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6 Seiten

Das Weiße Königreich - Kapitel 24

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
Der Geheimgang lag hinter einem Wasserfall im Verborgenen. Vom See ging ein Fluss ab. Am Ufer ruhte man sich aus. Eine bedrückende Stimmung lag über der Gruppe. Tanja wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Wir müssen zurück.“
So gerne Paladin hier auch zugestimmt hätte, war er sich im Klaren darüber, was das bedeutete. Es gab kein zurück.
Tanja bekam einfach das Bild nicht mehr aus ihrem Kopf, als der Angreifer Michael den Pflock ins Bein rammte. Sein Gesichtsausdruck. Der Abschied in seinen Augen. Sie wollte einfach nicht wahrhaben, dass Michael von nun an nicht mehr dabei war. Früher hatte Tanja sich gefragt, was wohl aus dem Jungen geworden war- ein Händler? Handwerker? Soldat? Lehrer? Gelehrter? All das traf auf ihn nicht zu. Dafür war Michael einfach zu lebhaft. Als er zusammen mit den anderen nach Monseran kam, war genau das aus ihm geworden, was er war. Ein Freigeist immer auf der Suche nach einem Abenteuer.
„Das können wir nicht.“, sagte Erol.
Tanja schaute zum Elb. In ihrem Blick lag Enttäuschung, Wut, Ärger und unermesslicher Schmerz. „Von einem Spitzohr habe ich nichts anderes erwartet.“, fauchte sie ihn vollkommen giftig an.
„Er hat recht.“, mischte sich Paladin ein. Auch ihn traf ihr Blick. „Wenn wir zurückkehren stellen wir alles erreichte aufs Spiel.“
„Feigling!“, schrie Tanja voller Trauer. Weinend ging sie weg.
Tief in ihr wusste sie, dass die beiden recht hatten. Im Moment war ihr das aber egal. Erst jetzt wurde ihr bewusst, was sie für ihn wirklich empfand. Ein neuer Weinkrampf überkam sie.

***
Tanjas verzweifeltes Rufen verklang augenblicklich.
Auf einmal herrschte eine Stille in der Kapelle, die Unbehagen auslösen konnte. Ein Röcheln störte nun die Stille. Michael erhob sich. Sein tapferer Kamerad hatte einen Speer im Bauch. Dessen Axt steckte jedoch im Hals des Dschungelmenschen. Michael kniete sich zu dem Zwerg.
„Es war mir eine Ehre, mit euch gekämpft zu haben.“, sagte der Zwerg leise und voller Stolz. Ohne jede Angst vor dem Tod.
Michael nahm dessen Hand. „Ihr habt Toran alle Ehre gemacht.“
Dem Zwerg huschte ein Lächeln über die Lippen. Dann wich der letzte Funke Leben aus seinem Körper. Die Augen wurden erst glasig dann milchig. Michael schloss ihm die Augen. Traurigkeit überkam ihn. Ihre Suche nach der Stadt Okai hatte ein weiteres Todesopfer gefordert. Wofür?
Ein Geräusch aus dem Gang, ließ seinen Kampfgeist neu aufflammen. Wenn er schon starb, dann an der Seite von diesem tapferen Zwerg. Michael zog sein Schwert aus der Leiche, humpelte zur Wand, lehnte sich dort an und wartete.
Wenige Augenblicke später tauchte ein Schatten auf. Der bewegte sich vorsichtig in die Kapelle. Für einen Dschungelbewohner war die Bewegung zu geschmeidig. Auch wenn Michael die Gestalt nicht erkannte, war ihm sofort klar, um wen es sich handelte. Sein Schwert schnellte hervor. Sofort blieb die Person regungslos stehen. Die Klinge befand sich an derem Hals. Eine kleine Bewegung reichte aus, um sie zu töten.
Sie drehte ihren Kopf zu ihm

