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26 Seiten

Vergeltung Kapitel 7+8 (Historisch)

Romane/Serien · Spannendes
© Lilly
Sie ritten durch eine unglaublich enge Schlucht, die im Ausland ziemlich unbekannt war. Sie lag wie eine schmale Spalte zwischen zwei hohen Felsformationen, gut versteckt, eine perfekte Abkürzung. Nur schwer konnten zwei Pferde nebeneinander her reiten. Der falsche Moment, die falsche Einschätzung und es könnte auch eine hervorragende Todesfalle sein. Niemand würde entkommen.
Es herrschte eine erschreckende Stille unter ihnen und wenn man die Hufen der Pferde nicht ab und an auf dem moosbewachsenen Weg hören würde, könnte man sie fast für Geister halten. Alle schwiegen, sie wollten auf keinen Fall irgendjemand auf sich aufmerksam machen. Elisabeth war schon längst wieder erwacht, er hatte es jedoch noch nicht bemerkt, denn sie rührte sich keinen Millimeter von ihm weg.
„Was wollt Ihr noch über meinen ehemaligen Verlobten wissen?“
Verwundert darüber, dass sie schon wach war und Dommhan als ihren „ehemaligen“ Verlobten titulierte, lugte er kurz nach unten und schmunzelte. Ihre Stimme war in diesem Augenblick ein raues Flüstern und das gefiel ihm.
„Sagt mir einfach, was Ihr wisst. Alles, jede Kleinigkeit könnte für uns von Belang sein.“
Seine Stimme war auch leise, fast mehr ein Murmeln und er genoss, wie sie sich noch mehr an ihn schmiegte, ihre Wange an seine Brust bettete und leise begann zu erzählen, nachdem sie einmal tief und ausgiebig geseufzt hatte:“ Ich weiß nur, dass er gute Beziehungen zum Königshaus hat. Er hat wohl am Königshof angesehene Verwandte. Bei einem Fest habe ich ihn zum ersten Mal getroffen, er war fürchterlich extrovertiert, wollte um jeden Preis auffallen, doch meinem Vater gefiel seine aufdringliche Art. Und er gefiel ihm noch mehr, als er von seinen hochrangigen Beziehungen hörte. Seither lag er mir in den Ohren, dass er für mich doch der Richtige sei, eine gute Partie und das Dommhan mit dieser Verbindung einverstanden wäre ... Ich weiß nichts von seinen militärischen Ehren, ich weiß nicht welche Ausbildung er hatte oder welche Ziele er erreichen wollte. Ich weiß nichts von seinem Charakter, nur das was er mir bei unseren wenigen Treffen zugestand“, da stoppte sie auf einmal ihre Rede, wandte sich etwas aus seiner Umarmung und drehte sich ihm zu. Ihre Augen blickten tief in die seinen, als sie ihm erklärte, was eigentlich jeder Mann wissen müsste:“ Man fragt uns doch nicht ob wir den Kandidaten erst einmal richtig kennenlernen wollen. Unsere Meinung, ob es richtig oder falsch ist, ist doch nicht von Belang. Ihr Charakter hat uns nicht zu interessieren, aber das müsstet Ihr doch alles wissen. Wenn reiche Familien sich untereinander verheiraten, dann werden am wenigsten die Menschen gefragt, die es betrifft. Es ist rein Politisch, nicht aus Liebe ...“
„Seht Ihr“, unterbrach er sie:“ Da haben wir doch schon wieder die Politik, sie ist immer und überall.“
Elisabeth nickte irgendwie wissend, während sie weiter sprach:“ Und deshalb, weil man nichts gegen die Politik tun kann, versucht man sich zu arrangieren, versucht das Gute zu sehen, irgendetwas zu erkennen was einem gefällt, einfach nur alleine um damit leben zu können - um in der Zukunft zu überleben.“
Er hörte den Schmerz über diese Tatsache in ihrer Stimme und er wusste, dass sie recht hatte. Denn so passierte es Tagtäglich auf der ganzen Welt. Und er verstand immer mehr, was Dommhan damit meinte, als er bei dem Überfall auf dem MacAvoy Clan meinte, dass er etwas zurück haben wollte. Er wusste was er unbedingt wieder haben wollte, er hielt es gerade in seinen Armen und war dabei sich in ihr zu verlieren.
