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15 Seiten

Anything Goes

Romane/Serien · Schauriges
Der Teufel ist kein Puppenspieler, er bereitet lediglich die Bühne vor. Für die Vorstellung sorgen wir allein.

Flammen loderten plötzlich empor und im Schein des Feuers war ein Gesicht zu sehen, eine grinsende Fratze, die sogleich wieder im Dunklen verschwand. Es stank nach Schwefel und mit dem Geruch dehnte sich eine anschwellende Hitze im Raum aus. Niemand wusste so recht, was als nächstes passieren würde. Keiner sprach.
Da unterbrach das erneute Auflodern der Flammen das Schweigen und die Fratze erschien abermals, doch diesmal verschwand sie nicht. Sie blickte auf die Menschen herab und begann scheußlich zu lachen. Sie schien sich lustig zu machen über jene, die gekommen waren, und so als schüre die Bosheit das Feuer der Hölle, schwollen die Flammen erneut an.
Ein Gesicht erstreckte sich nun zu einem behörnten Haupt und ein unmenschlich muskulös aussehender Körper tanzte makaber zu einer stillen Musik.
Dann fletschte das Geschöpf die Zähne und brüllte: „Willkommen in der Hölle!“
Flammen explodierten und Heavy Metal Musik ertönte. Scheinwerfer leuchteten im Takt dazu.
„Willkommen in der Hölle!“ wiederholte der etwas übergewichtige Moderator, der ohne Höllenatmosphäre nun ziemlich harmlos aussah. Er ging auf der Bühne hin und her und erklärte: „Dies hier ist keine gewöhnliche Show. Keine Show für Luschen und Tussis. Diese Show kommt direkt aus der Hölle hierher nach Kleinrammswinkel. Eine Show, in der die Kandidaten alles machen dürfen um die Gunst des Publikums zu gewinnen. Alles ist erlaubt- anything goes!“ Die Flammen loderten. „Der Gewinner, der durch das Publikum gewählt wird, erhält anschließen Fünftausend Euro nur für sich.“ Der Moderator hob die Hände in die Luft und zitterte, als hätte er Unzucht mit einer Hochspannungsleitung getrieben. „Und das beste: wirklich alles ist erlaubt, es gibt nichts, das es nicht gibt. Liebe Wanderer im Dunklen Tal, liebe Schäfchen! Lasst euch entführen für zwei Stunden in das tiefste Tal der Hölle: Anything Goes!!!“ Die Flammen loderten nun wieder auf, sie schienen die rote Fratze des Mannes auf de Bühne zu verschlucken, schienen ihn einzuhüllen, wie ein Mantel und als sie schließlich verschwanden, war auch der Moderator nicht mehr zu sehen.
Applaus für eine gelungene Eröffnungsshow.

„Gute Show, Charly!“, sagte jemand zu dem dicken Burschen, der gerade in den Regiebereich, ein winziges Zimmer voll mit Monitoren und Mischpulten, kam.
Er wischte sich den Schweiß und somit etwas von der roten Schminke aus dem Gesicht, das unter dem Make-up eine kränklich aussehende, weiße Haut erkennen ließ und winkte dem Kompliment etwas beschämt ab. Stefan Schrammel, so Charlys bürgerlicher Name, arbeitete bei Anything-Goes als Moderator, womit er Geld verdiente, das er schließlich in Computerspiele steckte. Dass diese Show streng inoffiziell geführt wurde und sie wahrscheinlich illegal war, verdrängte er so gut es ging.
„Sind die Kandidaten bereit?“, fragte er eigentlich nur, um irgend etwas zu sagen. Er kümmerte sich nicht um den Ablauf, wollte das auch gar nicht. Er hatte genug Stress auf die Bühne zu gehen und zu Beginn den Eröffnungssatz zu sprechen und am Ende den Gewinner durch den Beifall des Publikums zu ermitteln.
„Ja, das sind sie“, antwortete der Kandidaten-Promoteur, dessen Gesicht von Pockennarben gezeichnet und dessen Aufgabe es war, die Kandidaten in einer beliebigen Reihenfolge auf die Bühne zu schicken. „Sie sind vollzählig hinter der Bühne.“
„Na ob das gut geht...“, sinnierte Charly und zündete sich eine Chesterfield an.

