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6 Seiten

Die Liebe eines Sommers

Nachdenkliches · Kurzgeschichten · Sommer/Urlaub/Reise
Vorwort

Gewöhnlicherweise werden Tieren keine Denkmäler gesetzt, wenn man einmal von den Beerdigungszeremonien absieht, die ältere, einsame amerikanische Damen mit ihren Haustieren veran-stalten. Die Asiaten gehen in ihrer Liebe zu Haustieren, insbe-sondere zu ihren Hunden, so weit, daß sie diese sogar auffres-sen. Es soll aber irgendwo in Fernost ein großes steinernes Grabmal geben, das der Überlieferung nach die Ruhestätte von ?Bukephalos" sein soll. Dieser Bukephalos hatte sie auch ver-dient, hatte er doch den jugendlichen Alexander der Große über tausende von Kilometern von Sieg zu Sieg getragen. Alexander hatte diesen Hengst von seinem Vater als Geschenk erhalten und es soll das weitaus teuerste Pferd der Antike gewesen sein.

Ich möchte mich hier anschicken, meinen vielen tierischen Be-gleitern, die mir - jeder auf seine Weise - ihre Zuneigung und ihr Vertrauen geschenkt haben, ein ganz kleines Denkmal zu setzen, indem ich ihnen diese kleine Geschichte widme, die Geschichte einer Freundschaft eines Sommers.

Meine Erinnerung gilt:

?Carmen", der Cockerspanielhündin, meinem ersten Hund.
?Ingo", dem großen, lebendigen Cockerspanielrüden, der mich auf der Jagd begleitete.
?Blitzi", dem Habicht, der bei Gewitter Angst hatte, und der mit mir jagte.
?Kimbo", dem wunderschönen, zurückhaltenden Doggen-rüden aus dem Tierheim, der sich noch nicht sechsjährig einfach hinlegte und starb.
?Rokko", dem Doggenrüden mit dem mangelndem Selbst-vertrauen - vielleicht aufgrund seiner fehlenden Eleganz.
?Marshall", dem selbstbewußten Doggenrüden, der mich wohl verteidigt hätte.
?Vanessa", dem Mischlingspferd, für dessen qualvollen Tod ich verantwortlich bin.

?Aurias", dem Pferd, das nur deshalb so schwierig war, weil es sich gegen unsachgemäße Behandlung gewehrt hat.
?Olga", der schönen, sanften Doggenhündin, die wegen ihrer Fehlfarbe vom Züchter erschossen wer-den sollte, und die fast 11 Jahre alt wurde.


Und letztlich jetzt noch bei mir:

?Kaspar Hauser", der ausgesetzte Mischling, der in seinem Verhalten mehr einer Katze als einem Hund ähnelt.
?Willi" und ?Berta", die Kinder von Olga und Kaspar.

Ihnen allen und jenen, die ich nicht erwähnt habe, widme ich diese kleine Geschichte in Dankbarkeit.


Der Sommer hier im Süden hatte mal wieder durch Trockenheit und Hitze seinen Einzug gehalten. Es war Mittagszeit, diese ?heilige" Zeit im Süden, wo dem Handwerker Punkt 12 Uhr der Hammer aus der Hand fällt, um an den heimischen Mittagstisch zu eilen.
Wir saßen im Schatten vor dem Haus und Barbara tischte wie gewohnt Schmackhaftes auf. Olga und Kaspar blinzelten in die Sonne aber auch zu uns herüber insbesondere in der Hoffnung, daß mir mal wieder was vom Teller fiel, was mir bis heute noch regelmäßig passiert, und wovon auch keiner mehr Notiz nimmt, zumal es Tischdecken bei uns schon lange nicht mehr gibt.
Also es war alles in bester Ordnung, so schien es. Der Rotwein machte glückselig, die Grillen zirpten, das Essen schmeckte. In diesen Frieden hinein wurden die beiden Hund unruhig, standen auf, liefen in das nahe, höhere Gras und schauten gebannt zu einem bestimmten Punkt vor sich hin. Und es sah so aus, als wollten sie sich jeden Augenblick verlegen hinterm Ohr kratzen. Hier kündigte sich jedenfalls ein Zwischenfall an.
Ich gesellte mich also zu den beiden Hunden und starrte als Dritter im Bunde gebannt zu dem imaginären Punkt, wohin die Hunde zu spähen schienen. Zuerst konnte ich nichts entdecken, dann sah ich etwas Schwarzweißes, die Umrisse des späteren King Louis, der sich im Augenblick aber unsichtbar zu machen suchte.
Ein aus dem Nest gefallenes Elsternjunges trat ab diesem Augenblick für kurze Zeit - einen Sommer lang - in mein Leben. Ich hielt da etwas ohne Schwanz und mit kümmerlichen Flügel-ansätzen in der Hand, daß mir Angst und Bange wurde, was ich mit so viel Zerbrechlichkeit und jungem Leben anstellen sollte. Ich fragte mich, ob diese Handvoll Leben auch mit meiner Hilfe überhaupt überlebensfähig sei. ?Sein oder Nichtsein", das war hier die Frage. (Wer hätte gedacht, daß ein international aner-kannter Dichter vorausahnend an diese Situation gedacht hatte.) Pflanzenfresser oder Fleischfresser? Eindeutig - das da in meiner Hand gehörte zu den Fleischfressern. Also ein Steak, in zerkleinerter Form und roh natürlich, ungewürzt versteht sich, kam nur ausnahmsweise in Frage, denn dieses zukünftige, beneidenswerte Flugobjekt in meiner Hand brauchte Federn und diese wiederum brauchten Chitin. Also kamen in Betracht: Larven, Grashüpfer, Grillen, Würmer, Engerlinge usw.
Aber bevor ich mich auf Futtersuche begab, machte ich erst mal einen Schuhkarton zu seinem neuen Zuhause. Er mußte auch noch getauft werden, zumindest aber einen Namen bekommen. Barbara fand wie immer sofort den richtigen Namen: King Louis, nicht mehr und nicht weniger. Und ob King Louis vielleicht weib-lich war, störte Barbara auch nicht. Ich vertiefte dies nicht weiter. Sonst hätte Barbara mich wohlmöglich noch beauftragt dieses herauszufinden. Wäre ja nicht das erste Mal gewesen.

