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10 Seiten

Y'ahisi (3)

Romane/Serien · Fantastisches
© Laura
Soreel, der die junge Frau unentwegt aus den Augenwinkeln beobachtet hatte, schrie auf, als Porenns Kinn auf ihre Brust sank und sie, sich ungeschickt abstützend, umkippte und unbeweglich liegen blieb. Sofort sprang der Y’ahisi auf und rannte zu seiner Gefährtin, wobei er einen Satz über die Feuerstelle hinweg machte und Darius dabei unsanft zur Seite stieß.
Einen Augenblick später kniete Soreel bereits neben Porenn am Boden und hatte sie auf den Rücken gedreht. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn und der Y’ahisi stellte besorgt fest, dass sie unnatürlich blass war. Mit zitternden Händen vergewisserte er sich, dass die junge Frau noch lebte und schickte Hiro nach etwas Wasser.
Er versuchte nicht an die Geschichten zu denken, die seine Eltern erzählt hatten um ihn und seine Geschwister davon abzuhalten einen Weg auf der Geisterebene zu suchen. Doch immer wieder erinnerte er sich an die drohend erhobenen Zeigefinger und weit aufgerissenen Augen seiner Mutter, die fast flüsternd von Y’ahisi erzählt hatte, die ihre Kraft überschätzt und damit all ihre einstigen und zukünftigen Wege verloren.
Mit seinem Ärmel wischte Soreel den Schweiß von Porenns Stirn und betete zu den Weggeistern, dass sie die junge Frau bei ihrem Vorhaben unterstützt hatten. Gerade als er sich nach Hiro mit dem Wasser umsehen wollte holte die Y’ahisi zitternd Atem und schlug die Augen auf. Ihr Blick schien auf einen weit entfernten Punkt gerichtet zu sein und einen Augenblick befürchtete der junge Mann das Schlimmste. Doch kaum einen Atemzug später blinzelte Porenn und richtete ihren klaren Blick auf sein Gesicht, dass sich besorgt über sie beugte. Mit einem leisen Stöhnen richtete sie sich auf und blickte in die Runde.
„Was ist passiert?“
„Ich dachte diese Frage müsstest du uns beantworten. Ist alles in Ordnung?“
„Was ist los, was sagt sie?“, drängte Taihkal.
„Es ist alles in Ordnung“, beruhigte Porenn die Gruppe mit leiser Stimme und ließ sich von Soreel aufhelfen. Ihr war schwindelig und für einen Augenblick verschwammen die Menschen um sie herum zu unklaren Schemen. Sie fror und ihr Magen knurrte als hätte sie den ganzen Tag lang noch nichts gegessen. Sie setzen sich ans Feuer und Porenn wickelte sich fröstelnd in ihre Decke.
„Wie sieht es aus?“, fragte Soreel nach einer Weile.
„Es wird länger dauern, als ich gehofft hatte, aber es ist ein sicherer Weg und wir müssen keine unnötigen Umwege mehr machen“, erklärte die Y’ahisi und nahm dankbar den Becher mit Tee entgegen, den ihr Gefährte ihr reichte.
„Wir müssen ein Stück zurückgehen. Nicht weit, aber wir sollten bald aufbrechen, damit wir niemanden treffen, den wir nicht treffen wollen.“

Porenn hatte nicht viel Zeit sich von dem Geschehenen zu erholen. Schnell waren die Lasten der Tiere kontrolliert, die Glut des Feuers zerstreut und die Gruppe zum Aufbruch bereit. Soreel beobachtete besorgt, wie seine Gefährtin zusammengesunken auf ihrem Pferd saß und jeden Moment herunterzufallen drohte. Doch er irrte sich. Porenn blieb weiter sitzen und zwang sich selbst und die Gruppe vorwärts. Sie hatte von der Geisterebene aus einen kurzen Blick auf den Weg werfen können, der bereits hinter ihnen lag und sie hatte sehen können, dass ihre Verfolger das Unwetter nahezu unbeschadet überstanden hatten und ebenfalls weiter zogen. Noch waren sie ein gutes Stück von der Stelle entfernt, an der die Gruppe in der Nacht gelagert hatte, doch sie waren entschlossen und suchten angestrengt den steinigen Boden nach den Spuren der Gruppe ab. Hiros Vater musste wirklich eine hohe Belohnung ausgesetzt haben, für diejenigen, die ihm seine Tochter zurückbrachten. Doch das würde ihnen trotzdem nichts nützen. Noch hatte die kleine Gruppe einen kleinen Vorsprung und Porenn hatte bereits ein paar Ideen, wie sie ihn noch ausbauen konnte.