Im Wartesaal, in dem die Kandidaten mit ihren Requisiten ihrem Auftritt entgegen fieberten, saß Martin aufgeregt neben Andreas, seinem besten Freund und heutigen Bühnenkollegen. Seine Beine klopften in einem unmusikalischen Takt gegen die Sesselbeine, sein Magen verkrampfte sich und sein Gehirn wob einen Gedanken nach dem anderen zu einem unüberschaubaren Netz, das sein Bewusstsein bildete. Nur ein Gedanke, ein Spinnfaden, leuchtete stark heraus: Er musste heute gewinnen. Zu lange und zu erfolglos war seine bisherige Bühnenerfahrung. Er hatte es bereits mit Kabarett versucht, mit Theater und einzelnen Laienauftritten in irgendeiner namenlosen Fernsehserie. Er hatte sogar Gitarre gelernt, um eine Karriere als Musiker zu beginnen. Doch jeder Versuch hatte ihn seinem ersehnten Verlangen nach Applaus und der Liebe der Masse nicht näher gebracht.
Dies, so schwor er sich, sei seine letzte Chance, sollte er sie vermasseln, dann gebe es für ihn nur noch die Karriere als Installateur, deren Lehrer er vor Jahren abgeschlossen hatte. Doch diese Möglichkeit gab es nicht wirklich. Nur eine: Gewinnen, mit Hilfe seines übergewichtigen Freundes Andreas.
Während er seinen Gedanken nachhing, öffnete sich plötzlich die Tür und das Narbengesicht, das sie vor einigen Stunden gebeten hatte, in diesem Raum zu warten, öffnete die Tür.
Es deutete auf den erst Besten und sagte mit befehlendem Tonfall: „Du da! Du bist der erste!“
Der, der gemeint war, nahm eine Kiste und verließ den Wartesaal. Kurz darauf tauchte er auf dem Monitor auf, der unter der Uhr befestigt war. Er zeigte die Bühne und die Kandidaten starrten den Bildschirm gespannt an.

Doch sie sollten enttäuscht werden. Die erste Vorstellung war eine lausige Feuerschluckernummer, in deren Verlauf dem Publikum nicht einmal ein „Oh!“ entlockt wurde. Nach etwa fünf Minuten gab der Kandidat auf und verließ durch einen zähen Sumpf aus Buh-Rufen die Bühne.
„Ich denke, da werden wir leichtes Spiel haben!“, meinte Martin zu seinem Freund, dessen dicklicher Körper durch ein monströses Kostüm noch verstärkt wurde. „Police“ stand auf seinem T-Shirt. „Du Cop!“
Andreas lächelte etwas unbehaglich zurück. Auf seiner Stirn hatte sich eine Gruppe von Schweißperlen entschlossen, gemeinsam die dicken Backen hinunterzurutschen.
„Ich weiß nicht so recht“, meinte Andreas unsicher. „Das Publikum ist ziemlich hart.“
Aber Martin winkte ab. Er war sich mit seiner Show ganz sicher. Andreas sollte den Cop abgeben. Unter dem T-Shirt befand sich eine Einrichtung, gefüllt mir künstlichen Blut und Martin war der Copkiller, der eine Pistole bedienen würde, deren ersten drei Kugeln echte Patronen für eine Demonstration am Bühnenboden gedacht und drei Platzpatronen enthielt. Theatralisch würde Martin auf den Cop schießen und bei jedem Schuss würde Andreas die Einrichtung unter seinem Kostüm bedienen und das Kunstblut würde sich über die Bühne ergießen und vielleicht sogar ins Publikum spritzen. Das war eine Show, die dem Polizeihassertrend folgte und sie todsicher zum Sieg bringen sollte.
Martin führte seinen Blick durch den Wartesaal. Er sah viele Menschen, die mehr oder weniger alle in ihrer Alltagsgarderobe erschienen waren und sich allein durch ihre Requisiten unterschieden. Und dieser Haufen an unbrauchbaren Zeug bestätigte die Qualität seiner eigenen Vorstellung. Er sah ein Nagelbett, das anscheinend irgendeiner Fakirnummer dienen sollte, er sah einige Kästen, Zauberhüte und Jonglierkegeln. Irgendjemand hatte sogar drei Hühner, die in Käfigen eingeschlossen waren, vor sich stehen, die wahrscheinlich irgendein atemberaubendes Kunststück gelernt hatten.
Sein Blick blieb an einem Baseballschläger hängen und als er zu dessen Besitzer aufsah, blickte er in ein dunkelbraunes, beinahe schwarzes Augenpaar. Er zuckte etwas zusammen und das verzog den Mund unter den Augen zu einem verächtlichen Grinsen. Hatte er seinen Blick etwa schon die ganze Zeit verfolgt?
So als könnte sein Gegenüber Gedanken lesen, nickte es langsam.
Martin entschloss, dem Besitzer des Baseballschlägers zurückzunicken. Sein Aussehen hatte etwas von Johnny Knoxville aus dieser seichten Serie auf M-TV und Martin befürchtete, dass er auch etwas ähnlich stuntmanhaft Selbstverstümmelndes vor hatte. Neben ihm saß sein Partner, der Martin ebenfalls ansah. Etwas Unheimliches ging von den beiden aus, er spürte es ganz genau. Da ging die Tür auf und der Feuerschlucker kam von der Bühne zurück. Hinter ihm waren noch vereinzelte Buh-Rufe zu hören. Er starrte zu Boden, packte seine Sachen zusammen und verließ den Wartesaal durch die Ausgangstür.
„Gut“, dachte Martin nun weit von den unbehaglichen Gedanken entfernt, „ein Konkurrent weniger.“
Die nächsten Auftritte verliefen ähnlich. Kandidaten führten mehr oder weniger erfolgreich Kunst- und Zauberstücke vor, die alle mit einem einheitlich beschlossenem Buh-Ruf verabschiedet wurden. Einem der möchtegern Zauberer wurde sogar eine Flasche auf den Kopf geworfen, weil er bei seinem Kartenstück alle Karten zu Boden fallen ließ.