***
Schweigend folgte die Gruppe dem Flusslauf. Nach Stunden ließ man den Dschungel hinter sich. Der Niger floss durch ein weitläufiges Tal. Es erstreckte sich bis ins Südland, wo der Fluss die Grenze überschritt. Kurz vor Einbruch der Abenddämmerung tauchte vor ihren Augen am Fluss ein Dorf auf. Die Menschen des Dorfes waren über den Besuch der Fremden verblüfft. Selbst der älteste Dorfbewohner konnte sich nicht erinnern, dass je jemand aus Richtung des Niger Deltas ins Dorf gekommen war. Dort, so sagte der Dorfvater, lebten die bösen Geister einer längst vergessenen Zeit.
Sie bekamen etwas zu essen. Die Verletzten wurden versorgt. Ihre Wasserflaschen füllte man auf. Man stellte ihnen Schlafplätze zur Verfügung. Die Dorfbewohner umsorgten sie mit allem, was gebraucht oder gewünscht wurde. Nur eins konnte man ihnen nicht nehmen, die Trauer über den Tod ihrer Freunde.
Ob Samuel wegen Ramon`s Schnarchen nicht schlafen konnte oder wegen der letzten Erlebnisse war schwer zu sagen. Er verließ die Hütte, goss sich was vom Kräuterwasser ein und spazierte durchs Dorf. Der Himmel war sternenklar. Er hatte oft gehört, dass Sterne wie Diamanten funkelten. Ein Vergleich, den er nie ganz verstanden hatte. Wie ihn so etwas Banales beschäftigen konnte, war völlig unklar.
Am Dorfsteg, wo 4 Boote vertaut waren, sah Samuel Tanja stehen. Seit der Sache am Ufer vom Wasserfall hatte sie mit Niemandem ein Wort gewechselt. Niemand in der Gruppe verübelte ihr Tun. Zwischen ihr und Michael schien mehr zu sein, als sie sich bisher eingestehen wollte.
Baldami gesellte sich stumm zu Samuel und irgendwie war dem die Gesellschaft des Zwergs angenehm. Anfangs fand Samuel es albern einen Leibwächter zu haben. Inzwischen wusste er den Schutz des Zwergs zu schätzen. Vor allem nachdem, was bisher geschehen war und vielleicht noch geschehen würde. Denn Sie waren noch nicht am Ende. Worüber er sich nicht wirklich freute. Die Abenteuerlust war ihm im Dschungel und im Haus der Ritter vergangen.
Beim Anblick der Sterne fragte er sich, ob es das wert war.

