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Der Schmied und der Barde

Fantastisches · Kurzgeschichten
Es war einmal vor langer Zeit in einem längst vergessenen Erdteil. Der Barde des Königs befand sich in seiner kleinen Kammer und war todtraurig, denn seine Leier war zerbrochen. Als er also mit einem Kopf schwer von seinen düsteren Gedanken auf seinem Bett lag kam ihm plötzlich eine, wie ihm schien, geniale Idee.
Er sprang auf, schnappte sich die zerbrochene Leier, die auf dem kleinen Tischen neben seinem harten kleinen Bett lag, und sauste zur Tür heraus.
Auf dem Burghof war ein reges kommen und gehen. Der Barde schlängelte sich so schnell er konnte zum Tor. Dabei umkurvte er einige wohlgeborene Herren, die ihm erstaunt und belustigt nachblickten.
Als er das Tor erreichte sprach ihn eine der Wachen an: "Was ist denn mit dir los Kiemar? Du bist doch seit Monaten nicht mehr draußen in der weiten Welt gewesen. Man sieht es dir auch an!" Die Wache hatte Recht. Der Barde war sehr bleich, denn er hockte die meiste Zeit in seiner Kammer, und versuchte ein Lied zum Geburtstag des Königs zu komponieren. Für den übernächsten wohlgemerkt, denn der nächste war ja schon in 3 Monaten.
Kiemar lächelte der Wache geheimnisvoll zu. Sagen konnte er noch nichts, denn er war noch völlig außer Atem. Zwischen vielem keuchen konnte die Wache aber doch einiges verstehen, was er ihr zu sagen hatte. "Muss raus, König...Leier...heilen...ist kaputt." Die Wache zögerte kurz und überlegte, ob nun der König oder die Leier kaputt war, ließ den Barden dann aber ohne weiteres fragen durch, denn dieser wirkte schon sehr ungeduldig.
Endlich war Kiemar also aus der Burg heraus. Niemand beachtete ihn nun mehr. Einzig einige Bauern, die in den Feldern um die Burg herum arbeiteten, schauten den blasen Barden mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an.
Der beachtete dieses niedere Volk jedoch überhaupt nicht. Zielstrebig ging er zur Schmiede. Die stand ziemlich genau in der Mitte des Dorfs, dessen Häuser sich in dem Hang an der Burg verkriechen zu schienen.
Aus dem großen Backsteinbau hörte er den harten Klang von Eisen auf Eisen. Aus dem Schornstein quoll dicker schwarzer Rauch und als der Barde die Schmiede betrat kam ihm warme, stickige Luft entgegen.
Er blieb kurz stehen, bis sich seine Augen an das schummerige Halbdunkel das hier herrschte, gewöhnt hatten. Dann steuerte er zielstrebig auf den Schmied zu.
Mit einer leichten Verbeugung trat er vor ihn. Der Schmied war ein großer, braungebrannter und muskulöser Mensch, wie es sich für einen seiner Zunft gehörte. Der Barde sah gegen ihn sehr klein und dünn aus und der Schmied schien sich zu wundern, was einer aus der Burg bei ihm machte. Obwohl man dort mit gutem Geld bezahlt wurde.
Kiemar räusperte sich und fragte unsicher: "Sind sie hier der Schmied?". Etwas erstaunt blickte der große Mann auf ihn herab. "Natürlich bin ich der Schmied, wer sollte ich sonst sein, der König?" Der Schmied lachte laut und rau über seinen eigenen Witz. Der Barde lachte leise aus Höflichkeit mit. Dann begann er wieder zu sprechen, jetzt schon etwas sicherer: "Ich habe eine Auftrag für sie, der wird sich sicherlich lohnen. Sie wissen ja, das der Burgherr große Stücke auf mich hält und...""Worum geht es denn," unterbrach ihn der Schmied.
Kiemar räusperte sich wieder. Er versuchte nun wie ein erfahrener Geschäftsmann zu wirken. "Nun, ich habe hier etwas, dass zerbrochen ist. Es soll wieder heil werden." Er hob die Leier hoch. Der Schmied schaute die Leier entgeistert an. Kurz angebunden sagte er nur: "Die ist aus Holz." Der Barde verstand nicht. "Natürlich ist sie aus Holz. Jede Leier ist aus Holz." Er kam wieder ins erzählen: "Diese ist sogar aus einem besonderen Holz. Man nennt den Baum, der dafür fallen musste, Ulme. Die gibt es hier im Norden kaum, im Süden jedo..." Der Schmied hatte seine Fassung wieder gefunden: "Ich erklären ihnen jetzt einmal was, verehrter Barde. Sie arbeiten mit einer Leier. Der Bauer arbeitet mit seinem Pflug und seiner Hacke. Der Gastwirt arbeitet mit Bier und ich, ich arbeite mit Metall."
