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8 Seiten

Die Kinder von Brühl 18/ Teil 3/ Die Russen und die Neue Zeit/Episode 8/ Die Lumpen-Pumpen und der Sturz in die Jauchegrube

Romane/Serien · Erinnerungen
© rosmarin
Episode 8

Die Lumpen-Pumpen und der Sturz in die Jauchegrube

Vor dem wuchtigen Holztor in der Hauptstraße 5 standen Helene, Wally und Erich mit seiner Verlobten Sybille in einer Reihe.
Karl saß auf der grünen Bank. In aller Ruhe rauchte er genüsslich sein Pfeifchen. Ihm zu Füßen lag Bello. Plötzlich stellte Bello seine Ohren auf und bellte wie verrückt. In diesem Moment sah Karl die Kinder und Else mit ihren Fahrrädern die Straße überqueren. „Sie kommen“, freute er sich.
„Rein in die gute Stube“, sagte Helene nach der Begrüßung. „Es ist so schön, euch endlich wiederzusehen. „Es hat sich so viel verändert. Seit Kriegsende.“
Klar hatte sich viel verändert. Seit Kriegsende. Als die Amis das Haus zerschossen hatten, weil sich das Dorf nicht ergeben wollte. Das taten dann Karl und Helene und sogar Wally. Eigentlich hatten sie damit Ziegelroda vor der Zerstörung gerettet. Doch darüber sprach natürlich niemand. Alle waren froh, mit dem Leben davon gekommen zu sein. Besonders die alte graue Katze, die damals vor Angst aus dem dritten Stock gesprungen war und sich nichts getan hatte. „Katzen haben sieben Leben“, sagte Helene. „Greift zu. Ich habe extra einen schönen Nasskuchen gebacken.“
„Hm. Kirschen“, freute sich Rosi. „Von der Obststreuwiese hinter der Bäckerei?“
„Genau“, sagte Wally. „Aber mäkel nicht wieder rum.“
„Sind da etwa wieder Würmer auf dem Kuchen?“ Rosi begutachtete das Stück auf ihrem Teller. Zufrieden stellte sie fest: „Kein Würmchen zu sehen.“
„Bei mir auch nicht.“
"Bei mir auch nicht.“
Jutta und Karlchen lachten übermütig.

Erich und Sybille hatten sich in die Ecke des blauen Plüschsofas gekuschelt. Ab und zu küssten sie sich und kicherten verschämt. Rosi hätte Erich fast nicht wiedererkannt. So verändert schien er ihr. Sie hatte ihn ja auch einige Jahre nicht mehr gesehen. Der Krieg hatte ihm ganz schön zugesetzt. Abgesehen von dem wandernden Granatsplitter im Bein, war er sehr abgemagert. Da halfen wohl auch Helenes gute Milch und Butter nicht mehr. Na, jedenfalls hatte er noch den Schelm im Gesicht, seine lustigen blauen Augen und die glatt nach hinten gekämmten, braunen Haare. Wie Karl. Ihr Vater.
Sybille sah aus wie immer. Blond, zierlich, anschmiegsam. Lieb. „Die richtige Frau für Erich“, hatte Helene mal gesagt.

Die alte Katze lag auf der Fensterbank. Zufrieden rekelte sie sich in der Nachmittagssonne. Bello, der damals die Panzer zuerst gehört und Helene und Karl mit seinem lauten Gebell nach draußen gelockt hatte, lag zu Karls Füßen.
„Ja, so war das“, sagte Karl, während er sich zum wiederholten Male seine Pfeife stopfte und der Duft des Tabaks die Küche in eine süßlichherbe Wolke hüllte. „Das Haus ist wieder aufgebaut. Fast schöner als vorher“, freute er sich. „Und alle im Dorf haben mitgeholfen.“

So verging die Zeit in der Guten Stube mit Erinnerungen und Plauderei. Die Gute Stube war natürlich die gemütliche Wohnküche. Die richtige Gute Stube war nur zum Putzen da. Oder, um sich einige Nippes hinter dem Glas der zwei alten Bauernschrankvitrinen anzuschauen. Neben der Guten Stube befand sich die Schlafkammer. In die passte nur das große Bauernbett. In dem schliefen Helene und Karl. Sie mussten also durch die Gute Stube laufen. Das heißt, wenn sie schlafen gingen. Und, wenn sie wieder aufstanden, um ihre Tagesarbeit zu verrichten. Durch die Gute Stube durften sie nur ohne ihre schweren Arbeitsschuhe. Schon vor der Haustür mussten sie ihre Filzhauslatschen anziehen.
Für die Besucher stand ein Korb mit Filzlatschen gleich links neben der Tür. Die Kinder durften barfuß bleiben. „Komischerweise färben die schmutzigen Füße nicht ab“, sagte Wally. Sie achtete penibel darauf, dass es im ganzen Haus blitzsauber war.

