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schwer einen titel zu finden

Nachdenkliches · Experimentelles
Während ich diesen Text schreibe, stirbt gerade in Afrika ein kleines Kind.
Es schreit und weint nicht. Dafür hat es längst keine Kraft mehr. Nur die Augen bewegen sich hin und her. Als würde es die letzten Augenblicke, die noch verbleiben, mit in eine andere Welt nehmen wollen. Nach einem Stück Heimat greifen, an die man sich erinnern kann.
Fliegen krabbeln über den aufgeblähten Bauch, an dem aufgetürmten Nabel empor. Die dürre, vernarbte Hand der Mutter verscheucht die Flügler nur für Sekunden.
Das Kind wird vor 5 Tagen trockene Linsenhülsen bekommen haben. Die Mutter, konnte gerade so, den kleinen Sack in der Menschenmenge fangen. Die meisten Hungernden gingen leer aus. Man stritt sich um den kleinen Sack mit dem roten Kreuz. Wehklagen und Geschrei.

Mir geht es total super. Habe grad mein Nutellaglas leergelöffelt und die Joghurts, die einen Tag über dem Verfallsdatum waren, weggeworfen.
Warum sollte ich da mein Gemüt mit Afrika belasten? Wenn ich diese Bilder im Fernsehen sehe, dann schmecken mir meine Spaghetti nicht mehr. Das die Sender sich trauen so was zu zeigen. Diese Bilder schrecken doch alle ab. Schon alleine wenn ich daran denke, wird mir ganz anders. Würde ja gern helfen, aber auch nur wenn ich nichts geben muss. Soviel Geld hab ich ja auch nicht. Das Auto ist teuer, von der Versicherung ganz zu schweigen und außerdem gibt es ja jetzt den Teuro. Da muss man auch gucken, wo man bleibt. Am Ende haben wir hier afrikanische Verhältnisse und das fehlt mir noch.

Die Sonne brennt durch das löchrige Dach ein zerfranstes Dreieck neben den kleinen, fahlen Kopf. Trommeln rufen draußen die Geister der Ahnen, die, die Verhungerten fortnehmen. Bumm, Bumm, Bumm.
Monoton dringt der Singsang des Medizinmannes in das Lehmhaus. Tränen rollen über die Wangen der Mutter und explodieren auf dem staubigen Boden. Ihre Hände pressen sich fest gegen die Ohren ihres Kleinen.

Die da unten denken doch, dass wir hier alle reich sind. Die haben doch ganz komische Vorstellungen von den Verhältnissen hier. Deswegen kommen die ja auch alle her und dann wundern sie sich, dass es ganz anders ist. Bei uns gibt es auch hungernde Kinder und denen soll doch erst mal geholfen werden, bevor man das ganze Geld da verpulvert.

Schwer zucken die Lider über seine Augäpfel und jeder Lidschlag scheucht einen schwarzen Schwarm Insekten auf.
Zärtlich küsst sie die heiße Stirn. Die dunklen Kinderaugen flehen nicht mehr „Hunger“.
Der Sack ist leer. Viele Tage schon. Sie hat gewartet, da wo der Hilfstransporter hielt und vielleicht kommt er schon morgen. Das hat sie ihrem Kind noch vor 5 Stunden immer wieder erzählt. Doch auch ihre Kräfte sind zuende. Mit ihrer Kraft fällt auch die Kraft zu verdrängen.
Schluchzend gibt sie die Ohren frei, drückt den kleinen Körper an sich und übergibt ihn den Trommelschlägen.

So, hab mich jetzt genug aufgeregt. Wollen wir mal hoffen, dass das bei uns nie so wird. Wobei wir ja nicht ganz so blöd sind, wie die da unten. Die essen ja sogar ihr Saatgut auf. Ha, ha, ha.
 
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Kommentare  

hallo robert, den gegensatz zwischen unserer welt mit den herablassenden gedanken zu afrika und der welt der mutter mit ihrem sterbenden kind hast du sehr gut rübergebracht. vor allem die ersten sätze des zweiten absatzes "mir geht es total super. habe gerade mein nutellaglas ..." sind ein unglaublicher kontrast und erzeugen gänsehaut.

lg nausicaä


Nausicaä (20.04.2006)

diesmal war´s für mich fast zu heftig, so genau hast du die Szene mit dem sterbendem Kind beschildert.

Aber da ist ein Körnchen Wahrheit drin (wie bei allen deinen Texten): wir ertragen solche Bilder nicht, wenden uns lieber weg als zu helfen, weil´s uns einfach zu schlimm ist... traurig aber wahr... jetzt freue ich mich, dass ich vor ein paar Tagen den Sternsingern eine anständige Spende geben habe...

ich verzichte auf die Punkte diesmal, weil es mir für einen solchen Text unpassend vorkommt. Dass mir dein Schreibstil gefällt, weißt du ohnehin schon.

Gruß, Heidi


Heidi StN (10.01.2004)

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