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4 Seiten

Amiras letzter Sommer - Abschnitt III

Romane/Serien · Fantastisches
© Fiona
Amiras Flehen ...

Vor nur wenigen Stunden hatte er sich über den neuen Tag noch seelenruhig gefreut.
Voller Vorfreude auf seine Geliebte und sein Vorhaben, den Ring zu überreichen, war er beflügelt an seine Arbeit herangegangen.
Und mit Freude hatte er die Hufeisen, Heugabeln sowie Schwerter, Messer und Äxte bearbeitet.
Ach nein -, erinnerte sich Tasslan sogleich wieder mit einer Gänsehaut auf den zu Lederhaut verbrannten und vernarbten Armen, Axt und Streitäxte bearbeitete er nicht mehr.
Obwohl er sie noch vor Monaten mit einem bleischweren Hammer gekonnt in Form geschlagen hatte.
Nach seinem folgenschweren Erlebnis hatte Tasslan jetzt gehörigen Respekt vor Äxten aller Art.
Ja, seit jenem unsäglichen Unfall in der Schmiede rührte er keine Äxte mehr an.
Und heute hatten ihn nicht seine grellen
Hilfeschreie - sondern die grellen Schreie der Dorfbewohner unvermittelt von seinem gewohnten Arbeitsrhythmus an diesem vormals herrlichen ruhigen Vormittag abgehalten.
Heute waren es andere Schreie, die die Dorfstille durchbrachen.
Der Blasebalg ließ in diesem Augenblick die zuletzt eingesogene Luft langsam wieder entweichen,
dies registrierte Tasslan noch beim wiederholten Verlassen der Schmiede.

---

Er hörte noch das zischende Geräusch des Wassers im Holzbottich hinter sich, in das er das halbfertige noch rot glühende Beil mit der Zange vor wenigen Minuten eingetaucht hatte.
Beim Schließen und Verriegeln der Tür seiner Schmiede wurde das wiederholte Zischen langsam immer leiser.
Nachdem er jetzt zum zweite Male die Schmiede verlassen hatte, folgte er erneut hastig und stolpernd der lärmenden Menschenmenge in Richtung Geschrei.
Und jetzt - was würde ihn in der Dorfmitte am Dorfbrunnen an der großen Linde erwarten.

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Er stürmte ebenso wie alle anderen in Richtung Marktplatz, wieder von seiner Vorahnung getrieben und mitgetragen von der grölenden Herde von Menschen.
Tasslan bewegte sich immer schneller zusammen mit der vor Neugierde getriebenen Menschenhorde vorwärts.
Die vor sich her schnaufenden, ächzenden, stöhnenden und kreischenden Menschen zogen ihn in ihrem Sog erneut mich sich fort.
Es hatte schon was von einem Viehtrieb, von blökenden Lämmern und schnaufenden Ochsen und Kühen, dachte er noch bei sich.
Doch hier trieb man kein Vieh, die Menschen trieben sich gegenseitig vor sich her und an.
Von ihrer großen Neugierde angestachelt, hatte sich die schaulustig Horde in einen sich schnell durch die Gassen bewegenden Zug verwandelt.
Und Tasslan hetzte ächzend und keuchend mit ihnen mit.

---

Und da … plötzlich, zwischen all den laut kreischenden und abartig schreienden Stimmen war ihm, als ob ihn eine leise zaghaft flüsternde Stimme rufen und anflehen würde.
Er horchte auf und vernahm diese Stimme, zum wiederholten Male, nur ihn erreichend und nur ihm verständlich.
Und Tasslan hörte das stumme Flehen er hob den Kopf und drehte ihn mit den Augen suchend in die Richtung der flehenden Stimme.

Er rief stumm zurück und er zeichnete sich sofort das dazugehörige liebliche Gesicht in seinen Gedanken bildlich auf.
Da drückte und schob er mit vollem Körpereinsatz verstärkt, jetzt wohl am meisten von allen …, fast wie in Trance weiter.
Er, Tasslan, war der stärkste Mann im Dorf,
es sollte ihm doch wohl möglich sein, zu schaffen, als Erster am Marktplatz zu sein,
wo das leise nur ihm verständliche Flehen, Amiras Flehen, herkam.

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Von Amiras leise flehender Stimme, die Tasslan nur allzu bekannt war, angespornt, schob er sich jetzt auch noch unter Einsatz seiner verhornten Ellenbogen an allen vorbei, in dem er alles zur Seite schob, was ihm hinderlich war, um zu seiner geliebten Amira zu kommen.
Amira, ich komme, rief Tasslan.
Warte, Liebste, ich bin gleich bei dir … keuchte Tasslan.
Wann werde ich endlich am Marktplatz, am Dorfbrunnen sein ... schneller, Tasslan, schneller, beeile dich, spornte er sich immer wieder selbst an.
War der Weg bis zur Mitte des Dorfes schon immer so lang?
Oder schien er nur heute so unendlich lang zu sein.