Wenn es überhaupt möglich war, so trieb die Y’ahisi die Gruppe nun noch gnadenloser voran, als schon in den vergangenen Tagen. Jeden Tag erwarteten sie, dass sie die Geräusche ihrer Verfolger hinter sich hören würden oder am Abend nachdem sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, von ihnen überrascht würden. Porenn erholte sich nach und nach von den Anstrengungen der Wegfindung, da Soreel darauf bestand, dass sie von den Nachtwachen ausgeschlossen wurde. Die junge Frau hielt den Diskussionen, die auf ihren Widerspruch folgten, nicht lange stand.

***

Der Abstand zwischen der Gruppe und ihren Verfolgern verringerte sich mit jedem Tag.
Einmal hatte die Gruppe sich geteilt und war unterschiedlichen Abzweigungen gefolgt. Die Wege verliefen etwa einen halben Tagesritt mehr oder weniger parallel zueinander und trafen sich dann wieder. Keiner der Wege brachte irgendeinen Vorsprung, doch sie hofften die Reiter dadurch zu verwirren, da sie nicht wissen würden welchen der Spuren sie folgen sollten. Es hatte geklappt, doch seit dieser List waren drei Tage vergangen, in denen ihr Vorteil sich wieder zerschlagen hatte. Hinzu kam noch, dass eines der Lasttiere zu lahmen begann und sie einige Zeit damit verschwenden mussten das Gepäck auf die anderen Tiere zu verteilen.
Es konnte nun nicht mehr lange dauern, bis man sie eingeholt hatte.
Die Y’ahisi verdrängte diesen Gedanken so gut es ging. Sie wollte sich erst darum sorgen, wenn auch soweit war, doch es gelang ihr nicht.
Soreel und sie schliefen nun beide mit ihren Schwertern griffbereit neben sich und auch während sie ritten kontrollierte sie immer wieder den Sitz ihrer Waffe.