Also begab ich mich mit einem Spaten ausgerüstet in den Garten. Doch die Würmer mochten sich wohl wegen der knochentrockenen Erde so ungefähr bis an den Erdmittelpunkt zurückgezogen haben.
Die Zeit drängte. Da kam es mir in den Kopf: Grashüpfer. Auf meiner Weide gab es davon Millionen (komisch, heutzutage gibt es sie nur noch vereinzelt). Aber wie fangen, denn die waren innerlich auf vielfältige Feinde eingerichtet, d. h., wenn ich mich hüpfend über die Weide bewegte, traf mein Fuß meist daneben. Aber die Trefferquote verbesserte sich, indem ich versuchte ihre Absprungrichtung in meine Hüpfmanöver einzubeziehen. Dann gab es da kleine Flugobjekte, wohl so eine Art von Heu-schrecken, die blaue oder rote Flügel hatten. Diese segelten meist 3-4 Meter weiter. Und die konnte ich am besten bei ihrer Landung erwischen, was wirklich Schnelligkeit und Reaktions-vermögen bei mir voraussetzte. Außerdem lernte ich an der Art ihrer Gleitflügel erkennen, ob es sich um eine fette oder magere Beute handelte. Mal am Rande erwähnt: Einen Sommer lang be-wegte ich mich so über meine Weide und entwickelte dabei in mir einen längst totgeglaubten neuen Jagdinstinkt. Meine Umwelt hatte sich längst an meine springende, hinkende, haken-schlagende Fortbewegungsart gewöhnt (täglich 1 - 1 1/2 Stunden). Aber ein Fremder wäre bei diesem Anblick kaum auf den Gedanken gekommen, daß ich mal einen ordentlichen Beruf erlernt und sogar ausgeübt haben könnte.

Wie dem auch sei, King Louis nahm meine Jagdbeute an und fing sogar bald das Betteln darum an. Und der Tag kam, da saß er auf der Kante des Schuhkartons. Ein richtiger Vater hätte in diesem Augenblick zur Mama entzückt gesagt: ?Schau mal, Mechthilde, das Kleine krabbelt." Aber mein (?unser", wenn es sein muß) King Louis saß nur auf der Kante, kackte einen Bogen und riß das Maul auf. Denn wenn er Hunger hatte, konnte man dazu kaum noch Schnabel sagen. Hunger hatte er übrigens ständig. Ich machte mir diesbezüglich schon Gedanken über den Winter.
Mittlerweile hatte er sein Reich ausgedehnt. Dies war nun der ganze Tisch draußen vor dem Haus, auf dem sein Schuhkarton stand. Das bedeutete, daß er auch alles inspizierte, wenn wir an dem Tisch aßen. Das war natürlich nicht jedermanns Sache. Nun, richtig ins Essen reingekackt hat er allerdings nie.

Seine ersten Flugversuche ließen nicht lange auf sich warten. Sie endeten anfänglich jedesmal mit einem kläglichen Absturz von der Tischkante. Ich habe ihn dann jedesmal getröstet, so gut das bei unseren Verständigungsschwierigkeiten ging. Übrigens, seine Sprache hatte sich nie zu dem kräftigen Getöse von seinen wild aufgewachsenen Artgenossen entwickelt. Das hatte auch was für sich. So konnte ich ihn immer orten, wenn er irgendwie in einem Baum unsichtbar geworden war. Auf meinen Ruf ?King Louis" antwortete er später regelmäßig, und zwar piepsig.

