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Sterben ist wie Banane essen [Gedanken]

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
© Becci
Mein Opa ist gestorben - nicht dass ich sonderlich traurig darüber wäre, immerhin ist er stolze 86 geworden. Ich hatte jedoch nie einen super Draht zu ihm, obwohl ich es heute bereue, mir nicht die Mühe gemacht zu haben ihn näher kennen zu lernen. Er stammte aus Wien und wenn ich mir alte Fotos von ihm anschaue, entspricht er auch meiner Vorstellung eines Wiener Casanovas. Charmantes, einnehmendes Lächeln - ich hätte ihn gerne kennen gelernt, als er noch jung war. Wäre sicherlich interessant geworden, das gilt auch für meine leider schon verstorbenen Omi. Als Kind interessierte man sich eben noch nicht für "spannende" Verfolgungen, Hitler und die Zeit als Krankenschwester in Preußen und Schweden, wo auch mein Vater geboren wurde. Und jetzt ist es zu spät dazu *bedauer*. Von meinem Opa habe ich übrigens auch meinen "weiberschwulen" Nachnamen (wie Stefan Steinmetz mal meinte *gg*).
Aber um zum Punkt zu kommen: ich hasse Beerdigungen. Alle heulen, kaum einer sagt ein Wort und wer aus der Reihe tanzt wird beschuldigt, den Toten nicht ausreichend geliebt zu haben. Dabei sollte eine Beerdigung doch vielmehr eine Feier für den Toten sein - nein, natürlich nicht dass er gestorben ist, sondern dass er gelebt hat! Und dass man das Glück hatte, ihn gekannt haben zu dürfen. Meint ihr nicht? Ich möchte auf meiner Beerdigung, dass alle im weißen Anzug oder Kleid kommen und sich gegenseitig Erlebnisse, die sie mit mir hatten, erzählen. Sie sollen sich an die glücklichen Stunden mit mir erinnern, während die schlechten mit mir sterben.
"Wisst ihr noch, an ihrem 17. Geburtstag sind wir doch total angeheitert innen MäcDoof gegangen (ein Kichern unterbricht die Erzählerin...) und haben eine Eiswürfelschlacht gestartet... oder als sie mit ihrem Mathelehrer übers Kiffen geredet hatte und sich herausstellte, dass Herr Haag in seiner Jugend mal Drogen genommen hat! (allgemeines Lachen)... und erinnert ihr euch, dass sie immer felsenfest behauptet hat, dass Rauchen was für bescheuerte Leute sei... soll ich euch mal was verraten? (Stille im Raum, die Erzählerin macht eine kleine Pause...) Als sie über Johann total gefrustet war, ist sie doch abends mit mir weggegangen. Becci hat füüünfeinhalb!!! Zigaretten geraucht - zusammen mit dem vielen Bier, das sie getrunken hatte, musste sie dann später kotzen! (alle lachen und sagen, "jaja unsere kleine Antiraucherin"... und der nächste fängt an, von kleinen Alltagsverrücktheiten zu erzählen...)"

Was ist sterben denn schon? Ich bin dann ja nicht einfach weg, als hätte ich nie gelebt. Sterben ist doch wie Banane essen. Versteht ihr nicht? Okay ich versuche es näher zu erklären: Die Banane reift heran, dann kommt einer, schält sie, isst sie und wirft dann die Schale weg. Du weißt immer noch nicht, worauf ich hinaus möchte? Es ist höchst banal: Du wächst heran, lebst, dann kommt der liebe Gott (oder was auch immer...), nimmt dich in sich auf und deine "Schale" verkompostiert auf so einer Biotonne, die sich Friedhof nennt.
Eine Beerdigung ist folglich so, als ob ich am Kompost stehe und hinter der Bananenschale hinterher heule. Im Grunde doch bescheuert, denn das Wichtigste ist nun in uns: Das Denken, Handeln und Fühlen des Verstorbenen ist tief eingeschlossen in unserem Herzen und lebt dort weiter, solange wir die Erinnerung an den Verstorbenen wahren. Liebe geht durch den Magen, oder? Und was lernen wir daraus?