Den Barden traf es wie ein Schlag. Daran hatte überhaupt nicht gedacht. Das war das Ende. Seine Leier war wohl für immer verloren. Er spürte, wie seine Knie weich wurden. Dann umfing ihn die tiefe Schwärze der Ohnmacht. Der Schmied kratzte sich am Kopf. Was sollte er nur mit diesem komischen Kauz anfangen. Er hätte es bitter nötig, gutes Geld aus der Burg zu bekommen. Seine Frau war schwanger und seine älteste Tochter würde bald heiraten. Der Schmied zog den Barden in eine Ecke und lief dann so schnell er konnte zum Markt.
Dort fand er, wie er es erhofft hatte, neben diversen Marktständen auch einige Gaukler.
Einer hatte die gleiche Leier wie der Barde.
Denn die Leier des Barden war, anders als Kiemar glaubt, aus dem gewöhnlichsten Holz geschnitzt. Der Händler hatte den weltfremden Barden übers Ohr gehauen. Der Schmied ging zu dem Gaukler hin und bat ihn, mit ihm mitzukommen. Etwas überrascht, aber nicht abgeneigt, als der Schmied ihm Geld versprach, folgte er ihm.
In einer kleinen Seitenstraße wartete auf den Gaukler jedoch etwas ganz anderes als Geld oder Gold. Er machte eine Bekanntschaft, die er wohl lieber nicht gemacht hätte. Sein Kopf traf nämlich aus einem unerklärlichem Grund auf die Faust des Schmieds. Der schnappte sich die Leier und begab sich auf den kürzesten Weg zu seiner Schmiede.
Kiemar, der Barde lag dort immer noch auf dem Fußboden. Er war jedoch schon einige Minuten nicht mehr bewusstlos. Erst hatte er sich gefragt wo er war, doch dann erinnerte er sich. Er war bei dem Schmied, der nur mit Metall arbeitete. Er schloss die Augen und wollte nun nichts mehr als schlafen, lange schlafen. Da kam, pfeifend und offensichtlich bester Laune, der Schmied wieder durch die Tür. "Schaut, was ich hier für euch habe, verehrter Barde," rief er fröhlich. Der, öffnete die verweinten Augen und traute seinen Augen nicht. Dort stand der Schmied mit seiner Leier, doch sie war nicht kaputt. Sie war ganz. Er schloss wieder die Augen und atmete tief. Dann schrie er auf vor Freude.
Der Schmied nutzte diesen Augenblick, um die zerbrochene Leier des Barden mit einer geschwinden Bewegung ins Schmiedfeuer zu werfen. Es lodert kurz auf, aber als der Barde nun aufsprang um seine geliebte Leier in die Arme zu schließen, brannte es schon wieder, als ob nichts gewesen sei. Bewundernd schaut Kiemar zum Schmied auf. "Wie, wie haben sie das gemacht," stottert er. "Ich dachte, sie wären Metallschmied." Der Schmied grinste übers ganze Gesicht. "Ich hatte es einfach noch nie mit Holz ausprobiert."
Dem hocherfreuten Barden reichte diese Begründung.
Hoch und heilig versprach er dem Schmied eine riesige Belohnung und machte sich, so schnell er konnte wieder zur Burg auf. Dort, genau wie im Dorf, sprach sich die Nachricht vom Holzschmied wie ein Lauffeuer herum.
Der Burgherr persönlich kam um ihm die Belohnung für seine Tat zu überbringen. Für das Geld, was der Schmied nun, im Beiseihen aller Bewohner des Dorfes und vieler der Burg, überreicht bekam hätte er mindestens 3 Jahre arbeiten müssen.
Alle ließen den Schmied hochleben und der Barde sang sogar spontan eine Ode an den Holzschmied.
Dem Gaukler mit dem blauen Auge, der während des Liedes auf den Schmied zu stürzte und behauptete dieser hätte ihm die Leier gestohlen, glaubte keiner.
Erst einige Tage später kam jemand mit einem zerbrochenen Rechen zu dem Schmied und bat ihn, diesen wieder ganz zu machen. Doch der Schmied weigerte sich. Er sagte, das könnte der Besitzer sich gar nicht leisten, denn er wolle jetzt immer so viel Geld wie der Burgherr ihm gegeben hatte. So kam niemand mehr zu ihm und der einzige Holzschmied, denn es je gab klopfte wie seit jeher auf seinem Metall herum.
Die Leute fragten immer wieder, wie der Schmied die Leier wieder ganz bekommen hatte, doch der wollte nichts dazu sagen. Viele Leute glaubten ihm nicht mehr, dass er wirklich Holz schmieden könnte.
Doch der Barde war ihm für immer dankbar und in der Ode zum Geburtstag des Königs, 3 Jahre später, kam diese kleine, aber nicht zu verachtende Zeile vor:
<Der Holzschmied ist weise und gut,
fast so gut, wie das, was der König tut.>

THE END

Sonntag, 27. Januar 2002 17:41 bis 19:15 („Live“ in ICQ)
 
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