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4 Seiten

Die unbekannte Frau

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Marc Drewes war auf dem Weg zu seiner Schwester Vivian, sie hatten sich schon jahrelang nicht gesehen, Marc lebte in London, er war Universitätsprofessor, für Geschichte, Mathematik und Geologie und immer noch ledig. Vivian war Lehrerin in Lübeck, seiner Heimatstadt. Marc und Vivian standen sich sehr nahe, hatten auch jede Woche miteinander telefoniert, nun aber sollte es ein Wiedersehen geben. Vivian war verheiratet, ihr Mann war ein bekannter Journalist, der in seinem Leben schon einige Male rund um die Welt geflogen war, er schrieb Reisegeschichten.

Marc hielt vor dem Haus seiner Schwester an, aber auf sein Läuten meldete sich keiner. Er sah auf die Uhr, elf Uhr, na, seine Schwester musste noch in der Realschule sein, also fuhr er ein bißchen nach Lübeck hinein. Die St. Marienkirche, das Holstentor und der Dom grüßten ihn, ja, er war wieder zu Hause. Er dachte an die schönen Zeiten, die er hier, mit seiner Familie und seinen Schulfreunden verbracht hatte. Mutter und Vater hatten ihre 4 Kinder zu selbstbewussten Menschen erzogen, denen an nichts fehlte, auch nicht an Wärme. Marc hielt am Straßenrand an der Trave an, stieg aus und zog den ihm bekannten Geruch tief durch die Nase, es war der Duft des Marzipans, der von der Firma Niedecker hergestellt und in alle Welt verkauft wurde, dann wandte sich der Innenstadt zu.

An einem Haus las er den Namen eines Arztes ,,Doktor med. Joachim Meinhardt," Mensch, sein Freund Jo, er überlegte nicht lange, klingelte an der Tür, aber auch hier bekam er keinen Einlass, dann las er den kleinen Zettel, der an der Scheibe klebte ,, Praxis zur Zeit geschlossen" Schade, er hätte gerne seinen alten Freund Jo wiedergesehen. Er ging weiter und kam zum Marktplatz. Am Rathausplatz standen einige Tische und Stühle, er nahm Platz und bestellte bei der Serviererin einen Capuccino. Sein Blick ging über den ganzen Platz, das Rathaus war mit Tüchern verhangen, die Fassade hatte unter den vielen Jahren gelitten und wurde restauriert. Hier hatten sie als Kinder oft gespielt, er war ganz in Gedanken versunken, als er die Stimme einer Frau hörte.

,, Können Sie mir bitte die Rechnung machen?" Marc schaute in Richtung der Stimme und verharrte, am Tisch ganz außen saß eine attraktive, schwarzhaarige Frau, es elektrisierte ihn, er konnte den Blick nicht von ihr wenden, die Dame bemerkte es wohl, denn sie schaute ihn an. Marc sah in ihre wunderschönen Augen, die Dame lächelte ihn an und da wurde ihm erst bewusst, dass er sie die ganze Zeit anstarrte, er wurde rot und dann guckte er verschämt weg, aber diese Frau interessierte ihn, als sie auf stand, legte er einen Geldschein auf den Tisch und folgte ihr.

Sie bog in einige Gassen ein und verschwand dann in einem alten Fachwerkhaus, Marc der in einem sicheren Abstand folgte, ging auch in dieses Haus hinein, aber er fand die Frau nicht. Er schlich sich förmlich in den Hinterhof und dachte an seine Kindheit, Jo, Hannes, Ernst und er hatten oft Piraten gespielt, sie hatten in Booten ihre Kindheitsträume erlebt und die ganze Welt erobert, bis die Besitzer sie bemerkt hatten, sie beschimpft wurden und sie in alle Richtungen gelaufen waren, um sich in den Innenhöfen wiederzufinden und neue Abenteuer zu erleben, ja, ja, die gute alte Zeit.
Aber jetzt war es Wirklichkeit, er stand in einem wunderschönen Innenhof, wunderschöne blühende Sträucher standen an den Wänden, eine Sitzgruppe stand an der Seite, auch hier rankten Pflanzen in den Himmel.

Er stand wie angewurzelt, als eine ihm bekannte Stimme rief:,, Hallo, wollen Sie zu mir?" Marc fühlte sich wieder ertappt, er wurde rot. Woher kam die Stimme? Dann guckte hoch und dann sah er sie. Die ihm unbekannte Frau stand auf einem Balkon im zweiten Stock, ihre schwarzen Haare hatten sich um ihre Schultern gelegt und glänzten in der Sonne. Marc räusperte sich und sagte:,, Ich weiß nicht!" Die Frau lächelte erneut und Marc kam sich wie ein Schuljunge vor. ,, Wieso wissen Sie das nicht, Sie verfolgen mich und wissen nicht warum?" Ja, es stimmt, irgendwie machte er sich lächerlich, aber er wollte die Frau kennen lernen. ,, Entschuldigen Sie, aber ich wollte Sie einfach kennen lernen, ich weiß auch nicht, so etwas mache ich sonst nicht!" Seine direkte Art gefiel ihr und sie bat ihn raufzukommen.

Marc ging in die Hoftür und hier fielen ihm die schönen Bilder an der Wand auf. Bilder seiner Geburtstadt Lübeck, die Trave mit ihren vielen kleinen und großen Booten, die auf dem Fluss nach Travemünde schipperten, um auf der Ostsee ihre Waren in die Kontore in aller Welt brachten. Die St. Marienkirche, die 1350 als Ratskirche geweiht wurde, in ihrer ganzen Backsteinpracht, wie viele Häuser in Lübeck, ein anderes Bild zeigte das Buddenbrockhaus der Schriftstellerfamilie Mann.