Dieser Vorfall führte Martin dazu, die nächsten Vorstellungen genauer zu verfolgen und so bekam er die komplette Show des Fakirs mit.
Sie fing harmlos an. Der Künstler legte sich auf ein Nagelbrett und stand wieder auf. Dann ging er über heiße Kohlen, ohne sich zu verbrennen. Alles schon tausendmal gesehen.
Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Vielleicht lag es an der allgemeinen Ungeschicklichkeit des Mannes, was für seinen Beruf als Fakir sicher ungünstig war, oder vielleicht hatten ihn die missgünstigen Laute aus dem Publikum nervös gemacht. Sei es wie es sei, er stolperte kurz vor dem Ende seiner Show und fiel vornüber auf das Nagelbrett. Der Sturz schien ihn so überrascht zu haben, dass er sich nicht mehr auffangen konnte und sich so ungestützt seine Brust und sein Gesicht mit Hunderten von Nägeln zerkratzte. Er stieß einen Schmerzesschrei aus und als er sich auf dem Boden krümmte und sich mit den Händen das Gesicht hielt, begann das Publikum zu applaudieren. Es schien sich über das Blut, das zwischen seinen Fingern hervorquoll regelrecht zu freuen, denn nun stimmte es auch aufmunternde Rufe an.
Und schließlich bekam es seinen Willen. Der Fakir stand wieder auf, hob unter dem Beifall der Menge verblüfft seine Arme und zeigte so seine Wunden her. Sein Gesicht war blutrot und von seinen Wangen tropfte Blut auf den Bühnenboden. Es strömten kleine rote Rinnsäle von seiner Brust über Bauch und Beine.
Und das Publikum feierte seinen Helden. Eine kurze schrille Rückkopplung hallte durch den Saal, dann ging der Fakir von der Bühne ab.

Im Wartesaal der Kandidaten wurde der Fakir nicht mehr gesehen, wahrscheinlich war er gleich beim Hinterausgang hinaus. Martin sah sich wieder um. Viele Kandidaten waren bereits an der Reihe gewesen und wie es aussah, gab es nur noch den Mann mit den Hühnern, die Gruppe dieses Johnny-Knoxville -Verschnittes und sie selbst. Sie könnten jeden Moment an die Reihe kommen.
Doch als das Narbengesicht seinen Kopf bei der Tür hereinsteckte, zeigte es auf den Hühnermann und deutete ihn mitzukommen. Erleichtert noch nicht dran zu sein, betrachtete Martin seine Show über den Monitor.