Das Leben ist Banane.
 
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Kommentare  

Ein passender Vergleich, exzellent herbeigeleitet. Wie kommt man auf sowas? Einfach genial.

Sehr gut, brauch man keine Erklärung mehr.


Redfrettchen (27.03.2004)

Die Kunst des Trauerns eben.
finde ich echt tollen Text. Simpel, aber eben doch wahr.


der kleine Möchtegernpoet (14.04.2003)

Da laust mich doch der Affe.
Ich dachte Becci ist die Lyrikerin vom Dienst und nun fand ich doch eine Geschichte und was für eine.
Man sollte eben doch alles nacheinander abgrasen, die Weide ist grüner als ich dachte:-)

Diese Geschichte ist das, was die Sicht auf den Tod auf den Punkt bringt, und dabei ist es völlig einerlei, welcher Religion man angehört, oder ob man Atheist ist.
Es ist umfassend, allseits verständlich und der Vergleich mit der Banane weder pietätlos noch respektlos.
Allen, die schon mal über die eigene Beerdigung nachgedacht haben, soll ja gelegentlich vorkommen, denen sei geraten, nichts dem Zufall zu überlassen. Man kann sich das Ritual heutzutage aussuchen.
Sowas lässt sich sogar ohne falsche Betroffenheit organisieren, bevor man ins Gras beisst. Und den Schriftsteller möchte ich kennenlernen, der es nicht auf die Reihe kriegt, sich selbst eine zündende Grabrede zu schreiben, seine Seele später auf den Kronleuchter der Kapelle zu schwingen und zuzuhören, wie sich die verehrte Trauergemeinde amüsiert.

Bei meiner Beerdigung wirds Tränen nicht geben.

Und bei Becci's Story gibts die auch nicht, sie ist nicht nur gut, sondern sie zeugt von einer ausgezeichneten Beobachtungsgabe.

5 Punkte

Gruss Lies


Lies (03.04.2003)

Ich fände es gut, wenn auf meiner Beerdigung, die Leute erzählen würden, wie ich wirklich war. Nicht nur die guten Sachen, die lustigen & die Geschichten, die man gut zum Besten geben kann, sondern auch meine negativen Eigenschaften beleuchten. Meine Schwächen, meine dunklen Seiten.
Daß von meinen Fehlern erzählt wird, so daß alle erkennen, was wirklich war & nicht einer glorifizierten Erinnerung hinterherheulen.
Daß es jemanden gibt, der alle Dinge sagt, die ich Zeit meines Lebens nicht ausgesprochen habe und mir dann irgendwann keine Zeit mehr dafür blieb.
Und daß alle Geheimnisse, die ich Zeit meines Lebens mit mir herumgetragen habe, um mich zu schützen, nun offenbart werden, damit die ganze nackte Wahrheit zu tage tritt.

Außerdem wäre Jazzmusik im Hintergrund sehr passend.


Marcel (03.04.2003)

Sterben kann auch nicht schwer sein, bisher hat es noch jeder geschafft. Aber das hier ist mir zu Banane ähh banal :-(

Wöbking (30.03.2003)