„Ich weiß, dass es Euch nicht hilft, aber …“, sie sah auf seine Brust und ihre Stimme bekam einen leicht verzweifelten Klang:“ Zumindest hört es auf wenn er mich zurück hat.“
Jetzt spürte sie, dass er sich plötzlich versteifte und blickte nach oben. Sein Gesicht war unergründlich, seine Augen starr geradeaus gerichtet und er meinte mit dunkler Stimme:
„Und gerade das, bezweifle ich ungemein.“
Elisabeth drückte sich noch etwas mehr von ihm fort und sah ihn fragend an. Ihre selten eisig aussehenden Augen brannten sich in seine Seele und er wich diesen aus.
„Was meint Ihr damit?“
Wollte sie wissen und suchte noch immer seine Augen.
„Ich glaube nicht, dass er sich damit zufrieden geben wird, wenn Ihr wieder bei ihm seid. Es wird ihm nicht reichen. Elisabeth, er wird sich rächen wollen.“
Jetzt blickte er sie an und irgendwie machte ihr dieser Blick Angst. Er war kalt, wissend und zu allem bereit.
„Er weiß wahrscheinlich ganz genau nach wem er suchen muss, und doch tötet er Unschuldige. Er weiß wohin er reisen muss, und doch nimmt er einen Umweg in Kauf. Er ist auf einem Kreuzzug, Elisabeth, auf einem Rachefeldzug und er wird nicht aufhören, bis er das erreicht hat, was er sich erhofft, nämlich die vollkommene Zerreisung des Hochlandes. So gefährlich Euer Vater auch war, sein Angriffspunkt war immer nur einer, doch Dommhan nimmt alles mit, was sich ihm in den Weg stellt. Er ist vollkommen unberechenbar.“
Elisabeth atmete unglaublich tief ein und senkte ihren Blick, denn sie verstand. Er war von nun an der neue Teufel der auf Erden wandelte. Schlimmer, herzloser und alles was er berührte ging in Flammen auf.
„Und wie wollt Ihr ihn aufhalten?“
Sie drückte sich wieder an seine Brust, während sie ihm diese unglaublich leise Frage stellte und schloss ihre Augen, denn sie brannten von den wieder aufsteigenden Tränen.
„Wir reisen seine Truppen in Fetzen.“
Antwortete er monoton und genoss erneut ihre Nähe, die sie ihm anscheinend bereitwillig gab.
„Werden viele dabei sterben?“
Heiserkeit brannte in ihrer Stimme und eine Träne lief unbemerkt ihre Wange herab, verharrte kurz an ihrem bebenden Kinn und fiel dann auf ihren Schoß herab.
„Wahrscheinlich.“
Wieder klang seine Stimme so unglaublich kühl und abwesend, doch Elisabeth überhörte es und schwieg nun lieber.
Das Ende der Schlucht war nach etwas über einer Stunde in Sicht, der Trupp hielt an und er rief mit einer schlichten Handbewegung zwei seiner Männer zu sich. Er gab ihnen eine knappe Anweisung, sie nickten gehorsam und ritten los. Bald schon waren sie außer Sichtweite.
„Warum bleiben wir stehen?“
Wollte Elisabeth etwas verwirrt wissen und MacMahon antwortete spartanisch:“ Wir warten.“
Worauf, wollte sie gar nicht wissen. Sie blickte einfach still nach vorne und anscheinend wollte er ihr auch nicht mehr sagen. Es stand ihr ja auch nicht zu mehr zu erfahren. Denn obwohl sie sich in seiner Gegenwart wohl und auf unerklärliche Weise sicher fühlte, war sie doch seine Gefangene.
