei gar nicht so unähnlich“, begann sie ihre Rede. „Wir haben diesen Beruf nicht wegen der Bezahlung ergriffen. Geld spielt bloß eine untergeordnete Rolle, wissen Sie. Es geht um so viel mehr, das ein Außenstehender, wie Sie, kaum in der Lage ist zu verstehen.“ Sie legte eine Pause ein, in der sie ihn bisweilen eindringlich musterte, um keine Reaktion seinerseits auf ihre Worte zu verpassen.
„Dann erklären Sie es mir“, verlangte er fahrig, weil er ihr Getue nicht länger ertrug. Dennoch erhoffte er sich durch sie auch mehr Informationen über die Frau, in die er sich Hals über Kopf verliebt hatte. Auf ihren vollen Lippen zeichnete sich ein schakalhaftes Grinsen ab.
„Ihre Welt ist mit unserer nicht ansatzweise zu vergleichen, Mr. Dubois. Wir bewegen uns in den Schatten der Stadt, angetrieben von Adrenalin, der Gier nach Macht und der Sucht nach Blut und Elend. Wir arbeiten unter hohem Druck, Gefahr und Stress, denn von uns wird Pro-fessionalität und Perfektion erwartet. Jeder Fehler kann für uns selbst tödlich sein oder uns ins Gefängnis bringen. Mit diesen Gedanken gehen wir hinaus und töten. Wir tun das, was in unserer Natur liegt; wofür wir gemacht sind und was von uns verlangt wird. Und wir tun es mit Leidenschaft, Herzblut und Begeisterung.“ Ihre eigenen Beschreibungen wühlten sie auf und versetzten sie in Aufregung, sodass ihre Wangen von einem Zartrosa flankierten wurden und ihre blaugrünen Augen kraftvoll leuchteten.
„Ihre Liaison ist zum Scheitern verurteilt, Mr. Dubois. Wie Sie sehen, führt Emilia ein ganz anderes Leben, als Sie, und übt einen Beruf aus, der Liebesbeziehungen nicht vorsieht“, prophezeite sie düster und zeichnete ihm ein Bild des Verderbens. „Und da ist ja noch William, der nicht sonderlich angetan und begeistert davon wäre, wenn es ein Geschäftspartner mit einer seiner Killerinnen treibt.“ Zufrieden mit sich selbst stand sie vor ihm und zerstörte dreist und gewissenlos seine Hoffnung auf eine Zukunft mit Emilia. Sie vergiftete seinen Verstand und suggerierte ihm, dass er aus dem Leben ihrer Kollegin zu verschwinden hatte, was Mar-cus nicht dulden konnte. Dieses Miststück ging eindeutig zu weit und es war an der Zeit ihr die Grenzen aufzuweisen.
„Es ist genug!“, zischte er verärgert. „Es ist egal, was Sie mir sagen, es wird mich nicht von Emilia McDermott fernhalten.“
„Wie kann solch ein gutaussehender und kluger Mann dermaßen verblendet und naiv sein?“, fragte sie kopfschüttelnd und überging sein bedrohliches Auftreten. Er schreckte sie mit seiner Aggressivität nicht ab, sondern es spornte sie dazu an ihre Hände auf seine Brust zu legen und sich ihm zu nähern.
„Hat Emilia Sie etwa so durcheinandergebracht?“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Können Sie nur noch daran denken, wie sie vor ihnen steht, sie küsst und sich dann langsam auszieht…“
„Hören Sie auf!“, dröhnte er und packte sie grob an den Oberarmen. Gewaltsam drückte er zu, als wolle er ihr alle umliegenden Knochen brechen. Ophelia zeigte keinerlei Anzeichen dafür, dass er ihr Schmerzen zufügte, was ihn verrückt machte. Schließlich sollte sie Qualen für die Unverschämtheiten erleiden, die sie ihm gegenüber geäußert hatte.
„Warum sollte ich aufhören? Weil Sie nicht gerne die Wahrheit hören, Mr. Dubois?“, ächzte sie spöttisch und schürzte die Lippen. „Was kann ich dafür, wenn Sie sich selbst etwas vor-machen und nicht in der Realität leben?“
„Ich lebe in der Realität und weiß, was ich für Emilia empfinde. Sie haben kein Recht über unsere Beziehung zu urteilen und ihr ein baldiges Ende vorherzusagen. Sie haben kein Recht sich einzumischen.“
„Habe ich nicht das Recht mich um meine Kollegin zu sorgen?“ Bereits ihre affektierte Miene offenbarte ihre Heimtücke.
