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6 Seiten

Vergeltung - Prolog (Historisch)

Romane/Serien · Romantisches
© Lilly
Da ist ein Licht in der ewigen Dunkelheit!
Auch wenn die Nacht so schwarz ist wie der Abgrund vieler Seelen,
brennt dort ein Licht strahlend hell.

Gott, bitte zeige mir den Weg dorthin,
damit ich weiß, wohin ich gehen muss.

Da ist ein Weinen in der Ferne.
Dieses Weinen kommt tief aus dem Innern,
es ist, als würde eine Seele nach einer Antwort zergehen.
Der Weinende fragt: Warum?
Fleht um eine Antwort,
doch erhält er nur ein Schweigen,
dessen Aussage nicht kräftiger hätte sein können

Da ist ein Traum in ferner Zukunft,
in dessen Dunkelheit brennt ein Licht strahlend hell,
auch wenn die Nacht in diesem Traum so finster ist wie der Abgrund vieler Seelen.

Oh Gott, bitte zeige mir doch den Weg, damit ich weiß wohin ich gehen muss,
wohin ich gehöre!
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Prolog

Schottland ; 20. März1241



Die Klinge hielt nur wenige Millimeter vor seinem verschwitzten Hals an. Schnell pochte seine Halsschlagader oberhalb des kalten und blutigen Metalls und sein Atem raste unvorstellbar schnell. Es fiel ihm unsagbar schwer, auch nur etwas des hektisch erworbenen Sauerstoffs in seinen langsam zu schmerzen beginnenden Lungen zu halten. Jeder Muskel in seinem alternden Körper schmerzte und brannte wie Feuer unter seiner dünn gewordenen Haut. Sein Blick war starr nach oben auf seinen Bezwinger gerichtet und seine Pupillen glasig vor Gewissheit, jetzt und hier sterben zu müssen.
Er sah die ruhige Hand, die den mit Leder umfangenen Griff des Langschwertes hielt und als seine Augen etwas hinauf wanderten, sah er die jugendlichen Muskeln, die kraftvoll angespannt unter der gebräunten Haut hervortraten. Abgetragene Lederschienen schützten seine Handgelenke, aber dennoch tropfte Blut unter seiner rechten hervor. Jedoch Schmerz konnte er nicht in seinem hasserfüllten Gesicht erblicken. Nein, er sah nur diese eine Emotion und diese schien ihn gleich den Garaus zu machen.
Hatte er sich dies doch viel einfacher vorgestellt. Er wollte nur seinem König gehorchen, ihm wie immer und eh und jäh gefallen. Er glaubte die Burg, die er nun schon seit unzähligen Monaten belagerte, geschwächt zu haben. Immer wieder trugen sie kleinere Kämpfe aus, die seine Überzahl an Männer fast immer gewannen. Sie schnitten ihnen gekonnt die Versorgung ab, brannten ihre Felder nieder und schlachteten das Vieh, an das sie heran kamen.
Er hatte die jetzige Situation wohl vollkommen falsch eingeschätzt und der Druck, der ihm von seinem König gemacht wurde, trieb ihn zu einer falschen und überhasteten Entscheidung. Jetzt schien sein Leben zu Ende zu sein, nun war alles nichts mehr wert. Nichts was er erreicht hatte, welche Schlachten er auch immer gewonnen hatte, welche Ehren er trug, war hier mehr von Bedeutung. Es endete jetzt und hier, mit einem einzigen und letzten Schlag!
Der Krieger vor ihm war jung, der jüngste und letzte Sohn seines Gegners, den er vor wenigen Minuten mit einem gezielten Hieb getötet hatte.
In einem Kampf, der nur Minuten dauerte, tötete er einen langjährigen Feind der englischen Krone, einen alten und gebrechlichen Mann, von Krankheiten gezeichnet, doch an seinem wütenden und jüngsten Sohn, scheiterte er kläglich.


