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Die Kinder von Brühl 18/ Teil 4/ Hammer Zirkel Ährenkranz/Episode 2/ Karl May Hänsel und Gretel und der Sprung vom Dreimeterturm

Romane/Serien · Erinnerungen
© rosmarin
Episode 2

Karl May Hänsel und Gretel und der Sprung vom Dreimeterturm

Rosi, Jutta und Karlchen saßen im Hof unter dem Zwetschgenbaum auf der Bank und spielten ihr Lieblingsspiel. Mensch ärgere dich nicht. Abrupt stand Rosi auf und räumte das „Mensch ärgere dich nicht“ Spiel zusammen.
„Wir sind doch noch gar nicht fertig“, protestierte Karlchen. „Immer muss es nach dir gehen, Ich hätte bestimmt gewonnen.“
„Hättest du nicht“, widersprach Jutta. „Ich hatte schon drei Männchen drin. Und du nur zwei.“
„Hätte ich doch“, bockte Karlchen.
„Hätte, hätte, Fahrradkette“, sagte Rosi. „Das nächste Mal spielen wir Mühle und Dame. „Mensch ärgere dich nicht“ ist sowieso Kinderkram.“
„Und was machen wir jetzt?“, wollte Jutta wissen. „Wo Mutti mit den Kleinen ins Schwimmbad gegangen ist.“
„Wir holen sie ab“, schlug Karlchen vor. „Solange die Sonne noch so schön scheint.“
„Gute Idee“, sagte Rosi zu Freia, die bisher artig zu den Füßen der Kinder gelegen hatte, „wir gehen ins Schwimmbad. Und du passt gut auf die Ziegen auf.“
Auf die Ziegen aufpassen? Während die Kinder sich im Schwimmbad vergnügten? Das passte Freia auf gar keinen Fall. Traurig klappten ihre aufgestellten Ohren nach unten. Sie schielten zu den Ziegen, die munter im Hof umhersprang und fing an, kläglich zu jaulen.
„Das hilft alles nichts.“ Rosi streichelte sacht über das kuschelige, weiße Fell. "Tiere dürfen nun mal nicht ins Schwimmbad", sagte sie. "Also sei artig und pass schön auf.“
Es war ein wunderschöner Maientag. Der Zwetschgenbaum stand in voller Blüte. Der Fliederbusch hinter dem Mist vor Schmids Garten verströmte seinen betörenden Duft. So ein schöner Tag durfte ja wohl nicht mit einem langweiligen Mensch ärgere dich nicht Spiel zu Ende gehen.
Jutta, Karlchen und Rosi holten schnell ihre Badesachen und rannten los.
Auf der Gänsebachbrücke blieben die Kinder einen Moment stehen. Fröhlich schauten sie in das klare Wasser. Fast lautlos plätscherte es in dem schmalen Bach vor sich hin. Wie immer folgend seinem bestimmten Lauf. An den Ufern rechts und links, und sogar an einigen Stellen im Wasser, war die Wasserminze schon kräftig gewachsen. Der Löwenzahn stand fast in Blüte. Die Brennnesseln hatten es sich in Gruppen bequem gemacht. Ab und zu stand einsam ein Huflattich herum. Und die Gänseblümchen leuchteten mit ihren weißen Blütenblättern und der goldenen Mitte mit der Sonne um die Wette.
„Schade, dass die Ziegen nicht mit konnten“, sagte Karlchen. „Wo das Gras jetzt so schön hoch ist.“
„Ja“, stimmte ihm Jutta zu, „hier hätten sie das schönste Futter der Welt. Im Hof gibt es fast kein Gras mehr. Die Hühner fressen ja alles sofort weg.“
„Aber rumtollen können sie im Hof besser“, sagte Karlchen. „Und wir können ja auch bald wieder zu den Mannstedter Wiesen. Die warten bestimmt schon auf uns.“
„Und Zippi und Zappi auf ihr Ziegengeschirr von Onkel Metzner“, spottete Rosi übermütig. „Aber im Hof können sie ja auch schön rumtollen. Und Freia passt auf, dass sie keine Dummheiten machen.“
*
Im Dauerlauf kamen die Kinder im Bad an.
„Ihr könnt so rein“, sagte der Kassierer am Eingang. „Ist ja schon spät.“
Das war völlig unnötig. Die Kinder wären sowieso in das Bad gekommen. Else hatte für die ganze Familie eine Jahreskarte. Für 10 Mark. Allerdings konnte das der Kassierer nicht wissen. Er war neu. Die Kinder hatten ihn vorher noch nie gesehen.
„Bist du neu“?, fragte Rosi den jungen Mann neugierig. „Wo ist denn die Frau Sorge hin? Die weiß doch, dass wir eine Jahreskarte haben.“
„Das weiß ich auch nicht“, lachte der Kassierer. „Aber die Karte müsst ihr mir beim nächsten Mal zeigen.“
„Die hat unsre Mutter“, sagte Karlchen.
„Und die sitzt bestimmt mit den anderen Kindern hinten auf der Wiese“, klärte Jutta den Kassierer auf.