„Emilia ist Ihnen doch scheißegal, also spielen Sie mir nicht die fürsorgliche Kollegin vor“, blaffte Marcus die Brünette an, während die Griffe um ihre Oberarme sich automatisch verhärteten. „Sie können mich nicht täuschen. Ich falle nicht auf Ihre Tricks und Manipulationen herein.“ Daraufhin zog sie eine Schnute und neigte den Kopf.
„Denken Sie über mich, was Sie wollen, aber Emilia ist mir nicht egal. Und wissen Sie auch warum?“, fragte sie ihn, redete aber sofort weiter und gab ihm nicht die Möglichkeit zu antworten.
„Ich will ihr eine Enttäuschung ersparen, obwohl ich weiß, dass diese beinahe unumgänglich ist. Denn Männer bringen immer nur Probleme, allen voran Männer, wie Sie, die Frauen mit ihrem Charme um den Finger wickeln und man nicht auf den ersten Blick erkennt, was Sie im Schilde führen“, wurde sie das erste Mal in diesem Gespräch ernst. „Sie werden Emilia ver-nichten und ihr eine weitere tiefe Narbe zufügen, die sie sich bereits zur Genüge in unserem Metier zugezogen hat.“ Marcus begann unwillkürlich den Kopf zu schütteln, als wolle er ihr bedeuten, dass sie völlig falsch lag und ihm Unrecht tat.
„Ach, wenn ich Ihnen nur glauben könnte, Mr. Dubois“, wisperte sie lautlos. „Aber aus Erfahrung weiß ich, dass Männer hintergehen, täuschen und lügen, um zu bekommen, was sie wollen. Das war eine harte Lektion, die ich lernen musste. Emilia muss das nicht auch durchmachen, wenn es nicht unbedingt nötig ist.“ Aus ihr sprach der enorme Hass gegen die Männerwelt, der sich wohl über ihr gesamtes Leben in ihr angestaut hatte.
„Sie können mich nicht einfach mit all den anderen Männern vergleichen, klar? Nicht jeder von uns ist ein absoluter Dreckskerl, der die Frauen hintergeht“, ranzte er sie ungehalten an, um sich zu verteidigen. „Sie kennen mich nicht. Sie haben keine Ahnung von mir, meinem Leben und meinen Einstellungen!“
„Für Sie reichte mein Beruf aus, um mich einzuschätzen und zu verurteilen. Bei mir reicht der Blick in ihre faszinierenden blauen Augen. Sie verraten mir ihre wirklichen Absichten, die sie nicht mit ausgewählten und einschmeichelnden Worten verschleiern können. Sie mögen viel-leicht meine Kollegin hinters Licht führen, doch bei mir funktioniert das nicht.“ Ihre Hetze gegen ihn machte Marcus Dubois rasend, aber ein Gedanke setzte bei ihm noch einen drauf: Was war, wenn sie Emilia diesen ganzen Schwachsinn einredete und sie sich dann dazu entschied sich nicht weiter mit ihm zu treffen? Das würde er nicht ertragen. Er musste also endlich etwas tun und sie davon abhalten sich in das Liebesleben ihrer Kollegin einzumischen.
„Ich will, dass Sie Ihren Mund halten und Emilia und mich in Zukunft in Ruhe lassen, Miss Monroe!“
„Sonst was?“
Marcus entschied sich diesmal Taten, statt Worte sprechen zu lassen, denn dies schien die einzige Sprache zu sein, die sie verstand. Er ließ seine Hände sinken, aber nur, um ihr eine saftige Ohrfeige zu verpassen. Ophelias Kopf wurde unter einem lauten Knall zur Seite geworfen, was er genoss. Triumphal lächelnd sah er dabei zu, wie Blut aus ihrer Nase lief und wie in Zeitlupe auf die weißen Marmorfliesen tropfte.
„Ist das deutlich genug für Sie?“, wollte er selbstgefällig von ihr wissen. In diesem Moment schweifte ihr Blick zu ihm zurück, zeitgleich wischte sie sich mit einer Hand das Blut aus dem schönen Gesicht, um den einzigen Makel; die Unvollkommenheit zu entfernen.
