122


3 Seiten

Eheinstitut Aurora

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
Er hatte sich die Anzeige ausgeschnitten.
Eheinstitut AURORA
Eheanbahnungen
auch bei schwierigen Fällen
ohne Bürgen
Unser Wahlspruch lautet: Nichts ist unmöööglich.

Mühsam glitten R. Augen über das Papier. Ohne Brille konnte er fast nichts erkennen. Mit der schweißnassen Hand fuhr er über seine Stirn. Seine
Haare hingen wirr ins Gesicht, und der Atem kam stoßend. Sein Herz klopfte wie wild, als er die Stufen zum Hochparterre hinter sich gebracht hatte.

Er wartete einen Augenblick, bis er wieder zu Atem gekommen war und klopfte zaghaft an die schwere dunkle Eichentür. Vorsichtig drückte er dann auf
den Klingelknopf und erschrak, als die liebliche Melodie der ersten Takte der Hochzeitssinfonie von Mendelssohn erklang. Ein einfältiges Lächeln
überzog sein pickeliges, aufgedunsenes Gesicht.


„Ja, Sie wünschen?" klang es spitz aus dem Munde einer Dame gesetzten Alters. Er schrak auf, schaute zu ihrem Gesicht empor, sein Mund blieb offen
stehen, seine Augen blickten fragend.

„Ääääh" räusperte er sich und wieder „Äääh, hmm ich komm da wegen, die Anzeige inner Zeitung. Also.." rang er mit hörbarem Schnaufen nach Worten.

Die platinblonde Dame musterte ihn pikiert von oben bis unten, eine gewisse Abscheu stahl sich in ihren Blick, dann rang sie sich ein Lächeln ab, das
kaum über ihre Mundwinkel hinaus drang.

„Sie beabsichtigen, sich in den Stand der Ehe zu begeben? Wünschen eine Vermittlung? Nun ja, ich werde sehen, unser Institut hat schon einen
gewissen Ruf. Also bitte treten Sie doch näher."

Er verbeugte sich etwas linkisch, huschte dann hinter ihrem davon wogenden Hinterteil in die ausgesprochen gediegen eingerichtete Wohnung.
Er erschnupperte einen, eine Spur zu aufdringlichen Duft nach Jasmin, den die Dame vor ihm verströmte.

Ein Seufzer entrang sich seiner trockenen
Kehle, während seine Augen, die ihm förmlich aus dem vorgebeugten Kopf zu quellen schienen, der ausladenden, in einen senfgelben Kostümrock gezwängten Fülle der Dame nachgierten.

Bald wäre er aufgelaufen, als die nicht mehr ganz junge Dame, abrupt stehen blieb. Er wäre weich gelandet.
Nachdem sie ihn in einen tiefen Sessel komplimentiert hatte, in dem er förmlich versank, führte sie die Zeigefingerspitzen beider Hände an ihre
Nasenflügel, holte tief Luft, so tief, das ihr Busen bebte, was ihm ein glucksen entlockte, und bemerkte:

„Sie haben doch sicher einen Scheck dabei? Wenn ich dann bitten dürfte. Ich muss leider auf Vorkasse bestehen. Wir haben garantiert die passende Frau für
sie dabei. Aber das kann etwas dauern. Sie müssen ein wenig Geduld haben"

wobei sie ihn abschätzig musterte. Der Ausdruck von Abscheu hatte sich in ihrem Gesicht noch etwas verstärkt.

„Rauchen Sie? Wie sieht es mit dem Trinken aus? Verdienst, Vermögenswerte,
etc.“ Er nickte fortwährend zu ihrer Aufzählung.

„Sehr gut, das könnte die Sache schon etwas erleichtern. Ich werde mal sehen. Ähem, wie soll den ihre Zukünftige aussehen? Klein und zierlich, oder
etwas molliger, bevorzugen Sie vielleicht eher innere Werte?" das Lächeln fiel ihr schwer, kam ihr etwas mühsam, während sie innerlich ihr großes
Mundwerk verfluchte. Wer zum Teufel konnte denn ahnen, dass ein solcher Ladenhüter, eine absolute Null, ihr Institut aufsuchen würde.