„So“, sagte Else, „jetzt muss ich aber los. Es ist doch schon ziemlich spät geworden.“ Und zu den Kindern gewandt: „Und ihr seid schön artig. Helft den Großeltern schön bei der Ernte. Und macht nicht so viele Dummheiten.“ Bei den Dummheiten sah sie Rosi eindringlich an. „Verstanden?“
Die Kinder nickten schnell mit den Köpfen. Else konnte ganz beruhigt sein. Sie würden schon keine Dummheiten machen. Sie waren ja zum Helfen da. Jetzt im Sommer. Wo die Ernte eingefahren werden musste. Zwar war jetzt auch Erich da. Aber der war nicht gesund. Er hatte ja den Granatsplitter in seinem rechten Bein und konnte wegen der Schmerzen nicht so viel arbeiten.
„Wenn der Splitter zum Herzen wandert, stirbt Erich“, sagte Helene mit Tränen in den Augen. „Er muss immer wieder zur Untersuchung ins Krankenhaus. Nach Roßleben. Ein Glück, dass wir hier auch eine kleine Arztpraxis haben. Da kann die Schwester ihm schnell eine Spritze geben.“ Helene sah Erich traurig an. „Wenn die Schmerzen zu stark werden“, fügte sie hinzu.
„Es geht schon“, sagte Erich. „Sybille ist ja auch für mich da.“ Erich sah seine Verlobte verliebt an. „Was Billy? Wir werden das Kind schon schaukeln.“
„Bekommt ihr etwa auch ein Baby?“, wurde Rosi hellhörig.
„Wie Mama?“, fragte Jutta.
„Und Frau Schwede“, sagte Karlchen.
„Nein, nein. Soweit sind wir noch nicht“, lachte Erich. „Was Billy?“
Billy nickte zustimmend und schwieg sich aus.

Nach dem Abendessen zeigte Wally den Kindern ihre Zimmer. „Ihr schlaft in dem Zimmer im zweiten Stock“, sagte sie. „Mein Zimmer ist gleich daneben. So habe ich euch immer im Blick.“
„Aber hier gibt es doch nur zwei Betten“, wunderte sich Rosi. „Oma hat gesagt: ‚Jedes Kind bekommt sein eigenes Bett‘.“
„Bekommt es ja auch“, lachte Wally. „Sei doch nicht immer so voreilig. Du schläfst im dritten Stock. Da gibt es jetzt noch ein Zimmer. Mit einem Bett ganz für dich allein. Genau neben Erichs Zimmer.“
„Und Sybille?“, wollte Rosi wissen. „Schläft die auch da?“
„Nein“, sagte Wally empört. „Wo denkst du hin? Die geht wieder nach Hause. Die sind doch noch nicht verheiratet.“
Schnell rannte Rosi eine Treppe höher. In ihrem Zimmer, das mehr eine Kammer war, ähnlich der in Brühl 18, stand ein altes Bauernbett unter einem winzigen Fenster an der schräken Längswand. Daneben ein Nachttisch. Und daneben ein riesengroßer Spiegel.
„Oh schön!“, freute sich Rosi. „Da kann ich mich ganz sehen.“
Rosi stellte sich vor den Spiegel und betrachtete sich ausgiebig von allen Seiten. „Naja“, sprach sie ihr Spiegelbild an, „niedlich siehst du schon aus. Aber auch ein bisschen frech.“
Der Spiegel war wirklich toll. Ohne einen Kratzer. Und das Glas nicht erblindet. Wie bei dem Spiegel vor dem Verschlag in Brühl 18.

*
Die Kinder hatten sich schnell an das Leben bei den Großeltern auf dem Bauernhof in Ziegelroda gewöhnt. Schon kurz nach Sonnenaufgang zwitscherten die Vögel. Die zwei Hähne krähten herrisch auf dem Mist. Die zwanzig Hennen scharrten und gackerten ununterbrochen. Direkt vor dem Haus. Getrennt durch einen ein Meter breiten Gehweg, der zu dem Kuhstall führte. Rechts daneben befand sich die Jauchegrube. Einige Schritte weiter das Plumpsklo mit dem Herzguckloch. Im Schweinestall, rechter Hand neben dem Eingangstor, quietschten die Schweine. Und im Garten hinter dem Haus schnatterten lautstark die Gänse und Enten.