Hallo Becci,

du sprichst mir aus der Seele. Ich habe schon eine sehr heftige Beerdigung mitgemacht, die mein Leben und meine Einstellung zum Tod sehr geändert hat. Es ist heute nun mal leider nicht so einfach, locker mit dem Tod umzugehen. Für die meisten ist es ein Tabuthema wie bei den Katholiken Sex. Anfangs habe ich mich bei Besuchen auf dem Friedhof einschüchtern lassen, aber irgendwann habe ich mir gesagt, du besuchst hier einen sehr lieben Menschen und es ist verdammt nochmal egal, was die anderen denken. Also bin ich mit Walkman und Mini Boxen da aufgelaufen und habe ihm seine Musik vorgespielt. Das und vieles mehr sind kleine Rituale geworden, die mich für einen Moment vergessen lassen, das der Tod was endgültiges ist. Wobei ich meine, das immer noch einen Band gibt, wenn man ihn nur zulässt. Irgendwann habe ich ihm folgendes geschrieben: Der Tag an dem du gestorben bist hat mi das Herz zerrissen, aber es ließ mich die Angst vorm Tod vergessen. Jemand wie du ist unvergesslich.
Und so ist auch.
Liebe Grüße
Julia
P.S.: Auf meien Beerdigung will ich auf jeden Fall Always on my Mind von Elvis hören. Das Lied sagt alles!!!


neue Julia (16.03.2003)

Hallo Becci,
Hm, deine Geschichte hat mich echt zum Grübeln gebracht. "Das Leben ist eine Banane!" Der Ausspruch ist sehr gut getroffen. An alle Kritiker: Es ist doch so, dass wenn man eine Banane gegessen hat, zwar die Schale wegwirft. Aber der geschmack, die Vitamine, ja eigentlich das was die Banane ausmacht und bewirkt... das bleibt im Körper, das bleibt in Dir. Und genauso ist es mit Verstorbenen... das was Du mit ihnen erlebt hast, was Du durch sie erfahren hast, das bleibt doch in Dir! Das geht doch nicht mit dem Tod deines Mitmenschen verloren! Freu Dich darüber, dass dieser Mensch gelebt und Dich in Deinem Leben begleitet hat. Gönn ihm seine Ruhe und lebe selber weiter.
Shalom,
Holger

PS: Übrigens ging es mir bei der Trauerfeier meines Großvaters ähnlich wie Dir, Becci. Ich habe mich mit meiner großen Schwester abgeseilt, weil ich meinen Verwandten bestimmt nicht traurig genug war. Aber ich konnte nicht in Tränen ausbrechen oder tiefe Trauer verfallen, weil ich mit meinem Opa einfach zuviele lustige Sachen erlebt habe.


Holger (12.03.2003)

anschliessen

Judy (08.03.2003)

Also, die Geschichte finde ich sehr schön geschrieben und das Zitat ist prima.
Kann mich eigentlich nur noch acnhliessen.


Judy (08.03.2003)

*mich für die Kommentare bedank und ein Zitat da lasse:*

Geweinte Tränen am Grab zeugen nicht von der Liebe zu einem Verstorbenen. Vielmehr sind sie Ausdruck unseres eigenen Gefühlsrepertoires. Sie sind Ausdruck unsres Egoismus, unsres Schuldgefühls, unserer Ängste, unseres Verlassenheitsgefühls.
Wir bedauern, daß die Zeit mit dem geliebten Menschen vorbei ist. Manchmal machen wir ihm heimlich Vorwürfe, daß er uns alleine läßt.
Wir denken an Dinge, die wir besser nicht gesagt oder getan hätten und fühlen Schuld.
Wenn du in der wahren Liebe bist, weißt du, daß es keine Trennung gibt. Du weißt, daß der Verstorbene sein Bestmögliches in seinem Leben getan hat und vielleicht auch einige Stufen vorangekommen ist. Du selbst handelst während seines Lebens in der Liebe. So bleibt nichts übrig, was noch zu tun gewesen wäre.
Alles ist gut so wie es ist.
[Irina Rauthmann (*1958), deutsche Aphoristikerin und Lyrikerin]


Becci, die Autorin (05.03.2003)

wasn ist denn dass?Wenn man stirb, wird man dochnicht eine Banane!Versth ich nicht !

Hannes W. (22.02.2003)

Mir kommt der Teil mit den Beschuldigungen sehr bekannt vor. Als ob man sich von jemand anderem seine Gefühle erklären zu lassen braucht!
Deine Sichtweise ist nicht nur g'scheit, sondern weise.


