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2 Seiten

Es war einmal ein Fischer

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Fast schon einsam läuft sie nach einer lange währenden Reise gen Tal und ringsherum könnten nun neue Blumen blühen, wenn denn der Frühling kommen wird. Frühling muss kommen! Ich freu mich dran, wahrnehmen zu können, wie sie in einiger Ferne ihrem mir unbekanntem Ziel näher kommt. Hie und da macht sie kurz Halt, sich an längst vergessene Wirkungsstätten erinnernd, nur um dann kurz darauf den Weg tänzelnd fortzusetzen. Kaum huscht ein Lächeln über mein Gesicht, ist sie auch schon fort. Verwischt, verwischt ist das Bild, was so nicht passt. Nahezu liebevoller Blick, gehobene Mundwinkel, kaum bemerkt und obwohl oftmals Anlass zu reichlich Argwohn, ist es nun doch am liebsten, dass das alte schon ewig ausgetrocknete östliche Bächlein der fernen Berge (übertrieben gesagt) wieder zu plätschern begann. Langsam rinnen die Tropfen die steingesäumten Hänge hinab. Als hätte es einen Knall gegeben, können es die Kinderlein kaum erwarten ausgiebig im See zu tollen. Wohingegen die Alten, die Närrischen, alle mit der blass gewordenen Erinnerung einer unheilvollen Sturzflut ängstigen, die vor Generationen, so erzählt man sich, stattgefunden haben soll. Alles habe, so sagt der alte Fischer, der als einziger lebendig und mit schlagendem Herz in der Brust vom großen Teich an jenem Tag zurückgekehrt ist, unter Wasser gestanden und sei schließlich in einem riesigen Inferno untergegangen. Weiter meint er die Jüngeren nicht ohne erhobenen Zeigefinger immer wieder warnen zu müssen, dass keiner es so sehr bereuen würde, wie jene, die ihre Flucht über den Bahnhof versucht hätten. Denn dieser soll von einer schier gigantischen Welle verschlungen und zerschmettert worden sein.
Nur die ganz Jungen glauben dem Fischer noch, da er seine Berichte mit zahlreichen liebenswürdigen Details ausschmückt und lebhaft mit vor Begeisterung brennenden Augen erzählt. Aber ein Blick in die Realität entlarvt ihn sofort. Der Bahnhof ist niemals zerstört worden und der Alte kann folglich nichts anderes als ein seniler Schwätzer sein, der sich selbst in seiner eigenen Welt zu verlaufen scheint. Denn wenn man ihn lächelnd in die Ferne blickend sieht, was manchmal, aber nur manchmal vorkommt, und ihn daraufhin fragt, was er denn sähe, beginnt er eine Geschichte zu erzählen, die wie ein Mythos ist, aber erst nachdem er zuvor noch darauf hingewiesen hat, dass man es so oder so nicht verstünde. Diese seine Erzählung, man muss sie fast schon Sage nennen, wagt er sogar so auszuschmücken, dass ihm eine Nixe auf seinen langen Reisen zwischen den Teichen und Bächen begegnet. Schimpf und Schande soll über ihn kommen, denn der Ruchlose macht dort nicht halt, sondern bezeichnete dieselbe, welche eben noch Nixe war, mehr als einmal als Engel. Mit Vernunft und Verstand ist diesem nur schwer beizukommen, dennoch verlangte ich einen Beweis.
Wenn man es nicht besser wüsste, so würde man ihn anstatt Fischer Geblendeter nennen. Au einer Manteltasche zog er ein kleines Packet und packte es mit großer Vorsicht aus. Zugegebenermaßen verfiel selbst ich kurz der Illusion im nächsten Moment den großen Beweis offenbart zu bekommen. Doch was zeigte er mir? - Es müssen wohl einmal Fotografien gewesen sein. Seine unaufhörliche Fragerei steigerte meine Wut nur noch weiter. Er wiederholte stets: „Kannst du es sehen? Du kannst eh doch sehen? Sag mir, dass du es sehen kannst?“ Alles was ich jedoch in den Händen hielt waren vergilbte, verwischte und mehr als verwaschene Fotografien, auf denen nicht das Geringste zu erkennen war.
Also zeriss ich die Bilder eins nach dem anderen vor seinen Augen und verstreute sie in der Luft. Der alte Fischer jedoch versuchte nicht einmal mich abzuhalten oder mich zu hindern. Stattdessen starrte er an mir vorbei und schien auf etwas zu warten. Ich verspottete ihn, dass all seinen Geschichten nie geschehen wären und auch jetzt nicht ein Tropfen das Tal erreichen würde.
Als er den Kopf langsam drehte und meinen spöttischen Blick mit einem Augenschlag zunichte machte, mich mit fester Stimme fragte, „Was weißt du schon“, eine ungeahnte Kraft war in seinen Augen erwacht. Warum auch immer stand ich erstarrt vor diesem alten Mann, der auf seinem Schemel saß und sich nun unter dem Ächzen seiner Knochen erhob. Wenn ich mich recht entsinne, war es meiner Meinung nach überhaupt das erste Mal, dass er aufstand und diesen Platz verließ.
 
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