„Aufstehen! Aufstehen!“, weckte Wally die Kinder. „Der frühe Vogel fängt den Wurm.“
Karl stand schon vor dem Haus. Aufmerksam schaute er in den Himmel. „Nicht ein Wölkchen zu sehen“, sagte er. „Ist der Juli schön und klar, gibt‘s ein gutes Bauernjahr.“
„Trifft dass immer ein?“, fragte Rosi, die sich neugierig neben Karl gestellt hatte.
„Ja“, erwiderte Karl. „Im Juli muss vor Hitze braten, was im September soll geraten.“ Karl schnupperte, wie ein Hund auf der Fährte, nach allen Seiten, um herauszufinden, woher der Wind weht. Dann sprach er weiter in seiner ruhigen Art: „Heute wird das Wetter wieder schön. Heute kann ich den Weizen weiter mähen. Auf dem Feld vor Hermannseck.“

Hermannseck kannte Rosi schon von ihren früheren Besuchen. Für Jutta und Karlchen war das beliebte Ausflugsziel allerdings neu und daher besonders interessant. Fast jeden Sonntag wanderten die Kinder dorthin. Manchmal auch Helene und Karl. Und natürlich Wally. Sie zogen dann alle ihre Sonntagssachen an, mit denen sie sozusagen den Sonntag heiligten. Und nicht den Samstag. Wie die Adventisten.
„Ihr seid Heidenkinder“, sagte Wally manchmal zu den Kindern.
"Wieso sind wir Heidenkinder?", wollte Rosi wissen.
„Weil ihr nicht getauft seid", erwiderte Wally. "Und alle Kinder, die nicht getauft sind, sind keine Christen. Also seid ihr Heidenkinder."
„Werden wir ja“, ärgerte sich Rosi. „Wenn wir groß sind.“
„Na, wart's mal ab“, lachte Wally. „Bis dahin fließt noch viel Wasser den Bach hinunter. Und, wie ich dich kenne, bleibst du ein Heidenkind.“
„Und wir?“, fragte Jutta.
„Ihr auch.“
„Ich nicht“, sagte Jutta. „Ich lasse mich taufen. Wenn ich vierzehn bin.“
„Ich nicht“, war Karlchen überzeugt. „Ich bleibe ein Heide.“
"Jedenfalls bleibt ihr bis zur Taufe Heidenkinder", beharrte Wally dickköpfig.

Das Schönste an Hermannseck war ein wunderschönes Tiergehege. Mitten im Wald. Im Ziegelrodaer Forst. In der Nähe der Gaststätte „Zur Jägerhütte“. Nicht weit davon entfernt, war das Schwimmbecken. Mit dem glasklaren, kalten Wasser. Neben einem schmalen Bach. In dem Schwimmbecken war Rosi damals sogar mit Norbert baden. Der konnte damals auch schon schwimmen. Ob der mit seiner Mutter noch in dem Dorf wohnt? Sie durfte ja nicht mit ihm spielen. Aber niedlich war der schon. Sie hatte sogar mit dem getanzt. Auf einem Kinderfest und sich in dem Tiergehege die Tiere angeschaut. Waschbären, Wildschweine, Hängebauchschweine, Meerschweinchen, wunderschöne Fasane und allerlei Wassergeflügel. Und natürlich auch die Rehe und Hirsche. Besonders die niedlichen Kitze.
„Es gibt hier ungefähr hundertfünfzig Tiere“, hatte Karl gesagt. „Und fast vierzig verschiedene Arten.“
Einen Spielplatz mit Buddelkästen, Schaukeln und einem Kinderkarussell gab es auch. Und für die Erwachsenen immer noch am Abend Tanz in der Jägerhütte. Wildbrettbraten. Und dazu ein kühles Bier.