Wie ein römischer Gott stand Kincaid MacMahon schwerfällig atmend vor dem Mörder seines Vaters und seiner beiden älteren Brüder. Er war verschwitzt und mit dem Blut vieler Bastarde beschmiert, die er heute getötet hatte ohne darüber nachzudenken. Er war in einem Rausch gefangen, der für sein jetziges Opfer unweigerlich auch den Tod bedeuten würde. Seine Augen leuchteten gefährlich auf diesen Hund herab und sein Brustkorb hob und senkte sich mühsam. Die Hand die sein Schwert führte war unwahrscheinlich ruhig. Doch sein Herz schlug laut und schnell gegen seine Brust.
„Einen alten und kranken Mann zu töten ist keine Kunst“, begann er, zur Überraschung des vor ihm knieenden Mannes, mit tief grummelnder Stimme:
“ Ein Kind …“, es fiel ihm unglaublich schwer weiterzureden, doch er atmete tief durch und sprach bleiern zu Ende.“Ein Kind zu töten noch weniger“, damit meinte er seine fünfzehnjährige Schwester, die von mehreren englischen Soldaten geschändet wurde und sich dann, aus diesem unbeschreiblichen Schmerz heraus, aus dem Fenster stürzte:“ Doch mich … mich habt Ihr wohl verkannt … Mylord.“
Seine Stimme war leise und zum Ende hin ganz fest, wie aus kaltem Stein gemeißelt.
„Ich werde mich rächen … ich werde sie alle rächen, jeden einzelnen von ihnen. Sei es ein Bauer, Schmied, Bettler, Soldat oder meine Familie.“
Seine Klinge entfernte sich langsame von seinem Hals, wohl für den alles entscheidenden Schlag. Ein Schlag, der nun die Pein der letzten Monate beenden würde. Ein Schlag, der seiner Rache eigentlich nicht im Entferntesten gerecht werden würde. Ein Schlag, der das alles niemals aufwiegen könnte.
Sein Opfer zitterte am ganzen Leib, bewusst jetzt dem gerechten Tod entgegen zu treten und wissend, für seine und die Sünden seiner Männer gerade stehen zu müssen.
Viele Augen beobachteten den Krieger. Sie warteten geduldig darauf, dass er es endlich beendete, denn es mussten die Toten zu Grabe getragen -und die Spuren der Verwüstung beseitigt werden. Es sollte so schnell wie möglich das normale Leben wieder einkehren.
Doch zu all ihrem sichtlichen Entsetzen, senkte er auf einmal völlig unvermittelt wieder sein Schwert und die Klinge berührte mit einem leisen, klirrenden Geräusch den steinigen Boden.
„Was tust du, Herrgott …? Bring es endlich zu Ende, Kincaid.“
Doch er hörte nicht die fordernde Stimme seines alten Freundes Tavish und er sah nicht, die verstörten Blick seiner Krieger um sich herum, die nur wollten, das er ihn endlich tötete. Sie gierten regelrecht nach seinem Blut, das auf den Boden tropfen sollte, bevor sein Körper diesen berühren würde.
Stattdessen fiel Kincaid kraftlos auf seine Knie und sah diesem englischen Mörder, diesem Bastard der englischen Krone, offen ins Gesicht, während dieser unsicher zu Boden blickte.
MacMahon war müde, ausgehungert und zutiefst traurig über den Verlust seiner gesamten Familie. Er war nun allein und voller Hass! Jetzt lastete alles auf seinen Schultern und eigentlich war er für solche Dinge nicht der Richtige, noch nicht, denn er liebte seinen Frieden. Zumindest dachte er das immer. Dies war für ihn auch kein Grund traurig oder niedergeschlagen zu sein, weil er immer hinter seinen Brüdern anstand, denn er hatte alle Freiheiten und die genoss er ungemein. Er war mit seinem bisherigen Leben zufrieden, doch dies war nun alles zu Ende und irrelevant.
Er war nun ein Laird!
Der Herr über dieses Land, über diese getreuen Männer, die mit ihm durch die Hölle geschritten waren. Er würde alles geben, seine ganze Kraft, seinen Mut und den letzten Rest seines Verstandes, um dies alles zu beschützen und wenn es sein müsste, auch sein Leben!
Eine kleine Wunde klaffte über seinem linken Auge unter der Braue und das Blut lief an seiner Nase entlang, hinunter zu seinem unrasierten Kinn. Es kitzelte auf seiner kühlen Haut, brannte in seinem Auge und hinterließ ein leichtes ziehen, als es langsam begann zu trocknen. Eine zweite Wunde versteckte er unter seinem Tartan, dessen Falten sich kaum noch dort befanden wo sie eigentlich hingehörten. Er spürte wie der warme Lebenssaft über seinen Bauch rann und das, was nicht in dem dunklen Stoff versickerte, langsam auf seiner Haut zu gerinnen begann.
„Ich werde …“, es fiel ihm unsagbar schwer diese Worte zu formen, er musste sich kurz unterbrechen und drehte seinen Kopf, mit zusammengekniffenen Augen, etwas zur Seite. Tief atmete er durch, um seine Gedanken im Hass nicht zu verlieren, bevor er gequält zu Ende sprach:“ Ich werde Euch am Leben lassen.“
