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Rechtfertigung zu einem Ach...

Trauriges · Kurzgeschichten
© eli fante
Mein jüngster Sohn rief mich an. „ Ich komme heute schon nach Hause – muß ins Krankenhaus – Vater hat einen Schlaganfall.“
Schlaganfall, ein bedrohliches Wort. Bekommt man einen Schlag und dadurch einen Anfall oder fällt man schlagartig hin oder fällt man jemanden an, der einen schlägt oder schlägt man Anfall artig hin oder ... ach, ich sehe erst einmal im Duden nach. Schlaganfall – nur Schreibweise. Also weiter unter „schlagen“ : besiegen, jemanden in die Knie zwingen, zur Strecke bringen, außer Gefecht setzen....und „ Anfall „ : Attacke, Kollaps.
Ach, also auch nicht wirklich eine schöne Vorstellungen.
Vorsichtshalber auch noch einen Blick in Meyers Lexikon: „ Schlaganfall, auch Hirnschlag, Schlagfluß, Gehirnschlag, zerebraler Gefäßinsult, Apoplexie, ...ist die Folge einer Durchblutungsstörung des Gehirns.....
1. Diagnose in der Klinik – schwerer Schlaganfall mit rechtsseitiger Lähmung und Sprachausfall – die linke Gehirnhälfte ist in großen Teilen nicht mehr funktionstüchtig.

Kopf ist leer

Na ja, was geht`s mich noch an, wir sind seit mehr als 12 Jahren geschieden und es tangiert mich nur peripher, jeder bekommt, was er verdient. Nicht drüber nachdenken, ist doch weit weg. Soll der „ Alte „ doch zusehen ....
Wirklich ?
Immerhin waren wir auch 25 Jahre verheiratet, haben zwei gemeinsame Söhne. Ich merke, daß es mich mehr tangiert, als ich gerne zugeben würde. Immer wieder kreisen die Gedanken.
Wird er die kritischen Tage überstehen, kann er wieder laufen, sprechen, sich am Leben freuen. Wie kommt seine neue Familie damit zurecht, muß er in ein Pflegeheim? Sollte sich nicht unser ältester Sohn mit ihm aussöhnen; wer weiß, ob es jemals eine weitere Chance dafür gibt ?
Kopf tut weh
Herz ist schwer

Weitere Diagnose im Krankenhaus – schwere Herzrhythmusstörungen. Ein Herzschrittmacher wird eingepflanzt.
Herz tut weh

Ich konnte meinen Ältesten überzeugen, seinen Vater in der Klinik zu besuchen – Annäherung, zu mehr war nicht Raum und Zeit; vielleicht gibt es ein Später.
Der Jüngste kümmert sich rührend um seinen Vater, besucht ihn jeden Tag, macht Bewegungstherapie, erste Sprachübungen.
Aus der Ferne und doch in Gedanken immer dabei, erlebe ich mit.

Nächstes Stadium „ Reha - Klinik „, 300 km vom Heimatort entfernt.
Gute Pflege und Betreuung, Sohn kümmert sich weiter, allerdings nur noch am Wochenende.
Mit dem Rollstuhl fährt er ihn in den nahe gelegenen Park. Bäume bestimmen war ein Lieblingsspiel, als die Jungs noch klein waren. Das wollen sie jetzt noch einmal spielen.
Doch es gibt keine Bäume mehr im Kopf, Leere !
Er sieht einen Schmetterling, es gibt kein Wort mehr für Schmetterling, auch nicht Falter, Spinner oder Motte ... nichts, nur Leere.
Gerne würde er sich mit seinem Sohn unterhalten. Über vergangene und zukünftige Zeiten, Worte finden, Sätze bilden – keine Sprache da, um es auszudrücken. So viel gäbe es zu sagen Eine wunde Seele, die nicht einmal um Hilfe bitten kann. Ein Schatten seiner selbst.

Seele ist wund
Seele tut weh

Einige Wochen sind vergangen.
Langsam, sehr, sehr langsam beginnt der Alltag sich für ihn zu normalisieren. Noch immer ist er in der Reha. Aber es geht vorwärts. Ein Prozeß des Neulernens hat begonnen, der Prozeß der Akzeptanz des eigenen Gebrechens und des „halben Körpers“ wird sich daran anschließen. Er kämpft. Kämpft, weil er in seinem halben Kopf weiß

Leben ist bunt
Sterben tut weh.
 
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Kommentare  

Wenn ich mich recht erinnere, ist das Thema schon mal aufgetaucht. Allerdings als Gedicht, das so gut wie gar nichts aussagte und deshalb auch nur ein Augenrollen als Reaktion auslöste.
Spekuliere weiter: Da das Thema hier mehrfach auftaucht nehme ich an, dass es in irgend einem Bezug zum Autor steht, also, wie man so schön sagt, auf einer "wahren Begebenheit" basiert.
Sehr schön beschrieben die "Falle", in der sowohl der Betroffene selbst als auch seine Umwelt stecken. Leider endet die Geschichte dort, wo es anfängt, interessant zu werden: Linke Hirnhälfte = positive Gefühle und Emotionen, es ist also mit einer massiven Persönlichkeitsverschiebung ins Negative zu rechnen. Wie kommt der Sohn damit klar, dessen Besorgnis nach Abklingen der unmittelbaren Lebensgefahr sich schon wieder auf gelegentliche Wochenendbesuche reduziert hat? Ist jetzt eine Versöhnung überhaupt noch möglich? Kann die Ex-Ehefrau ihre Betroffenheit auch weiterhin beiseite schieben und sich vormachen, dies alles gehe sie seit der Trennung nichts mehr an?
Leben ist bunt? Wirklich - immer noch?
Sterben tut weh? - Auch denen, die lebend schon tot sind?
Viele Fragen, keine Antwort, eindringlich geschrieben, Stoff zum Nachdenken. Wirft mehr Fragen auf, als beantwortet werden - ist aber vermutlich in diesem Kontext auch angebracht.
5 Punkte


Gwenhwyfar (16.10.2002)

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