Verlegen griente er sie an, ein Hauch seines Mundgeruchs wehte über den Tisch, ihr entgegen, oder war es etwa Fußschweiß? Seine leicht zitternde
Hand fuhr an seine Hüfte und klaubte eine mit einem Gummiband umringte Briefmappe aus seiner Gesäßtasche. Mühsam nestelte er ein
zusammengefaltetes Stück Papier heraus und schob es ihr über die Schreibtischplatte entgegen.

Mit spitzen Fingern faltete sie den Papierfetzen auseinander, schaute ihn an. Stutzte, schaute noch einmal, behielt mit etwas Mühe die Fassung.

„Aber..." stockte sie „aber, das ist doch.."
Sie schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an.

Er beugte sich vor, ein Schwall seiner Körperausdünstungen brandete gegen ihren Busen. Er kicherte, und nickte heftig.

„...Claudia Schiffer" presste sie schockiert hervor.

Sie hatte sich vorgenommen, es gehörte genauer gesagt zu ihren eisernen Geschäftspraktiken, jedem Kunden zu versichern, dass sich für jedes Töpfchen auch ein Deckelchen finden würde. Aber jetzt war sie mit ihrem Latein am Ende, obwohl auch ausgefallene Wünsche ihr bisher keine Mühe bereitet hatten. Sie beschloss, hier und heute ausnahmsweise mal auf ein Geschäft zu
verzichten. Was ihr wirklich sehr, sehr wehtat. Aber dieser Mensch war unvermittelbar. Sie hatte schließlich einen Ruf zu verteidigen.

Mühsam fasste sie sich, zauberte mit Gewalt ein blasses Lächeln in ihr Gesicht und presste hervor:
„Ich fürchte, wir haben momentan nicht die passende Partnerin für sie da.
Eine solche müsste erst gebacken werden"

Er erstarrte, sein Lächeln verfiel, unruhig und gehetzt blickte er hin und her. Plötzlich fuhr ihm ein Gedanke durch seinen Kopf. Er erschrak, denn das
kam bei ihm sehr selten vor. Seine Lippen bewegten sich. Er murmelte vor sich hin. Dann quälte er sich aus dem Sessel hervor, wischte über seine
schweißnasse Stirn und hastete förmlich aus der Wohnung.

Der Gedanke hatte ihn gepackt, er müsste sich eine Frau backen.


ENDE


PS: Hatte ich eigentlich erwähnt, das R. ein Psychopath ist
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Hat sich was, mit den tollen Versprechungen. Von wegen Eheanbahnungen
auch bei schwierigen Fällen. Der Junge hat jetzt seine Claudi Schiffer zu bekommen. Versprochen ist versprochen!


Jochen (18.02.2010)

Der Arme, so abgelehnt zu werden. Warum hat sie ihn nicht dazu überredet eine ähnlich aussehende Frau zur Dame seines Herzens zu erwählen? Schöner lebendiger Text, der grünes Licht verdient .

Petra (17.02.2010)

wer weiß, wozu so ein Psychopath fähig ist?

Wolfgang scrittore (17.02.2010)

nun ja, wer sagt denn, dass claudia schiffer keine inneren werte hat? und nur darauf kam es dem psychopathen doch wohl an. ;))
lieben gruß


Ingrid Alias I (17.02.2010)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Ausschnitte und Abstecher nach Wien (In den Hügeln der Montagnola)  
Es geht weiter In den Hügeln der Montagnola)  
Eine weitere Episode aus der Toscana  
eine anstrengende Tour und relaxen in Bagno Vignoni (In den Hügeln der Montagnola)  
Kleiner Auszug mit meinen Protas  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De