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5 Seiten

Bonnie und Clyde ....

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Es war an einem heißen schwülen Nachmittag Anfang Sommer. Gelangweilt lehnte ich am Tisch, das Hemd aufgekrempelt und starrte auf den Parkplatz. Ein weißer Cadillac fuhr vor. Da lächelte ich. Es war ein hübsches Automobil und wohl gerade gewaschen, denn der Lack blitzte noch. Die Ledersitze waren rot und das Armaturenbrett von hellem Braun. Hinter dem Steuer stieg eine Frau aus und ich beobachtete den Schwung ihrer Beine, als sie zusammen aus dem Auto schwangen und dann auf mein kleines Geschäft zukamen. Zuvorkommend stieß ich mich von der Anrichte ab und nahm Haltung an. Sie warf mir nur einen kurzen Blick unter langen Wimpern zu, als sie eintrat und an mir vorbei durch die Regale schritt. Interessiert musterte sie die Waren. Ich verkaufte da noch Schuhe. Immerzu roch es bei mir nach Leder und Fett. Sie trug Weiß, wie ihr Cadillac. Es war ein hübsches Kleidchen, das ihr nur bis zu den Knien ging. Ein Stoffgürtel hielt das Kleid an ihrer Taille fest und ihr braunes Haar war hochgesteckt. Die Sonnenbrille mit den schwarz getünchten Gläsern hielt sie in der rechten Hand und sie kaute an einem Ende. Da schlenderte ich zu ihr, die Daumen im Gürtel.
Wie zufällig sah sie mich an und nahm auf einem Stuhl Platz. Sie wirkte etwas arrogant, als sie die Zigarette geschickt aus der Packung beförderte und sie in ihren rot geschminkten Mund schob.
„Kein Rauchen im Laden, Ma’am“, sagte ich und gab ihr Feuer. Sie streifte die Schuhe ab und ich strich über den nylonüberzogenen Fußspann. Jetzt kniete ich vor ihr und sie reichte mir einen Schuhkarton. Sie hatte die exakte Größe sieben.
Wir redeten ein wenig. – Über alles. Sie hatte Sorgen mit ihrem ehemaligen Gatten, ich mit dem Geld. Unsere Blicke trafen sich. Sie hatte helle Augen, die wie eine Wasseroberfläche spiegelten und die Farbe änderten je nachdem wie sich das Licht darin brach. Beim Hinausgehen berührte sie meinen Arm, schlitterte hinab zu meiner Hand, aber sah mich nicht an. Als ich meine Hand öffnete, fand ich den Zettel. Darauf war die Nummer notiert. Obwohl ich wusste, dass es genau dort hätte enden sollen, verstaute ich das Zettelchen in meiner Gesäßtasche.