***
Michael zog den Pflock mit einem unterdrückten Schrei aus seinem Oberschenkel. Er verband die Wunde. Da sie nicht neu blutete, war wohl keine Arterie verletzt. Das war die gute Nachricht, die schlechte, er musste wohl einen anderen Ausweg finden.
Nachdem sich die Geheimtür geschlossen hatte, war der Stein in seiner Position geblieben. Damit ließ sich die Tür nicht wieder öffnen. Wobei es nicht blieb. Als Nächstes waren da weitere Dschungelmenschen im Haus der Ritter. Und natürlich Selena.
Wenn das nicht eine Herausforderung für ihn war!, dachte Michael zynisch. Der Schmerz ließ langsam nach. Bei jeder Bewegung fühlte es sich an, als würde ihm jemand einen glühenden Nagel ins Bein hämmern. Er verlagerte sein Gewicht, um das Bein zu entlasten.
„Wie bist du an unseren Freunden vorbei gekommen?“, wollte er von Selena wissen.
„Auf einem anderen Weg.“
Michael humpelte auf sie zu. „Wir sollten unsere Differenzen beilegen.“
Der Vorschlag brachte die Albin zum Lächeln, wohl bemerkt war es kein freundliches. „Warum sollte ich darauf eingehen?“
Mit der Verletzung konnte Sie ihn in einem Kampf ohne allzu große Schwierigkeiten ans Tor von Toran schicken. Andererseits wimmelte es auf dem Anwesen möglicherweise vor den Dschungelmenschen. Da konnte man Hilfe gebrauchen, selbst wenn er nur humpelte. Diesmal hatte Selena alle Trümpfe in der Hand. „Weil ich weiß, wo Okai liegt.“
Ihr Funkeln machte deutlich, dass sich das Blatt gewendet hatte. Am liebsten hätte Selena ihn auf der Stelle umgebracht. Ihrem Verlangen zum Trotz willigte sie in den Deal ein. Irgendwann würde Sie es ihm heimzahlen.
Zusammen gingen die beiden in den Garten. Bisher waren ihnen keine weiteren Feinde begegnet. Worüber Michael nicht unbedingt unglücklich war. Am Brunnen kniete sich Selena hin, drückte erst einen Stein ein, dann einen weiteren. Mit einem knirschen veränderte sich der Brunnenboden. Die Bodenplatten teilten einander. Darunter lag eine schmale Wendeltreppe.
Mehrere Fluchtwege! Keine schlechte Idee, fand Michael. „Achtung!“
Wie aus dem Nichts tauchte einer der Feinde hinter Selena auf. Sie war blitzschnell auf den Beinen. Die gezackte Keule schlug wuchtig auf den Brunnenrand auf und ließ den Stein bersten. Selena rammte dem Angreifer ihren Dolch in den Hals. Da tauchte ein weiterer Dschungelkrieger auf. Sie sprang beiseite, um nicht von der Lanzenspitze aufgeschlitzt zu werden. Ihr Faustschlag trieb dem Dschungelmenschen den Nasenknochen ins Gehirn. Die Albin nahm die fallende Lanze auf, drehte sich wie eine Tänzerin und warf sie scheinbar ins Nichts. Sie bohrte sich in einen weiteren Dschugelmenschen.
„Wir sollten verschwinden, bevor mehr von denen auftauchen.“
Selena zog den Dolch aus dem Hals ihres ersten Opfers, wischte die schwarze Klinge am Moos ab und steckte ihn in die Scheide zurück. Sie stieg über den Brunnenrand, ging die Stufen der Wendeltreppe hinunter. Michael folgte ihr humpelnd.
Ein schmaler Gang ging am Ende des Schachts ab. Je weiter sie gingen, desto enger wurde es. Er ging in eine Felsspalte über, die zu einer vielschichtigen Felsformation gehörte und in einen von Felsen umgeben Platz mündete.
Michael zwängte sich geradeso durch die Spalte. Wegen seiner Verletzung konnte er kein allzu schnelles Tempo gehen. Beim Hinabsteigen in den Schacht hatte er Selena in der Dunkelheit verloren. Albe besaßen die Fähigkeit, in der Dunkelheit sehr gut zu sehen und mit ihr zu verschmelzen. Er sah jetzt, wie sie regungslos vor der Felsspalte stand.
Kaum war er hindurch, bemerkte Michael den Grund für ihr Verhalten. Auf den umliegenden Felsen standen drei Albe mit Pfeil und Bogen im Anschlag. Eine Bewegung nur und sie wären tot. Zwei weitere Albe tauchten auf, einer besaß eine längliche hässliche Narbe im Gesicht.
„Wie ich sehe, ist sie verheilt.“, sagte Michael.
Der Blick des Albs war unmissverständlich. Am Liebsten hätte er ihm die eine oder andere Qual bereitet, um sich für die Narbe zu rächen, die ihm der Mensch einst zugefügt hatte. Mit einem harten Schlag ins Gesicht lieferte der Alb Michael einen Vorgeschmack auf das, was ihn erwartete.