Jetzt sah der Totgeglaubte in das Gesicht seines Bezwingers und erkannte wieviel Kraft ihn diese Worte gekostet hatten. Hoffnung keimte in ihm auf. Würde er seine Familie doch wieder sehen, würde er nach Hause kehren können? Würde er seinem Schicksal noch einmal entkommen um endlich seinem Alter gerecht zu leben?
Doch schnell wurde dieser kleine Funken Hoffnung wieder erstickt, indem der schottische Krieger weiter sprach:“ Ich lasse Euch am Leben …“, seine Stimme wurde zu einem bitter klingenden Ton:“ Doch nur so lange bis ich Eure Familie getötet habe … jeden einzelnen … auf genau die selbe Art, wie Ihr und Eure Krieger die meinen getötet und geschändet habt. Blut für Blut.“
Das Gesicht seines Gegenübers veränderte sich ganz langsam, es schlug nach und nach tiefe Falten und wurde hart. Es schien als hätte er die Worte nicht verstanden und so verdeutlichte der junge Laird sein Vorhaben noch einmal, verständlich und für alle hörbar:“ Ihr werdet in meinem Kerker elendig verrecken! Die Ratten werden Nacht für Nacht an Euch nagen, während Ihr darauf wartet, dass ich zu Euch komme und Euch berichte, was ich mit Eurer Familie getan habe. Wort für Wort werde ich Euch wiedergeben, wie sie um ihr Leben flehten, bettelten – unter mir stöhnten … und wie ich sie alle nach einander tötete und damit Euren Namen all für allemal auslöschte.“
In diesen Sekunden wollte ihm sein Gefangener an den Hals springen, doch zwei Soldaten reagierten sofort und packten ihn. Kraftvoll rissen sie ihn an seinen Armen zurück und schmissen ihn hart mit seinem ganzen Körper auf den Boden.
Er spürte den Schmerz in seinem Brustkorb nicht, als er aufschlug – das einzige was er empfand war die panische Angst um seine Kinder und seine Frau, die dem nun schutzlos ausgeliefert waren. Er sah seinen Sohn, der Kopflos gegen diese Krieger vorging und wahrscheinlich von dieser Horde Barbaren schnell abgeschlachtet wurde. Er hatte seine wunderschöne Tochter vor Augen, wie er sie sich mit Gewalt nahm, ihren zierlichen Körper schändete, bis aufs äußerste verletzte und dann ihre Kehle aufschlitzte. Und dann sah er noch seine Frau … seine geliebte und schöne Frau, die immer treu an seiner Seite stand. Jetzt müssten sie alle für sein Tun zahlen. War dies nun zu seinem Krieg geworden? War dies Gottes Rache für seine schändlichen Taten im Namen eines anderen, von denen er immer verschont zu sein glaubte?
Er verfluchte seine eingeschränkte Weitsicht, mit der er ihnen kaum Soldaten zum Schutz daließ. Denn wer sollte ihnen auch auf heimischen Boden gefährlich werden? Er war ein Narr, schallte er sich selbst in seinen Gedanken, ein dummer alter Narr.
„Ihr barbarischen Schotten“, fluchte er verzweifelt:“ Ihr elenden Bastarde, die ihr aus des Teufels Arsch gekrochen seid. Nicht meine Familie, NEIN!“
Seine Hysterie lief fast über, als er diese Worte dem jungen Krieger entgegen schrie, doch dessen Gesicht rührte sich nicht. Mitleid oder gar ein schlechtes Gewissen konnte er gegenüber diesem Mann nicht aufbringen. Sein Herz war versteinert, seine Seele so oder so verloren. Warum dem Teufel dann nicht die Tür aufhalten, er war eh schon in ihn gekrochen, als er seine Schwester fallen sah.
Ungerührt, ihn eisig ansehend, erklärte er ihm:“ Nicht barbarisch, nur fürchterlich rachsüchtig“, und nur durch ein Kopfnicken gab er seinen Männern zu verstehen, dass sie ihn jetzt fortbringen sollten. Sie gehorchten sofort, rissen ihn hoch und brachten den sich wehrenden und wild um sich schreienden Mann fort.
Schnell kehrte wieder diese fürchterliche und von allen verhasste Stille ein. Eine Stille die sagte, dass viele nie wieder sprechen würden. Ein Stille die sie schon aus so vielen Schlachten her kannten und die man immer wieder vernahm und sei es nur in seinen Träumen.
Langsam erhob er sich von seinen Knien und gab sein Schwert einem anderen Soldaten, der zu seiner rechten stand.
„Was hast du nun vor?“
Nur hallend nahm er die Stimme seines Cousin Broch wahr, der nun vor ihn trat und er antwortete monoton klingend:“ Ich reite nach England, Broch und werde seine ganze Familie töten, so wie ich es ihm versprach und so wie ich es mir versprach. Ich will Ruhe in meinem Leben und das alles hier vergessen … Doch …“, er zögerte eine Sekunde:“ Doch zuerst müssen wir die Toten begraben und …“, er griff sich unter sein Hemd und zog seine blutbeschmierte Hand nach wenigen Sekunden wieder hervor, bevor er den Schmerz in seiner Stimme endlich zuließ und zu Ende Sprach:“ Und danach muss dies hier verarztet werden.“
 