Ganz harmlos fing es an und die ersten Buh-Rufe entfleuchte dem bereits enttäuschtem Publikum. Der Hühnermann, wie er sich selbst nannte, hatte die etwas verwirrt aussehenden Hühner auf der Bühne frei gelassen und einige Maiskörner auf dem Boden verstreut, auf die sich die Tiere sofort stürzten. Er warf die Hände in die Luft und verbeugte sich lächelnd, so als ob seine bisherige Leistung bereits das Kunststück gewesen sei. Misslaute drangen aus dem Publikum, doch das Lächeln des Hühnermannes verschwand nicht. Er hob eines der drei Hühner auf und hob es hoch in die Luft, als erwartete er sich, dass es sich, anstatt nach Körnern gierend auf den Boden zu blicken, ebenfalls verbeugen würde. Die Buh-Rufe der Zuschauer schwollen an. Und mit dem Brechen des Genicks des ersten Huhnes ertönte der zweite Applaus des Abends.
Die Menge war begeistert. In der Psychologie nennt man so etwas Kontrastverzerrung, doch es war nicht allein die Langeweile, die bei den bisherigen Kandidaten aufgekommen ist, die die Vorstellung des Hühnermannes so gewaltig wirken ließ. Spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem er dem zweiten Huhn einen Tritt verpasste, sodass es quer über die Bühne flog, ließ jedem Zweifler die Qualitäten des Entertainers erkennen.
Langsam schritt die Gestalt zu dem zweiten Huhn, das sichtlich einige Knochen gebrochen hatte und hilflos mit den Flügeln flatternd kreisförmig auf der Bühne umherirrte. Die Gemächlichkeit, mit der der Hühnermann seine Show nun vorantrieb, ließ dem Publikum Zeit, ihn sich näher zu betrachten. Unscheinbar war er bislang gewesen und niemandem war die hoch gewachsene, schlaksige Erscheinung außergewöhnlich vorgekommen. Doch nun, Hühner mordend, wuchs er zu einer gewaltigen, Stärke ausstrahlenden Gestalt an. Das Publikum feuerte jeden seiner Schritte lautstark an.
Als er das Huhn erreichte, hob er seinen rechten Fuß, der von einem groben Stiefel geborgen wurde und ließ ihn langsam über dem Huhn sinken. Ekstatisch rief das Publikum nun und als der Hühnermann die Bewegung abbrach, standen einige der Männer in den teueren Anzügen auf und klatschte mit hoch erhobenen Armen in die Luft, so als ob er einen Rocksänger anfeuerte, der gerade ein schwieriges Gitarrensolo spielte. Die Zurufe auskostend zertrat der Hühnermann den Kopf des zweiten Huhnes und das schmatzende Geräusch des zertretenen Gehirnes erklang in dem Saal. Niemanden kam es wirklich seltsam vor, nicht einmal jenen in der letzten Reihe, dass sie dieses eigentlich leise Geräusch durch die Rufe und den Applaus trotzdem vernehmen konnten.
Dann wandte sich der Hühnermann dem letzten seiner drei Hühner zu. Es pickte noch immer gackernd Maiskörner von der Bühne und hatte die bisherigen Ereignisse, die so lautstark seinen Tod eingeläutet hatten, kaum bemerkt.
Hocherhobener Arme schritt der Hühnermann auf das Huhn zu und hob es hoch. Das Publikum schrie wild durcheinander.
„Erwürg es!“ schrieen manche. „Rupf es bei lebendigen Leibe!“, riefen andere. Wild war das Toben, doch der Hühnermann bewegte sich nicht, bis schließlich jemand rief: „Iss es auf!“
Langsam kam er in Bewegung, legte eine Hand um den Bauch des Huhns, die andere um dessen Kopf, sodass er seinen Hals strecken konnte. Das Publikum wurde schlagartig still, wie eine Kindergartengruppe, denen in kürze das zauberhafteste Märchen erzählt werden würde, dass sie je gehört hatten.
Einen schrillen, überraschten Schrei ließ das Huhn los, als der Hühnermann seine Zähne in dessen Hals vergrub. Der Schrei hallte durch den Saal und erinnerte eher an ein Schwein, als an einen Vogel. Der Mann auf der Bühne zerrte etwas an den beiden Enden des Tieres, bis er schließlich die Halswirbeln und die zähe Haut durchgebissen hatte. Blut rann über sein Kinn und bedeckte beinahe die komplette untere Hälfte seines Gesichtes. Er ließ den Kopf und den Rumpf des Huhnes fallen und zu Freude des Publikums strampelte das geteilte Huhn noch einige Sekunden, als könnte es seinem besiegelten Schicksal noch entfliehen.
Das Publikum dankte den letzen Nervenzuckungen mit einem tosenden Applaus. Der Hühnermann verbeugte sich und die Zuschauen reagierten mit Standing Ovations.
Durch die Lautsprecher, die zu Beginn Charlys Anmoderation verstärkt hatten, schallte ein tiefes, brummendes Lachen, das den Hühnermann etwas zusammenzucken ließ. Auch einigen Zuschauern lief es kalt über den Rücken, als sie dieses Geräusch vernahmen, doch die meisten hörten in ihrer Ekstase nur eine elektronische Rückkopplung am Ende einer gelungenen Show.

Dann betrat der Hühnermann mit blutverschmiertem Gesicht den Wartesaal. Er grinste siegessicher und in seinen Augen glänzte eine Mischung aus Entschlossenheit und lüsternen Wahnsinn, was Martin lieber nicht gesehen hätte. Ihre Chancen, die 5000 Euro zu gewinnen sanken, das wusste er, aber eine gut inszenierte, fehlerlose Cop-Nummer konnte si evielleict noch zum Sieg führen. Er sah zu der letzten Gruppe, die neben ihm noch auf die Bühne mussten und fragte sich, was diese wohl vor hatte. Baseball spielen?

Kurze Zeit später steckte das Narbengesicht seinen Kopf bei der Tür herein und holte die vorletzten Kandidaten. Es entschied sich für die Gruppe mit dem Baseballschläger.

