83


4 Seiten

Am Rande einer großen Stadt

Trauriges · Kurzgeschichten
Am Rande einer großen Stadt


Am Rande einer großen Stadt, am Ende einer Sackgasse, ein Stück entfernt von den anderen Häusern, da steht ein altes, halb verfallenes Einfamilienhaus. Es ist nicht besonders groß, der Außenputz bröckelt stellenweise ab und legt das nackte Mauerwerk darunter frei. Die Fenster sind schmutzig, von den Rahmen blättert die braune Farbe ab, darunter ist das Holz gerissen und grau. Ebenso sieht es mit der einstmals blauen Tür aus, auch sie ist morsch, abgeblättert und hängt schräg in den Angeln. Rund um das Anwesen zieht sich ein alter Holzzaun, der ebenso verwildert und heruntergekommen ist, wie das Haus. Er fällt schon beinnahe auseinander, aber das würde wohl kaum auffallen. Denn der Garten darin ist nicht mehr als solcher zu erkennen. Gestrüpp, Unkraut und Efeu wuchern wild, bedecken ihn ganz und gar. Altes Laub übersät die wenigen Steinflächen.

Viele haben das Haus vergessen. Wer noch davon weiß, der geht nicht gerne dorthin. Es ist unheimlich dort und eine seltsame Atmosphäre herrscht dort. Die größeren Kinder erzählen sich Schauergeschichten über den Garten und das Haus.

Eine schier unnatürliche, lautlose Stille liegt über dem Ort. Diese Stille, sie ist in ihrer Lautlosigkeit schon wieder ohrenbetäubend. Kein Rascheln ist zu hören, kein Vogel singt.
Nichts, jeder Laut fehlt.
Nur tote, leere Stille!

Im Inneren des Hauses sieht es nicht besser aus. Die gelbliche, alte Tapete löst sich von den Wänden, der Boden ist staubig, Spinnweben sammeln sich in den Ecken. Es ist nur spärlich möbliert. Die Möbel waren schon da und sind wohl schon sehr alt.
Zumindest sehen sie so aus, doch der obdachlosen Mutter ist das egal. Schon drei Tage kampieren sie und ihre kleine, etwas seltsame Tochter in dem alten, kleinen Haus. Sie ist verzweifelt, lässt sich dies aber nicht anmerken. Doch jetzt, jetzt an diesem grauen Morgen, da hat sie den Kampf doch noch verloren.
Es sind wirklich nicht viele Möbel, die in dem Raum stehen. Nichts weiter als einige Stühle, ein zwei Schränke, ein schiefer Tisch, eine Kommode und ein durchgelegenes Bett.

Neben diesem Bett sitzt ein Kind, es ist noch zu klein um schreiben oder lesen zu können. Unschuldig in dieser Jugend und nicht begreifend. Manch einer würde es wohl geistig etwas zurückgeblieben nennen. Aber es ist alt und klug genug um Fragen zu stellen.
In dem Bett liegt eine Gestalt, die Matratze ist von Blut durchtränkt, langsam tropft es zähflüssig zu Boden, bildet dort eine große Lache. Es riecht seltsam, beinahe metallisch.
Die Frau dort ist die Mutter. Von ihrem linken Handgelenk rinnt noch immer ein kleines Rinnsal rotem Lebenssaftes, ihre Rechte umklammert noch das alte Küchenmesser.
Das Kind, ein kleines, blondes Mädchen sitzt daneben, ein selbst gemaltes Bild in den Händen und begreift nicht. Es weiß nicht was das Rot in und um das Bett herum bedeutet. Begreift nicht warum die Mutter nicht aufwacht und das Bild ansieht. Also sitzt es dort und wartet. Irgendwann muss die Mutter ja wieder aufwachen.Sie ist doch sonst immer wieder wachgeworden, wenn sie so tief geschlafen hat.Warum sollte es jetzt anders sein?

“Mama, willst du nicht aufwachen?
Willst du mein Bild nicht sehen?
Willst du mich nicht dafür loben?
Willst du mich nicht ganz fest drücken?”

Irgendwann, nach Stunden beginnt das Mädchen dann doch zu begreifen, dass die Frau nicht wieder erwachen wird. Sie schubst den großen Körper, rüttelt ihn und erschreck sich, weil er so kalt ist und beinnahe starr. Endlich beginnt es laut zu weinen, dieses Mädchen, durchbricht die grausame Stille mit schrillem Schluchzen. Doch die Mutter erwacht nicht. Das Mädchen begreift nicht warum, sondern einfach nur das sie nicht aufwacht.

