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11 Seiten

Meine perfekte Hochzeit ...

Kurzgeschichten · Erinnerungen
Meine perfekte Hochzeit …

… war, wenn man sie im Nachhinein betrachtet, tatsächlich perfekt. Ihre Anfänge hatte sie an einem kalten Winterabend. Der Schnee blies im stürmischen Wind und klatschte an meine Fenster, während ich missmutig den Abwasch von ganzen drei Tagen erledigte. Terence, der Unglückliche, dem das dunkle Schicksal vorbestimmt war, mich zu lieben, trat von hinten an mich heran und schlang die Arme (inklusive der Hand, welche das geöffnete Döschen mit dem Ring hielt) um mich. Dummerweise war ich so wütend, dass er mich in der Küche hatte stehen lassen, dass ich ihm auf den Fuß trat und ihn fort schob mit den Worten „Ich mache den Abwasch, weil du abgehauen bist – Jetzt komm mir nicht so!“
Dabei muss ich wohl auch die eine Hand getroffen haben, die den kleinen Unheil bringenden Ring trug. So kam es, dass wir den Abend damit zubrachten einander und den Klempner anzuschreien, der in unseren Abflussrohren nach dem kostbaren Schmuckstück suchte. Es gab einen kurzen angespannten Augenblick als ich beinahe den Schalter berührt hätte, der den Müllschlucker betätigte.
Erleichtertes Aufatmen folgte, als der freundliche Mann, der unsere Schimpftiraden über sich hatte ergehen lassen, mir den kleinen schmalen Ring überreichte. Mir standen die Tränen in den Augen, weil ich eben zu sehr in das Deckenlicht geblickt hatte, um zu Gott zu beten. Drei kleine Diamanten waren in dem silbrigen Unendlichkeitssymbol eingelassen und ich verwarf meine Pläne, ihm dieses Schmuckstück an den Kopf zu schmeißen, wie ich es ursprünglich geplant hatte. Die Edelsteine blinkten einfach zu schön. Stattdessen wandte ich mich zu ihm um, um ihm den Hals umzudrehen …
Es mag merkwürdig erklingen, doch am Ende dieses Abends lagen wir doch tatsächlich bei einer Komödie auf der Couch und hielten Händchen. Ich hatte noch nicht mein Jawort gegeben, doch der Ring mit den hübschen Schmucksteinen fühlte sich fantastisch an meinem Finger an und einmal ganz ehrlich, klang Karen Magnani nicht ganz herrlich? Mrs. Karen Magnani und Mr. Terence Magnani …
Ich war dem Ring schon ganz verfallen … und ich schätze, Terence war auch einer der Nebengründe unserer Hochzeit.