Die beiden jungen Männer, die nun die Bühne betraten, sahen eigentlich recht sympathisch aus. Lässig gekleidet in Jeans und T-Shirt wirkten sie wie zwei Freunde, die gemeinsam an einem Grillnachmittag teilnehmen wollten. Nur ihre Augen verrieten etwas anderes. Nervöse Anspannung lag darin wie ein endloser Ozean. Doch mitten in dieser Nervosität, funkelte etwas Gemeines, Fieses, und trieb wie eine Nussschale hin und her. Oder stand es wie ein Dreimaster hinten am Horizont und wartete auf den Angriff? Die Entfernung war nur schwer abzuschätzen.
Sie stellten sich als Tim und Tom vor, obwohl sich einige Zuschauer dachten, dass Johnny anstatt Tom wohl angebrachter gewesen wäre. Doch sie konnten sich nicht lange darüber den Kopf zerbrechen, denn Tim begann die Show, indem er Tom so stark rempelte, dass dieser stolperte und beinahe fiel.
Das Konzept der Darsteller war denkbar einfach, aber ebenso erfolgreich. Sie prügelten sich und ließen das Publikum daran teilhaben.
Nachdem Tom angerempelt worden war, schlug er seinen Bühnenkollegen in den Magen.
Es folgte ein Schlagabtausch, der mit einer Platzwunde an Toms Stirn endete. Dieser schlich sodann hinter Tim und holte den Baseballschläger hervor.
Bisher war ihre Show einer Wrestling Vorstellung sehr ähnlich gewesen, doch das Knacken von Tims Oberarmknochen, der trotz der Jubelrufe deutlich zu hören war, bildete ein eindeutiges Unterscheidungsmerkmal.
Tim wälzte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden und dann trat ihm Tom ins Gesicht. Natürlich wollte er seinen Bühnenkollegen nicht töten, aber er wollte ihm die Nase brechen, was ihm auch gelang.
Tim stand nicht mehr auf und als ihn Tom nach einigen Momenten des Applauses auf die Beine hievte, konnte man sein blutüberströmtes Gesicht und seinen grotesk abstehenden Oberarm bis in die letzte Reihe sehen. Welch großartige Show!
Ein Tisch und ein Stuhl, auf den sich Tim dankbar fallen ließ, wurden auf die Bühne gebracht und Tom, alias Johnny, kündigte nun eine Überraschung an, für die er eine Freiwillige aus dem Publikum benötigte.
Natürlich meldete sich niemand, obgleich jede Zuschauerin insgeheim hoffte, Teil dieser erregenden Show zu werden. Schließlich traf es eine hübsche, junge Frau, bekleidet mit einer weißen Bluse und einem knielangem Rock. Ihr Haar war zu einem Zopf gebunden, was ihr ein biederes Aussehen verlieh. Zum Abschied küsste sie ihren Begleiter und schritt auf die Bühne.
Tom empfing sie mit einem ausdehnenden Handkuss und fragte sie, wer ihrer Meinung nach, der wahre Gewinner dieses Schlagabtausches gewesen sei, Tom oder Tim. Die junge Frau blickte auf den schwer atmenden Tim, der bedauernswert auf dem Stuhl lehnte und wählte schließlich Tom. Das Publikum klatschte zustimmend.
Dann fragte sie Tom, ob er zur Belohnung ein Küsschen auf die Wange bekommen würde. Die junge Frau willigte ein, spitzte ihre Lippen und näherte sich Toms Wange.
Doch dieser hatte nicht vor, sich mit einem Küsschen zufrieden zu geben. Kurz bevor die junge Frau seine Wange berührte, drehte er blitzschnell den Kopf, küsste sie auf den Mund und packte sie bei den Hüften.
Noch bevor sie wusste, wie ihr geschah, wurde sie über den Tisch gelegt, wie ein Kind, das nun Schläge auf sein Hinterteil zu erwarten hatte. Tom drückte sie am Rücken fest gegen den Tisch und Tim, der urplötzlich aus seinem Leid erwacht war, packte mit dem gesunden Arm ihre Hände.
Die junge Frau schrie überrascht auf, doch die Männer hatten kein Mitleid. Tom schob ihren Rock etwas nach oben und machte obszöne Bewegungen mit seinen Hüften. Die Frau begann sich zu wehren, doch unter dem Griff der beiden Männer hatte sie keine Chance.

Im Wartesaal verfolgte Martin mit immer größer werdender Verzweiflung die Show. Nie würde er gewinnen. Diese beiden Verrückten, die sich gegenseitig die Nase brachen und blutende Wunden schlugen, waren die Nummer eins, da gab es keine Zweifel. Seine beschissene Cop-Killer Nummer war ein einziger Schwindel, mit Kunstblut und falschen Emotionen. Die beiden, die nun auf der Bühne ihre Show vollführten, waren echt. Sie waren authentisch.
Allein dass er nun ihre Show erriet, bereitete ihm ein gewisses Glücksgefühl. Sie hatten die Frau geholt und spielten eine kleine Vergewaltigungsszene, doch zum eigentlichen Akt sollte es nicht kommen. Zuvor sollte der Begleiter der Dame sich mit Tim und Tom um seine Freundin schlagen. Authentizität pur.
Martin betrachtete gespannt den Bildschirm und wirklich, die beiden Männer auf der Bühne machten keine Anstalten die Freiwillige sexuell zu belästigen. Ihre Taten bestanden eher aus eindeutigen Gesten und Worten und ständigen Blicken zu dem Begleiter der jungen Frau.
Doch dieser dachte nicht daran, sich auf die Bühne zu bewegen und an der Show teilzunehmen. Erregt saß er auf seinem Platz und blieb auch dort sitzen.
Tom irritierte diese Reaktion und presste die junge Frau noch fester gegen den Tisch, sodass sie laut aufschrie. Doch auch diese Rufe der Frau berührten ihn nicht.
Hinter der Bühne konnte Martin einen Anflug an Verzweiflung in Tim und Toms Augen sehen. Nun mussten sie ihre Show wohl abbrechen.