,, Hallo, wo bleiben Sie?" Die Stimme der Frau hörte er und er ging weiter, er kam auf eine Empore, hier gingen 2 Türen ab, aber sie waren verschlossen und Marc folgte der Treppe, die nach oben führte. Dann sah er sie, sie stand einpaar Meter vor ihm, der Balkon ging um die ganze Etage, sie lachte ihn an:
,, Kommen Sie, ich beiße nicht!"

Marc stockte der Schritt, er konnte einfach nicht weitergehen. Die Dame lächelte erneut und verschwand. Marc ging langsam weiter, bis zu der Tür, wo er sie vermutete und trat ein. Er sah in ein Wohnzimmer, auch hier hangen Bilder und große Teppiche lagen auf dem Boden, die Frau stand am Kamin und Marc stellte sich dann vor:,, Hallo, mein Name ist Professor Dr.Marc Drewes, bitte verzeihen Sie, dass ich Sie die ganze Zeit anstarre, aber....!"

Die Frau unterbrach ihn, fing an zulachen, er sah sie an und runzelte die Stirn, lachte sie ihn jetzt aus? Er drehte sich um, kam sich jetzt ziemlich albern vor und wollte den Raum verlassen, als eine Hand sich ihm auf die Schultern legte:,, Verzeihen sie, ich wollte Sie nicht auslachen, aber ich kenne Ihren Namen schon sehr lange und deshalb habe ich gelacht!"
Marc verstand nun gar nichts mehr, er drehte sich zu der Frau um und konnte den Blick nicht von ihr wenden, wollte sie sich über ihn lustig machen?

Sie aber sagte:,, Kommen Sie, ich will ihnen etwas zeigen!" Sie nahm ihn am Arm und zog ihn ins Wohnzimmer zurück, dann ging sie an den großen Schreibtisch und nahm ein Bild und gab es ihm. Marc sah das schwarz-weiße Foto und sah 4 Kinder, jetzt fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, er sah den kleinen Jungen rechts am Rand, das war er, als achtjähriger, die anderen Buben kannte er auch, seine Freunde, Jo, Hannes und Ernst, Marc sah auf und fragte:,, Wie kommen Sie an dieses Bild?" Die Dame lachte erneut und sagte:,, Ich bin mit einem der Buben verheiratet, raten Sie mal, mit wem?" Marc guckte ungläubig, er sah wieder auf das Foto und er grübelte, er erinnerte sich an das Arztschild und fragte:

,, Mit Jo?" Die Frau nickte und erwiderte:,, Ja, ich bin die Frau von Joachim, ich heiße Katharina Klose-Meinhardt, bin Frauenärztin hier in Lübeck und habe schon viel von Ihnen gehört, mein Mann wird sich freuen, wenn er heute Abend nach Hause kommt, er ist auf einem Kongress in München, Sie bleiben doch?!" Marc schüttelte den Kopf und sagte:,, Das ist mir jetzt aber peinlich!"
,, Warum, weil Sie mich verfolgt haben, sehen Sie es an als eine Art von Fügung, Joachim hatte immer wieder versucht, Sie zu erreichen, aber hatte es nicht geschafft, Ihre Telefonnummer zubekommen!"

,, Na, das konnte er auch nicht, denn meine Eltern sind verstorben, meine Brüder leben in Amerika, ich wohne in London und meine kleine Schwester ist verheiratet, lebt hier in Lübeck, aber am Stadtrand und ist Lehrerin!" Katharina bot ihm einen Platz an und fragte, ob er denn länger bleiben würde?“

,, Ich bin verabredet mit meiner Schwester, wir wollen ein kleines Wiedersehen feiern, denn ich war lange nicht mehr hier, aber wenn ich bleiben dürfte, kann ich Vivian ja anrufen!" tat es und Katharina und Marc hatten sich dann viel zu erzählen. Sie hörten gar nicht, dass die Haustür geöffnet wurde, ein Mann trat ins Wohnzimmer und sein Blick fiel auf den Mann, der sich mit seiner Frau angeregt unterhielt:

,, Kann ich bitte erfahren, wer Sie sind?!" fragte er unwirsch, denn er wollte nach den langen anstrengenden Tagen einfach nur noch seine Ruhe haben. Der ihm unbekannte Mann drehte sich zu ihm um und sagte:
,, Hallo Dr.Jo!" Joachim kannte diese Stimme, wenn er auch diesen Mann noch nicht einordnen konnte. Katharina ging zu ihrem Mann, küsste ihn auf die Wange und sagte:,, Dieser Mann hat mich durch die halbe Stadt verfolgt und jetzt rate mal, wer er ist!" Joachim grübelte:,, Marc, mensch, wie kommst du denn hierher, ich freue mich, ich habe dich überall gesucht!" Jo lief zu ihm hinüber, sie umarmten sich und hatten sich noch viel zu erzählen, es wurde sehr spät und als er sich verabschiedete, umarmte er auch Katharina, sie war eine tolle Frau und er beneidete seinen Freund deshalb, aber er gönnte sie ihm auch, dann fuhr Marc zum Haus seiner Schwester und erzählte ihr, was ihm heute passiert war, er hatte seinen Freund wieder gefunden und aus der ihm vorher unbekannten Frau war eine gute Freundin geworden.
 
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Kommentare  

hallo, monika, die geschichte gefällt mir ganz gut. es gibt solche fügungen im leben. sie ist auch gut geschrieben. aber einige absätze und die wörtliche rede beginnend mit einer neuen zeile hätten sie etwas aufgelockert.
gruß von


rosmarin (03.11.2007)

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