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Nach draußen

Trauriges · Kurzgeschichten
Er ging ans Fenster. Er hatte nicht mehr liegen können. Schwerfällig ging er zum Fenster.
Was er draußen sah, war das was er immer sah, wenn er aus diesem Fenster schaute. Und doch kam es ihm verlogen vor, diesmal.
Der Himmel war grau. Grau. War der Himmel nicht immer grau, dachte er.
War diese Straße, die geteerte, immer so leer, so leblos?
Er wandte sich ab. Nichts wollte er mehr sehen. Aber das erst recht nicht. Niemals. Nie wieder.
Musik, dachte er, die ist immer da. Musik ist konstant. Doch als er die Musik anstellte, kam es ihm vor, als sei das alles nur Gekreische. Töne aneinander gereiht. Eine Stimme schrie dazu.
So geht das nicht, dachte er sich.
Er schaute schon wieder aus dem Fenster. Himmel. Grau. Straße. Geteert.
Er seufzte. Die Luft stank. Alles stank. Man wollte ihn verhöhnen.
Nein, schrie er. Nein. Dann leiser, ihr schafft es nicht. Flüsternd: nicht ihr.
Sein Herz machte einen Sprung. Er musste hier raus, hier weg.
Schon war er auf der Treppe.
Er stolperte, er fiel.
Benommen blieb er liege.
Blöde Treppe. Es war eine Treppe aus Stein. Toter, unbeweglicher Stein. Sie war endgültig. Ewig würde sie so bleiben, dachte er.
Sie hatte nichts zu fürchten. Keinen Tod, keinen Schmerz, kein Leben und kein Verlangen.
Irgendwann, wenn sie nicht mehr gebraucht würde, kämen einige Leute um sie abzureißen, oder sie würde zerbombt werden.
Ihr währe es egal.
Er richtete sich stöhnend auf. Alles tat irgendwie weh. Doch der Schmerz machte es erträglicher. Das Verlangen, raus zu kommen war für Sekunden völlig aus seinem Bewusstsein verschwunden.
Einfach weg.
Doch bald lies der Schmerz nach. Eine Stimme regte sich. Er dachte hier drin ist es gefährlich, hier drinnen ist es schwerer.
Es schien ihm unendlich lange zu dauern, bis er die Tür erreichte.
Es war eine große, massive Tür. Holz, dachte er. Holz hat es hinter sich. Es war mal etwas lebendes. Nun ist es tot, erfüllt aber weiterhin einen Nutzen. Ob ihm das gefällt?
Die Tür war verschlossen. Zu. Er konnte so fest ziehen, wie er wollte. Nichts bewegte sich.
Verzweifelt lehnte er sich an die Wand. Ob sie jetzt glücklich ist, die Tür? Sie erfüllt ihren Nutzen. Sie macht verzweifelnd.
Er begrub alle Hoffnungen, je hier hinaus zu gelangen. Es drehte sich alles. War diese Tür ein Eingang, oder ein Ausgang? Sie konnte doch nicht beides sein.
Die absolute Stille wurde ihm bewusst.
Alles verschwand aus seinem Kopf. Kein Gedanke.
Alles verschwand aus seiner Seele. Kein Gefühl.
Diese endlose Leere, die er in sich hatte wurde unerträglich.
Nichts.
Plötzlich stürzte alles auf ihn herein. Alle Gefühle, alle Gedanken, die er je gehabt hatte brausten durch Kopf und Seele.
Er drohte zu platzen. Er quoll auf. Er wurde größer und größer.
Sein Kopf schlug gegen die Wand. Der Schmerz, der ihn durchflutete war unmenschlich stark.
Seine Sinne waren wieder da. Sie waren sogar noch stärker als je zu vor.
Er spürte das warme Blut am Hinterkopf.
Seine Gedanken nahmen wieder die Überhand.
Sie wurden zu einem Wirbelsturm. Einem Orkan.
Im Auge dieses Sturms breitete sich ein Gedanke aus. Er wuchs und wuchs. Schlagartig nahm er alles ein.
Nach draußen. Raus. Weg hier.
Doch wie, wenn die Tür verschlossen, murmelte er.
Noch ein Versuch.
Er zog und zog. Als ihn die Kräfte verließen lehnte er sich gegen die Tür.
Sie ging auf.
Diese Tür ging immer nach außen auf.
Er stolperte auf die Straße.
Die geteerte Straße.
Der graue Himmel.

Sie erschlugen ihn.

Er, war ich.

Hattest du's erraten?


Montag, 26. März 2001 17:50:53
 
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Kommentare  

hallo klaas!

(klaase pseudonym - oder die mitgift deiner eltern?)
mir gefällt die art wie du schreibst, die kurzen sätze, die für Tempo sorgen, die zuspitzen und beklommenheit erzeugen.
anbei ein paar anmerkungen betr. präzision und stimmigkeit:
"Musik", dachte er, "die ist imer da." aber das stimmt nicht, weil du sie erst zwei sätze später anstellst. jetzt erst ist sie da.
"Man wollte ihn verhöhnen." wer wollte ihn verhöhnen? der himmel, die strasse, das licht oder die eltern, der pfarrer, die von der cdu? bleib ruhig bei deiner rätselhaften sprache, aber biete meiner phantasie etwas mehr futter an, damit ich dranbleiben kann und will.
du schreibst weiter unten der treppe unendlichkeit zu, meinst aber sicherlich das material "stein", denn wenig später kommen leute, die die treppe zerstören bzw. abreißen, so dass nur noch staub von ihr übrig bleibt. d.h. der stein, wenn auch in seine einzelteile zerlegt, ist zwar noch da, aber nicht mehr die treppe - sie ist also gar nicht unendlich.
ach so: der vierte und fünfte satz könnte einfacher sein - z.b.: draußen war alles wie immer. heute aber kam es ihm verlogen vor.
salut!


T. Schunk (02.05.2003)

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