So wurde also die Hochzeit geplant, nachdem ich meinem Liebling mein Jawort gegeben hatte, als ich ihm gerade die Autoschlüssel in die Hand drückte, welche er einmal wieder vergessen hatte, als er aus der Wohnung spaziert war. Wir haben nicht wirklich viel darüber gesprochen, wie unsere Wünsche für die Feier aussahen. Wir waren Seelenverwandte und so wussten wir das auch so: Sein Vater würde nicht eingeladen!
Außerdem würde ich keinen dressierten Affen mieten, der Ringträger spielte. Manchmal ist Terence ein solches Spielkind! Es ist manchmal noch immer furchtbar … aber nun habe ich ihn ja schon geheiratet.
Diese fünf Monate waren die schlimmste Zeit meines noch jungen Lebens (Ich will gar nicht wissen, wie es wird, wenn ich schwanger werde!). Unser Telefon lief heiß und unser Hochzeitsplaner sprach mit einem so schweren französischen Akzent, dass ich ihn kaum verstand, als er mich fragte, ob ich nicht vielleicht noch gerne einen letzten Seitensprung hätte, bevor ich den dümmsten Fehler meines Lebens beginge. Ein Glück, dass seine Gesten immer sehr verständlich waren!
Es gab noch mehr liebenswerte Leute, die uns bei den Vorbereitungen halfen. Zum Beispiel Terence’ Tante Anita, die mich nicht ausstehen kann! Hätte sie nicht lautstark in der Parfümerie geschrieen, dass ich bis zur Badeanzugabteilung stinke, hätte ich vielleicht tatsächlich das Parfum gekauft, das mir eigentlich gut gefiel! Wie furchtbar das doch gewesen wäre …
Oder den beleibten Koch, der sich die Augenbrauen rasiert hatte und immer seine Kochmütze auf dem Toupé (Haarteil) zurecht rückte. Er weinte immer gleich so bitterlich, wenn ich ihm sagte, sein Soufflé schmecke nach gebratenem Turnschuh. Aber, als ich ihm dann sagte, die Torte sei zwar gut, nur nicht die, die wir bestellt hatten, nahm er das gleich als Grund laut los zu schreien. Ich wusste gar nicht, dass Menschen tatsächlich so violett wie die Cartoon-Figuren anlaufen können …
Nach all diesen Schwierigkeiten und einem Zwischenfall mit einem lichterloh brennenden, noch nicht bezahlten Brautkleid war es dann endlich so weit. Wir haben lange gemütliche Abende verbracht, in denen wir uns anschrieen, weil ich nicht wollte, dass seine Mutter zu nah an der Bar saß. Woraufhin er beteuerte, sie seihe schon seit ganzen drei Tagen vom Alkohol fort und nicht im Mindesten wie sein Vater (den wir tatsächlich nicht einladen haben). Naja, wer’s glaubt … (Die Dame saß im Übrigen später dann eingekeilt zwischen meinen beiden Tanten, die ihre Kätzchen auf ihren Selbstgehäkelten Schärpen streichelten.)
Aber dann war Schluss mit lustig! Alles sollte genau nach Plan verlaufen und ich hatte mir sogar vorgenommen, niemanden anzuschreien, wenn etwas schief gehen sollte, weil ja nichts schief gehen würde.
Also betrachtete ich mich an jenem schicksalhaften Tag im Spiegel und dachte stolz daran, wie viel Geduld es mich gekostet hatte, die Stunden im Frisörsalon zu verbringen. Dafür war mein Haar aber auch sehr schön geraten. Die Locken waren zu einem nussbraunen Kranz hochgesteckt worden, dem einige stark gelockte Strähnen entflohen. Bevor Delilah, meine erste Brautjungfer, herein trat, riss ich noch schnell einen kleinen Zettel vom Notizblick und schrieb in geschrägter kleiner Schrift darauf:

Immer daran denken, Karen:
Du wirst heute niemanden anschreien. Alles wird gut gehen – Mrs. Karen Magnali!