“Mama, woher kommt all das Rot?
Warum wachst du nicht auf?
Warum bist du so still?
Warum bist du so kalt?”

Die Stille ist der Teich, die Stimme des Kindes der geworfene Stein. Kurz wirft er nur Wellen, danach ist die Oberfläche wieder glatt und nichtssagend. Sie ist tief diese Stille und sie macht dem Mädchen Angst, denn es ist die Stille des Todes, die sich auf das Zimmer, auf das Haus und seinen verwilderten Garten gelegt hat. Das Kind fürchtet sich, ohne zu wissen warum oder vor was.
Die Stille der Mutter macht dem Mädchen schreckliche Angst.

“Mama, warum sagst du nichts?
Willst du nicht mit mir reden?
Warum ist es so still?
Willst du mich nicht festhalten?
Mama, ich habe Angst!”

Irgendwann, nach Stunden, nach Tagen, verstummt das Kind.Alleine hat es sich nicht nach draußen getraut. So sitzt es nun stumm da. Die Kehle heiser vom Schreien, das keiner gehört hat oder keiner hören wollte. Müde von den Fragen, auf die es keine Antwort gab. Die Augen hohl und leer geweint. Es wartet und wartet. Worauf die Kleine wartet, weiß sie nicht. Warum sie wartet ebenso wenig.
Sie hat keine Ahnung was der Tod ist, was es bedeutet. Sie ist noch so klein, so jung, so schrecklich unschuldig. Sie weiß nur das die Mutter so still schläft und einfach nicht mehr aufwacht.
Also sitzt sie und wartet, still, stumm, mit leeren Augen, noch immer das Bild haltend, dass sie ihrer Mutter hatte zeigen wollen.
Schließlich ist es furchtbar müde. Vielleicht sollte es auch schlafen, dann würde es aufwachen, wenn die Mutter auch wieder erwacht. Es hält die Idee für gut und legt sich geschwächt neben den großen, kalten Körper. Endlich schließt es die Augen und schläft ein. Es wird eben so wenig wieder erwachen wie seine Mutter.


Draußen am Rande einer großen Stadt, am Ende einer Sackgasse, ein Stück entfernt von den anderen Häusern, da steht ein altes, fast verfallenes Einfamilienhaus. Es ist nicht besonders groß, der Außenputz bröckelt an vielen Stellen von den Wänden und legt das Mauerwerk darunter frei. Die Fenster sind mittlerweile blind und teilweise zerbrochen. Der zerfallene Holzzaun umfasst einen völlig verwilderten Garten, die einstmals blaue Tür hängt zersplittert und schräg in den Angeln.

Viele haben das Haus vergessen. Wer noch davon weiß, der geht nicht gerne dorthin. Es ist unheimlich dort und eine seltsame Atmosphäre herrscht dort. Die größeren Kinder erzählen sich Schauergeschichten über den Garten und das Haus.

In Inneren hat sich Laub angehäuft, winzige Insekten kriechen darin herum, die Tapete hat sich von den Wänden gelöst und ein Vogelnest sitzt auf einem halbzerfressenen Schrank. Der Efeu ist über ein zerbrochenes Fenster hereingewuchert und Spinnweben hängen dicht in allen Ecken.
Eine schier übernatürliche Stille hängt wie eine dichte Wolke über den Ort. Eine ehrfürchtige Stille ist es und nicht von dieser Lautlosigkeit, die einem die Ohren betäubt. Es ist eine lebendige Stille.

Das alte Bett steht noch, hat irgendwie Wind, Wetter und Zerfall überlebt.
Darauf liegen weiße, weiße, blanke Knochen.
Das Skelett einer erwachsenen Frau, immer noch ein Messer mit der rechten Hand umklammernd. Dicht daneben, eng an sie geschmiegt blitzen ebenfalls Knochen. Klein und zierlich und so schön weiß.
Das Mädchen, deren skelettierte Hand noch immer ein Stück Papier umklammert, das einmal ein selbst gemaltes Bild war.

Draußen, am Rande einer großen Stadt....