Doch das war keineswegs im Sinne der Zuschauer. Vereinzelte Rufe wurden laut, und schließlich einigte sich das Publikum auf einen einheitlichen, auffordernden Applaus. Ein Rückzug würde nicht gewährt werden. Tom und Tim wechselten verzweifelte Blicke. Das Mädchen unter ihren Händen begann verzweifelt zu schreien, niemand war mehr auf ihrer Seite. Losgelöst von der Masse war sie nun selbst Opfer.
Irgendetwas in der Akustik der Lautsprecher und Mikrofone grollte unwillig. Tom schwitzte. Die Zuschauer wurden langsam ungeduldig und die junge Frau schrie, als brannte sie.
Dann schob der Mann hinter ihr ihren Rock bis über die Hüften, zog ihren Schlüpfer zu den Knöcheln und zog sich selbst aus. Mit geschlossenen Augen vollzog er seine eigene Vergewaltigung.

Die Hilferufe der jungen Frau drangen bis in den Wartesaal, wo Martin und Andreas fassungslos auf den Monitor starrten. Wie konnte das sein? Vor ihren Augen wurde eine Frau vergewaltigt, doch niemand tat etwas. Weder das Publikum noch die Veranstalter, sie selbst nicht ausgenommen. Was geschieht hier?
Das Rufen war unerträglich, doch wirklich schlimm war die Stille, die nach einigen Sekunden nach Beginn des Aktes eintrat. Die junge Frau schrie nicht mehr. Sie stöhnte. Doch nicht aus Lust oder Erregung; es war tiefste Scham, Erniedrigung, die mit jeden weiteren Stoß in ihren Körper gepumpt wurde und ihr Dasein schändete. Hin und wieder schluchzte sie.

Dann, irgendwann, kaum abzuschätzen wie lange das Martyrium dauerte, war es vorbei. Tom und Tim verharrten für einige Sekunden regungslos auf der Bühne, während sich die junge Frau anzog und nun weinend durch den Notausgang ihre eigene Hölle verließ. Lachend und applaudierend wurde sie vom Publikum verabschiedet. Dann stolperten Tim und Tom hinter die Bühne zurück in den Wartesaal, hinter ihnen das honorierende Klatschen der Menge.

Als Martin Tim und Tom durch den Wartesaal betreten sah, erblickte er zwei Fremde, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Sie waren nicht mehr die großen Helden, die sie vor ihrer Show gewesen waren; nicht mehr die harten, siegessichere Kerle, die ihre Konkurrenz beschimpften. Mit blutverschmierten Gesichtern nahmen sie Platz, umschlangen ihre Knie und wippten in einem stummen Takt hin und her, den Blick starr auf etwas Unsichtbares weit in der Ferne gerichtet.
Dann wurde die Tür geöffnet und ein letztes Mal spähte das picklige Gesicht in den Wartesaal. „Ihr seid an der Reihe“, sagte es zu Martin und Andreas mit zitternder Stimme. Sie fühlten sich wie betäubt, hatten die letzten Bilder die sie gesehen hatten, noch immer nicht richtig verarbeitet und traten so beinahe willenlos auf die Bühne. Nun war ihr großer Augenblick gekommen.