*
„Bevor es los geht, lauft noch schnell zur Pumpe“, sagte Helene nach dem Frühstück zu den Kindern. „Die Kühe müssen noch saufen.“ Helene hängte Rosi und Karlchen das Traggeschirr über die Schultern. „Der Tag wird wieder heiß“, fügte sie hinzu. „Und nun ab mit euch.“

Neulich hatte Karl den Kindern eine schöne Wasserträgergeschichte erzählt. Und zwar ungefähr so:

Ein Wasserträger in Indien hatte zwei große Töpfe. Sie hingen von einer Stange, die er quer über seinen Nacken trug. Einer der Töpfe hatte einen Sprung. Der andere Topf war perfekt. Der perfekte Topf war stets voll mit Wasser. Der Topf mit dem Sprung war am Ende des langen Weges vom Bach zum Haus nur mehr halbvoll. So geschah es täglich über zwei Jahre lang. Der Wasserträger hatte immer einen vollen und einen halbvollen Topf, sobald er zu Hause ankam.
Natürlich war der perfekte Topf sehr stolz auf seine Leistungen. Der Topf mit einem Sprung machte sich selbst Vorwürfe und schämte sich, dass er nur die halbe Leistung erbringen konnte.
Eines Tages, nach zwei Jahren bitterer Selbstvorwürfe, sprach der Topf den Wasserträger an:
„Ich schäme mich und möchte mich bei dir entschuldigen. Der Sprung macht es mir nicht möglich, das ganze Wasser zu dir nach Hause zu bringen , trotz deiner Schwerarbeit.“
Der Wasserträger antwortete ihm:
„Ist dir nicht aufgefallen, dass es auf deiner Seite des Weges wunderschöne Blumen gibt? Auf der anderen Seite gibt es keine. Ich wusste von deinem Sprung. Und deshalb habe ich Blumensamen auf deiner Seite des Weges gesät. Jeden Tag auf dem Nachhauseweg bewässerst du die Samen. Und seit zwei Jahren kann ich diese Blumen pflücken und mein Haus damit schmücken. Wenn du anders wärst, als du bist, würde ich auf diese Schönheit in meinem Haus verzichten müssen. Ich danke dir für die Freude, die du mir gemacht hast.“

Jetzt erinnerte sich Rosi an diese Geschichte. „In unseren Eimern ist aber kein Loch“, scherzte sie. „Deshalb gibt es auch keine Blumen neben der Wasserpumpe.“
„Aber den Dorfteich. Mit den wunderschönen Trauerweiden ringsherum“, lachte Helene. „Nun aber schnell.“
Schnell liefen die Kinder zur Pumpe. Es war nicht besonders weit. Nur so hundert Meter entfernt vom Haus. Die Pumpe stand rechts an der Hauptstraße, die geradewegs zum Hermannseck und zu den Weizenfeldern, kurz davor, führte. Neben der Pumpe war der Dorfteich. Umgeben von wunderschönen Trauerweiden. Die den Enten und Gänsen und Schwänen auf dem Teich Schatten spendeten. Wenn es zu heiß war.
Abwechselnd pumpten die Kinder den Schwengel der Pumpe auf und nieder. Bis die fünf Eimer gefüllt waren. Den letzten kleineren Eimer trug Jutta.
„Jutta kann nur einen Eimer tragen“, hatte Helene gesagt. „Sie ist nicht so kräftig, wie ihr.“
Damit meinte sie Karlchen und Rosi. Die hatten sich die jetzt mit Wasser gefüllten Eimer wieder um die Schultern gehängt. Auf dem Rückweg sangen sie, so gut sie das mit ihrer Last konnten:

„Zwei Mädchen wollten Wasser holen.
Zwei Knaben wollten pumpen;
Da guckt der Herr zum Fenster raus
Und sagt: Ihr alten Lumpen!
Ihr habt die ganze Nacht gepumpt
Und habt die Pumpe leer gepumpt.
Adje, ihr Lumpen-Pumpen.“

„Lumpenpumpen. Lumpenpumpen“, kicherten die Kinder übermütig, während sie die Eimer vor dem Kuhstall abstellten.
„So, jetzt können Schecke und Schicke saufen“, sagte Karl. „Danach spanne ich sie vor den Wagen. Ihr könnt dann auch aufsitzen.“
„Ich geh schnell noch mal zu den Schweinen“, sagte Karlchen.
„Ich komme mit“, sagte Jutta.
„Und ich geh schon mal vor“, sagte Rosi. „Aber vorher muss ich noch schnell Pipi machen.“
Rosi trat einen Schritt von der Kuhstalltür zurück. Dabei stolperte sie über einen Eimer. Der Eimer kippte um. Das Wasser lief heraus. Vor Schreck trat Rosi auf das morsche Brett, das über der Jauchegrube lag. Es machte klacks. Dann noch einmal. Das Brett brach in der Mitte durch. Rosi plumpste in die Jauchegrube.
„Hilfe! Hilfe“, schrie Rosi. „Ich komm nicht raus!“