©Anariel Oktober 2006
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Huhu Jochen,
hmm..ja die kleinen Änderungen haben der Geschichte wirklich gut getan.
Danke für dein Lob.


Hallo Petra,
freut mich, dass sie auch dir gefällt.
Gut, sie soll auch traurig sein, die Geschichte.
Danke auch dir für das Lob.


Liebe Grüße
an euch


Tis-Anariel (13.02.2010)

Gefällt mir so wie es ist. Irgendwie ist deine Story nicht nur dramatisch und gruselig auch wunderschön traurig.

Petra (13.02.2010)

Gut gemacht, wusste doch, dass du das hinkriegst. Jetzt erscheint mir die Geschichte plausibler und ich denke mal, den Lesern wird sie so auch besser gefallen. Schöne traurig-schaurige Story.

Jochen (12.02.2010)

So Jochen,

allein dir zuliebe habe ich jetzt beim korrigieren noch einige kleine Änderungen in die Geschichte geschrieben, die das Verhalten des Kindes vieleicht Ansatzweise verständlich machen....

Liebe Grüße
Anariel


Tis-Anariel (12.02.2010)

Ach das meinst du...ja das hab ich manchmal, ist ne kleine Unart, genauso wie Buchstabendreher und dergl. Und meinst entwischen mir diese Fehler beim durchlesen. Nun da ich es weiß, find ichs wohl auch.....Danke für den Hinweis.

Also ich meine es braucht da keine Begründung, nicht wirklich.
Man braucht nicht zu wissen, warum das Kind so reagiert,wie es das tut. Das ist für die Geschichte völlig unwichtig, denn der Schwerpunkt der selben liegt ganz wo anders.
Und ich habe ehrlich gesagt keine Lust da noch groß rumzubasteln. Man kanns auch damit übertreiben....Ich merze jetzt noch die kleinen Fehler aus, wo ich sie finde und damit ist es dann auch gut...

Grüße
Anariel


Tis-Anariel (12.02.2010)

Hallo Anariel, es scheinen mir keine Verschreiber sondern eher grammatikalische Fehler zu sein. Beispiel :dem altem, kleinem Haus. Ich glaube richtiger wäre: dem alten kleinen Haus
Beispiel : diesem grauem Morgen
Richtiger wäre: diesem grauen Morgen.
Ich denke auch, dass eine fantastische Story so geschrieben sein sollte, dass man die Handlungen der Protas nachvollziehen kann. Vielleicht denkst du dir ja noch eine fantastische Begründung dafür aus, dass sich das Kind so verhält? Ich meine, du hast viel Fantasie und kriegst das hin.


Jochen (12.02.2010)

Lieber Jochen,

es ist ja auch eine Schauergeschichte, eine Gruselgeschichte eben, die muss nicht völlig natürlich sein, meine ich zumindest.
Ich dachte ich hätte auch Phantastisches angekreuzt...aber anscheinend hab ich das nicht. Mal sehen, ob sich das noch ändern lässt....

Ich wünschte ihr würdet mir mal sagen WO diese Verschreiber sind, ich finde nämlich im Moment keinen.

Es freut mich aber, dass dir mein Schreibstil so gut gefällt.

Grüße


Tis-Anariel (12.02.2010)

Ja, gut, naja, aber ein wenig unnatürlich ist deine Geschichte diesmal schon. Es ist ja keine fantastische Geschichte und darum muss auch alles stimmen. Ich meine , auch ein kleines Kind kennt Angst. Es merkt, wenn irgend etwas nicht stimmt. Es hat Angst vorm Tod und auch vor Blut. Das ist ein ganz natürlicher Urtrieb, der selbst einem Säugling nicht fremd ist. Es hätte also "gewusst" was los ist und wäre rausgerannt und hätte wie verrückt draußen herum geschrien. Du bekommst aber trotzdem grün, weil du einen wunderbaren Schreibstil hast. Allerdings hast du diesmal auch ein paar Rechtschreibfehler im Text.

Jochen (12.02.2010)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Das wilde Lied des Sturms -- Prolog  
Das wilde Lied des Sturms  
Blutmond - Karms Reise beginnt --- Kap.3 Herzsprache  
Blutmond - Karm´s Reise beginnt --- Kap 2. Blaustein  
Blutmond - Karms Reise beginnt --- Kap 1. Blutmond  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De