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Der Bär

Nachdenkliches · Kurzgeschichten · Sommer/Urlaub/Reise
In der Kneipe hatten sie erzählt im Wald am Stadtrand treibe sich ein Bär herum. Er sollte riesengroß sein und ellenlange Krallen haben. Klaus Specht war gerade durch diesen Wald gegangen. Ihm war nichts aufgefallen. Nicht einmal Spuren hatte er gesehen. Quatsch, Bär. Man war schließlich hier mitten in Deutschland. Hier gab es keine Bären. Hatte es vielleicht vor Jahrhunderten mal gegeben aber jetzt? Das zeigte wieder mal was das für Quatschköpfe waren, die sich da jeden Abend in der Kneipe trafen. Aber Specht konnte sich schon vorstellen wie das gelaufen war. Sie wussten, dass er sich jeden Tag im Wald aufhielt. Er liebte die Umgebung, den Geruch nach Moos und frischen Pilzen. Er hätte den ganzen Tag auf dem weichen Waldboden herumlaufen mögen. Pilze und Beeren waren eine zusätzliche Bereicherung seines Speisezettels. Seine Liebe zum Wald, zur Natur überhaupt, hatte ihn auch bewogen damals dieses Häuschen zu kaufen. Groß war es ja nicht, aber er war ja, nachdem seine Tochter nach Amerika geheiratet hatte, mit seiner Frau allein, und für sie beide reichte es. Zudem war da noch ein schönes, gepflegtes Gärtchen hinten dran und frisches Obst war ja schließlich auch nicht zu verachten. Ein kleiner, massiver Schweinestall stand ganz hinten auf dem Grundstück, direkt am Bach wo Klaus immer wieder mal angelte, allerdings ohne jemals was gefangen zu haben. Und jetzt wollten sich da irgendwelche Suffköppe auf seine Kosten amüsieren.
„Ach lass’ sie nur“, meinte er zu sich selber, „wenn es ihnen Spaß macht sollen sie nur reden“. Es fiel ihm schon ein bisschen auf die Nerven, dass sie immer wieder damit anfingen. Der Bär wäre gesehen worden wie er in Richtung auf sein, Spechts, Haus zu gelaufen wäre. Mumpitz, dann hätte doch längst die Polizei oder die Feuerwehr, oder wer in so einem Fall zuständig war, irgendwas unternommen. Angeblich wäre auch schon in den Nachrichten gekommen, dass die Leute in ihren Häusern bleiben sollten. Das war auch wieder typisch: als er in der Kneipe die Nachrichten hören wollte hatte Harry Meinhard, der Wirt, nur gebrummt: „Is kaputt, das Radio“. Das war ja so was von offensichtlich, dass er nicht mitkriegen sollte, dass da überhaupt nichts in den Nachrichten kam. Ach Mensch, Klaus Specht hatte es satt. Heute hatten sie es übertrieben. Er trank sein Bier aus und machte sich gegen den Protest des Wirtes und der anderen Gäste auf den Heimweg.
Etwas verwundert war er schon, dass er so ganz allein auf der Straße war. Sollte am Ende doch was dran sein an der Geschichte mit dem Bären? „Spinner“, beschimpfte er sich selber, „fängst du jetzt auch schon an mit diesem Blödsinn?“ Er spielte mit dem automatisch aufklappbaren Regenschirm den er immer bei sich trug. Er war ein vorsichtiger Mensch und wurde nicht gern vom Regen überrascht. Dem Wetter war nicht zu trauen, das hatte er schon oft genug feststellen müssen.
Jetzt noch ein kleines Stück am Waldrand entlang, dann am stillgelegten Steinbruch vorbei und dann war er auch schon fast zuhause. Er freute sich schon auf den geruhsamen Abend auf der Bank hinter dem Haus. Eigentlich hatte der Abend ja bereits begonnen. Immerhin war es schon ziemlich dämmrig.
Am Waldrand angekommen fand er nichts Auffälliges. Er ärgerte sich über sich selber, dass er nun auch schon mit dem Blödsinn anfing. Da dachte er doch lieber an etwas erfreulicheres. Zum Beispiel daran, dass er heute die Tochter vom Doktor gesehen hatte. Sie schien Semesterferien zu haben. War zu einer gutaussehenden jungen Frau herangewachsen. Nur der Pferdeschwanz wollte Klaus Specht nicht so recht gefallen.