„Mit den anderen Kindern?“, wunderte sich der Kassierer.
„Ja“, sagte Jutta, „unsere anderen Geschwister.“
Der Kassierer schüttelte ungläubig seinen Kopf. „Wie viel seid ihr denn?“, wollte er wissen. „Geschwister. Meine ich.“
„Na sechs“, erwiderten Rosi, Jutta und Karlchen wie aus einem Mund.
„Na Sechs?“ wunderte sich der Kassierer noch mehr. „Dann aber ab mit euch“, sagte er belustigt. „Bevor hier Schluss ist.“
„Und wo ist nun die Frau Sorge?“, blieb Rosi hartnäckig.
„Keine Ahnung“, sagte der junge Mann. „Ab mit euch.“
*
Wie vermutet, hatte es sich Else mit Bertraud, Gitti und Walti auf der Wiese vor dem Nichtschwimmerbecken gemütlich gemacht.
Die Wiesen waren frisch gemäht. Alles duftete herb mild nach frischem Heu. Die Gänseblümchen reckten schon wieder ihre weißgelben Köpfchen in die Höhe. Wie am Ufer und auf den Wiesen am Gänsebach. Durch die Blätter der hohen Bäume raschelte ein laues Lüftchen. Die Sonne unter dem fast wolkenlosen Himmel neigte sich schon leicht zur Erde.
Else las den Kindern gerade aus Grimms Märchen die Geschichte von Hänsel und Gretel vor.
Als Else Rosi, Jutta und Karlchen kommen sah, schlug sie das Buch zu. „Ihr kommt gerade recht“, freute sie sich. „Da könnt ihr gleich auf die Kleinen aufpassen. Und ich kann endlich mal in Ruhe alleine ins Wasser gehen.“
Gesagt, getan. Else stand auf und rannte ins Wasser. Ins Nichtschwimmer. Bis zum Brunnen. Dort angekommen, winkte sie den Kindern fröhlich zu.
„Rosi lies du weiter“, verlangte Walti. „Ich will wissen, was die böse Hexe gesagt hat.“
„Das weißt du doch“, sagte Gitti und zupfte an ihren dicken, schwarzen Haaren. „Was sie immer gesagt hat.“
„Ich will es aber nochmal wissen“, sagte Walti. „Vielleicht sagt sie diesmal was anderes.“
„Was anderes?“ Mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger tippte Bertraud Walti an die Stirn. Genau in die Mitte. „Du bist aber dumm“, empörte sie sich. „Was im Buch steht, bleibt drin. Da kann die Hexe ja nichts anderes sagen“, sagte sie. „Und die anderen auch nicht.“
„Welche anderen?“, wollte Walti wissen.
„Na die Mutter. Und der Vater. Von Hänsel und Gretel. Und natürlich Hänsel und Gretel“, sagte Gitti. „Und die schwarze Katze. Von der Hexe“, lachte sie.
„Die sagt doch gar nichts“, sagte Bertraud.
„Sie könnte aber, wenn sie gedurft hätte“, überlegte Gitti. „Zum Beispiel ‚Miau. Miau‘.“
„Und warum steht es dann nicht im Buch?“, fragte Walti aufgeregt.
„Vielleicht hat der Grimm ja vergessen, es ins Buch zu schreiben“, vermutete Gitti.
„Welcher Grimm denn?“, bohrte Walti weiter.
„Na der Grimm, der das Buch geschrieben hat. Dummkopf“, wurde Gitti ungeduldig.
„Dann hat der vielleicht auch vergessen, was die Hexe gesagt hat“, ließ Walti nicht locker. „Die sagt doch immer wieder:‘Knusper, knusper knäuschen, wer knuspert an mein Häuschen‘.“
„Weil es eben ein Buch ist“, sagte Bertraud überzeugt. „Da steht eben immer drin, was drin steht. Wenn ich nun bald in die Schule komme, ist es ja ein Glück, dass das, was in der Fibel steht, auch drin bleibt.“
„So ist es“, sagte Rosi. „So kannst du immer nachschauen, was drin steht, wenn du mal was vergessen hast.
„Und wenn man nichts vergessen hat?“, fragte Walti.
„Dann braucht man nicht nachzusehen“, sagte Rosi. „Nun gib endlich Ruh Walti.
Doch Walti gab sich immer noch nicht zufrieden. Beleidigt stützte er seinen blonden Wuschelkopf in seine Hände und murrte: „Ich habe es nicht vergessen. Ich will aber trotzdem wissen, ob es noch drin steht. Los Rosi lies endlich vor.“
„Na gut Quälgeist.“
Rosi suchte die Seite mit dem Pfefferkuchenhexenhaus und las mit verstellter Stimme: „Knusper knusper knäuschen, wer knuspert an mein Häuschen?“
„Der Wind, der Wind, das himmlische Kind“, erwiderten Jutta und Karlchen im Singsang.
„Na siehst du Walti“, Rosi klappte das Buch wieder zu, „es steht alles noch drin.“
„Das sage ich alles Mama“, weinte Walti plötzlich los. „Du bist die böse Hexe.“

