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Ein Tag

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten · Winter/Weihnachten/Silvester
Als ich das Haus verließ kam mir ein Schwall modriger Luft entgegen. Obwohl es kalt war, kam sie mir warm und schimmelnd vor, so ähnlich wie dieser ganz besondere Sommerregenduft. Wenn die letzten Reste des Schauers auf der heißen Straße verdampfen und ein dreckiger Geruch die Luft erfüllt. So ähnlich roch es gerade, nur dass es mitten im Winter war. Ich konnte förmlich den grünlichen Schimmer riechen und er stieg immer tiefer in meine Nase. Während ich über diesen merkwürdigen Geruch nachdachte, ging ich die Straße runter. Man musste aufpassen, dass man nicht hinfiel, denn die Wege waren ziemlich glatt. In der Nacht hatte es ein wenig geschneit, die Bäume und Dächer waren ganz weiß, aber auf der Wiese hatten sich schon matschige Pfützen gebildet. Ich mochte diese Wintertage, wenn alles zu schlafen schien, bedeckt von Kälte und Dunkelheit.
Die Haut in meinem Gesicht spannte und der eisige Wind trieb mir Tränen in die Augen. Ich kniff sie zusammen und drückte meinen Hals in den warmen Wollschal. Dummerweise konnte ich so nicht genau sehen wohin ich trat und kurze Zeit später lag ich auf dem Bordstein. Peinlich berührt sah ich mich um, aber niemand schien etwas gesehen zu haben.
Die Hände tief in den Taschen vergraben ging ich weiter. Der Wind wurde jetzt richtig fies und schien sich in meinen Haaren zu verfangen. Mit langen, dünnen Fingern zog er an ihnen, ziepte und zupfte an den Strähnen. Es schien ihm sichtlich Spaß zu machen.
Als ob dies noch nicht genug gewesen wäre, lief er nun zu Höchstleistung auf. Mit einem Mal erreichte mich ein riesiger Schwall winziger Eiskristalle, zerriss die Haut in meinem Gesicht um sich hinter mir lachend aufzulösen. Ich hielt schützend die Hände vor meinen Mund, blies hinein um sie zu wärmen und tastete mein Gesicht ab. Die Kälte hatte es betäubt, ich fühlte kaum meine Nase, geschweige denn meine Wangen oder Ohren. Als der nächste Windstoss kam hielten meine Hände den größten Teil ab, allerdings kam es mir so vor als hätten sie sich augenblicklich in Eisklumpen verwandelt. Ich steckte sie wieder in die Manteltaschen und spielte mit dem Inhalt herum, um sie wieder aufzutauen.
Mittlerweile war ich an der Ecke angekommen und bog hinein. Nun ging es leicht bergab. Ich hatte mit den glatten Steinen unter meinen Füßen erheblich zu kämpfen.
Immer noch war ich allein, niemand vor oder hinter mir.
Die Bäume am Straßenrand schienen unter der schweren Kälte zu ächzen, ich hörte sie knarren und murren, knacken und meckern. Währenddessen schien der Schnee so schnell zu schmelzen, dass er in regelmäßigen, sehr kurzen Abständen von diversen Dächern rutschte und unten eine matschige Pfütze hinterließ. Ich sah einige Vögel durch die kalte Winterluft tollen, ansonsten war die Stadt leer. Nicht einmal hinter den Fenstern der Häuser konnte man irgendwelches Leben erkennen. Alles schien so ausgestorben, so unglaublich leer und leblos.

Wie sehr ich diese Tage liebte.
 
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