Eines Nachmittags entschied Porenn, dass Hiro, zusammen mit den Pferden ein Stück weit voraus reiten und dort auf die anderen warten sollte. Darius erbot sich, bei ihr zu bleiben, ihr mit den Pferden zu helfen und sie wenn notwendig zu beschützen.
Porenn hatte eine günstige Stelle ausgewählt, an der sie ihre Verfolger erwarten wollten. Der Weg führte an dieser Stelle an einer Felswand entlang. Die linke Seite war durch Stein und die rechte durch einen Fluss begrenzt, es gab also keine Möglichkeit den Weg zu verlassen und sich ihnen auf eine andere Weise zu nähern.
Soreel machte sich daran ein Feuer zu entfachen, während Taihkal ihre Decken in Form von Schlafenden anordnete, an deren Feuer er und Oren Wache halten sollten. Porenn und Teremin suchten sich inzwischen geeignete Verstecke im Schatten neben dem Weg, wo die Reiter sie, vom Licht des Feuers abgelenkt und geblendet, nicht sofort entdecken würden.
Während des Tages hatten sie des Öfteren hinter sich auf dem Pfad das Poltern von Steinen gehört, die von den Pferden ihrer Verfolger losgetreten worden waren. Es bestand kein Zweifel daran, dass sie ihnen dicht auf waren und die Y’ahisi wollte sie gebührend empfangen.
Als es dunkel wurde gesellte sich Soreel zu seiner Gefährtin und sie machten sich bereit zu warten.
Es schien Stunden zu dauern, ehe die Wartenden nicht weit von sich entfernt Steine knirschen hörten. Pferde schnaubten und Leder knarzte, als jemand sein Gewicht im Sattel verlagerte.
Porenn sah einen dunklen Schemen neben sich auftauchen und kurze Zeit darauf zwei weitere. Sie zögerte einen Augenblick, während sie auf die Bewegungen der anderen lauschte, dann sprang sie nach vorne und riss den letzten der Reiter aus dem Sattel. Sie hörte, dass die beiden anderen ebenfalls ihre Verstecke verlassen hatten und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den unter ihr liegenden Mann. Dieser hatte seine Überraschung inzwischen überwunden und sein Schwert gezogen. Die Y’ahisi wich dem tänzelnden Pferd neben sich aus, drehte sich einmal um die eigene Achse und zog ihr eigenes Schwert aus der Scheide. Sie gab dem Mann keine Gelegenheit aufzustehen, sondern zwang ihn dazu, ihren Hieben auszuweichen und sich dabei rückwärts kriechend von ihr zu entfernen. Doch schließlich schaffte er es doch, sich zu erheben und Porenns Angriffe zu erwidern. Er war ein geübter Fechter und kämpfte, wie die junge Frau bemerkte, wie die Männer an der Küste.
Einen Augenblick lang glaubte die Y’ahisi jemanden ihren Namen rufen zu hören, hatte jedoch keine Zeit darauf zu reagieren, da ihr Gegner es beinahe geschafft hatte sie in die Enge zu treiben. Doch noch war nicht alles verloren und es gelang ihr sich unter einem seiner Hiebe hindurch zu ducken und ihrerseits einen Schlag auf seine Brust zu führen. Er sprang zurück, und stolperte gegen die Felswand in seinem Rücken, so dass er nicht weiter zurückweichen konnte und Porenns Schwertspitze über seinen Brustkorb streifte. Der Mann holte keuchend Luft und sie konnte sehen, wie er die Lippen zusammen presste. Sein Schwert fiel klirrend zu Boden und er hob, sich ergebend, die Arme.
„Porenn!“
Die Y’ahisi drehte sich zu ihrem Gefährten um. Überrascht stellte sie fest, dass die beiden Reiter ihre Schwerter hatten sinken lassen und besorgt in ihre Richtung sahen. Taihkal und Teremin standen neben ihnen. Der junge Städter schob gerade seine Waffe zurück in die Scheide an seiner Seite und strich sein Wams glatt. Porenn und ihr Gegner hatten sich während ihres Kampfes ein Stück weit von den anderen entfernt und nicht darauf geachtet was um sie herum geschah. Soreel kam auf sie zugelaufen und hob beschwichtigend die Hände. Sein Schwert hing wieder sicher an seiner Seite.
„Was ist los?“, erkundigte Porenn sich verwundert.
„Steck dein Schwert wieder weg, es ist alles in Ordnung.“
„Wie meinst du das?“, fragte die junge Frau, doch sie ließ ihr Schwert sinken und trat einen Schritt zurück.
„Wir haben uns geirrt?“
„Geirrt?“, Porenns Stimme erreichte eine unangenehme Tonlage. „Was soll das heißen wir haben uns geirrt?“
„Wir haben von diesen Männern nichts zu befürchten“, erklärte Taihkal zerknirscht und verstummte unter Porenns Blick.