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Kommentare  

Da stimme ich allen anderen zu. Klasse Text. Hochdramatisch und lebensecht geschrieben und man kann so sogar Mitleid mit dem Bösewicht empfinden.

Petra (10.10.2010)

@Jingizu:
Ein gefährlicher Strudel ist das, da kann man schon mal die falschen Entscheidungen treffen ;.), aber lass dich überraschen!!

LG


Lilly (07.10.2010)

@Michael:
Hallo, also doch kein weibliches Problem?!?! Danke das es dir gefällt. Endlich wird mal etwas mehr kommentiert, als bei meiner letzten Geschichte! DANKE

LG


Lilly (07.10.2010)

Grausig, grausig, grausig... Grausamkeit, Bitterkeit und Erbarmungslos - so scheint es zumindest in diesem Prolog - diktieren das Zeitgeschehen und die Protagonisten befinden sich von Anfang an in einem Strudel von Gewalt, Hass und Rache der womöglich nicht nur sie, sondern alle in ihrem Umfeld mit hinabreißen wird... Aaaaaaber ich hoffe ja immer noch auf die junge Tochter des königstreuen Alten und darauf, dass Kincaid diesen Kreislauf durchbricht :) aber ich lass mich überraschen.

Jingizu (06.10.2010)

Hallo Lilly, mir hat es sehr gut Gefallen. Vorallem der erste Absatz :)) toll geworden.^^ Ist bei mir mit den zu vielen Details am Anfang auch so gewesen xD Aber hauptsache wir verstehen worum es geht, nicht wahr?^^

Michael Drake (06.10.2010)

Danke Jochen für deinen lieben Kommentar. Ich hoffe ich kann mit dem Rest auch noch überzeugen.
Ja, ich neige dazu, sehr Detailiert zu schreiben, das war schon in der Schule so. Ich kann mich immer nur sehr schwer aufs wesentliche Konzentrieren, weil mir das andere auch immer so wichtig erscheint - Frauen halt!!!!

Ganz liebe Grüße


Lilly (06.10.2010)

Ein spannender und ergreifender Anfang. Du achtest auf Details und das macht seine Story so plastisch. Sei aber vorsichtig, zu viele Datailes können eine Story überladen und sie langatmig machen. Das ist aber bei diesem Kapitel nicht der Fall. Ganz im Gegenteil war es sehr schön zu lesen.

Jochen (05.10.2010)

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