Der Nylon war nicht glatt, sondern ein wenig rau, als meine Fingerspitzen darüber strichen. Ich schob meine Hände noch ein Stück höher unter ihre Röcke. Eng umschlungen tanzten wir in der kleinen schäbigen Bar. Die Musik klimperte, der Whiskey war verwässert und das Bier lauwarm und unsere Leiber verschwitzt, weil es keine Klimaanlage gab. Sie klagte über Aaron, ihren ehemaligen Ehemann. Sie war arm dran, knapp bei Kasse. Ich streichelte ihr Haar, dann ihren Nacken. Dann öffnete ich den Knoten und sie sah mich an. Ich warf dem Bartender ein bisschen Geld zu. Klirrend fiel es zu Boden und ich führte sie hinaus zu meinem Truck. Er war hoch und ich hob sie hinauf. Wieder überschlug sie damenhaft die schlanken Beine. Da grinste ich und ging um den sperrigen und verdreckten Wagen herum.
Ich drängte sie mit meinem Körper rückwärts, als sie an den Knöpfen meines staubigen Hemdes nestelte. Ich schob die Hände wieder unter ihren Rock und gleichzeitig jede rationale Überlegung aus meinem Hirn. Ich verfiel ihrem Lächeln, dem Schaukeln ihrer Hüften, als ich die Strümpfe hinab zog. Fallen ließ sie sich, sank ein in den Lacken meines Bettes. Da war ich über ihr. Der Knoten am Stoffgürtel war fest, sie half mir. Da fanden sich unsere Hände und ich schlug den Stoff beiseite. Es war seidige blasse Haut. Ich lehnte mich weiter zu ihr und wir küssten uns. Da hörte ich ein Rumpeln. Erschrocken löste ich mich und bemerkte, dass ihre Hand meine Waffe hielt. Ich kann mir gut vorstellen, dass in diesem Augenblick man Entsetzen in meinen Augen gelesen haben könnte. Doch sie lächelte nur und zog eine Fingerspitze über den Lauf der Waffe. Mein Atem stockte, als ich mitverfolgen konnte, wie sie die Waffe auf ihren Mundwinkel richtete. Ich wollte hastig von ihr herab kriechen, doch ich war wie erstarrt. Ihr Finger am Zug, er krümmte sich. Ich kniff die Augen zusammen. Doch statt des lauten Knalls, hörte ich nur ihr helles Lachen. Ihre Augen sprühten vor gutmütigem Spott und ich war verwirrt. Ihr schlanker weißer Finger war noch immer am Zug, er war noch immer gekrümmt, aber wohl noch nicht genug. Sie wedelte die Waffe herum und lächelte mir zu. Dann richtete sie sich auf und küsste meine erstarrten Lippen, dann mein Kinn, meinen Hals, mein Schlüsselbein, meine Schulter. Ich schloss die Augen, nahm die Waffe aus ihrer Hand, legte sie fort und ließ mich mit ihr wieder auf’s Bett sinken.
Ich nannte sie Bonnie. Wie Bonnie und Clyde. Ihren wahren Namen kannte ich nämlich nicht. Einmal die Woche trafen wir uns. Meistens war es mittwochs. Wenn nicht, kam sie dienstags immer in den Laden, um Bescheid zu geben. Meistens trug sie Weiß. Genau wie ihr Cadillac. Verrückt war sie auch, aber ich mochte sie. Ich mochte sie viel zu sehr … Und irgendwann hatte sie mich dann so weit.
Es war eine Kleinstadt Bank. Ich trug eine ihrer Nylonstrümpfe, die wir zerschnitten hatten. Der Kassierer starrte mich aus großen eisblauen Augen an. Ich verlangte das Geld und die Bewegung war einfach zu merkwürdig. Der Alte bewegte seine Hand schnell und trotzdem zu langsam. Ich hatte die Waffe in meiner Hand und man weiß den Rest schon bevor er erzählt wird. Diesmal hörte ich einen Knall. Aber mein eigener Finger war gekrümmt. Bonnie schrie, Blut spritze. Mit einem hässlichen roten Fleck auf dem perfekten weißen Hemd fiel der Alte hinten über. Davor hatte er mich aber noch angesehen. Es war, als sei er gar nicht tot, sondern nur in der Situation des Entsetzens erstarrt. Wie gesagt, war es nur eine Kleinstadt-Bank und alles war ein Chaos. Das Geld, ich hielt es plötzlich in meiner Hand. Es war in einen Sack gepackt, aber ich wusste nicht mehr wie es dorthin gekommen war. Teilweise lagen Scheine auf dem Holzfußboden oder drifteten wie auf Stufen durch die Luft. Es war laut und Bonnie saß zusammengesunken am Boden und weinte. Das Weiß ihrer Kleidung war, wie beim Mann, nun hässlich. Überall prangten Blutspritzer. Ich beugte mich zu ihr hinab, doch sie wollte sich nicht von mir aufheben lassen. Ich glaube, sie mochte das Rot, dass auch mein Hemd zierte, nicht. Aber schließlich zerrte ich sie hinaus zu meinem Truck. Ich schmiss das Geld hinten hinein und hievte sie in ihren Sitz. Es war nichts Damenhaftes an ihr mehr. Sie saß einfach da und weinte. Da sprang ich auf der anderen Seite ein und wir fuhren davon. Ihr Schluchzen wurde leiser, als wir die Stadt verließen. Obwohl die Stadt lärmte, war es still um mich. Ich konnte bald noch nicht einmal ihr Weinen hören, als wir, ich und meine Bonnie, auf dem Highway uns nach Richtung Süden stahlen. Irgendwann wurde das Licht orange und dunkler und dunkler. Ich hielt an einem Wüstenmotel. Die Luft war heiß und trocken, aber klar und sauber. Der Mann begrüßte uns. Ich sagte, wir seien ein Ehepaar. Der Mann sah Bonnie an. Ihr Haar war zerzaust, ihre Augen gerötet. Dann blickte er wieder mich an. Im Vorbeigehen flüsterte ich ihm ein Wort von Bedeutung zu:
