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4 Seiten

Lichtnetz (Part 14)

Romane/Serien · Fantastisches
© Metevelis
Nur einen Augenblick war sie abgelenkt, da krachte auch schon der Stab mit unglaublicher Wucht gegen ihre Schulter! Lyssa wurde unverzüglich schlecht, der Holzstab glitt ihr aus den gefühllosen Fingern. Ihr wurde schwarz vor Augen. Sie fiel auf die Knie, vergrub ihre Finger im heißen Sand und würgte. Nur undeutlich spürte sie, wie Hjalmar neben ihr in die Knie ging und seine Hand auf ihren Rücken legte.
"Alles in Ordnung? Lyssa? Bist du in Ordnung! Soll die Heilerin kommen?"
Lyssa antwortete nicht, sie war noch immer darum bemüht, ihr Inneres nach Außen zu kehren. Der Schmerz flammte in unregelmäßigen Impulsen in ihrer Schulter auf, immer begleitet von einer Welle der Übelkeit.
"Steh auf! Dir fehlt nichts! Du mußt lernen, den Schmerz zu überwinden!"
Das war die barsche Stimme von Saekra, der den Übungskampf zwischen Hjalmar und ihr geleitet hatte. Den ganzen Kampf über hatte er ihr Anweisungen zugebellt, immer wieder ihre Schwächen kritisiert. Er hatte Hjalmar auch angewiesen, ihre größte Schwachstelle auszunutzen und die war momentan ihre Schulter.

Und das obwohl ihr körperlich tatsächlich nichts fehlte.
Vor einigen Wochen war sie mitten in der Nacht aufgewacht, geweckt von unsäglichen Schmerzen, die sich von ihrer Schulter ausbreiteten. Es war als ob jemand ein Messer in ihre Schulter gerammt hatte und es dann genüsslich umgedreht hatte. Ihre Zimmergenossin war von Lyssas Aufschrei aufgewacht und hatte besorgt die Heilerin gerufen. Maris Mutter Elian war sofort im Nachtgewand zu ihr geeilt und hatte sie gründlichst untersucht und doch hatte sie nichts finden können, das diese Schmerzen rechtfertigte. Etwas hilflos hatte sie ihr einen starken Kräutertee aufgebrüht, der ihre Schmerzen linderte und sie wieder schlafen ließ.
Obwohl nicht nur Elian, sondern auch alle anderen Heiler sie untersucht hatten, konnte keiner die Ursache der Schmerzen heraus finden. Der Schmerz war mit der Zeit größtenteils verschwunden, auch wenn ihre Schulter immer noch sehr empfindlich war. Und dies war der Grund, weshalb Saekra alle ihre Kampfpartner anwies, auf diese Schwachstelle zu zielen.

Lyssa krallte ihre Hände in den Sand, atmete tief ein - und wieder aus. Langsam richtete sie sich auf und sah Saekra trotzig an. Dieser Mann besaß keinen Funken Mitleid im Leib, das hatte sie bereits in den ersten Tagen fest gestellt. Sie war kaum zwei Tage da gewesen, da hatte er sie bereits in die "Arena" geschickt. Die Arena war eine Hinterlassenschaft der Alten. Ein riesiger kreisrunder Kessel aus Glas mitten in der Wüste. Die Wände waren hoch und so glatt wie Eis und es gab keinen Eingang. Die Wände waren makellos, sie wiesen nicht einmal den winzigsten Riss auf. Die einzige Möglichkeit, in die Arena zu gelangen, war ein "Tor", wovon es eines im Ordenshaus gab und eines in der Arena, beide abgeschirmt durch Zelte. Keiner wußte, wie diese Tore funktionierten, nur daß sie da waren, seit es den Orden gab.

Lyssa erinnerte sich mit Schaudern an ihren ersten Tag in der Arena. Drei Stunden, nachdem sie die Arena betreten hatte, hatte man sie bewußtlos ins Ordenshaus zurück getragen. An diesem Abend war ihr Gesicht feuerrot, die Haut schälte sich, ihr war schwindlig, übel und in ihrem Kopf pulsierte der Schmerz.
Saekra hatte sie erbarmungslos angetrieben, obwohl er wußte, daß sie die Hitze der Wüste nicht gewohnt war und sie durch ihre helle Haut besonders empfindlich gegen die Sonne war. Selbst als Lyssa zu erschöpft war, um ihren Kampfstab überhaupt noch an zu heben, hatte er sie unermüdlich angegriffen. Er knallte ihr den Holzstab gegen Oberschenkel, Rippen, Rücken und Schultern und Lyssa lag immer öfter am Boden, wimmernd vor Schmerzen und doch ließ dieser Mann sie nicht in Ruhe. Störrisch wie sie war, wollte sie ihn aber nicht um eine Pause bitten und kämpfte sich immer wieder auf die Beine. Schließlich aber forderte die Erschöpfung, der Schmerz und die Hitze ihren Tribut und sie verlor das Bewußtsein.

Als sie erwachte, wünschte sie sich, auf der Stelle zu sterben. Ihr Schädel hämmerte; wenn sie ihre Augen öffnete, blitzen kleine Lichtblitze durch ihr Sehfeld, ihr gesamter Körper schmerzte unerträglich, außerdem drehte sich der Raum wie wild um sie, als die den Kopf zu bewegen versuchte. Als sie sich einigermaßen daran gewöhnt hatte, bemerkte sie daß sie nicht allein war. Neben ihrem Bett stand Saekra und besaß die Frechheit, stolz auf sie herab zu grinsen. Des weiteren saß ein Bär von einem Mann neben ihr, der ihr ein kaltes, nasses Tuch auf die Stirn legte, wofür sie ihn auf der Stelle hätte küssen können. Er stellte sich als Golas vor, einer der Heiler. Offenbar war sie mitten in einem Streitgespräch aufgewacht, denn er wandte sich sofort wieder Saekra zu und fuhr ihn an, was er sich dabei gedacht habe, sie so zu zu richten.