Bastian Rieger (17.02.2003)

Sehr gut beobachtet!
Am besten hat mir die Biotonne gefallen *gg*, entspricht in etwa dem was ich von dem Totenkult hierzulande halte.
Allein dafür hast du dir fünf Punkte verdient.


Drachenlord (14.02.2003)

Korrekt. Sterben ist wie Banane essen, und der Friedhof ist 'ne Biotonne. (Vorausgesetzt, der liebe Verblichene hatte keine zwei Kilo Amalgam in den Zähnen *gg*).
Vermutlich würden die die Herrschaften von der Fakultät "Pietät & Takt" ins Gesicht springen von der flappsigen Art und Weise, wie es hier ausgedrückt wurde, aber: Es ist und bleibt die Wahrheit. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
- Als etwas älteres Exemplar Mensch, der schon etliche Beerdigungen mitgemacht hat, darf ich Dir aber eines verraten: Beerdigungen (und vor allem der Leichenschmaus danach!) laufen nicht ganz so "dröge" ab, wie Du es hier schilderst. Das "Weißt du noch, als..." und das Gekicher folgt tatsächlich, spätestens nach dem dritten Bier, Schnaps, Wasweißich. Aber: Taktvollerweise hinter vorgehaltener Hand. Der Witwe, die vielleicht vierzig Jahre Tag für Tag mit diesem Menschen zusammen war und die jetzt das Gefühl hat, in ein Loch zu fallen und nicht zu wissen, womit sie jetzt ihre Zeit füllen soll, ist nämlich vielleicht gerade in diesem Augenblick gar nicht zum Lachen zumute. Also: Vielleicht etwas toleranter im Urteil?!
Alles in allem: Gut gemacht. 5 Punkte


Gwenhwyfar (13.02.2003)

Richtig!! Solange die Erinnerung lebt, ist der/die Verblichene nicht ganz weg. Sonne Art Geistiger Zombie. Schön lustig erzählt. Aber das Beste war der Vergleich - Mensch Banane Hülle Gott Verspeisen Schale Fiedhof BIOTONNE- HÄHÄHÄHÄHÄ. Herrlich Makkabär und doch irgendwie auch war.
Becci, dat woar got, krisse fauf Punkte von mek.


NewWolz (13.02.2003)

Das hat gesessen, das muss ich neidlos zugeben, dass du mal wieder hervorragend beobachtet hast, wie verdreht und auch verlogen unsere Welt oft ist, was sich gerade bei Beerdigungen zeigt, wo alle heulen oder doch zumindest so tun, als heulten sie, obwohl JEDER Mensch zu Lebzeiten darum bittet, das Geflenne an seinem Grab zu unterlassen und sich stattdessen friedlich zu treffen und über die schönen Erinnerungen zu sprechen, die einen mit dem Verstorbenen und den Anwesenden Trauergästen verbinden. Es ist sicher verständlich, dass sehr nahestehende Verwandte auch mal in Tränen ausbrechen, doch sollte man ihre Trauer nicht noch anheizen.
Wieder mal super geschrieben aber eins verstehe ich nicht: Ich habe vor DREI Minuten freigeschaltet und schon steht da der Kommentar von Oliver. Wie gehdaassoschnelllll???
*doof-guck*
5 Punkte (auch wenn ich Bananen nicht mag)


Stefan Steinmetz (13.02.2003)

Du hast ein Talent, unbeteiligte auf wirkungsvolle Art an deinen Gedanken teilhaben zu lassen.
Nebenbei bemerkt klingt hier eine bemerkenswerte
Reife und Beobachtungsgabe durch.
Da geht noch was...(so sagt man doch heute, nicht?).
Eine erfrischende Geschichte.
Danke.


Oliver (12.02.2003)

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