***
Je tiefer Sie mit den Elben in den Wald gingen, desto mulmiger wurde Alexander. Während des Marsches, sprachen weder die Flüchtlinge, noch die Milizsoldaten, geschweige denn die Elbenkrieger miteinander oder untereinander. Die gelegentlichen Blicke reichten aus, um zu zeigen, was für eine Kluft zwischen dem Volk der Elben und dem der Menschen herrschte. Lediglich die Elbin schien eine Ausnahme. Immer wieder suchte Sie Alexanders Blick, lächelte ihm aufmunternd zu. Ihr Lächeln gefiel ihm.
In einer abschüssigen Senke mitten im Wald hatten sich die Elben angesiedelt. Wie man sich unter den Menschen erzählte, lebten die Elben mit dem Wald. Ihre Siedlung verschmolz mit der Umgebung. Hoch oben in den Bäumen war ein verzweigtes System von Hängebrücken errichtet. Auf den Hochständen hielten sich Wachposten auf. Vermutlich gab es im Umkreis der Siedlungen getarnte Vorposten. Die Hütten schmiegten sich zwischen die Bäume. Man hatte nicht den Eindruck, dass die Elben wegen Platzmagels einen der Bäume gefällt hatten. So wie es die Menschen tun würden, dachte Alexander vergleichsweise.
Auch wenn die Bauweise nicht unbedingt architektonische Meisterwerke waren, fand er die Siedlung der Elben beeindruckend. Sie lebten von und mit dem Wald, ohne Schäden anzurichten. Menschen hätten den Platz gerodet.
Eine Gruppe Elben in Rüstungen erwartete sie am Rand der Senke. Der Führer hatte silbernes Haar. Um die Augen sah man Falten. Ein Zeugnis hohen Alters bei den Elben. Ohne den Menschen Beachtung zu schenken, sprach er mit der Elbenfrau. Kurz darauf kam sie zu ihm. Zwar war das Leuchten in ihren Augen weiterhin vorhanden, aber die kurze Unterhaltung hatte ihre offenherzige Mimik verschwinden lassen. Alexander konnte sich den Grund denken. Andersrum wäre es genau dasselbe.
„Wartet hier. Ich bin gleich zurück.“
„Probleme?“, flüsterte er.
Ihr Lächeln kehrte zurück. „Das wird sich zeigen.“
Sie kehrte zum Empfangskomitee zurück. Ihre Begleiter hingegen blieben bei den Menschen. Wie er bemerkte, wurden sie von den Elben auf den Plattformen ebenfalls beobachtet. Das alte Misstrauen.
Einige Minuten vergingen, als das elbische Begrüßungskomitee zurückkehrte. Von der Elbin fehlte allerdings jede Spur. Der Anführer blickte sich kurz um und kam dann auf ihn zu. „Die Hohepriesterin will euch sprechen.“ Seine Ablehnung war deutlich herauszuhören.
Sein falsches Lächeln täuschte den Elb nicht. „Wenn das so ist.“ Er hatte kaum Zwei Schritte gemacht, gingen die Begleiter in Stellung. Sofort postierten sich die Milizsoldaten. Eine falsche Bewegung die Situation eskalierte.
„Eure Waffen bleiben hier.“, forderte der Elb.
Da sich Alexander der Spannung bewusst war, gab er seine Waffen einem seiner Männer. Sein Blick ging zum Mädchen. Er zwinkerte ihr zu und folgte dem Elb in die Siedlung.
Sein Eindruck aus der Ferne bestätigte beim gehen durch die Siedlung. Um ihn herum vier Elbenkrieger und Alexander in der Mitte. Der Anführer ging vorneweg. Die Elben sahen ihn teilweise abweisend, vorsichtig und gleichgültig an. Etwas anderes hatte er auch gar nicht erwartet. Wie bei den Menschen war auch bei den Elben das Misstrauen zu tief im Bewusstsein verwurzelt, um es über Nacht abzulegen. Ausnahmen gab es, wie die Elbenfrau die ihnen durch ihr Eingreifen das Leben gerettet hatte. Erneut kam er zu der Erkenntnis ebenso gehandelt zu haben, wenn die Lage anders herum gewesen wäre. Zuzusehen, wie jemand praktisch niedergemetzelt wurde, egal ob Mensch oder Elb, gehörte nicht zu den Dingen, wo er tatenlos blieb. Nicht ein zweites Mal, schwor sich Alexander.
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-Ende, Kapitel 24-
© by Alexander Döbber
 
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Kommentare  

Ganz erleichtert musste ich feststellen, dass Michael, doch noch alles überlebt hat. Die Wunde am Bein schmerzt allerdings sehr. Selena konnte er zwar überrumpeln, aber zur Seite stehen wird sie ihm wohl kaum. Anders ergeht es Alexander, die schöne Elbin scheint mehr für ihn zu empfinden, als nur Sympathie. Ein schönes Kapitel.

Jochen (01.08.2010)

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