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Ein bemerkenswerter Tag

Aktuelles und Alltägliches · Experimentelles · Sommer/Urlaub/Reise
Das Telefon klingelt. Eine Stimme fordert mich sanft und
doch bestimmt auf, meine Sinne etwas Besonderes erleben
zu lassen.
„Kommst Du zum Kaffee, wir sind schon alle
wach?“
Oh Gott, wie spät ist es eigentlich? Bin ich etwa noch
mal eingeschlafen?? Es scheint so. Früh um 6 hab ich schon die
kleinen zarten Katzenpfoten auf meiner Nasenspitze gespürt.
Die Berührung bedeutete soviel wie:
Ich hab Hunger. Aufwachen, mir knurrt der Magen!!
Als meinerseits keine Reaktion kam, spürte ich sie noch einmal
auf meiner rechten Wange. Jetzt wird’s Zeit, sonst wird sie
rapiad. Ich stand also auf, ging zu dem großen blauen,
mit Trockenfutter gefüllten Kunststoffbehälter und schüttete
den Keramiknapf bis zum Rand voll. Lucy dankte es mir mit
leisem Grollen. Dummerweise hab ich mich noch einmal auf
die Couch gelegt und wollte nur noch 5 Min. meine Augen
schließen, da klingelte auch schon das Telefon.
9.00 Uhr.
Nach dem Duschen gings in den Tag. Eigentlich sollte es ein
Tag zum abschalten werden. Über Flohmärkte laufen. Hier
und da was anschauen, den Preis drücken, etwas feilschen
und schließlich auch etwas kaufen, was man eigentlich gar nicht
braucht. Na, ja einfach so, um sich was zu gönnen. Einfach
in den Tag hinein ohne irgendwelche Termine abzuarbeiten.

Als ich das Haus verließ, war es kurz vor zehn. Meine Freundin
Martina wartete bereits auf mich. Der Kaffeeduft stieg mir schon
beim Betreten der Wohnung in die Nase. Rami und Fips, zwei
freundliche Vierbeiner, begrüßten mich wie immer mit liebevollem
Schwanzgewedel und freundschaftlichen Knurr-Lauten, welche
soviel bedeuten wie: Schön dich zu sehen, hast lange nichts
von dir hören lassen.
Ich beugte mich zu ihnen, begrüßte sie mit ein paar, eigens für
sie kreirten Murmeltönen, die soviel bedeuten wie: Danke für
den Empfang, ich freu mich auch auf euch.