„Eheprobleme, Mister … “
Oben schlief ich. Die Luft war noch immer heiß, aber mir war kalt. Sie schlief nämlich weit von mir entfernt. So weit, dass es schien, als würde sie jeden Moment aus dem Doppelbett fallen. Ich drehte mich vom Rücken auf die Seite und statt auf den defekten Deckenventilator zu starren, starrte ich nun auf die lange Linie ihres Rückens. Das Lacken reichte ihr nämlich nur bis zur Hüfte. Zu gern hätte ich mit meinem Finger die Konturen ihrer Schulterblätter nachgezogen, doch stattdessen schloss ich die Augen, bettete meinen schweren Kopf auf das Kissen und schlief den Schlaf eines Toten. Ich träumte nicht und als ich am nächsten Morgen erwachte, fühlte ich mich noch immer wie ein toter Mann. Ich war wie geschlagen, alle Gelenke und Muskeln ächzten. Ich wusch mein Gesicht am Waschbecken in dem kleinen Badezimmer. Da war ein Gesicht im Spiegel, wenn ich aussah. Dunkle Augen. Dunkles Haar. Dunkle Haut. Nicht schwarz, nicht mexikanisch, nur dunkler gefärbt. Sonnenbräune. Aber nicht mein Gesicht. Meines hatte keine solche unheimlichen geröteten Schweinsaugen und auch keinen so bedrohlich und ungepflegt wirkenden Stoppelbart. Ich wandte mich ab und musste feststellen, dass Bonnie sich schon angezogen hatte. Zu gern hätte ich ihr damit geholfen, den Stoffgürtel um ihre Taille zu drapieren. Nirgendwo war mehr Rot, denn wir hatten uns im Auto umgezogen, kurz nachdem wir die Nylonmasken abgezogen hatten.
„Wie heißt du?“, fragte ich sie da. Die ersten Worte, die ich mit ihr sprach, seitdem wir in die Kleinstadt gefahren waren.
„Bonnie“, antwortete sie. Ich sah sie noch eine Weile an, aber sie hob ihren Blick nicht. Ich weiß noch immer nicht, wer sie früher gewesen war, aber nun war sie Bonnie. Meine Bonnie und ich wusste, ich würde alles wieder gut machen. Ich war besser als Aaron. Das wusste ich und niemand würde mir etwas anderes einreden können. Ich schritt zu ihr, nahm ihre Arme zärtlich in meine verschwitzten Hände und zog sie langsam an meine Brust. Sie fiel fast und dann lehnte sie dort. So standen wir dort.
Später im Truck fuhren wir den Highway hinab. Der Wind blies das Haar aus meinem Gesicht. Bis eben hatte ich noch ihre Hand gehalten, jetzt entzog sie sie mir. Sie holte ihre Zigarettenpackung aus der Handtasche. Damenhaft hielt sie sie galant mit spitzen Fingern. Dann hob sie den schlanken Arm und öffnete ihre Finger. Fort flog die Packung. Wir ließen sie rasch zurück. Dann öffnete sie ihr Haar und schloss die Augen. Wir fuhren schnell. Der Wind zupfte an ihrem Haar und an der Kleidung. Hier und da raste zerbrochenes Glas und Pfützen von Benzin und Öl an uns vorbei. Es war früh. Die Sonne lugte zwischen schwarzen Bäumen hervor. Die Luft war kühl.
Sie sagte nichts; ich auch nicht. Ich sagte mir, es sei etwas mit ihr. Doch als wir so fuhren, wusste ich, es war etwas in mir. Etwas, dass sich schon lange angekündigt hatte. Etwas, dass schon lang da gewesen war und gerade bei mir war, mich hier auf dem Highway begleitete. Sie sagte noch immer nichts. Es war nur ein Traum gewesen. Nur ein Traum. Ich nahm ihre Hand. Alles, was ich sehen konnte, war Schnee, Himmel und Tannen. Dann schloss ich meine Augen und drückte ihre Hand. Sie erwiderte den sanften Druck. Dann lief ich. Ich lief und dann flog ich …
 
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Kommentare  

hat mir gefallen! auch wenn ich ihre reaktion auf den tod des kassieres überraschend fand. (hätte sie nach dem ersten teil der geschichte kaltblütiger eingeschätzt). weiter so.

tomfire1972 (29.03.2009)

Na, hat da jemand einen Song von Bruce ins deutsche übersetzt?????
Du solltest wenigstens die Quelle angeben. Der letzte Satz hat es verraten. Und bitte- benutze nicht so oft das Wort "nämlich".
LG Dublin (ohne Bewertung)


Pia Dublin (27.11.2008)

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