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4 Seiten

Eine andere Welt

Fantastisches · Kurzgeschichten
Mit das Letzte, an das ich mich erinnern konnte war dieses merkwürdig-schwummrige Gefühl. Ich schaute im Wohnzimmer Fernsehen, als sich plötzlich der ganze Raum zu drehen begann. Es war wie bei einem Schwindelanfall, als mir früher mal schlecht war hatte ich ein ähnliches Gefühl. Doch mir war nicht schlecht, ich fühlte mich in dem Moment nur sehr merkwürdig. Der Raum begann sich immer schneller zu drehen, und um mich herum wurde es immer heller. Ich bekam Angst und rief nach meiner Mama, die sofort ins Zimmer geeilt kam. "Alex, was ist denn los?" Rief sie auf dem Weg ins Wohnzimmer. "Himmel, was ist mit dir los?" Äußerte sie erschrocken, als sie mich sah. "Mama, halt mich fest," schrie ich vor Angst, "alles dreht sich, mir ist schwindelig und ich leuchte!" In der Tat kam der immer heller werdende Raum von mir, mein Körper strahlte ein gleißendes Licht aus. Dann wurde es um mich herum leise, und das weiße Licht flutete den gesamten Raum. Ich befand mich in einer Welt aus weißem Licht, überall war nur dieses Licht. Kein Raum, kein Fernseher, keine Mutter... nur Licht, Stille und meine Angst. Dann wurde es dunkel, ich muß das Bewusstsein verloren haben.

Ich weiß nicht, wie lange ich bewusstlos war. Ich erwachte wie aus einem bösen Traum, zumindest dachte ich da noch, ich hätte bloß schlecht geträumt. Draußen war es jedenfalls dunkel. Ich saß, besser, lag noch im Fernsehsessel, doch der Fernseher war aus. Ich griff nach der Fernbedienung, um das Ding anzuschalten, doch der Druck auf die Knöpfe war nicht erfolgreich - jedenfalls tat sich nichts.

"Dann eben nicht," dachte ich mir und ging zum Lichtschalter. *Klick* - Nichts passierte. Auch der andere Lichtschalter, das Licht im Flur und in der Küche war tot, soweit ich mich vortasten konnte. Ein Blick in den Kühlschrank bestätigte meine Vermutung: Stromausfall. Na toll.

Als nächstes ging ich zum Küchenfenster um zu gucken, was auf der anderen Straßenseite so los ist. Doch auch dort war alles dunkel, auch die Straßenbeleuchtung war ausgefallen. Ich wusste zwar immer noch nicht, wie spät es war, aber es mußte sehr spät sein, denn auf den Straßen war absolut gar nichts los, niemand war zu sehen.

Die nächste Überraschung erwartete mich im Schlafzimmer meiner Mutter. Keiner war da, aber das Bett sah gerade erst verlassen aus. Doch all ihre Sachen waren noch da, ihr Mantel, ihre Straßenschuhe... die Sache kam mir plötzlich merkwürdig vor, ich bekam wieder etwas Angst.

Normalerweise bin ich ja nicht so der ängstliche Typ. Ich bin zwar zugegebenermaßen ziemlich schüchtern und gehe Problemen gern aus dem Weg, aber dennoch sehr rational und habe eigentlich immer für alles eine Erklärung. Aber hier kam mir das ganze sehr unwirklich vor. Ich sah nochmals aus dem Fenster, ob sich irgendwas verändert hätte, aber alles war unverändert. Ich wollte auf die Straße gehen um irgendwen nach der Uhrzeit zu fragen, denn irgendwie waren in meiner Wohnung alle Uhren stehengeblieben. Was mich beängstigte, war die Tatsache, das die angezeigte Uhrzeit in etwa die Zeit war, als sich der Raum zu drehen begann.

Ich mußte tapfer sein, raus hier und irgendwen fragen. Doch zuerst mußte ich duschen.
Ich hätte den Versuch auch gleich bleiben lassen können, denn der Wasserdruck lies schon nach 5 Sekunden nach und versiegte ganz. "Aha," dachte ich mir, "Dann ist im Wasserwerk also auch kein Strom."

Dann halt ungeduscht auf die Straße. Ich ging meine kleine Seitenstraße entlang, bis ich an die Hauptstraße kam. Hier war eigentlich immer etwas los, denn sie führte vom Bahnhof in die Innenstadt, viele Kneipen und Bars, zwielichte Etabissements und Spielhöllen sorgten für ein Nachtleben. Doch alles war dunkel, nichts, aber auch wirklich niemand war auf der Straße zu sehen. Mitten auf der Straße standen Autos, verlassen, aber so, als ob sie gerade noch gefahren wären.

Ich bückte mich, um durch die Scheibe eines Sportwagens zu gucken. Der Mond schien zufällig auf die Armaturen, so daß ich die eingebaute Uhr sehen konnte. Ich erschrak, als ich sah, daß auch sie um 21:47 Uhr stehengeblieben war. Noch mehr erschrak ich aber über den Tacho, denn der zeigte eine Geschwindigkeit von knapp 50 km/h an! Verzeifelt versuchte ich mich zu kneifen, aber es schmerzte und ich wachte nicht aus diesem Traum auf.

Ich beschloß, in richtung Bahnhof weiter zu gehen. Auf dem Weg dorthin kam ich an zahlreichen weiteren Auts vorbei, und dort, wo ich den Tacho sehen konnte, zeigte der ebenfalls eine rasche Fahrt an. War etwa die Zeit stehengeblieben? Aber wo sind dann die ganzen Menschen? Und die Tiere?