Danach ging es mir schon etwas besser und ich stopfte den gefalteten Zettel in meinen blütenweißen Push-Up. Wenn meine blöde Cousine mit dem Riesenbusen versuchen würde, mir die Show zu stehlen, brächte ich sie um!, schwor ich mir. Dann schritt ich hinüber zu meinem Kleid, das auf dem Ständer prangte. Ich versuchte mich allein hineinzuzwängen, doch schon bald hatte ich mir den Arm gezerrt und ich gab es auf. Hilflos in meinem Hochzeitskleid gefangen, rief ich nach Delilah.
Ich weiß übrigens auch nicht, weshalb man seinem Gatten erlauben sollte, die Kleider für die Brautjungfern auszusuchen, doch offensichtlich hatte ich diesen Fehler begangen und als man die guten oberginfarbenen Stücke mit Rüschen an jedem Saum schon bestellt hatte und sie sogar bereits geliefert worden waren, war es zu spät, um sie wieder einzupacken und zurückzuschicken. So tippelte Delilah mir in ihrem auberginefarbenen Monstrum entgegen und versuchte meinen Arm der falschen Öffnung im Stoff zu entwinden.
Als die zerrissene Spitze am Rücken wieder notdürftig geflickt war, musste ich mir an die Brust fassen und mich an den Zettel ermahnen. Dies sollte der schönste Tag meines Lebens sein!
Das hatte meine nämlich Mutter auch immer gesagt.
Sie hatte auch gesagt, dass der Osterhase und der Weihnachtsmann, wenn sie fertig waren, Geschenke einzupacken und Ostereier zu bemalen, gemeinsam auf den Golfplatz fuhren, um Caddies zu quälen und das ein oder andere Spiel zu machen, bevor sie weiter zum Minigolf schritten.
Da war ich also in meinem hübschen, Kleid (Der Riss am Rücken fiel Gott sei es gedankt nicht auf), das lockige Haar fiel mir an den Schläfen herab, mein Busen stach hervor, ich war geschminkt und meine breiten Füße passten nicht in den weißen Seidenschuh mit leichtem Absatz. Ich stutzte und versuchte es noch einmal. Nach einer Weile (Also nachdem ich die Zehen eingezogen hatte) zwängte sich mein Fuß dann auch in die Umfassung des Schuhs. Erleichtert atmete ich auf und versuchte nicht beim Verlassen der Hinterkammer der Kapelle vor Schmerz das Gesicht zu verziehen jedes Mal, dass ich auftrat.
„Hey, das wird schon! Alles wird gut … Hast du noch den Zettel?“, sprach Delilah mir Mut zu und ich tippte mir an die Brust, nickte.
Dann war sie fort. Ich blickte in die große Kirchenhalle. Alle Bänke waren besetzt. Ich entdeckte meine beiden katzennärrischen Tanten Abigail und Muriel. Dann war da noch meine Cousine, die gerade einem entfernten verwandten von Terence etwas vorheulte bis er sie schließlich verzweifelt in den Arm nehmen musste. Und … Ich blinzelte. Wo war der Priester? Ich sah mich um, doch ich konnte ihn nicht entdecken.
„Delilah? Delilah!“, machte ich verzweifelt, während ich nach Draußen lief um sie vor der Kirche zu suchen. Nirgends war sie zu sehen.
„Delilah?“ Ohne sie fühlte ich mich hilflos, aber ich wusste, ich durfte nicht weinen, denn dann wäre die teure Schminke meine Wangen hinab geronnen. Plötzlich aber tauchte die Gute hinter mir auf und ich packte sie.
„Wir haben keinen Priester!“, flüsterte ich, weil ich ja nicht schreien durfte.
„Oh“, war ihr Kommentar, dann geriet sie in Aufruhr und scheuchte den Trauzeugen vor sich her, um zu erfahren, was in aller Welt er mit dem Priester angestellt hatte, den er hätte abholen sollen. In der Zwischenzeit knöpfte ich meine Clutch-Handtasche auf und nahm eine Aspirin-Tablette. Heftig donnerten Kopfschmerzen hinter meiner Stirn. Konnte einem eigentlich der Schädel platzen? Sähe dass dann ungefähr so aus, als wenn ich eine Melone aus dem vierten Stock auf den Asphalt fallen ließe?
