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Faule Einheit Pause

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Der deutsche Pöbel hat einen neuen Helden. Genüsslich kostet Manfred Hapönom die Anbetung seiner Verehrer aus, die sich allabendlich zu seinen Füßen versammeln. Wie ein Kaiser thront der 38jährige Hartz-4-Empfänger aus Neustrelitz auf seinem Campingstuhl. Seine schwarze Schirmmütze mit dem Aufdruck „Born to kill“ auf dem Kopf, schildert der „Deutschlandretter“ immer wieder, wie er und ein paar Freunde beim Arbeitsamt richtig Dampf gemacht haben. Waren sie es doch, die in der Stadt Schwerin die Arbeitsagentur gestürmt und zwei Angestellte beleidigt haben, die es mit ihrer Arroganz zu weit getrieben hatten.
Wie eine Harpune schnellt Hapönoms Arm in die Menge, wenn er beschreibt, wie er und seine Freunde, umjubelt von Hunderten, am 2. Februar (dem Tag der Nichtarbeit)die Vordertüren aushebelten. Blitzschnell waren sie abgerissen und gaben der Kälte einen freien Weg ins Gebäude. Dann kletterten sie auf das Dach und hieben es mit blanken Händen entzwei.
Ruhm den vier mutigen Freunden, die dabei den Tod fanden, weil sie zu betrunken waren. „Nieder mit Hartz-4“ brüllt die Menge im Chor. „Ehre Hapönom“, zu dessen Achtung seine Bewunderer auf den Rasen der Arbeitsagentur einen Schrein errichtet haben, aus dem so schnell wie möglich ein palastartiger Tempel werden soll.
Für Hapönoms Bewunderer und bundesweiten Mitstreiter ist dieser Tempel schon jetzt ein neues Nationalheiligtum. Denn sie glauben, dass einst eben auf diesem Rasen eine Inkarnation des Faultiergottes geboren wurde, die sich in den Körper eines Regenwurms einspeiste. Und sie glauben auch daran, dass schon im 9. Jahrhundert hier ein Palast stand, den die Verbreiter des Arbeitseifers, der Geldgier und der Ordnung zerstörten und dann als Steinbruch für hunderte Arbeitsämter benutzten. Letzteres geschah als Demütigung den Faulen gegenüber, und als Mittel um sie umzuprogrammieren.
Nun soll hier mit diesem Schrein die sagenhafte faule Zeit wiederauferstehen: das deutsche Vorreich, das wieder ganz den Faulen gehört. Für die arbeitende Bevölkerung ist in diesem neuen alten Reich kein Platz.
Tränen der Freude, sagt Hapönom, seien ihm aus den Augen gerollt, als er das Arbeitsamt beschämte – die Angestellten weinten vor Trauer und Wut aus Ihren Fenstern heraus. Einen Terrorakt nannten die Nachrichtenmagazine den Vandalen-Akt, der das Land über Nacht in einen Sturm auf die Arbeitsagenturen stürzte und den Traum von Vollbeschäftigung gänzlich umkehrte. Den Traum, dass ein jeder Arbeit finden und ausüben kann. Denn dieser 02. Feburar den die Presse einhellig beklagte, hat den Faulheits-Fundamentalisten einen Auftrieb gegeben wie nie zuvor. Zum ersten Mal kann die von ihnen getragene Oppositions-Partei „Faule Einheit Pause“ darauf hoffen, bei den nächsten Wahlen die Macht zu übernehmen. Und das, so warnt die Süddeutsche Zeitung, wäre das Ende der Arbeit und des Staates Deutschland, den wir kennen.
Vergebens bestritten einige FEP-Führer, die mehr als 5 Millionen Anhänger zu einem vorgeblich friedlichen Liederabend einluden, dass die Dachzerstörung und Türaushebelungen beabsichtigt waren. Manfred Hapönom, der „Held“ aus Neustrelitz, gibt offen zu, dass er und seine Freunde die Dachzerstörung des Arbeitsamtes ein Jahr Lang geprobt hatten. Die dafür nötigen Dächer, rund achtzig Hausbedeckungen, hat ihnen der 45jährige Immobilienmakler Karsten H. aus Wismar zur Verfügung gestellt. Dieser ist Präsident der religiösen Organisation „Faultiere zu Menschen, Menschen zu Faultieren“. Er fordert: „Deutschlands Arbeiter müssen nach Österreich oder ins Nirvana. Sie müssen weg!“
Dafür, sagt Hapönom, „sind wir bereit zu arbeiten“.
Dies sind Fanfarenstöße, die in Deutschland weitere Millionen von Arbeitslosen und exzessiven Faulen elektrisieren können – „die Asis“, wie das nie arbeitende Massenproletariat genannt wird. Wer nicht arbeitet – und damit auch nichts zum Wohle des Staates hinzuverdient - , begründet seine aufgestaute Energie und seine Motivation den eigenen Stolz aufzubauen gern mit einem Feindbild, das ihm skrupellose Faultierpriester bereitwillig frei Haus liefern. Es ist kein typisches deutsches Problem: wobei Hitler lässt grüßen.