Das Klatschen und Jubeln des Publikums weckte die beiden aus ihrer Benommenheit und sie wurden sich ihrer Situation bewusst. Ihre Nummer übertraf die ungewollte Vorstellung von Tim und Tom auf keinen Fall, aber – so dachte Martin – falls sie es richtig anstellten, dann würden sie einem Aufstand vielleicht entgehen. Eine gute Copkiller Nummer übertraf zwar mit Sicherheit nie eine echte Vergewaltigung, aber mit all dem Kunstblut konnte die zähnefletschende Menge vielleicht besänftigt werden. Dieser Gedanke beruhigte Martin und so bereiteten sie sich für die Show vor. Andreas wurde nun an einen Sessel gebunden und geknebelt und Martin würde theatralisch um ihn herum schreiten und schließlich drei Kugeln in den Boden schießen und mit den letzten drei, den Platzpatronen, den Cop „killen“.
Doch es verlief ein wenig anders als geplant. Der Gedanke an eine gute Show mochte zwar Martin beruhigt haben, doch Andreas zitterten die Knie und hätte er sich nicht erst vor einer Stunde übergeben, würde er nun einen Schwall aus heruntergeschlucktem Ekel und Angst erbrechen. Und genau diese Angst war das erste Glied in jener Kette, die ihn schließlich erdrosseln würde.
Denn während er auf dem Stuhl gefesselt da saß und Martins hasserfüllte Rede gegen das Gesetz hörte, betätigte er mit seinen zitternden Händen den Schalter, der das Fließen des Kunstblutes auslösen sollte. Natürlich war es zu früh und natürlich ruinierte es die Show der beiden, doch seine schüttelnden Hände waren nicht unter Kontrolle zu bringen, schließlich saß er auf der Bühne, die gerade Schauplatz einer Vergewaltigung war.
Ein Mann in der ersten Reihe entdeckte als erster die rote Flüssigkeit, die sich aus drei Löchern in Andreas T-Shirts ergoss und begann prustend zu lachen. Seine Freunde stimmten ein und bald spottete der ganze Saal.
Ziemlich als letzter bemerkte Martin, was geschehen war und während er in Andreas unterwürfig entschuldigendes Gesicht sah, verwandelte sich die Welt um ihn herum. Zuerst bestand sie nur aus Blut, das aus dem Körper seines besten Freundes strömte. Wie eine Vision umhüllte es seinen Verstand. Er sah, wie es den fetten Bauch hinunterlief, wie es sich auf seinem Schoß ergoss und schließlich auf die Bretter des Bühnenboden tropfte. Zäh und klebrig floss es durch seine Wahrnehmung.
Dann sah er Andreas, der wimmernd in seinen Fesseln saß. Er hatte ihre Show versaut, er hatte MARTINS Show versaut und das live, vor den Augen dieses kranken Publikums. Er sah seinen besten Freund winselnd und gefesselt und empfand Abscheu für ihn, nichts als Abscheu. Wieso musste er sich auch auf diesen fetten Idioten verlassen? Wieso hing sein Glück von diesem Trottel ab? Wieso? In Martins Verstand, der sich so sehr vor der Reaktion des Publikums fürchtete, verschwand sein bester Freund Andreas. Allein eine riesige, gelbe Fettansammlung mit einem menschlichem Gesicht war er jetzt, das all sein Glück und seinen Erfolg auffraß.
Und zuletzt nahm er das Publikum wahr. Es machte sich über ihn lustig, es verspottete ihn. Ihn, Martin, der schon so viele Auftritte geleistet hatte, der sein ganzes Leben für Applaus und Beifall geopfert hatte. Sprechchöre wurden laut, unzählige Münder überschwemmten den Boden seines Daseins mit widerlichen Worten.
Und auch die Elektronik schien seine Missbilligung Kund zu tun. Wieder hallte die Rückkopplung durch den Saal und wieder klang es wie ein Lachen. Diesmal verhöhnte es die lächerliche Leistung zweier Vollidioten, die sogar diese mickrige Vorstellung nicht auf die Reihe bekamen. Auch die Bretter der Bühne knarrten und das Lichter flackerte rot und gelb und ließ die Zuschauer wie Teufel zucken und tanzen. Ja, er war nun unschuldig gefangen in seiner eigenen Hölle. Dann verschwand die Welt.

Stefan Schrammel, alias Charly, hatte etwas Mitleid mit den Männern auf der Bühne. Es war wirklich nicht leicht, nach der grausamen Show der letzten Kandidaten auftreten zu müssen, aber gleich zu Beginn einen solchen Fehler zu machen, war natürlich noch schlimmer. Er wollte dem Spuk gerade ein Ende bereiten, auf die Bühne gehen und das Publikum den Gewinner bestimmen lassen, als der Mann auf der Bühne stand, zu schreien begann.
Und dieses Schreien, so durchdringend und wahnsinnig in seinem Klang, brachte das Publikum zum Schweigen.
„Du Teufel, du verdammter Teufel!“, schrie Martin in die Menge. Er schritt zu seinem gefesselten Bühnenkollegen, hielt ihm die Waffe ans Knie und drückte den Abzug. Ein Schuss hallte durch den Saal, ohrenbetäubend und schrecklich präsent. Andreas schrie auf und wollte sich ans Bein fassen, doch stattdessen zappelte er nur in seiner Gefangenschaft und der Knebel ließ sein Gekreische zu einem dumpfen Quieken mutieren. Blut floss unter dem Hosenabschluss hervor, sein Knie hatte eine groteske Form angenommen.
„Ist es das, was du willst?“, schrie Martin weiter. „Ist es das was du von mir verlangst? Von uns allen, die täglich ihr Leben verkaufen um dir zu dienen. Um deine Lust nach Fehlern anderer zu befriedigen. Deine Gier nach dem Leiden anderer zu stillen. Du Voyeur machst aus uns allen grausame Exhibitionisten, die auch vor der Entblößung des Lebens anderer nicht zurückschrecken. Du machst uns zu Seelenhändlern, die dir Ware verkaufen, doch nie entlohnt werden. Ist es das Grauen, das du willst?“
In Martins Kopf verschmolz das Publikum im roten Licht zu einer einzigen, grinsenden Fratze. Aus ihren Mundwinkel floss gieriger Speichel und die Augen flackerten lüstern.
Martin schritt zu Andreas und schoss ihn in den Arm. Der Knebel löste sich und sein Gebrüll füllte nun den Saal aus. Er brüllte wie ein Antilopenbaby in den Fängen eines Löwen.