Die Y’ahisi gab sich damit einverstanden, den drei Fremden vorerst zu vertrauen und lud sie an ihr Feuer ein. Taihkal holte Hiro, die sich mit geschickten Händen um den Schnitt kümmerte, den Porenn der Brust ihres Gegners zugefügt hatte. Der Mann erduldete die zweifellos schmerzhafte Prozedur still.
Währenddessen erklärte Manos, einer der Reiter, der so was wie der Anführer der kleinen Gruppe war, warum sie ihnen gefolgt waren.
„Wir gehören zu den Boten des hohen Rates von Minett. Wir befanden uns in Grenzstadt, um dem Herzog eine wichtige Nachricht des Rates zu überbringen und hatten vor, von dort aus den Handelsrouten weiter nach Süden zu folgen. Doch wie wir erfuhren haben die Landgrafen an der Küste es wieder einmal fertig gebracht ihre Streitigkeiten untereinander in einen Bürgerkrieg auszuweiten und so sind die Handelsstraßen nun endgültig nicht mehr sicher.“
„Ich erinnere mich. In der Stadt gab es Gerüchte, dass es bald soweit kommen würde“, bestätigte Soreel.
„Wir mussten also unsere Pläne ändern und einen anderen Weg nach Maraque suchen. Die Seereise hätte zu lange gedauert und wir waren schon nahe davor aufzugeben, als man uns erzählte, dass Y’ahisi in der Stadt seien und ihre Dienste für die Überquerung der Berge anboten. Leider hattet ihr, als wir schließlich herausgefunden hatten, wo ihr euch aufhieltet, Grenzstadt bereits verlassen. Wir konnten nicht warten, bis zufällig wieder Wegfinder in die Stadt kämen und deshalb beschlossen wir euch zu folgen. Eigentlich waren wir zuversichtlich euch bald einzuholen, doch irgendwie schafften wir es nie.“
„Es kam uns vor wie ein böser Streich, dass wir immer im Laufe des Tages euer am Morgen verlassenes Lager fanden, aber es uns nicht gelang zu euch aufzuschließen“, fuhr Seralo, einer der Reiter, fort.
Porenn unterdrückte ein Zähneknirschen und stocherte stattdessen mit einem Ast in der Glut des Feuers.
„Wir müssen uns bei euch entschuldigen. Ihr seid das Opfer einer Verwechslung geworden“, meinte Porenn und warf Taihkal einen viel sagenden Blick zu. Sie erklärte ihnen mit wenigen Worten wie es dazu gekommen war, dass die Gruppe immer etwa einen halben Tagesritt von ihnen entfernt geblieben war und besonders, warum sie die drei Reiter angegriffen hatten. Nach ihrer Erzählung nickte Manos verständnisvoll.
„Wir nehmen eure Entschuldigung an und hoffen, dass auch ihr uns verzeihen werdet. Wenn man, wie wir es getan haben, den Spuren einer Gruppe folgt, dann muss man mit Missverständnissen rechnen.“
„Doch woher wusstet ihr, dass wir von Manos und seinen Gefährten nichts zu befürchten hatten?“, fragte die Y’ahisi Soreel.
„Im Schein des Feuers konnte ich das Emblem am Sattel von Manos Pferd sehen und erkannte es als das der ehrenwerten Boten von Minett“, erklärte Taihkal etwas kleinlaut.
Die Boten von Minett genossen hohes Ansehen in allen Teilen des Landes, da sie unter vielen Anwärtern ausgewählt wurden und nicht nur hervorragende Reiter sondern auch ausgebildete Kämpfer waren. Der hohe Rat von Minett bestand aus verschiedenen unparteiischen Vertretern der Länder, sowohl des Südens als auch des Nordens, und vermittelte bei Streitigkeiten und Unstimmigkeiten zwischen den Städten. Die Boten des Rates waren dadurch nicht nur die Überbringer von Nachrichten, sondern sorgten vielerorts auch für die Ausführung der Entscheidungen des Rates und dienten als Berater und Diplomaten.
Porenn wollte sich auch noch bei dem jungen Mann, den sie verletzt hatte entschuldigen, doch der unterbrach sie: „Ihr habt mich in einem fairen Kampf besiegt“, meinte er lächelnd. „Wenn man sich außerhalb der Übungshöfe befindet, muss man auch damit rechnen, dass hin und wieder einmal Blut fließt. So ist das nun mal!“ Er zuckte mit den Schultern und verzog für einen Augenblick das Gesicht.
„Du solltest dich ausruhen, Anegg“, entschied Manos und der junge Mann nickte.
„Ich denke wir alle können etwas Ruhe gebrauchen“, schlug Soreel vor und unterdrückte dabei ein Gähnen.
Keiner widersprach.

***

Sie hatten es geschafft; von nun an würde sie der Pfad nur noch bergab führen und nicht mehr lange und sie würden die Baumgrenze erreicht haben. Von dort ab, wand sich der Weg dann durch mehrere dünn besiedelte Täler, bis hin an die Grenze von Maraque.
Wie jedes Mal, wenn Porenn eine Gruppe durch die Berge begleitet hatte, sehnte sie sich nach dem Augenblick, an dem sie die Vögel in der schattigen Kühle des Waldes hören würde. Das Rascheln der Blätter und das Zirpen der Grillen in den Feldern.
Wenn sie die ersten Gehöfte erblickten, dann war die Y’ahisi nur noch dazu da, die Gruppe zu begleiten, ihre Hilfe benötigten sie dann nicht mehr. Man musste einfach nur weiter dem Weg folgen.
Noch waren sie von Felsen umgeben, doch Porenn meinte bereits den frischen Geruch der Bäume wahr zu nehmen, den der Wind ihnen entgegen trug.