"Sie ist zäher, als du denkst, Golas. Sie hat es drei Stunden in der Arena ausgehalten. Und das obwohl sie aus einem kühlen, feuchten Land kommt und die Hitze bei uns nicht gewohnt ist. Sie hat Kampfgeist, Golas! Das gefällt mir. Bring sie wieder auf die Beine, ich will sie morgen wieder in der Arena sehen!"
Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ den Raum. Lyssa stöhnte und sah den Heiler um Mitleid heischend an. Dieser schnalzte mit der Zunge, aber schien sich Saekra zu fügen. Er tauchte einen Stoffstreifen in eine Schüssel und legte diesen auf ihre Rippen. Nun erst merkte sie, daß sie vollkommen unbekleidet auf ihrem Bett lag. Entsetzt raffte sie ihre Decke zusammen und bedeckte ihre Blöße.

Golas sah sie verständnisvoll an und erklärte ihr dann, das dies nicht nötig sei. Er sei in seiner Funktion als Heiler bei ihr und sehe sie daher vollkommen neutral. Außerdem machte er sie darauf aufmerksam, daß sie die Versorgung nötig hatte. Seinem Blick folgend, sah sie an sich herunter und sog entsetzt die Luft ein. Ihr Körper war übersät mit roten Striemen und blauen Flecken. Nun verstand sie auch, weshalb Golas Saekra so angefahren hatte.

Sie ließ die restliche Behandlung wortlos über sich ergehen, obwohl sie immer wieder zusammen zuckte, wenn Golas eine besonders empfindliche Stelle versorgte. Als er fertig war, ließ er ihr eine Salbe da, mit der sie sich das Gesicht einreiben sollte, bevor sie in die Sonne trat und der Ermahnung viel von dem Kräutertee zu trinken, um ihren Flüssigkeitsverlust wieder auszugleichen.

Als Golas das Zimmer verließ, drehte sie sich auf die Seite, den Schmerz ignorierend der da aufflammte und dachte an Sandro und ihre restlichen Gefährten, an ihre Mutter und ihre Heimat und daß sie von all diesem so unendlich weit weg war und schließlich weinte sie sich in den Schlaf.

Am nächsten Tag erschien sie in der Arena, wund und steif, ängstlich was sie nun wieder erwartete. Doch Saekra stellte ihr Hjalmar vor, einen jungen, hochgewachsenen Mann von den Silberinseln, der in der nächsten Zeit ihr Partner sein würde. An diesem Tag sollten sie den Messerkampf üben. Darauf und auf den Umgang mit dem Kampfstab sollte sie sich konzentrieren. Doch diesmal ging es Saekra langsam an, ließ ihren Muskeln Zeit, um warm zu werden, korrigierte ihre Haltungen auf eine erstaunlich sanfte Weise, so daß sie fast begann sich zu entspannen. Hjalmar tat sein Übriges, er brachte sie zum Lachen und verströmte eine beruhigende Aura, bis sie am Ende des Kampfes ihre Schmerzen fast vergessen hatte.
Nach dem Kampf verbrachte sie auch den Rest des Tages mit Hjalmar, hörte ihm zu, als er von seiner Heimat sprach, erzählte ihm von ihrer Heimat, von ihrer Familie und ihrer Sehnsucht nach beidem. Nach diesem Tag entwickelte sich ihre Freundschaft zu einem festen Band und Lyssa vertraute ihm außerhalb der Arena bedingungslos.

Doch in der Arena war Hjalmar erbarmungslos. Er kannte keine Gnade, nutzte ihre Schwächen schamlos aus und schlug sie öfters nieder, als ihr lieb war. Sie landete auch einige Treffer, doch meistens unterlag sie ihm. Das konnte Lyssa nicht auf sich sitzen lassen und so trainierte sie härter, um Hjalmar einmal richtig zu besiegen.
Er förderte ihre Bemühungen, wies sie auf ihre Schwächen hin und worauf sie sich besser konzentrieren sollte. Hjalmar war der Grund, weshalb sie jeden Tag in der Wüste aufs neue in Angriff nahm. Denn leider hatte sie sich bereits nach einigen Tagen von Mari und Deya verabschieden müssen, da diese auf eine neue Mission geschickt wurden. Lyssa vermisste die beiden unsäglich. Doch sie hatte sich bereits mit ihrer Zimmergenossin Nomika angefreundet und durch sie und Hjalmar fühlte sich Lyssa nicht ganz so einsam.

Lyssa kehrte aus ihren Erinnerungen zurück, als sie merkte, wie Hjalmar sie auf die Füße zog und ihren Arm um seine Schulter legte. Saekra hatte sie beide wohl für heute entlassen. Dankbar schleppten die beiden sich zum "Tor".
 
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Kommentare  

Hui, sehr schöner Teil. Ich hoffe doch, die Pause dauert nicht allzulange. :>
5 Punkte.


Juria (05.03.2006)

Oh, ich denke ich bleibe wieder... meine "Kreativpause" hat ein wenig länger gedauert, aber ich hab eigentlich ein ganz gutes Gefühl. ;-) Aber der nächste Teil wird trotzdem nicht soooo schnell kommen... muss erst mal überlegen, wie ich jetzt dahin komme, wo die Geschichte hinführen soll. :-)

Metevelis (23.02.2006)

Evi ist von den Toten auferstanden. Gottseidank! Schreibst du wieder nur einen Teil, oder bleibst du nun bei uns? *freundlich stubs*

Stefan Steinmetz (22.02.2006)

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