Irgendwie kam alles anders als geplant.
Der Flohmarktplatz war leer. Ist heute nicht Donnerstag? Doch,
aber heute ist auch Feiertag, vielleicht ist deshalb niemand
hier. Nach kurzer Unterredung mit Martina war klar, dass wir
nicht vergebens nach Frankfurt gefahren sind. Dort drüben in
dem Hochhaus, sagte sie, wohnen Fips Geschwister. Dort können
wir, wenn ich Lust hätte, noch einen Kaffee kriegen und etwas
mit den Hunden spielen. Mir wurde übel und mir schoss das Blut
in den Kopf. Fips ist eine Kampfhündin und ich kenne sie von
klein auf. Ob ihre Geschwister wohl genauso gut erzogen sind
wie sie? Man weiß es ja nicht. Die Menschen machen viel
falsch. Vor allem bei der Erziehung von Hunden.
Du brauchst keine Angst zu haben, höre ich die Stimme meiner
Freundin. Das sind nur Dad, Mom und 4 Geschwister. Ich hätte
keinen Tropfen Blut gegeben. "Sind das genauso geballte Muskel-
pakete wie Fips?", hör ich mich fragen "Kampfhunde? Man hört
soviel schlechtes über diese Hunde. Stehen die nicht auch
auf dieser Liste? Eigentlich liebe ich Tiere aber ich glaube
diese Brocken muss ich mir nicht antun. Am besten gar nicht
erst drüber nachdenken!!! Alle Tiere, vor allem Hunde spüren
wenn man Angst hat."
Ich fror und der Gedanke an einen heißen
Kaffee war schon verlockend. "Eigentlich finde ich es doch
keine so gute Idee", hörte ich mich sagen. Kaum ausgesprochen
höre ich meine Gegenüber am Handy sagen: "Wo wir sind? Im Hof
—ja – Kaffee-- super—bis gleich."
Sie spürt meine Skepsis, schaut mich an, nimmt mein Gesicht
in ihre Hand und sagt:
„Glaub mir, sie sind alle so lieb wie Fips.“
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich geh mit oder ich
erfahre es nie!!
„Ich hoffe du hast recht.“ Wir fuhren mit dem Aufzug ins Pent-
house. War ich doch bis dato noch nie in einem Penthouse ge-
wesen und stellte es mir vor, wie man es im Fernsehen präsentiert
bekommt.
Wir stiegen aus und als ich merkte es gibt kein zurück
mehr, lief ich wie auf Watte den Flur entlang zur Wohnungs-
eingangstür. Wir betraten die Wohnung. Martina ging voraus
und ich versuchte so unscheinbar wie möglich in ihrem Wind-
schatten zu laufen. Vielleicht merken sie ja gar nicht, dass
ich dabei bin.
Mein erster Blick fiel auf einen mit Wasser
gefüllten -Mega-Napf- der in einem -Mega-Wohnungsflur- stand.
Mein Wohn- und Esszimmer war zusammen mit meiner Küche nicht
so groß wie dieser Wohnungsflur.
Mir klopften die Adern am Hals.Kein Hund in Sicht. Puh, dachte ich vielleicht ist ja Dave gerade mit ihnen draußen. Dave und Michi begrüßten uns und baten uns ins Wohnzimmer. 5 Kinder wie Orgelpfeifen saßen
gemütlich am Fernseher und schauten Feiertagsprogramm.
Schließlich war heute keine Schule und was gab’s da schöneres
als vor der Kiste auszuspannen. Immer noch kein Hund in Sicht.
Wo sind denn die Bubis???
„Die sind auf dem Balkon! Moment ich ruf sie!“, hörte ich
Michi sagen. "Nicht nötig, meinte ich--- aber da sah ich schon
den ersten. Eine Masse von Hund. Jetzt nur nicht piensen.
Immer recht freundlich. Er freute sich , kam auf uns zugerannt,
wedelte mit seiner Rute und war mir gegenüber nicht so skeptisch
wie ich ihm gegenüber. Er beschnupperte mich kurz und ich
versuchte recht unbeteiligt: “Hallo mein Großer“ zu sagen.
Ich ließ meine Hände gelangweilt nach unten hängen, damit er
daran riechen und bei Bedarf auch lecken konnte.
Hoffentlich fällt er nicht plötzlich über mich her. Gell! Jetzt sind wir
Freunde, denke ich und hoffe er kann Gedanken lesen.
Schon sind die anderen im Anmarsch. Sie springen mit geballter
Kraft auf uns zu und ich hoffe, dass das hochspringen nur eine
Begrüßung sein soll!!
Automatisch schau ich jedem auf die Rute. Die muss sich bewegen,
dann ist alles gut. Wieder wird meine unbegründete Angst
zunichte gemacht. Einer nach dem anderen nehmen mich an wie
ich bin.
Wir setzen uns an den Tisch zum Kaffee trinken. Einer
der Rüden hat bemerkt, dass ich mich etwas zurückhaltend benehme.
Er stellt mich auf die Probe. Er versucht mich kurzerhand zu
necken indem er an meinen Fingern knabbert. Es ist nicht
dieses Liebesbeweis-Knabbern sondern eher ein –Beweis-mir-
daß-du-keine-Angst-hast-Knabbern.
Mach du nur, denk ich. Ich lass mich nicht herausfordern.
Gelangweilt verlässt mich mein Herausforderer. Was er wohl
denkt??? Na, jedenfalls gehen alle offen mit mir um und zeigen
mir, dass sie nicht beabsichtigen mich zum Frühstück zu ver-
schlingen. So Superwohl fühl ich mich trotzdem nicht, aber
schon wohler.

Eine Kreatur mit Fell zeigt mir gerade, dass man keine Vor-
urteile braucht. Als ob er sagen wollte wir haben keine Angst
vor dir- obwohl du ein Mensch bist. Also, warum hast Du Angst
vor uns?? Der Rüde kommt auf mich zu, stemmt seine beiden
Vorderpfoten auf meine Schultern und leckt mir übers Gesicht.
Gibt es einen ehrlicheren Freundschaftsbeweis.
„Lass uns gehen“, höre ich mich sagen.
„Wollt ihr die Ratten noch sehen? Sie haben Junge!“.
Mir läuft es eiskalt über den Rücken.
“Immer langsam“, hör ich mich sagen. Für heute war’s genug.
Wir verließen die 160 qm große Wohnung und ich war froh den
Schritt getan zu haben. Ich lebe noch. Meine Freundin drückte
mich und sagte mir, dass sie stolz auf mich sei. Irgendwie bin
ich halt nur eine eigensinnige Wohnungskatze gewohnt, die hin
und wieder den Ton angeben darf. Sie ist eine Eigenbrötlerin,
genau wie ich. Wir beschlossen uns auf den Heimweg zu machen.
Als wir an einem kleinen Ort vorbeifuhren entdeckten wir auf
einer Anhöhe eine Menge Menschen. Ein Flohmarkt!
Wir liefen Reihe für Reihe ab und verweilten hier und dort ein
paar Minuten.