Es stellte sich heraus, das Terence den Priester abholen gefahren war. Ich hörte, wie die Gäste unruhig wurden und betete zu Gott, er möge den Priester nicht ob Terence Fahrkünsten an einem Herzinfarkt sterben gelassen haben. Glücklicherweise hörte ich in dem Augenblick, wo ich wieder anfangen wollte schreiend zu fluchen, Schritte. Als ich mich umwandte, entdeckte ich einen etwas greisen Pastor, der etwas mitgenommen aussah und die paar Haare, die er wohl ursprünglich gut um seinen Schädel drapiert hatte, waren ein wirres Durcheinander, und Terence, der den alten Mann stützte. Er weigerte sich strikt über die Vorkommnisse, die zu diesem Zustand des Poriesters geführt hatten, zu sprechen, ehe all dies nicht vorbei war. Ich wollte ihm an diesem schönen Tag nicht drohen … dafür war in den Flitterwochen noch genug Zeit.
Ich gab auch Delilah ein Zeichen, dass sie sich dieses Problems nicht anzunehmen bräuchte. Dann verschwanden Terence, der Priester Walter-Hermann und unser irische Trauzeuge Conor in dem Kirchensaal. Ich puderte mir noch schnell die Wangen, dann drückte Delilah mir meinen großen Brautstrauß in die Hand und winkte meinen Vater herbei. Er steckte das kleine Glas und die Whiskey-Flasche hastig fort und stolperte zu uns herüber.
„So, nimm ihren Arm – den anderen Gut so … “, gab meine Brautjungfer ihm Anweisungen, Dann scheuchte sie die Blumenmädchen hinaus und folgte ihnen kurz darauf selbst, nicht ohne mir zuvor einen aufmunternden Blick über die mit Rüschen besetze Schulter geworfen zu haben. Gemessenen Schrittes folgten wir ihr im Takt der grässlich klingenden Orgel, deren Töne mir in den Ohren nachhallten, während ich gezwungen und viel zu breit lächelte, weil das Getöse meinen Kopfschmerzen wohl gerade gelegen kam. Außerdem konnte ich in diesen verflixten Schuhen nicht laufen! Ich stütze mich schwer auf Daddys Arm, als ich das Unheil kommen sah. Delilahs Absatz brach ab und sie strauchelte. Die Rüschen an ihrem Ärmel verfingen sich im Hut von Anita und rissen die Gute mit sich zu Boden. Hastig stand Delilah auf und schritt huldvoll weiter, der kunstvoll dekorierte Hut der guten Tante, die ziemlich entrüstet reagierte, immer noch am Ärmel!
Dann setze sie sich in die erste Reihe und mein Vater entließ mich zu meinem Schatz. Er sah recht feierlich in seinem schwarzen Anzug aus. Es hieß, das Weiß der Braut, welches ich trug, stehe für die Unschuld. Das war ein sehr schöner, romantischer Gedanke, wenngleich er nicht im Mindesten zu mir passte. Doch ich fragte mich, wofür denn dann das Schwarz des Bräutigams stand …?
Ich hatte das Bild vom endlos daher plappernden Priesters tatsächlich für ein übertriebenes Klischee aus der Hochzeits-Witze-Kiste gehalten, doch offensichtlich gab es diese Radikal-Vertreter der ursprünglichen Kirchentraditionen doch noch. Ich spielte mit der Spitze an meinem Ausschnitt und mit den paar Locken, die über meine Schultern fielen, während ich mich halb zu Tode langweilte und den Priester ruhig reden ließ. Dann war es endlich so weit! Als ich den kleinen Jungen sich nähern sah und die Ringe (Besonders meinen hübschen!) wusste ich, dass absolut nichts mehr schief gehen konnte. Ich umfasste Terence Hand fester und konnte einfach nicht anders, als wohlwollend zu lächeln. Doch dann … Oh Schreck! Was machte denn Anita da? Die Gute hatte sich gerade mit ihrer trinkfreudigen Schwester unterhalten, die hinter ihr zwischen Abigail und Muriel saß, doch nun wandte sie sich um und stellte dem Jungen unauffällig ein Bein. Der Junge stolperte und fiel, während er einen Schrei ausstieß, welchen die beiden Katzen auf den Schößen meiner Tanten gehörig erschreckten. Eine sprang sogar auf und eilte den Gang entlang, der eigentlich nur für die Braut