„Was bringt einen Menschen nur dazu, am Kopf so aussehen zu wollen wie ein Pferd am Hintern?“, dachte er.
Dergestalt in tiefsinnige Gedanken versunken war er am Steinbruch angekommen. Jetzt hieß es aufpassen. Das Geländer, das eine gewisse Sicherheit bieten sollte, war an einigen Stellen beschädigt. Hier ging es immerhin zwanzig Meter steil hinunter. Wer da abrutschte, der hatte kaum eine Chance zu überleben. Vor einem Jahr war hier schon mal ein Tourist abgerutscht und konnte nur dadurch gerettet werden, dass er sich an einer Wurzel festklammern konnte, die aus dem Abhang herausragte.
„Das muss hier irgendwo gewesen sein“, überlegte Klaus Specht als er hinter sich ein Geräusch hörte. Er drehte sich um und sah eine hohe Gestalt hinter sich, die in etwas gehüllt war, was wie eine alte Pferdedecke aussah.
„Mensch, nun übertreibt ihr es aber“, sagte Klaus zum langen Herbert Karst, denn nur der war lang genug und hatte zudem den tollsten Blödsinn im Kopf.
Herbert Karst brummte nur wie ein Bär, so dass Klaus Specht dachte: „Na warte, du hast es nicht anders gewollt“. Mit einem Ruck öffnete er seinen Automatikschirm in Richtung auf Herbert zu. „Huh“, stieß Specht dabei kurz und lautstark aus. Herbert Karst machte, offenbar erschrocken, einen Schritt zurück. Er taumelte und stürzte in den Abgrund.
Klaus wurde kreidebleich. „Oh mein Gott“, dachte er, „was habe ich da angerichtet?“. Das hatte er nicht gewollt. Er hatte Herbert nur den Schreck zurückgeben wollen, den der eigentlich bei ihm anrichten wollte. Dass das so gekommen war...
„Es war ein Unfall“, dachte Klaus. Natürlich war es ein Unfall, aber wer würde ihm glauben. Jeder wusste, dass Herbert und er sich nicht gerade grün waren. Aber würde jemand auf die Idee kommen, dass er Herbert deswegen in den Abgrund gestoßen hatte? Aber vielleicht war Herbert ja noch zu retten. Klaus hastete zum Abstieg. Das war ein schmaler, schwierig begehbarer Weg der in die Tiefe führte. Früher hatten die Arbeiter ihn angelegt um schneller nach oben zu kommen. Später war der Abstieg dann gesperrt worden weil er zu gefahrvoll war. Klaus war das alles egal. Er rannte den steilen Abstieg förmlich hinab. „Nur schnell ‘runter, vielleicht kann ich Herbert doch noch helfen“. Er schwor sich die alte Feindschaft zu vergessen und auch, dass Herbert ihm diesen blöden Streich mit der Pferdedecke über dem Kopf gespielt hatte.
Nach einer Zeit die ihm endlos schien war Klaus unten im Bruch angekommen. Mühsam suchte er sich einen Weg über die herumliegenden Geröllbrocken. Er suchte in der Dämmerung nach Herbert. Hier unten war es viel dunkler als oben auf dem Weg. So kam es, dass er den liegenden Körper erst sah, als er direkt vor ihm stand. Es war ein toter Körper. Und es war nicht Herbert Karst. Es war ein toter Bär. Sein Körper war noch warm.
 
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Kommentare  

Hallo Isabella, den Herbert da unten hinzulegen hieße genau das zu tun, was der Leser erwartet. Es ging um den Schlußgag. Na ja, und wenn Dir die Story nicht gefallen hat, lies einfach eine andere. Mir gefällt auch manches nicht ;o) Ist eben Geschmackssache...

Wilfred P. Teiser (03.09.2001)

es tut mir leid...aber ich muss ehrlich sagen, dass ich an der geschichte nichts spannendes oder sogar aufregendes entdeckt habe. es wäre besser gewesen wenn doch der herbert da unten gelegen hätte und der bär bisschen später aufgetaucht wäre... sonst eigentlich schöne satzstellung, d.h. schön geschrieben
grüße isabella


Isabella (03.09.2001)

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