Am Bahnhof angekommen schaute ich auf die große Uhr über dem Haupteingang. Sie war wegen der Dunkelheit nur schwer zu erkennen, aber mit Mühe konnte ich dennoch feststellen, daß es auch hier 21:47 Uhr war. Am Bahnsteig stand sogar ein Zug, das konnte ich im Mondlicht noch erkennen, aber ich wollte mich jetzt nicht durch den stockdunklen Zugangstunnel tasten. Ich wollte erstmal zurück, und abwarten. Was besseres viel mir nicht ein.

Bevor ich in meine Seitenstraße abbog, wollte ich noch kurz in eine der Kneipen gucken. Ich war zwar erst 16, aber in der jetzigen Situation interessierte das ja niemanden - war ja keiner da.

Ich betrat ein Lokal mit dem aussagekräftigen Namen "Thai-Eros-Bar," aber wie inzwischen nicht anders zu erwarten war alles wie ausgestorben. Um im Dunkel etwas Licht zu haben, zündete ich mein Feuerzeug an und begutachtete dir Bar. Die Kasse stand offen und gab den Blick frei auf viele Geldscheine. Ohne groß nachzudenken griff ich hinein und stopfte mir die Tachen voll. Diesen Vorgang wiederholte ich in allen Lokalen, die noch auf dem Weg zu meinem Elternhaus lagen... ich war nun reich, aber was würde das nutzen wenn ich die Kohle nirgendwo ausgeben könnte?

Zuhause stolperte ich im Dunkeln das Treppenhaus hinauf und schloß die Tür auf, leuchtete mir mit dem Feuerzeug den Weg und zündete in meinem Zimmer einer Kerze an. Ich mußte etwas über das erlebte nachdenken. Warum scheint für die Maschinen die Zeit still zustehen, warum sind die Menschen und Tiere weg? Ich kam zu keiner Antwort, doch plötzlich erschrak ich, aus dem Dunkel drang eine schwache weibliche Stimme. Die Stimme kam mir bekannt vor, doch war sie leise und dumpf, wie durch eine Mauer gesprochen. Ich ging der Quelle nach, es schien von Flur zu kommen, aus richtung des Telefons. Als ich neben dem Telefontisch stand, hörte ich die Stimme aus dem Nichts am deutlichsten. Jetzt wurde mir klar, daß es de Stmme meiner Mutter war. "Mama!" schrie ich in die Dunkelheit. Es wurde still. "Alex?" kam es leise zurück, "Alex, bist du das?" "Mama, wo bist du," antwortete ich laut, meine Stimme überschlug sich fast, "Ich bin in deiner Wohnung... ich... alles ist dunkel... kein Strom... alle Uhren stehengeblieben... keine Menschen... Zeit stehengeblieben..." "Alex, alles sucht dich! Du warst plötzlich weg, in einem Lichtblitz... ich habe mich so erschreckt!"

"Mama, ich liebe dich, bitte hol mich zurück!" flehte ich. "Alex, ich habe schon mit fast allen Leuten telefoniert, die ich kenne, keiner weiß, was passiert sein könnte." Ich hörte meine Mutter weinen. Es war reine Verzweiflung. Ich war weg und gleichzeitig da. Ich fragte meine Mutter, wie es jetzt im Wohnzimmer aussähe, und ob sie noch irgendetwas anderes außer meiner Stimme hört, oder vielleicht sogar sieht. Doch sie verneinte. Während des Gesprächs wurde ihre Stimme immer leiser und dumpfer, bis es schließlich wieder still war. Totenstill. Ich weiß nicht, wie lange ich in meinem Bett gelegen habe, doch irgenwann muß ich eingeschlafen sein.

Als ich aufwachte war es immer noch dunkel. Entweder ich hatte nur kurz geschlafen oder die Zeit stand immer noch still. Ich war noch immer alleine, aber ich fühlte mich beobachtet. Zumindest hatte ich das Gefühl. Ich brüllte mehrmals nach meiner Mutter, doch es kam keine Antwort. Aber Hunger hatte ich. Ich zündete in der Küche eine Kerze an und wollte mir einen Toast machen - sinnlos ohne funktionierenden Toaster. Also kaltes Büffet. Ich nahm die Milch aus dem Kühlschrank, roch daran und kippte sie direkt in den Ausguss. Der Versuch, mit Wasser nachzuspülen schlug natürlich fehl, so das nun nach saurer milch in der Küche roch. Zum Glück war ja noch H-Milch da. Tüte aufgerissen, riecht okay, rauf aufs Müsli. Aber so recht schmeckte es mir nicht... doch der Hunger mußte irgendwie bekämpft werden.

Gesättigt knallte ich mich wieder in mein Bett. Schon jetzt überlegte ich, wie ich den Spülkasten vom Klo wieder mit Wasser füllen konnte, wenn ich mal müsste. Da aus dem Hahn nix mehr kam, müßte erstmal Mutters Jahresvorrat Mineralwasser im Keller herhalten. Oder halt Eimer durch die Stadt schleppen.

Während ich so in Gedanken war, verahm ich ein leises Geräusch, eine Art Sirren, Fiepen, Brummen... schwer zu beschreiben. Zuerst tat ich es noch als normale Ohrgeräusche ab, Tinnitus sozusagen, doch es wurde lauter und penetranter. Und es kam definitiv nicht aus meinem Zimmer, sondern aus dem Wohnzimmer.

Fortsetzung folgt...
 
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Kommentare  

Gute Storie, Mystery vom Feinsten.
(Warten auf Teil 2)
4 Punkte


Maxson (14.10.2002)

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