---

Eigentlich herrscht doch sonst eher eine verzauberte Stimmung im Dorf, durchfuhr es Tasslan grimmig.
Warum kann das nicht so bleiben … dachte Tasslan laut.
Warum - kann es nicht so bleiben, fragte sich Tasslan in diesem Moment wiederholt und schüttelte mürrisch seinen Kopf.
Sie rannten an den schmucken, kleinen Häuschen vorbei mit Linden-, Birn- und Holunderbäumen vor den Haustüren.
Die Rebstöcke mit den dicken, schweren Trauben an den Hauswänden sah niemand mehr im Vorbeihetzen.
Die Rebstöcke, die sich an den Eichenbalken des Fachwerks über Jahrzehnte entlang gewunden und mit Efeu vermischt hatten, sah niemand mehr …
Das satte Grün des Efeus, das selbst noch im frostigen Winter die Hauswände begrünten, nahm auch er jetzt nur noch flüchtig wahr.
Katzen rannten mauzend, fauchend und schreiend weg.
Der Gockel, der gerade noch gekräht hatte,
floh zusammen mit seinen aufgescheuchten Hühnern vom Misthaufen.
Die Hunde, die zuvor noch auf den Höfen umherstreunten, flüchteten jaulend vor den keifenden und bellenden Geräuschen der fluchenden Menschenhorde.
Das Geschrei der Menschen ängstigte selbst sie.
Die Tiere versteckten sich voller Angst unter und hinter Sträuchern und Mauern.
Vögel flatterten aufgebracht und suchten in Mauerritzen, die sich in der Schnelle gerade noch fanden, Unterschlupf.

---

Aus dem Arbeitsschweiß war Angstschweiß geworden und der Schweiß lief Tasslan die Wangen hinunter, geradewegs durch seinen struppigen Bart zum Kinn.
In einem feinen, dünnen Rinnsal tropfte der Schweiß vom schwarzen Oberlippenbart herunter und verlor sich dann endgültig im Vollbart.
Sein untrügliches Gefühl die nächtliche bevorstehende Angst trieb ihm nun nach dem Arbeitsschweiß übergroße Angstschweißperlen von innen nach außen auf die Stirn.
Er strich den Angstschweiß unwirsch mit der Hand von der Stirn und wischte die Schweißperlen vom Kinn aus seinem Vollbart.
Weiter, weiter …, lauf weiter, Tasslan - nur nicht stehen bleiben, hörte er seinen inneren Schweinehund, ihn, Tasslan, antreiben und stetig weiter anfeuern.
Du musst noch schneller laufen und sie überholen, diese ungestüme, wild gewordene Horde von Menschen.
Oder sind das hier - keine Menschen mehr?
Ja, das sind keine Menschen mehr, das sind Furcht erregende Ungeheuer, kam es Tasslan da beim Betrachten der geballten Wut der Menschenherde,
der wütenden Horde, und ihren verzerrten gierigen Fratzen in den Sinn.

Du musst …, du musst vor ihnen am Marktplatz sein, sprach er sich immer wieder weiter kämpferisch Mut zu.
Und sah Amira vor sich - vor seinem inneren Auge.
Da war ihm, als ob sich Blei auf sein liebendes Herz legen würde.
Mit angstvollen weit aufgerissenen Augen und mittlerweile auch noch schweren bleiernen Füßen taumelte Tasslan nur noch langsam und schwerfällig vorwärts.
Dem furchterregenden Gekreische der wütenden Menschenherde folgte er mit lähmenden Schritten, fast schon der Ohnmacht nahe.
Endlich …, endlich, nach einer von ihm als unendlich lang empfundenen Zeit erschien jetzt die Friedhofsmauer vor seinen Augen.
Nur noch das kurze Stück an der Friedhofsmauer entlang, dann war es geschafft.
Sein Blick fiel auf das kleine, geschmiedete Eisenkreuz vor der Friedhofsmauer und Tasslan wurde es übel, ein ungutes Gefühl in der Magengrube begleitete ihn auf dem restlichen Weg über die beschwerlichen Pflastersteine der Gassen zum Marktplatz, für den Tasslan nach eigenem Empfinden wieder eine kleine Ewigkeit brauchte, bis er endlich mehr stolpernd und rutschend als laufend am Marktplatz ankam.
Er hatte das Gefühl, und es erschien ihm noch immer so, als ob jemand versuche, ihm die Beine nach hinten wegzureißen.
Wahrhaftig – wegzureißen …
Doch er war trotz stinkender schmutziger Abwasserrinnsale und übel riechender Abflussbrühen am Wegesrand am Marktplatz angekommen, wenn auch außer Atem.
Er hatte es zusammen mit dem laut kreischenden Pöbel geschafft, auch er war jetzt am Dorfbrunnen.
Alle Bewohner des Dorfes trafen so nach und nach atemlos am Marktplatz ein.
Obwohl Tasslan ein stolzes Körpermaß von einmeterfünfundneunzig hatte,
konnte er nur schwer einen Blick in die aufgebrachte Menschenmenge werfen.
und seine schlimmsten Befürchtungen sah er in diesem Moment bestätigt und Wirklichkeit werden.
Sein Traum von letzter Nacht wurde scheinbar gerade Realität … er wurde zum Leben erweckt.

---
Unaufhaltsam brachen Tasslans innerliche über Monate gespeicherte Kräfte Stück für Stück in ihm zusammen.
Nein, nein, stammelte Tasslan, das darf nicht sein, das darf nicht sein nicht noch mal,
das darf nicht sein!
Das darf sich nicht noch einmal wiederholen, er musste unwillkürlich an das kleine Kreuz vor der Friedhofmauer denken.
Doch er schob den Alptraum letzter Nacht beiseite und stand in diesem Augenblick der Lebenswirklichkeit gegenüber.
Was war nur geschehen?


Fortsetzung folgt ...
 
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Kommentare  

@ Hallo Jinigzu, für den hilfreichen kommentar möchte ich mich dedanken und ich werde versuchen am "BALL" zu bleiben.
Wie du das schon richtig gesehen hast sind es meine ersten gehversuche ...
LG Fiona


Fiona (09.09.2010)

Amiras letzter Sommer liest sich wie die Gehversuche einer sehr fantasiereichen Autorin, die noch dabei ist ihren Weg zu finden.

Bleib weiter am Ball und schreib weiter - Übung macht den Meister.


Jingizu (08.09.2010)

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