Schon wenige Minuten, nachdem die Nachricht von der Dachzerstörung und Türaushebelung durchs Radio ging, stürmten aufgebrachte Arbeiter, Angestellte und Beamte die Parkanlagen und machten nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Dir dort biertrinkenden Faulen schlugen mit Tüten voller ungeöffneter Bierdosen und Ästen zurück, warfen Stinkbomben und schleuderten Fäkalien gefüllte Glühbirnen in die Behausungen der Beschäftigten. Die Polizei, fast nur Beamte, also Arbeiter, schoss scharf in die Menge, meist dann, wenn die Faulen zum Angriff übergingen.
Am nächsten Morgen stand praktisch das gesamte Land in Flammen, trotz Ausgangssperre und Abschussbefehl. Männer, Frauen und Kinder wurden aus ihren Wohnungen gezerrt und wie Vieh abgeschlachtet, Mütter vor den Augen ihrer Kinder zur Hausarbeit gezwungen und dann mit Spülmittel übergossen und lebendig als Schwamm benutzt. Ganze Stadtteile wurden weggeäschert. Nur der viel zu späte Einsatz der Armee bereitete dem Terror nach einigen Tagen ein Ende. Offizielle Bilanz des Massakers: mehr als 20 000 zur Arbeit gezwungene, 8 Tote und unzählbare Verletzte. Inoffizielle Hochrechnungen sprechen von einem Sachschaden in Milliardenhöhe.
Wie gelähmt hatte die Regierung in Berlin zunächst diesen Aufstand im eigenen Land verfolgt. Erst als auch Faule in Polen, Amerika und Indien staatliche Gebäude demolierten und Dutzende von arbeitenden Menschen die Hände abhackten, schreckte Angela Merkel hoch.
Um die arbeitende Bevölkerung zu beruhigen, setzte Merkel, ein auf Kompromiss und Konsens bedachten Politiker alter Schule, in ein neu geschaffenes Amt ein: die Faulenbeseitigung.
Ferner versprach sie, das zerstörte Arbeitsamt-Dach wieder zu flicken. Zugleich aber ließ sie durchblicken, dass man den dort errichteten Schrein auch nicht wieder abreißen werde. Damit ist der Dauerkonflikt vorprogrammiert.
„Wir schwimmen auf der faulen Welle“ triumphiert Hapönom. „Und wie werden die nächsten Wahlen mit einem erdrutschigem Sieg gewinnen.“
Im Klartext: Mit einer Dreidrittel-Mehrheit. Sollte so ein Sieg gelingen – und alle Zeichen sprechen dafür – wäre Deutschland in der Tat nicht mehr wieder zu erkennen. „Denn dann werden wir die Verfassung ändern“ droht FEP-Führer Hapönom. „Dann werden die Arbeitenden das Wahlrecht und mehr verlieren. Dann wird in ganz Deutschland nur noch ein Gesetz für alle und alles gelten: Nichtstun!“
 
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