Manos und seine Gefährten hatten entschieden, dass sie die Gruppe solange begleiten würden bis die ersten Gehöfte am Wegesrand auftauchen würden; dann wollten Manos und Seralo sich von ihnen trennen. Anegg sollte dann weiterhin bei ihnen bleiben, da seine Wunde es ihm nicht erlaubte schnell zu reiten. Doch als auf einmal vermummte Gestalten zwischen den spärlichen Bäumen hervortraten, kam Porenn zu dem Schluss, dass diese Reise nicht unter einem guten Stern stehen konnte. Es kam ihr so vor, als würden diese Dinge nur ihr passieren.
Doch eigentlich hätte sie damit rechnen können. In diesem Teil der Berge verlief ein Teil der Handelsstraße und somit waren viele Händler und andere Reisende unterwegs. Auf der anderen Seite bot die felsige Landschaft vielerlei Verstecke und war dadurch bestens für einen Hinterhalt geeignet. Banditen konnten genau vorhersagen, wo Reisende entlang reiten würden und dort brauchten sie dann nur noch zu warten.
Aus dem Augenwinkel konnte Porenn sehen, wie Soreel sich für den Kampf bereit machte. Eine leichte Verlagerung des Gewichts im Sattel, die seine Hand näher an das Schwert an seiner Seite brachte. Er würde nur auf ein Zeichen von ihr warten. Sie hoffte sehr, dass sie dieses Zeichen nicht würde geben müssen. Die Banditen waren ihnen, selbst mit Manos und Seralo an der Seite, noch immer zahlenmäßig deutlich überlegen.
Einer der Banditen trat nach Vorne und baute sich vor Seralo auf, der an der Spitze geritten war und den er allem Anschein nach für den Anführer der Gruppe hielt.
„Wir hatten nicht damit gerechnet, dass um diese Zeit des Jahres noch jemand aus den Bergen hier entlang kommt“, sagte der Mann mit einem schiefen Grinsen. Er hatte den Stoff, der sein Gesicht verhüllt hatte abgenommen und entblößte dadurch eine schmale weiße Narbe, die über seiner rechten Braue begann und über seine Schläfe bis zum Haaransatz verlief.
“Doch das soll uns nicht weiter stören.“ Er wurde ernst und er trat einen weiteren Schritt nach vorne.
„Sag deinen Söldnern, sie sollen ihre Schwerter stecken lassen oder sie verlieren ihren Karawanenführer“, drohte der Bandit.
„Um so ein Versprechen abzugeben, müsstest du auch mit dem Führer sprechen“, entgegnete Porenn ruhig und ließ ihr Pferd ein paar Schritte nach vorne gehen. Einige der Banditen legten ihre Hände an ihre Waffen.
„Wie können wir dir dienen, Jorok von den Bergen?“
Ausnahmsweise hatte sich ihr Aufenthalt in einer der schäbigsten Taverne von Grenzstadt ausgezahlt. Man bekam dort wenn man Glück hatte die besten Informationen über die verschiedenen Räuberbanden, die sich auf dem Weg nach Osten versteckt hielten. So war Porenn auf dieses Treffen bereits vorbereitet gewesen.
Der Bandit wandte sich der Y’ahisi zu und runzelte die Stirn.
„Wer spricht mich an?“
„Porenn’ahi Arraka, zu euren Diensten“, stellte Porenn sich vor und neigte den Kopf.
„Ah, eine Rastlose. Ich hätte es eigentlich wissen müssen. Verzeih, dein Schmuck war mir nicht aufgefallen“, erklärte Jorok und deutete dabei mit seiner Schwertspitze auf die Kette aus Ringen an ihrem linken Ohr, die halb von der weiten Kapuze die sie trug verdeckt wurden.
„Ich fürchte du musst mit mir verhandeln, denn er kann nicht für die Gruppe sprechen.“
Joroks Blick schweifte über die versammelten Reisenden und nickte: „Dann sage ich dasselbe zu dir; lasst eure Schwerter stecken, oder es wird dir leid tun.“
Porenn warf Soreel einen kurzen Blick zu. Er würde so tun, als würde sich seine Kampfbereitschaft senken, doch das Gegenteil war der Fall. Aber das brauchte niemand außer ihnen beiden zu wissen.
„Können wir das nicht auf zivilisierte Weise regeln?“, fragte die Y’ahisi und sah dem Banditen dabei direkt in die Augen. Diesen Trick hatte ihr Großvater ihr einmal beigebracht. Wenn du willst, dass dir jemand zuhört, dann fessle seinen Blick mit dem deinen.
Porenn konnte sehen, wie der Bandit unsicher wurde und bereit zu sein schien, sich ihr Angebot anzuhören. Die Y’ahisi wartete noch einen Augenblick und als Jorok nichts erwiderte fuhr sie fort: „Mir ist zu Ohren gekommen, dass es in manchen Teilen der Berge zum Ausbruch des Winterfiebers gekommen ist. Ich habe einen Sack voll Medizinkästen, die hier sicher bald sehr wertvoll sein werden. Ich überlasse euch den Sack, wenn ihr uns dafür passieren lasst.“
Eigentlich waren die Medizinkästen für eines der Krankenlager in der Hauptstadt von Maraque bestimmt, doch sie hatte noch zwei weitere Säcke im Gepäck, und wenn sie diesen einen Sack nicht opferte, würden die Kranken gar keine Medizin bekommen.
Sie war sich beinahe sicher, dass Jorok zustimmen würde. Einige seiner Männer waren bereits krank, dass konnte sie sehen und auch der Anführer der Banditen schien nicht mehr ganz gesund zu sein. Sie beobachtete wie unter den Banditen getuschelt wurde und wie Jorok Blicke mit einigen seiner Männer wechselte.
„Ein ganzer Sack sagst du?“
„Ihr könntet damit Handel treiben“, schlug Porenn vor. Jorok würde so oder so nicht zugeben, wenn er die Kästen für sich und seine Männer bräuchte, also warum ihn in Verlegenheit bringen.
„Warum sollte ich dir trauen?“, fragte der Bandit.
„Aus demselben Grund, aus dem ich dir traue.“
„Du weißt nicht ob du mir trauen kannst.“
„Genau so wenig wie du. Also warum weiter darüber nachdenken. Unserer beider Ehre gegen die des Anderen“, entgegnete Porenn.
„Das Volk der Y’ahisi ist gerissen. Aber abgemacht.“
Auf ein Nicken Porenns hin stieg Soreel ab, löste einen der Säcke vom Rücken eines Packtieres und reichte ihn einem der Banditen. Nachdem dieser den Inhalt überprüft hatte, gab Jorok ein Zeichen, woraufhin seine Männer sich wieder zurückzogen.
„Unserer beider Ehre gegen die des Anderen“, erinnerte Jorok und ging ebenfalls.

