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6 Seiten

Cáriallá - Kapitel 3

Romane/Serien · Fantastisches
© Conva
Die neue Umgebung

Nach einigen Stunden erblickte Cára in der Ferne den dunklen Schatten eines Waldes. Wie sie später erfuhr, wurde er Tiurar genannt und reichte bis ins Unbekannte Königreich. Wie es hieß, begegneten unvorsichtige Wanderer, die sich zu weit hinein wagten, gelegentlich den vermummten Bewohnern des Nachbarreiches, doch gab es niemanden, der diese Geschichten bestätigen konnte.
Am Rande des Tiurar lag Tium, eine einfache Siedlung mit Fachwerkhäusern, die sich hauptsächlich des Handels mit dem kostbaren Tiurarer Holz befleißigte. Hier besaß Giz te Groot eine einfache Schänke, die hauptsächlich von den Holzfällern besucht wurde.
Als sie gegen Abend die Siedlung erreichten, fiel Cára vor Müdigkeit beinahe von ihrem Sitz. Die vielen neuen Eindrücke, die Angst vor der Zukunft und das gleichmäßige Rumpeln des Wagens hatten sie zuletzt in eine Art Dämmerzustand versetzt und nun rieb sie sich die Augen und sah sich gespannt um.
Groot führte das Pferde in einen Stall an der Seite des Hauses. Mit einer Handbewegung bedeutete er Cára, ihm zu folgen.
„Schirr das Pferd ab und bring es in die hinterste Box. In der Truhe dort findest du Hafer und einem Becher. Gib ihm einen Becher voll in seinen Trog und dann noch etwas Heu. Dann komm ins Haus.“ knurrte er.
Als Cára sich nicht rührte fluchte er. „Beweg dich endlich, ich will dir nicht alles zweimal sagen! Los doch!“
„Ich weiß doch nicht, wie man ein Pferd abschirrt.“ flüsterte Cára ängstlich.
Groot fluchte wieder. „Ich sag’s ja, Kinder aus dem Waisenhaus sind zu nichts nütze. Aber will meine Frau darauf hören? Nein!“ Aber er zeigte Cára, was sie zu tun hatte. „Das mit dem Heu und Hafer wirst du ja wohl allein hinbekommen.“ meinte er dann immer noch grollend und verließ den Stall. Cára tat, wie ihr geheißen war und füllte dem Pferd einen Becher Hafer in seinen Trog. Ängstlich beobachtete sie dabei jede Bewegung des Tieres. Es war zwar nicht groß, aber sie hatte noch nie mit diesen Tieren zu tun gehabt. Doch es kümmerte sich nicht weiter um sie, sondern stürzte sich mit dem gleichen Heißhunger, den sie empfand, auf sein Futter.
Schnell eilte Cára ins Haus, denn sie war sicher, dass Giz te Groot und seine Frau nicht gerne warteten.
Und richtig, sobald sie den Schankraum betrat keifte eine Frau los.
„Da bist du ja endlich, du nichtsnutziges Stück. Trödel nicht so rum, los komm näher, damit ich mir anschauen kann was mein ach so ehrenwerter Gemahl mir da ins Haus geschleppt hat.“ Gehorsam trat Cára näher. Die Frau war nicht besonders groß, dafür aber um so breiter. Sie trug ein lilafarbenes Gewand ohne jeglichen Verzierungen, darüber eine weiße Schürze und auf dem Kopf thronte eine weiße Haube. Ihr Gesicht war genauso rot wie das ihres Mannes und wurde noch röter, als sie das zitternde Mädchen betrachtete.
„Warum hast du nicht wenigstens soviel Verstand gehabt, uns jemand kräftigen mitzubringen! Diese halbe Portion ist doch nicht in der Lage, auch nur einen Tag zu arbeiten!“
„Nun hör aber mal auf!“ polterte Groot los. „Schließlich war es deine Idee, ein Mädchen aus dem Waisenhaus zu holen! Und diese dürren Dinger sind zäher als man denkt. Außerdem war sie die billigste, die Vorsteherin war wohl ganz froh, sie loszuwerden.“
„Und wo ist der Haken an der Sache? Die war doch nicht umsonst so billig.“ Während Cára sich sehnlichst ein Erdloch wünschte, um darin zu verschwinden, stritten die beiden lautstark weiter. Erst der Eintritt eines Gastes zwang sie dazu, zumindest vorerst aufzuhören. Groots Frau scheuchte Cára nach hinten in die Küche, stellte sie Diza te Fuir vor und befahl ihr dann, der Köchin in jeder Weise zu helfen und zu gehorchen.
Diza te Fuir war eine alte, dürre Frau mit Brille, grauem, strähnigen Haaren und wenig Zähnen. Gerade war sie damit beschäftigt, Zwiebeln für eine Suppe zu schneiden, als Cára hineingebracht wurde. Diese Aufgabe wies sie nun dem Mädchen zu und nahm dankbar einen tiefen Schluck aus einer Flasche, die sie in einer Tasche ihrer Schürze verborgen hatte.
„Das bleibt aber unter uns!“ krächzte sie gleich darauf. „Wenn du auch nur ein Wort über diese Flasche Groot oder seiner Frau gegenüber verlierst zieh’ ich dir Haut ab und koch’ dich als Braten für die Männer!“
Verschreckt nickte Cára nur. Die Zwiebeldämpfe trieben ihr ebenso die Tränen in die Augen, wie ihre Zukunftsaussichten. Sollte sie für den Rest ihres Lebens hier bleiben? Oder würde man sie irgendwann, wenn sie im heiratsfähigen Alter war, an den meistbietenden Mann verkaufen? Laut der im Waisenhaus kursierenden Gerüchte war so etwas häufig das Schicksal weiblicher Waisen, die es nicht gut getroffen hatten. Je länger Cára für die alte Fuir Zwiebeln und Karotten, Kartoffeln und Porree, Tomaten und Paprika, Gurke, Triag, Fleisch, Hark und Vioya schnitt, desto schwärzer malte sie sich ihre Zukunft aus. Und wenn sie an den unfreundlichen Empfang der Wirtsfrau dachte, wurde ihr vor Angst jedes Mal fast schlecht. Doch etwas anderes war da noch gewesen... Etwas anderes als die harten Züge der Frau, die lauten Stimmen... Plötzlich fiel es Cára wieder ein: Der Giz hatte ihren „Kauf“ äußerst wortgewandt verteidigt, doch ihre Kette und das Medaillon hatte er mit keinem Wort erwähnt!
Endlich war sie mit den Zutaten für die Suppe und den Eintopf, die Fuir zubereitete, fertig. Als nächstes wurde sie damit beauftragt, vom Hof Wasser aus dem Brunnen zu holen und zu erhitzen, um damit das Geschirr zu waschen. Während die alte Fuir es sich auf einem Stuhl gemütlich machte schrubbte sie bis ihre Hände Blasen hatten – und ständig kam neues Geschirr hinzu.
Erst nach Mitternacht konnte sie endlich aufhören. Groots Frau knallte ihr einen Teller mit Eintopf vor die Nase, den sie in Windeseile hinunterschlang, obwohl er bereits kalt war. Dann zeigte die Frau ihr ihre kleine Schlafkammer unter dem Dach. Wie betäubt ließ Cára sich auf ihre schmale Pritsche fallen und schlief sofort ein.