gedacht war. Doch ich hatte dafür keine Augen. Ich beobachtete gebannt die Flugbahn meines Ringes. Er flog und flog .. und landete im Whiskey-Glas meines Vaters, welches dieser während der Rede des Pastors wohl wieder hervor gekramt hatte. Verwundert die Stirn runzelnd blickte er in das Glas, aus welchem der Alkohol gerade aufgespritzt war. Erschrocken eilte ich vor und griff nach dem Gläschen, welches sich mein Vater aber nicht so einfach entziehen lassen wollte. So überschüttete ich die Beinkleider des Brautaufzugs mit Whiskey aus Tennesee und erkämpfte mir nach einigem Ringen mein Schmuckstück zurück.
Herrisch und missgelaunt drückte ich ihn meinem Schatz in die Hand und hielt ihm hektisch meinen abgespreizten Finger hin. Dann streifte ich auch ihm seinen Ring, den er vom Boden aufgehoben hatte, etwas grob über und der Priester murmelte etwas Feierliches. Ich hörte nicht hin und zog Terence zu einem leidenschaftlichen Kuss zu mir hinab. Sollten die Etikette doch zum Teufel gehen! – Genauso wie der strengkatholische Priester!
Der Moment war perfekt, unsere Lippen lösten sich von einander, ich roch das viele Rasierwasser, dass er sich zur Feier des Tages an Wangen und Hals geklatscht hatte (er war nämlich sogar rasiert) und schmeckte seinen warmen Atem … Einfach perfekt bis eine fauchende Katze den Gang entlang und direkt unter meinem Rock verschwand. Natürlich kreischte ich auf als ich das Fell spürte, das meine Knöchel kitzelte, machte einen Schritt zurück. Dabei stolperte ich über meine eigenen Füße, weil ich die Absatzschuhe nicht gewohnt war und ließ mich gerade noch von unserem Trauzeugen, Connor, auffangen. Als ich endlich wieder auf den Füßen war und den Schleier aus meinem Gesicht geschoben hatte, war das dreckige Miststück von Katze verschwunden.
Kochend vor Wut stapfte ich also neben Terence zu dem festlich geschmückten Automobil. Ich hatte am Tag zuvor noch im Matsch gesessen und alles Schepperzeug hinten angebunden. Da war ich recht übellaunisch gewesen, doch nun war ich froh, dass ich es gemacht hatte. Das Metall glänzte wunderschön in der Sonne, so merkte ich auch gar nicht, dass die Kratzer, die die Katze mir vorhin wohl zugefügt haben musste, zu bluten anfingen.
Das fiel mir erst auf, als wir beide auf dem Rücksitz saßen und ich versuchte den Anblick von einer Katze zu vergessen versuchte, die hinter dem Auto herlief, um mit den scheppernden Dosen zu spielen, und mein frischgebackener Ehemann nach meinem Rocksaum griff. Ich schlug die Hand überrascht zur Seite und hob den sperrigen Rock selbst an. Da, wo die Nylonstrümpfe nicht zerfetzt waren, war das Blut, das die tiefen Kratzer absonderten, von den Maschen aufgesogen wurden. Es sah ungefähr so aus, wie wenn man sich die Ferse blutig läuft und die rote Flüssigkeit dann die Strumpfhose durchtränkt. Da, wo ich es sah, fing es auch an zu schmerzen. Nicht gar zu sehr, aber die Schuhe, die sowieso zu eng waren, taten ihr Übriges, um ein Empfinden zu produzieren, mit welchem ich unmöglich wie verrückt auf der Tanzfläche herumhopsen konnte, um mich in lächerlicher Weise am Hochzeitstanz zu versuchen. Terence sah das alles etwas resigniert an und ahnte wohl schon, dass ich jetzt nicht in der Stimmung für ein kleines Stelldichein war. Ich sank zurück in meinen Sitz und seufzte. Meine liebe Brautjungfer hatte sicherlich Pflaster irgendwo untergebracht. Ich würde sie fragen müssen. Bis dahin, so hatte ich mir vorgenommen, würde ich versuchen keinen roten Fleck auf dem weißen Kleidchen zu hinterlassen. Terence lehnte an meiner Schulter und ich schmiegte die Wange an sein Haar. Wenigstens war mir meine Periode erspart geblieben …