Natürlich kam Rosi nicht raus. Die Jauchegrube war ziemlich tief. Und die Wände glatt. Sie fand keinen Halt. So sehr sie sich auch bemühte. Es kostete sie schon all ihre Kraft, ihren Kopf über der Jauchenbrühe zu halten. Sie zappelte mit Händen und Füßen. Machte ihre Schwimmbewegungen. Nur kein Wasser schlucken, dachte sie entsetzt. Nur kein Wasser schlucken. Also die Jauchebrühe.
„Was ist denn das für ein Geschrei?“ Karl eilte aus dem Kuhstall. „Was ist denn los Rosi?“
Helene eilte aus der Küche. Wally rannte die Treppe herunter. Jutta und Karlchen und Bello rannten aus dem Schweinestall. Als Letzter torkelte Erich aus dem Haus. Um ein Haar wäre er selbst in die Grube gefallen, wenn Wally ihn nicht gewarnt hätte, als er Karl helfen wollte, Rosi aus der Grube zu ziehen.
"Zurück Erich." Energisch packte Wally Erich am Ärmel. "Du schläfst doch noch halb", sagte sie. "Geh mal lieber wieder nach oben."
Also ging Erich wieder nach oben, um weiter zu schlafen. So musste Karl alleine zusehen, wie er Rosi aus der stinkenden Jauchegrube bekam. „Ach du liebe Zeit“, sagte er. Besorgt beugte sich Karl die Jauchegrube. Mit beiden Händen fasste er Rosi unter die Arme und zog sie heraus. „Du stinkst ja, wie eine alte Sau“, lachte er.
Ja, Karl hatte Humor.

Voll Abscheu sah Rosi an sich herab. ‚Wie eine alte Sau‘ war noch gelinde ausgedrückt. Von Kopf bis Fuß war sie von den Fäkalien umhüllt. Sie kam sich vor, als hätte sie eine zweite Haut aus Pisse und Scheiße.
Mit ihren Jauchehänden zerrte Rosi an ihren verklebten, langen Haaren. Ihrem ehemals hellblauem Kleidchen. Alles voller Jauche.
Rosi war, als sei sie selbst eine einzige, stinkende Jauche. Ein Jauchekind. Kein Heidenkind. Oder, wie im Märchen die Pechmarie. Die alle Kinder ausgelacht haben und die ein braves Mädchen werden musste, damit der Pechschwefel wieder von ihr abfiel.
Rosi war echt sauer. Warum mussten ihr ständig solche Sachen passieren. Kein Wunder, dachte sie, wenn man auf einem Plumpsklo geboren wurde. Damals schon fast in der Scheiße.
„Mama! Mama!“, jammerte Rosi, während sie sich weiter die kotverklebten, stinkenden Haare raufte. „Mama! Mama!“
„Da kann dir jetzt deine Mama auch nicht helfen“, sagte Wally trocken. „Die hat doch gesagt, ihr sollt keine Dummheiten machen. Und was machst du?“
„Wally lass das“, sagte Helene. „Mach lieber Wasser heiß. Damit das Kind wieder sauber wird.“

***

Fortsetzung folgt
 
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Huch liebe Ingrid, habe ich ja ganz übersehen.
Ich liebe Plumpsklos. Sie sind so schön
nachhaltig. Alles wird verwertet. Der Inhalt
kommt auf den Mist. Der Mist wird Kompost. Der
Kompost Dünger für die Pflanzen. Die Pflanzen
Nahrung für die Menschen. Ein ewiger Kreislauf.
Nichts wird weggeschmissen. Und der Mist der
Tiere kommt auch auf den Mist. Und dort
tummeln sich tausende Insekten und Larven.
Die auch wieder nützlich sind. Ja, ja. Und so
weiter.
Gruß von


rosmarin (07.07.2023)

Das mit der "guten Stube" kenne ich auch noch. Die war total überflüssig, musste nur geputzt werden und durch sie hindurch gelangte man in die winzigen Schlafgemächer.
Auch das Plumpsklo ist mir bekannt, hatte immer Angst vor dem unter mir. Dem Himmel sei Dank musste ich nie das "unter mir" kennenlernen. So wie deine Heldin es erfahren musste. ;-)
Lieben Gruß von


Ingrid Alias I (12.06.2023)

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