Am nächsten Tag erwachte sie durch laute Stimmen unter ihrem Fenster. Als sie neugierig nach draußen schaute, sah sie Giza te Groot mit einem Händler lautstark um ein Fass streiten. Cára erriet, dass es sich dabei um Bier oder Wein handeln musste.
Allem Anschein nach war es schon später Morgen und sie war dankbar, dass man sie so lange hatte schlafen lassen. Gleichzeitig fragte sie sich, was diese unerwartete Rücksicht wohl bedeuten mochte. Wie sich später herausstellte lag es aber gar nicht an Rücksicht der Giz ihr gegenüber, sondern schlicht daran, dass sie kurzzeitig vergessen worden war.
Jetzt jedoch erinnerte sich die Giza wieder an das Mädchen und rief sie. Cára strich schnell ihre Kleidung, in der sie nun bereits ein zweites mal genächtigt hatte, glatt und lief dann eilig nach unten.
„Da.“ knurrte der Wirt und stellte ihr in der Küche einen Teller mit etwas Brot und Käse sowie ein Glas Wasser hin. „Beeil dich mit Essen und dann komm sofort zu mir. Ist wohl am Besten, ich zeige dir erst mal alles.“
Cára nickte nur mit bereits vollem Mund. Im Waisenhaus hatte sie gelernt, schnell zu essen. Wer langsam und dabei so schwach wie sie war, bekam sonst rasch sein Essen von einem der vielen anderen hungrigen Kinder weggenommen. Somit dauerte es nur kurze Zeit, bis sie ihren Teller zu dem bereits wieder auf beachtliche Größe angewachsenen Stapel schmutzigen Geschirrs stellte und den Giz suchte. Sie fand ihn im Hof hinter dem Haus, wo auch der Brunnen stand.
Als der Mann Cára erblickte, fing er sofort mit ihrer Einweisung an. „Hier hinten im Schuppen halten wir Hühner. Es wird von nun an zu deinen Aufgaben gehören, noch vor dem Frühstück die Eier einzusammeln und die Hühner dann zu füttern.“ Er zeigte Cára, wie man den Hühnern die Eier wegnahm, ohne sie zu sehr aufzuregen, und wo das Futter stand. Weiter ging es zum Stall im vorderen Hof. „Ebenfalls vor dem Frühstück wirst du Klepper einen viertel Becher Hafer und Heu geben. Dann bekommst du in der Küche dein Frühstück. Anschließend wäschst du das Geschirr ab oder hilfst in der Schänke mit, je nach dem, wie viele Leute da sind. Mittags wirst du Diza te Fuir bei der Zubereitung einer einfachen warmen Mahlzeit helfen. Du kannst dir dann einen Teller davon nehmen, wenn du fertig bist. Nachmittags ist hier meist nicht viel los, du kannst also wieder anfangen, das Geschirr abzuwaschen, dann hast du abends nicht mehr soviel zu tun. Abends hilfst du wieder in der Küche bei den Vorbereitungen für die Suppe und den Eintopf, die wir anbieten. Sind die Vorbereitungen abgeschlossen, wirst du mir und meiner Frau beim Bedienen der Gäste helfen. Je nach Besucheranzahl kannst du dann noch Geschirr abwaschen oder musst dies am nächsten Tag nachholen.“ Cára seufzte unhörbar. Warum verbrauchte man in einem Wirtshaus nur soviel Geschirr? Und schon scheuchte der Giz sie in die Küche an die Spüle.