Es dauerte nicht lange, da kamen die beiden Reiter zurück und nickten ihrem Laird einfach nur zu. Er schien zufrieden zu sein und sagte zu seinen Männern, leise und nicht all zu laut und in Englisch:“ Wir warten bis Sonnenuntergang.“
Ob er das für sie tat, damit sie nicht mehr so unwissend war? Elisabeth war von seinem Verhalten etwas überrumpelt und gleichzeitig vollkommen überfordert.
Sie stiegen schweigend von ihren Pferden und alle setzten sich in die Schatten der hohen Felsen, denn in der letzten Stunde wurde es doch noch ziemlich warm.
Elisabeth rutschte wortlos aus seinen Armen und somit auch aus dem Sattel und tat es den Männern gleich. Ihr Rücken schmerzte kaum noch, obwohl er ab und an noch etwas brannte und steif zu sein schien. Und so lehnte sie sich an die harte Felswand und blickte nachdenklich zum Ausgang der Schlucht, der irgendwie im Dunkeln lag. Auf einmal trat ihr etwas vor die Augen und schnell erkannte sie die kleine Ailean, die stumm zu ihr hinab sah. Elisabeth lächelte und fragte fürsorglich:“ Willst du dich zu mir setzen?“
Überschwänglich nickte die Kleine und schon saß sie dicht an sie gekuschelt neben ihr und Elisabeth hielt sie fest in ihren Armen.
„Ich will zu meiner Mama“, jammerte sie leise an ihrer Brust und sie streichelte sanft über ihr lockiges und zerzaustes Haar. Sie sah aus wie ein armes Bauernkind mit ihrem schmutzigen Kleid und Gesicht. Nicht wie die Nichte eines Lairds. Obwohl, dachte sich Elisabeth, hatte sie ja keine Ahnung wie die Kinder der Lairds und ihren Familien aussahen. Sie wusste nicht, wie die Menschen in Schottland lebten und sich kleideten. Sie hatte eine Ahnung von nichts. Dachte sie immer zu den wenigen Frauen zu gehören, die etwas gebildet waren, so glaubte sie nun vollkommen dumm und unwissend zu sein.
„Ich weiß Engelchen“, seufzte Elisabeth:“ Aber das geht nicht.“
Versuchte sie Ailean zu beruhigen, doch die blickte auf und fragte natürlich nach, was Kinder immer taten:“ Warum?“
„Ich verspreche dir, dass ich es dir erzählen werde“, Elisabeths Stimme zitterte und sie versuchte krampfhaft Ruhe zu bewahren:“ Doch nicht jetzt, meine Kleine. Jetzt müssen wir erst einmal alle stark sein. Versprichst du mir das?“
Ihre großen braunen Augen waren leicht gerötet, doch sie kniff fest ihre Lippen aufeinander, damit wirkte sie um einiges älter als sie war, und nickte ernst.
„Du bist ein tapferes kleines Mädchen, Ailean.“
Und schon drückte sie die Kleine wieder an sich, die fest ihren Bauch umschlang. Nach einem kurzen Augenblick war sie dann auf einmal in ihren Armen eingeschlafen und Elisabeth bettete ihren Kopf sachte auf ihren Schoß.
„Geht es ihr gut?“
Wollte MacMahon flüsternd wissen, als er neben sie trat, in die Hocke ging und sah, das Ailean auf ihren Beinen lag und schlief.
„Ich bin mir nicht Sicher …“, meinte sie flüsternd und strich ihr wieder einmal über den zerzausten Schopf:“ Sie vermisst ihre Mutter.“
Er nickte und setzte sich auf einmal dicht neben sie, so, dass sich ihre Arme sanft berührten. Für eine Weile saßen sie einfach nur so da und während Elisabeth ihre Augen geschlossen hatte, schaute er starr gerade aus. Sie genoss das Schweigen, denn dies beinhaltete keine Fragen, keine Hass Tiraden und auch nicht eine ungewöhnliche Nettigkeit, die immer mehr Einzug nahm.