Hinter der Bühne beschlossen nun Stefan und der Kandidaten-Promoteur die Grausamkeiten auf der Bühne zu beenden. Der Kandidat schien verrückt geworden zu sein. Doch durch irgendeinen grausamen Zufall klemmte die Tür und den beiden war es unmöglich, den Regiebereich zu verlassen. Auch die Leitung des Telefons war tot und Handys funktionierten im Keller sowieso nicht. Und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als auf den Monitor zu starren und die Show zu verfolgen.

„...was du willst? Dann sieh her, Teufel. Ich habe mich schon verkauft, meine Seele ist schon lange dein, doch nichts habe ich dafür bekommen. Nichts! Ich diente dir so lange, doch du ignoriertest mich!“
Andreas Bewusstseinszustand wechselte jeden Augenblick von schreienden Wachzustand zur gnädigen Bewusstlosigkeit und wieder zurück. Er fühlte sich wie in einem Alptraum, dessen schmerzhaften Elemente grausame Realität waren. Doch bald würde er aufwachen, vielleicht weckte ihn ja das schreien seiner kleinen Tochter. Dann würde er in den Armen seiner Frau aufwachen, seine Tochter beruhigen und schließlich feststellen, dass er noch gute drei Stunden zu schlafen hatte, bevor er zur Arbeit musste.
In Martins Verstand spukte eine andere Vorstellung, in der ihn die Fratze weiterhin angrinste, kaum beeindruckt von dem theatralischen Gerede ihres Sklaven. „Ich will ein Opfer, schaffst du das?“, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Ohne zu zögern hob Martin die Waffe, hielt sie an Andreas Schläfe und drückte ab. Der Kopf des Mannes mit dem dicken Bauch und dem verschwitzten Cop-T-Shirt explodierte und der zuckende Rumpf sackte von Fesseln gehalten auf dem Sessel zusammen. Der Bühnenboden sah aus, als hätte ihn ein unfähiger Malerlehrling mit roter und grauer Farbe ausgemalt. Hie und da hatte sich graue Masse versammelt. Knochensplitter lagen herum.
„Bitte schön“, sagte Martin leise und die Fratze in seinem Verstand lachte, lauter und immer schriller, bis sich das Gelächter wie das Schreien einer Menschenmenge anhörte und da zerfiel das Gesicht und Martin konnte wieder das Publikum sehen, das nun in Panik geraten war und wild durcheinander lief.
Hatte die Show schon begonnen?, fragte er sich, doch als er zu seinem besten Freund hinüber sah, begriff er. Die Show war gerade zu Ende gegangen. Er hob die Pistole abermals, zielte diesmal auf seinen Kopf und drückte ab...


Ob er nun Glück gehabt hatte oder nicht, entzieht sich jeder Burteilung, fest stand nur, dass die Rettung schließlich einen schwer verletzten, aber nicht getöteten Mann von der Bühne trug, der auf sich selbst geschossen hatte. Glück oder nicht, seine Waffe war nur mehr mit Platzpatronen gefüllt.
Nachdem sein Zustand nicht mehr kritisch war, bekam er eine Gerichtsverhandlung, in der sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf eine Einlieferung in die Psychiatrische Anstalt für gewalttätige Geisteskranke entschieden. Dort sollte der nicht mehr ansprechbare Mörder solange bleiben, bis er als geheilt angesehen werden konnte, was nach einhelliger Meinung wohl nie eintreten würde.
Fernsehen war das einzige in seiner Umwelt, auf das der Patient reagierte. Und so stellte man einen Fernseher Tag und Nacht neben ihn, in der Hoffnung, irgendein Ergebnis zu bekommen.
Doch das Ergebnis war in Martins Verstand, tief verborgen vor dem Erkennen der Ärzte. Nun gab es nur noch ihn, der für immer seinem Herrn diente. Er spielte unzählige Rollen, nahm vielerlei Gestalt an und tat alles, um der roten Fratz zu gefallen.
Einmal fragte er sich selbst, die intimsten Sachen.
(„Martin, Sie sagen also, sie seien der Vater von Martin, dem Sohn ihres ermordeten Freundes. Stimmt das denn?“, wollte Martin von sich selbst wissen.
„Natürlich stimmt das! Und als guter Vater werde ich mich stets um meinen Martin kümmern“, antwortete er sich.)
Ein andern Mal sang er die dümmsten Lieder und kritisierte sich selbst auf möglichst beleidigende Weise. („Martin, bevor ich dich noch einmal singen hören will, erschieße ich lieber meinen besten Freund, ehrlich!“)
Und immer war die Fratze da, betrachtete seine Show und lachte und weinte lüstern grinsend mit ihm. Und wenn er keine Show lieferte und vor dem Einschlafen im Dunklen noch einmal kurz die Augen öffnete, so sah er noch immer das rote Auge der Fratze, die nur darauf wartete, wieder unterhalten zu werden.
 
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