„Vor Ihnen steht eine Auftragskillerin. Wenn sie tatsächlich glauben, dass ihr mickriger Schlag jemanden wie mich einschüchtert, dann sind Sie entweder furchtbar naiv oder haben komplett den Verstand verloren.“ Jetzt war sie am Zug. Jetzt war es an ihr Position zu beziehen, was sie auch eindrücklich tat.
Ohne Vorwarnung und in einer unmenschlichen Geschwindigkeit trat sie kräftig gegen sein rechtes Knie, sodass der hohe und spitze Pfennigabsatz ihres Schuhs sich in sein Fleisch bohrte und sein Bein einknickte. Marcus jaulte vor Schmerz auf, als er wortwörtlich vor ihr auf die Knie ging. Die Killerin hatte ihn überrumpelt und während er sich noch sammelte und mit seiner Wut und dem Schmerz kämpfte, schnappte sie sich kurzerhand ein Messer, das der Barkeeper kurz aus den Augen und auf dem Tresen liegen gelassen hatte, nachdem er damit eine Zitrone in Scheiben geschnitten hatte.
Kräftig presste sie dessen Klinge gegen seinen Mundboden und zwang ihn somit sein Kinn zu heben und sie anzusehen. Er legte so viel Abscheu und Hass in seinen Blick, wie es ihm mög-lich war, da ihm ansonsten nichts anderes übrig blieb. Ophelia war im Vorteil; sie hatte die Oberhand, was sie direkt nutzte, um ihm eine Ansage zu machen.
„Legen Sie sich niemals mit jemandem an, der Sie im Handumdrehen töten kann“, spie sie ihm entgegen. „Das könnte böse für Sie enden.“ Ohne ein weiteres Wort zog sie die scharfe Klinge über seine Haut und fügte ihm eine lange Schnittwunde zu, die höllisch brannte.
„Argh!“
„Das ist meine erste und letzte Warnung an Sie, Mr. Dubois. Machen Sie mir nie wieder irgendwelche Vorschriften“, sprach die Brünette streng und unterkühlt, bevor dieses Mal sein linker Oberarm dran glauben musste und von ihr malträtiert wurde.
„Erheben Sie nie wieder die Hand gegen mich.“ Daraufhin folgte kein weiterer Angriff mit dem Messer, sondern ein gezielter und heftiger Faustschlag in sein Gesicht, der ihm für einen flüchtigen Augenblick tatsächlich das Licht ausknipste. Marcus musste sich an einen nahestehenden Barhocker klammern, damit er nicht restlos zu Boden ging. Mein Gott, wie erbärmlich er sich fühlte!
„Ich werde Sie im Auge behalten, Marcus“, nannte sie ihm beim Vornamen, den sie sich förmlich auf der Zunge zergehen ließ. „Ihre Beziehung zu Emilia steht unter meiner Beobach-tung, also seien Sie vorsichtig.“ Im Anschluss legte sie das Messer wieder zurück und bestellte sich einen Martini, als hätte es die letzten Minuten nicht gegeben. Er stemmte derweil sei-nen Körper nach oben und fand langsam sein Gleichgewicht wieder.
„Ich glaube Sie können noch einen Drink vertragen“, meinte Ophelia und orderte für ihn ei-nen Whiskey bei dem Barkeeper, der ihr in diesem Moment den Martini brachte.
„Der geht natürlich auf mich.“ Sie bezahlte, ehe sie ihr eigenes Glas nahm und zuckersüß lächelte. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.“ Die Killerin wandte sich ab und verschwand so schnell aus seinem Sichtfeld, wie sie aufgetaucht war.
Erneut hatte Marcus Dubois einen Whiskey vor sich, als sei nichts passiert; als sei alles bloß Einbildung gewesen. Doch seine Schmerzen und die Erniedrigung waren real, sowie die Gefahr für seine Beziehung zu Emilia durch Ophelia Monroe, eine Frau, die zu allem fähig war.
 
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Kommentare  

Hallo Joho24,
ich bewundere immer wieder deinen sicheren Schreibstil. Auch diese Story liest sich locker runter und ist äußerst spannend. Es knistert nur so.
L.G.


axel (14.05.2020)

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