Cára war froh, als es endlich Mittag war. Auch wenn sie wieder rotverquollene Augen vom Zwiebelschneiden bekam, so war es doch eine Abwechslung und außerdem konnte sie dabei sitzen! Als die brodelnde Suppe fertig war, maß die Diza ihr eine kleine Portion ab, die Cára wieder so schnell nur möglich hinunterschlang. Dann machte sie sich missmutig wieder an den Abwasch. Immer wieder musste sie den schweren Waschzuber ausleeren, Wasser aus dem Brunnen holen, dieses über der gewaltigen Feuerstelle erhitzen und in den Waschbottich gießen. Und die Giza brachte ständig neues schmutziges Geschirr. Zwar waren es am Nachmittag hauptsächlich Bierkrüge, aber Cára wusste, dass es abends auch wieder viele Teller und Schüsseln sein würde. Wenn sie einen neuen Schwung Geschirr fertig hatte, brachte sie diesen durch eine schmale Tür direkt zu einem Regal hinter dem Tresen, wo Groot stand und Bier abzapfte. Der Topf mit der Suppe war zu einem Kamin neben diesem Regal gebracht worden und wurde dort von einem kleinen Feuer warm gehalten.
Endlich war es wieder Zeit für die Zubereitung des Abendessens. Diza te Fuir gab Cára mehrere Kaninchen, die sie häuten und ausweiden sollte. Von dieser Arbeit wurde es Cára fast schlecht, doch sie bis die Zähne zusammen. Anschließend schnitt sie das Fleisch von den Knochen und zerteilte es in würfelgroße Stücke, die dann in den Eintopf kamen. Dann sollte sie wieder Gemüse schneiden, doch indem Moment rief der Giz sie.
„Volles Haus heute. Hilf meiner Frau und pass ja auf, dass du nichts verschüttest!“ brummte er. Cára nickte, doch sie wäre lieber in er Küche geblieben. Die Vorstellung, eine ganze Horde Männer bedienen zu müssen, verschreckte sie. Gehorsam nahm sie jedoch ein Tablett mit zwei Suppenschalen entgegen und brachte es zu dem ihr angewiesenen Tisch. Dann kehrte sie an den Tresen zurück.
Eine saftige Ohrfeige empfing sie. „Kannst du nicht sprechen? Hast du keine Manieren?“ keifte die Giza. „Wenn du Gästen etwas bringst sagst du gefälligst ‚Guten Appetit’ oder ‚Wohl bekomm's'. Hast du mich verstanden!“
Cára blinzelte die Tränen zurück. „Ja.“ murmelte sie.
„Dann lauf und bring die beiden Krüge hier an den Tisch am Fenster. Und dann eine Suppe für den Mann im grünen Wams. Wenn du dann siehst, dass einer nichts zu essen oder zu trinken hat, geh hin und frag, was er wünscht!“
Sie tat, was ihr aufgetragen war. Doch obwohl sie sich nach Kräften anstrengte, war sie der Wirtsfrau nicht schnell genug, erkannte sie nicht schnell genug, wer Wünsche hatte. Und so erhielt sie noch eine Ohrfeige. Dann zog sich die Wirtsfrau zurück, überzeugt, Cára so gut es ging gezeigt zu haben, was sie erwartete, wenn sie nicht gut arbeitete. Während der Wirt hinter seinem Tresen blieb und Bier ausschenkte, mit den Gästen plauderte und scherzte, rannte Cára durch den Raum und bemühe sich, keine Bestellung zu vergessen oder zu verwechseln. Am Ende konnten ihre Füße sie kaum noch tragen, doch es war wieder nach Mitternacht, als die letzten Gäste sich endlich verabschiedeten. Mit der Sperrstunde nahm man es im „Roten Drachen“ nicht so genau. Die Hauptstadt war eine Tagesreise entfernt und es verirrten sich selten Wachen des Bezirksregenten von Thetsa in die Gegend.
Wie auch am Tag zuvor war Cára zu müde, sich noch großartig zu waschen. Doch sie zog endlich ihr Kleid aus und schlüpfte in eines der Nachthemden. Dann fiel sie endlich in ihr Bett.
 
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Ui das is fies! Endlich kommt die Kleine aus dem Waisenhaus raus und dann so etwas!

Aves (12.07.2004)

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