Wie gerufen, stieg Else aus dem Wasser und rannte zu den Kindern.
„Was habt ihr nun schon wieder mit meinem Bubi angestellt?“, schimpfte Else. Mütterlich nahm sie Bubi Walti in ihre Arme. „Kann man euch denn keinen Augenblick alleine lassen“, murrte sie weiter. „Immer das Gleiche mit euch. Bubi ist doch noch so klein.“
„Ich bin noch so klein“, sagte der kleine Bubi. „Und Rosi ist die böse Hexe.“
„Na dann geht die böse Hexe mal schwimmen“, sagte Rosi. „Kommst du mit? Heinzi“, fragte sie Karlchen.
„Nee, keine Lust.“ Karlchen war wohl die Lust vergangen. „Ich lese lieber in meinem Karl May Buch“, sagte er mürrisch.
*
Karlchen war der totale Karl May Fan. Wo immer er ein Buch von Karl May auftreiben konnte, war es seins. Er scheute keine Mühe und keine Not, es in seinen Besitz zu bekommen. Und irgendwie und irgendwo fand sich dazu immer eine Gelegenheit. Bestimmt hatte er auch den Schwarzmarkt entdeckt. Und nur nichts davon erzählt. Weil Else nichts davon wissen durfte. Vorerst jedenfalls. Denn später schickte sie die Kinder sogar hin, zum Beispiel, um Butter einzukaufen. Oder Baumwollstrümpfe für Rosi. Doch das ist eine andere Geschichte.
Das Geld für die Bücher hatte Karlchen von dem Verkauf der Margeriten und seiner Arbeit in der Thükofa. Denn von nichts kommt ja bekanntlich nichts.
*
„Wie heißt denn deine neue Errungenschaft?“, fragte Rosi Karlchen. "Vielleicht noch ein Band von Winnetou?“
Am meisten interessierten Karlchen nämlich die Winnetou Bücher. Er wähnte sich schon bald selbst als Winnetou und vollbrachte alle Heldentaten in eigener Person. Jedenfalls in seiner Fantasie.
Weil Karlchen es nicht für nötig hielt, zu antworten, fragte Rosi nochmal: „Na, wie heißt deine neueste Errungenschaft?“
„Halbblut“, erwiderte Karlchen widerborstig und fügte schnell hinzu: „Aber das ist nichts für Mädchen. Nicht, dass du denkst, ich leihe dir das Buch.“
„Denke ich ja gar nicht“, sagte Rosi. „Mich interessiert nur der Titel. Halbblut. Was soll denn das sein? Halbes Blut? Da lachen ja die Hühner.“
„Das verstehst du sowieso nicht“, sagte Karlchen abweisend. „Ist auch nichts für Mädchen.“
„Das denkst aber auch nur du“, war Rosi nicht einverstanden. „Irgendwann lese ich die Bücher doch. Und ich werde bestimmt keine Albträume bekommen. Wie du“, steckte Rosi den Finger in die Wunde. Denn, wenn Karlchen heimlich und mit einer Taschenlampe unter der Zudecke, seine Karl May Bücher las, wurde er schon oft von Albträumen geplagt und erwachte schreiend aus seinem Indianertraum. „Du sollst doch nicht diese verrückten Bücher lesen“, tadelte ihn Else dann. „Das macht dich letztendlich noch selbst verrückt.“
Doch das scherte Karlchen nicht die Bohne. Er las die Bücher trotzdem.
*
„Kommt nun einer mit? Schwimmen?“, fragte Rosi nochmal. Sie war jetzt aber wirklich böse. Immer war sie der Buhmann. Und warum? Weil sie die Älteste war. Was konnte sie denn dafür, dass Else sie zuerst geboren hatte. Und das auf dem Plumpsklo. Vielleicht war das damals schon ein schlechtes Omen. Einmal fast in der Scheiße. Immer fast in der Scheiße. Und für alles hatte sie die Verantwortung. Langsam reichte es ihr.
„Ich komme mit“, sagte da Jutta. „Wenn Heinzi nicht will.“
„Du ?“, wunderte sich Rosi. „Du kannst doch gar nicht schwimmen.“
„Da lerne ich es eben“, sagte Jutta. „Es wird ja auch Zeit.“
„Na gut“, war Rosi einverstanden.

