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2 Seiten

Kleine Diebin

Kurzgeschichten · Romantisches
© darkangel
Der alte Mann ging mit gemächlichen Schritten die Straße entlang. Er bog in eine Seitenstraße ein und setzte kurz den Koffer ab. Gegen eine Häuserwand gelehnt, schloss er kurz die Augen, bis er glaubte, ganz in seiner Nähe leise Schritte zu hören. Müde schlug er die Augen auf und schaute sich um, doch niemand war zu sehen. Gleichgültig hob er den Koffer wieder an und ging langsam weiter die schmale Straße hinab, über das glatte Kopfsteinpflaster, das vom Regen rutschig geworden war und ihn davon abhielt, allzu schnell zu gehen. Er war einfach gekleidet und trug keinen Hut oder Regenschirm, sodass der Regen ihm über Gesicht und Brille lief und die Sicht erschwerte. Als er wieder Schritte hörte und sich umdrehte, stand dort ein kleines Mädchen. Ihre Haut glänzte feucht und ihre Kleidung war durchnässt, da sie keine Jacke trug. Die schwarzen Haare umrahmten klebrig und strähnig ihr Gesicht, aus dem ihn kleine, schwarze Augen anfunkelten. Bittend streckte sie ihm die Hände entgegen.
Der Mann bedauerte, ihr nichts geben zu können. Er schüttelte den Kopf und streckte die Arme von sich, um ihr zu zeigen: Ich kann dir nichts geben. Ich bin genau so arm dran wie du.
Den Koffer hatte er neben sich auf den Boden gestellt. Als er den Kopf schüttelte, flackerten die Augen des Mädchens auf und es riss den Koffer an sich. Die Schnallen gaben nach und der Inhalt des Koffers purzelte auf das Pflaster. Die schillernde Marionette, die der Mann im Koffer mit sich getragen hatte, zerbrach. Die Luft selbst klirrte schmerzhaft in den Ohren des kleinen Mädchens und überzog den Mann vor ihr mit Reif. Knisternd erstarrte er und zerbrach dann ebenfalls. Die Eissplitter spritzten dem Mädchen ins Gesicht. Schreiend drehte es sich um und rannte davon.
In einer Pfütze rutschte es aus und fiel hin. Aus dem Wasser blickte ihm sein Spiegelbild entgegen, bleich und starr. Als das Mädchen aufstand, stand auch das Spiegelbild auf und trat aus der Pfütze. Es war eine Marionette.

Sobald sie sich aus der Pfütze befreit hatte, fiel die Marionette kraftlos in sich zusammen. In der Pfütze lag ein schimmerndes Kreuz. Bittend blickten die Glasaugen in die des Mädchens, das, von Grauen erfüllt, zurückblickte. Es konnte seinen Blick nicht lösen und spürte den Sog, der von diesen Augen ausging. Beim Gedanken an den Mann, der ohne seine Marionette nicht hatte leben können, schauderte das Mädchen. Es musste den Prozess stoppen, es musste verhindern, dass ein Teil von ihm in die Marionette überging.

Mit all seiner Kraft warf das Mädchen den kalten Körper auf den Boden, doch es war zu spät. Es hörte das Klirren und fühlte mit Grauen, wie sein Körper gefror.
 
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Kommentare  

ich werde das gefühl auch nicht mehr los...;)

ausbauen... mal sehen^^ das thema hat was:) danke für ds feedback jedenfalls!

lg darkangel


darkangel (07.02.2008)

Ich werde das Gefühl nicht los, das du Marionetten liebst...
Im Ernst, ich find die Story gut, vielleicht könnte man sie noch ein bissl ausbauen, aber ansonsten ist wie wirklich gut gelungen.
LG


Destiny (06.02.2008)

hallo martin,
ich dachte mir das so, dass das spiegelbild das gegenstück zu einer person ist und die marionette ist ja auch das gegenstück zu dem mädchen. stell es dir vor, wie du willst, du hast das schon richtig verstanden;) in meiner vorstellung sieht die marionette nicht aus wie das mädchen, aber wie du schon gesagt hast: man kann frei interpretieren und soll es auch! lesen wird nciht umsonst kopfkino genannt!
lg darkangel


darkangel (26.06.2007)

hm. ich musste die geschichte mehrere male lesen, bis ich ihren inhalt richtig erfasst hatte.

besonders schwierig:
"Aus dem Wasser blickte ihm sein Spiegelbild entgegen, bleich und starr. Als das Mädchen aufstand, stand auch das Spiegelbild auf und trat aus der Pfütze. Es war eine Marionette."
habe ich das richtig verstanden, dass das spiegelbild so aussieht wie das mädchen, aber eine marionette ist?

ansonsten ist die geschichte sehr knapp und offen, d. h. man kann sie frei interpretieren.
regt zum nachdenken an.

n(achdenklicher)g
martin


 (26.06.2007)

Ja, das ist schön, das gefällt mir.
Danke schön und alle fünfe.
Grüßle
CC


CC Huber (24.06.2007)

sooo wie ist das?

darkangel (24.06.2007)

hallo cc,
danke für deine kritik! ich werde mir mal drüber klar werden warum sie das eigtl macht:D und dann schau ich mal was sich machen lässt... vllt schaff ich das heute noch:)
lg darkangel


darkangel (24.06.2007)

Hallo darkangel,
gruselig das Ganze. Aber es hat auch eine Aussage. Wenn man seinen Schatten zerstört, zerstört man damit auch sein Ich. Weil Schatten und Ich eins sind.

So ganz gefällt mir der Schluss nicht. Das Mädchen wußte doch aus den vorausgegangenen Erfahrungen, was passiert, wenn sie die Marionette zerstört. Warum tut sie es dann? Vielleicht könntest Du da noch ein oder zwei Sätze einfügen?
Grüßle
CC


CC Huber (24.06.2007)

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