„Okay … So geht es. Hier, zieh die Strümpfe darüber. Ich schmeiße diese fort.“
Ich tat, wie mir gesagt wurde. Die Damentoilette in den Mieträumen, die wir für diesen Anlass der Hochzeit angeschafft hatten, war sauber und makellos weiß. Unglücklicherweise stand mein Kleid in Kontrast zur so makellos blütenweißen Wand. Was bedeutete, dass mein Hochzeitskleid schon grau ob der ganzen Turbulenzen wurde. Ich hatte das Gefühl, würde es so weitergehen, wüchsen mir wohl auch noch graue Haare …
Die Lady in Weiß, die gerade aus einer Kabine trat, sah mich recht erstaunt an, als ich auf einem Bein an ihr vorbeihüpfend meinen Strumpf anzog. Es war Anita und ich entschied damals, sie fortan nicht mehr zu irgendwelchen Familienveranstaltungen einzuladen … Dann half mir Delilah noch in meine Schuhe und wir stöckelten hinaus in den Festtagsraum. Da stand Terence schon, mit einem mehr oder weniger gezwungenen, weit übertriebenen Grinsen und bot mir seinen Arm dar. Ich setzte den gleichen lächerlichen Gesichtsausdruck auf und wir schritten zur riesigen Torte. Sie hatte ein kleines süßes Pärchen auf ihrem Haupt und war mit wunderschönen Zuckerrosen übersät, die mit Puderzucker besprenkelt waren. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, da ich in letzter Zeit nur gehungert hatte, um in mein Kleidchen zu passen. Ich widerstand dem Drang mir über die Lippen zu lecken. Das Heft des Tortenmessers war kühl, Terence Hand über meiner warm. Der Stahl schnitt durch die Sahnetorte wie durch warme Butter … und dann hörte ich es. Ein Fauchen. Da am Eingang stand eine struppige Katze, die nicht fröhlich aussah. Abigail schrie auf und fing an sich durch die Menge zu schieben. Aber sie kam zu spät, denn das Tier spurtete schon auf und los und wollte uns wohl anspringen. Falsch! Ich dachte erst, sie würde direkt in der Torte landen, doch sie landete kurz davor und alle atmeten erleichtert auf. Bis die Mieze ihre Vorderpfoten auf die erste Lage der Torte stemmte und tief darin versank. Sie stampfte ein wenig in meiner Torte herum und vergrub dann ihre rosafarbene Nase in der Sahne. Sie stieß sogar meine Zuckerrosen um! Ich bin mir nicht sicher, doch Delilah erzählte mir nachher, dass in dem Augenblick mein rechtes Auge beängstigend gezuckt hätte und meine Tante sogar Angst gehabt hatte, ich werde mich auf das arme Tier stürzen. – Unter uns, das hätte ich auch beinah getan, doch ich stand einfach zu sehr unter Schock. Meine Hochzeit war endgültig ruiniert, aber ich schätze, ich vertrug die Realität nur in homöopathischen Dosen und weigerte mich somit einfach, meinen Augen zu glauben Wir alle standen da, machten rein gar nichts, gefangen in der Situation, während Mizie sich genüsslich an meiner Hochzeitstorte gütlich tat. Irgendein guter Mensch, wahrscheinlich Delilah, gab der Kapelle den Befehl zu spielen und so sah ich den Tränen nahe der Destruktion meiner Hochzeitstorte zu, während die Kapelle „The Wedding Song“ von James Last spielte. Die Situation erinnerte an den Untergang der „Titanic“, als die Kapelle auch bis zum Schluss gespielt haben soll – Jedenfalls fühlte ich mich gerade so. Das sollte mein großer Tag werden und anstatt mich in meinem fantastischen, überaus teuren Hochzeitskleid zu bestaunen, starrten alle diese blöde Katze an! Irgendwann vergrub ich dann das Gesicht an Terence Schulter und weinte. Glücklicherweise kam Delilah und rettete natürlich einmal wieder alles. Sie zerrte mich fort, drückte jedem ein Taschentüchlein in die Hand und schleppte mich zum wiederholten Mal in die Damentoilette, wo wir mich noch einmal etwas herrichteten. Sie zupfte an meiner auch sehr teuren Frisur herum (obwohl nicht mehr viel zu retten war), während ich Heulgrimassen schnitt, ohne Tränen zu vergießen. Denn das hatte sie mir verboten, weil sie gerade erst wieder alles Augen Make-Up aufgelegt hatte.
Nach diesem Ausflug stolperte ich, kleines Häufchen Elend, dann zu meinem angetrauten Schatz und wir wurden von Delilah auf die Tanzfläche gescheucht. Mit Weltuntergangsmiene tanzten wir also. „The show must go on!“, sagt man nicht so?
Da bewegten wir uns eben zum Rhythmus der Musik. Ich mit meiner Trauermiene, er mit dem übertriebenen Grinsen, aber wir tanzten Das war schon einmal ein Anfang …
Ich schaffte es sogar, meinen Unterrock nicht einzutreten. Am Ende des Tanzes stelzten wir breitbeinig von der Tanzfläche und ließen uns an einem Tisch nieder. Ich stemmte das Kinn in meine Handfläche und starrte mit flatternden Lidern auf das Sektglas vor mir. Terence schlief, glaube ich. Ich weiß es nicht mehr. Irgendwie schaffte ich es dann noch, durch die Ansammlung von Geschenken und dergleichen. Mein Vetter und Tante Muriel rissen sich später sogar noch einmal zusammen, und bedeuteten der Band einen Augenblick Ruhe zu geben, damit sie ihre Reden halten konnten. Wenn ich ehrlich bin, wusste ich tatsächlich nicht, dass mein Vetter fand, dass ich sexy aussah. Terence wachte da natürlich auf und machte sofort ein eifersüchtiges Gesicht und ich rang mich zu einem süßen Lächeln durch, bevor ich den Lippenstift neu auftrug und mein Gesicht überpuderte, damit Delilah ein Foto von mir und meinen Tanten machen konnte (selbstverständlich ohne Katzen!). Irgendwie war unser ganzer Plan durcheinander gebracht wurden. Wir hatten beschlossen, Das Risiko einzugehen und die Torte vor dem Tanz zu servieren, doch nun war meine schöne Torte von einem struppigen Paar Vorderpfoten zertrampelt worden und getanzt hatten sie nun auch schon alle. Aber trotzdem lächelte ich auf allen Fotos und es war nicht immer gezwungen. Es war eine … außergewöhnliche Hochzeit, aber keine schlechte.
Mittlerweile waren alle von ihren zugeteilten Sitzen aufgestanden und tanzten. Jemand hatte dem Sänger gesagt, dass er auf die Bühne gehen sollte und gefälligst zu singen hatte. Ich sah einige Jugendliche, die in ihren Festtagsklamotten mit dem Hintern lasziv wackelten. Ich legte die Hand auf meine Brust, direkt über den Zettel und musste gegen meinen Willen lächeln, stand auf und zog Terence mit mir, als ich hüftschwingend auf die Tanzfläche zurückkehrte.