Rosi und Jutta rannten nach vorn zu den Umkleidekabinen. Auf den Brettern davor ließen sich noch immer einige Erwachsene von der Frühlingssonne wärmen. Braten konnte man ja noch nicht sagen. So, wie im Sommer. Da lagen die Erwachsenen und auch einige Jugendliche Seit an Seit nebeneinander, wie die Koteletts auf einem Grill, und ließen sich von der heißen Mittagssonne braten.
Vor den Starttürmchen, dem Einmeterturm und dem Dreimeterturm entdeckte Rosi einige Jungen aus ihrer Klasse. Dazwischen stand der Manfred von Frau Schwede und starrte die Mädchen an.
„Guck mal“, sagte Rosi zu Jutta, „wie die gucken.“
„Die gucken bestimmt unsere neuen Badeanzüge an.“
Das könnte sein. Die Badeanzüge waren wirklich niegelnagelneu. Vor kurzem erst mit einem Päckchen von den Adventisten aus Amerika gekommen.
„Oder nach dem, was drunter ist“, kicherte Rosi. „Aber keine Angst, bei dir sieht man ja noch nichts.“
„Denkst du etwa bei dir“; sagte Jutta schlagfertig. „Da ist ja wohl auch noch nichts.“
„Babygröße null“, sagte Rosi
„Babygröße null?“
„Genau. Das hat die Schnalke letztens gesagt. Als ich mich zu ihrem Grüppchen gesellen und wissen wollte, worüber die so reden. Und die Schnalke hat dann gesagt: ‘Du mit deiner Babygröße null verschwinde mal lieber‘.“
„Frechheit“, empörte sich Jutta. „Aber die hat ja auch schon ganz schön was vor der Hütte.“
„Guck mal Jutta“, sagte Rosi, „warum guckt der Schwede denn so komisch. Und was will der vor den Türmen? Der kann doch gar nicht schwimmen.“
„Bestimmt will der auch schwimmen lernen“, vermutete Jutta. „Wie ich.“
„Kann schon sein“, sagte Rosi. „Mir kommt da so eine Idee.“
„Na, na“, sagte Jutta. „Dann her damit.“
„Also“, zögerte Rosi, „wir gehen jetzt zu den Türmen. Und ich springe vom Dreimeterturm. Und danach du. Und dann kannst du bestimmt schwimmen. Also, du springst. Dann gehst du unter. Dann kommst du wieder hoch und musst Hundepaddeln. Damit du nicht untergehst. Weil du ja noch nicht richtig schwimmen kannst.
Du spinnst“, sträubte sich Jutta. „Das traue ich mich nicht.“
„Und wenn ich dir eine Mark gebe?“
„Dann schon. Woher hast du die denn?“
„Na vom Nibbern. Da hat gestern einer eine echte Mark an die Hauswand oben am Kleffer geworfen. Und ich hab sie getroffen. Mit einem Pfennig.“
„Na toll.“

Jutta rannte zu den Türmen. Rosi hinterher.
„Zuerst springe ich“, rief Rosi.
An den Türmen hatten sich noch mehr Kinder versammelt. Einige übten sich im Startsprung und stürzten sich kopfüber ins Wasser. Auf dem Einmeterturm standen drei Kinder, die Bombe spielten. Sie hielten sich die Nase zu, zogen die Beine bis zum Kinn und plumpsten in das Wasser, dass nur so aufspritzte.
Auf dem Dreimeterturm stand keiner. Das Brett war leer. So oft wurde es nicht benutzt. Rosi sprang auch nur so ein, zwei Mal, wenn sie im Bad war. Ein Erlebnis war es allemal. Ein prickelndes. Sie musste nur aufpassen, dass sie sich gerade hielt und nicht etwa die Arme ausstreckte, damit sie keine Bauchlandung machte. Was ihr am Anfang schon passiert war.
„Guck nicht so dumm“, sagte Rosi zu Manfred. „Ich springe jetzt die drei Meter.“
Manfred guckte noch immer und bekam seinen Mund vor Schreck nicht zu.