Er hatte das Fliegen dann irgendwie gelernt. Aber meist blieb es beim Flug dicht über dem Erdboden. Dann kurvte er auf mich zu, machte kurz vor mir einen kleinen Aufschwung und plumpste auf die Erde. Alles gekonnt, aber weniger elegant. Da saß er dann, schlug mit den Flügeln und sperrte das Maul auf, was bei anderen Vögeln ein Schnabel war.
Also - wieder ab auf die Wiese zu den Heuschrecken. Da schaute er mir dann, neben mir auf dem Boden sitzend, mit schräg gestelltem Kopf zu, wie ich hinter seiner Nahrung her war. So ging das täglich. Wenn ich also Mama oder Papa für ihn war - egal -, dann machte ich ihm doch ziemlich anschaulich die Futtersuche vor - fast echt. Aber er hatte es nie begriffen oder wollte es nicht; in jedem Fall war es so ja bequemer für ihn. Ich blieb in seinem kurzen Leben der Hüpfende und er der Fressende.
Der kleine Kerl, dieser charmante Tiefflieger, war über alle Maßen neugierig. Wenn ich draußen was zu werkeln hatte, ob es nun was mit dem Hammer zu befestigen gab, oder ob ich was anstreichen mußte, er kam immer so dicht ran, daß ich gehörig aufpassen mußte, daß er nicht zum unfreiwilligen Mitwirkenden wurde. Meine diesbezüglichen Ermahnungen, er möge doch Ab-stand halten, fruchteten nicht.

In diesem Sommer war er dreimal verschwunden. Das erste Mal kam er auf mein Rufen und längerer Suche von den Nachbarn zurück, diesen bornierten Stadtmenschen (=Parisern), die nicht schlecht gestaunt haben müssen, als da was Wildfliegendes in ihrem Garten auf den Namen ?King Louis" reagierte. Dabei zeigte er ihnen und mir eine besonders geglückte Erdlandung vor meinen Füßen. Gottlob hatte ich da noch einen kleinen Vor-rat von Grashüpfern im Kühlschrank, so daß ich meinen Nach-barn nicht auch noch meine Hüpfkünste auf der Weide vor-führen mußte. Aber sie hatten diese bestimmt schon verblüfft wahrgenommen. (Ach, diese Nachbarn aus der sogenannten bes-seren französischen Gesellschaft - ein Kapitel für sich. Es würde sich vielleicht etwas Schriftliches mit dem Titel lohnen: ?Ein Teil des niederen französischen Adels und ich"?)

Das zweite Mal, als sich ?King Louis" unsichtbar gemacht hatte, erforderte schon eine intensive Nachforschung. Auf meinem Ge-lände war er nicht - jedenfalls nicht lebend. Also verlegte ich die Suche in das Haus - rufend. Als ich dort die Suche schon aufgeben wollte, inspizierte ich noch der Vollständigkeit halber einen großen, immer verschlossenen Raum. Als ich dort einen Schrank rufend öffnete, meinte ich seine klägliche Stimme schwach vernommen zu haben. Unmöglich! Aber tatsächlich, da war seine Stimme. Sie kam aus dem offenen Kamin. So beför-derte ich meinen King Louis - einstmals schwarzweiß, nunmehr nur noch schwarz - ans Licht. Er mußte dort wohl die ganze Nacht verbracht haben und war sichtlich so erschüttert über seine Wiedergeburt, daß er den lauwarmen Wasserstrahl aus dem Wasserhahn widerstandslos erduldete. Am nächsten Morgen dann erwartete er mich wie üblich wieder flügel-schlagend vor der Eingangstür. Er gehörte schon wie selbstver-ständlich zu meinem Leben.

Und dann kam der Morgen, wo er nicht draußen vor der Tür flügelschlagend auf mich wartete. Alles Suchen half nichts, bis ich ihn dann leblos im Auslauf der Hunde fand, als ich diese füt-tern wollte. Sein junges Leben war zuende. Was passiert war, kann ich nur vermuten. Da er unversehrt war, muß er einen Schock durch die Hunde bekommen haben.

Am Morgen darauf, als ich wieder vor die Tür trat, wunderte ich mich, daß ?King Louis" nicht flügelschlagend auf mich wartete. Ach ja.

Hab? Dank kleiner Vogel.

Und Euch, meinen treuen, vierbeinigen Begleitern, hat Euch meine Geschichte gefallen?



 
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Kommentare  

Man merkt die Liebe zu Tieren in Deinen Geschichten(zumindest die, die ich bisher gelesen habe). Alleine schon aus diesem Grund finde ich diese Geschichten gut.

Nur ist es so, daß es mehr eine Erzählung als eine Geschichte ist.
Für diese Erzählung gebe ich 4 Pts

Ach, zu den Grashüpfern: Ich glaub, die sind jetzt alle hier in Deutschland unterwegs, zumindest im Sommer...Klimawandel und so...


Dr. Ell (09.02.2004)

dieser letzte satz.
schade, dass sie nicht lesen können.


achim (30.01.2004)

Der Geschichte fehlt ein wenig der Elan. Es wird keine richtige 'Grundspannung' aufgebaut, die den Leser animiert weiterzulesen.
Außerdem sind mir noch einige Grammatikfehler aufgefallen, sowie das ständige Hervorheben durch ? ... ", was einen sehr stört.
Vom Inhalt her ist die Story recht anschaulige, nett, die Widmung für die Tiere. Auch der Titel passt.

Gut.


Redfrettchen (30.11.2003)

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