„Hurra, ihr beiden! Das war das letzte Foto für heute“, versprach Delilah, als sie die Kamera absetzte. Terence und ich lächelten uns glücklich an. Dann zerrte ich den Zettel aus meinem Dekolleté, der mittlerweile zu kratzen begonnen hatte. Er hatte mir gute Dienste geleistet und ich war froh, ihn an diesem schweren tag bei mir gehabt zu haben. Genau wie ich froh war, Delilah an meiner Seite gehabt zu haben. Diese gesellte sich nun zu uns und wir stiegen gemeinsam ein. Wir wollten sie noch nach Hause bringen, denn ihr Heim lag direkt auf dem Weg zu dem Hotel, in dem wir die Nacht verbringen würden. In dem Raum standen allerlei Sachen bereit. Zum Beispiel Erdbeeren und Champagner. Ich schloss die Augen
„Na, jetzt habt ihr endlich Zeit für euch und eure Hochzeitsnacht“, dämmerte Delilahs Stimme. Dann waren wir eingeschlafen. Das musste ein friedlicher Anblick gewesen sein, kann ich mir vorstellen. Friedlicher, als mein Gesichtsausdruck, als er mir später im Hotel, als wir Seite an Seite lagen, was der Priester alles hatte mitmachen müssen.
Alles in allem, fand ich im Nachhinein, war es eine recht ereignisreiche Hochzeit an welche man sich ruhig erinnern kann. Was man über unsere Flitterwochen nicht unbedingt sagen kann. Was diese nämlich anbelangt, so muss ich gestehen, habe ich noch immer Angst vor Seeigeln, Motorrädern und … Champagnerkorken.
 
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Kommentare  

Gegen einen Flitterwochentext hätte ich allerdings auch nichts. LG Sabine

anonym (20.02.2008)

Ein göttlicher Text und so viele liebevolle, ausschmückende Details. Das ist ganz nach meinem Humor. Schön verrückt, aber dennoch ein Happy End. LG Sabine

Sabine Müller (20.02.2008)

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