Schnell kletterte Rosi die Treppe hinauf. Sie stellte sich einen Moment gerade auf das Brett, legte ihre Hände an die Hüften und sprang kerzengerade ins Wasser. Einen Moment später tauchte sie prustend wieder auf.
Alle Kinder klatschten Beifall.
„Schöner Sprung“, lobte Heinrich, der bestimmt gerade erst gekommen war. „Das traue ich mich nicht.“
„Ich aber.“

Schnell kletterte Jutta auf den Turm. Wie vordem Rosi, stellte sie sich gerade auf das Brett. Sie legte ihre Hände an die Hüften. Und sprang.
Wenig später tauchte sie auf. Bekam Panik und ruderte ziellos mit Armen und Beinen. „Hilfe! Hilfe“, schrie sie. „Ich ertrinke. Ich kann doch nicht schwimmen. Hilfe! Hilfe!“
Ohne nachzudenken, sprang Rosi in das Schwimmbecken. Sie nahm Juttas Hände, legte sie auf ihre Schultern und schwamm mit ihr zum Beckenrand. Mehrere Hände zogen sie dann aus dem Wasser.

In der Zwischenzeit war der Bademeister angekommen. Auch der Kassierer hatte den Lärm gehört und rannte auf die Kinder zu. Und Else mischte sich aufgeregt unter die lärmenden Menschen. „Was hast du nur wieder angestellt verdammtes Ding“, wütete sie Rosi an. „Die arme Jutta. Sie hätte ertrinken können.“
„Bin ich aber nicht“, sagte Jutta. „Und nun bekomme ich eine Mark.“
„Eine Mark?“, wunderte sich Else. „Woher kommt denn die Mark Rosi?“
„Sie kommt eben“, schrie Rosi Else an. „Mir reicht es“, wütete sie. „Immer bin ich an allem schuld. Da gehe ich eben jetzt tauchen!“
Wütend sprang Rosi wieder ins Wasser. Sie hielt die Luft an und tauchte unter. Auf dem Grund angekommen, musste sie krabbeln. Da war nichts mit Schwimmen. Der Boden war mit einer dicken Schlammschicht bedeckt. Und überall lagen große und kleine Steine herum. Und klar war das Wasser da unten auch nicht mehr. Sogar einige Algen schlängelten sich schon zwischen den Steinen im Schlamm hin und her. Rosi störte das nicht. Hier unten hatte sie wenigstens ihre Ruhe. Langsam krabbelte sie auf die andere Seite und tauchte wieder auf.
Inzwischen hatten sich alle wieder beruhigt. Jutta war nichts passiert. Sie hatte die Mutprobe bestanden und war stolz darauf.
„Ich muss wieder zu den Kindern“, sagte Else zu Jutta und Rosi. „Bevor die auch noch Dummheiten machen. Wir reden zu Hause weiter. Ich mach mich gleich auf den Weg.“
Umringt von einer Gruppe Jungs blieben Jutta und Rosi noch ein Weilchen hocken.
„Wenn ich schwimmen könnte“, sagte Manfred plötzlich, „würde ich auch vom Dreimeter springen.“
„Kannst du haben“. Von irgendeinem seltsamen Impuls getrieben, sprang Rosi auf. Übermütig gab sie Manfred einen derben Schubs, so dass er mit einem Ruck vom Beckenrand ins Wasser plumpste.
„Hilfe“ Hilfe!“, schrie auch er, als er wieder auftauchte. Doch keiner half ihm. Die Kinder standen am Beckenrand. Sie lachten und schrien: „Hundepaddeln! Hundepaddeln!“

Nach einiger Zeit erreichte Manfred die kleine Treppe am Beckenrand. Er schüttelte sich, wie ein Hund sein nasses Fell, und sagte: „Nun kann ich wenigstens schwimmen.“
Das stimmte auch. Na fast. Jedenfalls hatte Manfred seine Angst vor der Tiefe verloren. Allerdings dauerte es noch eine Weile, ehe er wieder mit Rosi sprach. Obwohl er ohne den Schubs ins Wasser bestimmt nie schwimmen gelernt hätte.

***

Fortsetzung folgt
 
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