Wenn wir nach Hause kommen bringen wir Rami und Fips noch an
den See zu Bernd. Er ist ihre bessere Hälfte und genauso
tierlieb wie sie. Die Hunde brauchen noch ihren Auslauf und
bei der Gelegenheit können wir auch noch etwas mit ihnen
herumtollen. Das tut ihnen gut. Rami wird dann heute nacht
bei Bernd am See bleiben und Fips wird mit uns heimfahren.
Sie zieht es vor auf einer warmen Couch zu schlafen, während
Rami eher der Abenteurer ist, der gerne im Freien schläft.

Bernd war nicht begeistert als er uns sah, da wir die absolute
Stille durchbrachen. Im Abstand von ca. 100 m zogen die Rehe
an uns vorbei und wunderbare Schmetterlinge trugen ihre bunten
Kleider spazieren. Kann man mehr erleben als ich es an diesem
einen Tag tat??? Die Hund spielten um uns herum und bestaunten
die Rehe, die immer noch in einem sicheren Abstand an uns
vorüberzogen.
Als wir den Rückweg antraten war es noch hell.
Ich möchte Flake noch versorgen. Da sie mich hin und wieder
mit ihrem eigenwilligen Kopf und ihrem Gefauche einschüchtert
nehme ich gerne noch die Hilfe der erfahrenen Martina in
Anspruch. Flake ist eine Halbwilde und es hat viel Geduld
gebraucht ihr zu zeigen, dass sie mir vertrauen kann. In den
letzten Wochen begann unsere Freundschaft, die dennoch auf
Respekt basiert, zu wachsen. Sie lässt sich mittlerweile sogar
Zecken aus ihrem Fell entfernen und mit viel Gefühl gelang
es, ihr einige Medikamente zu verabreichen. Zwischendurch
gab es dennoch Fluchtattacken, die ich mir nicht erklären konnte.
Kamen sie doch wie von der Tarantel gestochen. Wochen vergingen
bis ich herausfand, dass sie taub ist. Daher auch die Flucht,
wenn sie niemanden heranschleichen hörte und plötzlich jemand
neben ihr stand.
Als wir ankamen saß sie bereits vor meiner Haustür und wartete
auf mich. Die Betonung liegt auf –MICH-. Womit sie nicht
rechnete war Fips. Sie war sichtlich überfordert als sie uns
alle kommen sah. Sie kennt Hunde nicht und reagiert erst
mal mit Drohgebärde. Aha, kommt mir das nicht irgendwie be-
kannt vor? Mit aufgeplustertem Fell versucht sie Eindruck zu
schinden, was Fips völlig überrascht.
„Keine Angst, Flake“, sagte ich. „Fips ist eine liebe, sie
macht dir nichts“.
Ich zeigte ihr mit einer Handbewegung einen Weg über eine Leiter
auf einen Mauervorsprung und redete ihr gut zu . Obwohl sie
mich nicht hören konnte, folgte sie instinktiv meinen Anweisungen.
Welch ein Vertrauen! Sie hat mir vertraut, genauso wie ich
meiner Freundin vertraut habe. Eigentlich müsste jeder etwas
dazugelernt haben. Es war ein wirklich eindrucksvoller Tag.
Ich möchte ihn nicht missen.
 
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Kommentare  

Hallo Walli,
wir kennen uns aus "früheren Tagen" und beim Lesen der Geschichte ging mir wieder so einiges durch den Kopf. Du hattest mir schon damals Geschichten geschrieben und ich finde es schade, daß Du nicht mehr von Dir veröffentlichst. Du hast noch sehr gute andere Geschichten/Gedichte auf Lager. veröffentliche sie.


Jürgen aus Kraichtal (24.03.2005)

Liebe Tante Walli, Deine Geschichte vermittlet wirklich sehr viel. Wie immer bei Dir. Das bewundere ich immer so an Dir. Deine Geschichten und Gedanken haben immer einen tieferen Sinn, den ich je älter ich werde immer wieder anders definieren kann. Du bist spitze. Mach weiter so. Deine Nichte Jaqueline

Jaqueline (12.07.2004)

Eine interessante Geschichte. wer genau und aufmerksam liest, dem wird die Weisheit der Story nicht entgehen.
Walli du solltest noch an Deinem Schreibstil arbeiten. Vielleicht schaust du mal auf Literaturseiten nach, da gibt es sehr nützliche Tips


Kyrhia Schindler (29.10.2002)

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