Der Rest der Reise verlief ereignislos. Taihkal und Hiro trennten sich von der Gruppe als sie die Landesgrenze von Maraque erreichten und ritten nach Westen zu den Ländereien von Taihkals Familie um dort zu heiraten. Die Städter wollten den restlichen Weg bis zu ihrer Heimatstadt alleine zurücklegen und verließen die Gruppe ebenfalls bald. Da die beiden Y’ahisi dadurch all ihre Schützlinge losgeworden waren, begleiteten sie Anegg noch bis zur Hauptstadt, wo Manos und Seralo auf sie warteten.

Als Porenn am Abend mit Soreel in einer Taverne saß und sie berieten, was sie mit dem Lohn dieser Reise anfangen sollten, kam Porenn für einen Augenblick der Gedanke, den Rest ihres Lebens sorglos mit ihrer Familie in ihren Wägen herumzuziehen und nie wieder ihre Dienste als Wegfinderin anzubieten.
Soreel verschluckte sich an seinem Wein als sie ihm davon erzählte.
„Du weißt doch selber, dass du das nicht ernst meinst.“, sagte er, als er aufgehört hatte zu husten.
„Nun… ja, aber hast du nie darüber nachgedacht?“
„Wenn ich ehrlich sein soll, nein. Das Herumziehen steckt in dem Blut unseres Volkes, es ist unser Leben. Deines ist das Wegfinden. Mein Leben ist da wo du bist - Ich muss nicht darüber nachdenken.“
Die junge Frau schwieg und dachte darüber nach, was ihr Gefährte gerade gesagt hatte.
„Ich hasse es wenn du Recht hast.“
„Geht mir genauso“, meinte Soreel grinsend und bestellte noch mehr Wein.
 
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Kommentare  

deine Story gefällt mir gut..............sind einige gute Ideen und Ansätze drin........bin gespannt wie es weiter geht.........

wizard27 (11.08.2004)

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