„Am Ende der Schlucht befindet sich ein kleiner Wald“, begann er auf einmal und blickte in die Richtung die er meinte. Elisabeth folgte seinem Blick
„Dahinter ist ein Lager, ein kleiner Ableger von Dommhans Truppen. Ich habe ernst zu nehmende Informationen und deshalb gehen wir davon aus, dass er sich aufgeteilt hat. Aus diesem Grund war das Treffen mit den anderen Clans heute früh.“
Überrascht sah Elisabeth ihn an und fragte sich unweigerlich, ob es für sie überhaupt gut war, das sie soviel erfuhr? Sie blickte wieder zum Wald hinüber und fragte sich auch noch, ob Dommhan bei dieser Truppe war? Ihr Herz begann bei diesem Gedanken zu rasen, doch Elisabeth wusste nicht weshalb. Sollte sie Hoffnung auf Rettung haben oder sich unglaublich davor fürchten?
„Nach Sonnenuntergang werden wir sie umstellen und angreifen“, erklärte er unbehelligt emotionslos weiter und riss sie somit aus ihren beängstigenden Gedanken:“ Der Überraschungsmoment ist heute Nacht einmal ganz auf unserer Seite. Wir werden sie auslöschen … jeden einzelnen von ihnen!“
Ausgiebig beobachtete er ihr Gesicht und war überrascht, dass sie ohne irgendeine Regung nickte, sie blickte nur wieder herab auf das kleine Mädchen, das auf ihrem Schoß schlief.
„Und wo werde ich währenddessen sein?“
Fragte sie mit dünner Stimme, noch immer ohne ihn anzusehen. Erneut streichelte sie Ailean zärtlich übers Haar und zupfte dabei ein paar Blätter heraus.
„Ihr werdet mit den Kindern im Wald auf uns warten. Ihr müsst aber wirklich ganz leise sein und versteckt bleiben. Wir können euch nicht helfen, falls sie euch entdecken und ich glaube kaum, dass sie die Kinder dann verschonen würden.“
Wieder kam nur dieses Nicken von ihr, was ihn langsam etwas beunruhigte. Hatte sie sich tatsächlich ihrem Schicksal ergeben? Das gefiel MacMahon irgendwie nicht. Mochte er doch ihren Wiederstand, ihren unbändig wirkenden Dickkopf. Aber was sollte er auch erwarten, nach diesem abscheulichen und aus den Gedanken unauslöschlichen gestrigen Tag. Sie war gebrochen von den Bildern und der Erkenntnis und das bedauerte er - obwohl doch das genau sein Ziel war.
MacMahon stand plötzlich auf, ohne sich ihr noch etwas mehr zu widmen. Er hatte jetzt einfach keine Zeit um sich damit zu beschäftigen, auch wenn es ihn beunruhigte und leid tat – was ihn verwirrte und irgendwie müde machte.
Die Hände auf seinem Rücken verschränkt ging er zu seinen Männern, um mit ihnen alles weitere zu besprechen. Sie mussten gut vorbereitet sein, es durfte einfach nichts schief gehen. Sie würde Siegen und die Rache würde nach und nach ihnen gehören.
Ein Chema das sich wohl immer wieder zu wiederholen schien. Einer rächt sich und ein anderer antwortete.
Bodenlos – Endlos!
Ein Spiel zwischen verlorenen Seelen, aus dem einfach kein Gewinner hervorgehen konnte. Zu viele Opfer waren das Resultat, zu enorm der Weg der bestritten werden musste.

Die Sonne ging schnell unter, für Elisabeth viel zu schnell und sie machten sich auf, die Schlucht zu verlassen. Wieder ritt sie bei MacMahon mit und wieder hielt er sie fest umschlungen. Es erschrak sie ein wenig, wie schnell sie sich an seine Nähe gewöhnte und wie gut sie ihr tat, in dieser von Emotionen kalten Zeit.
Bald schon hatten sie den dicht bewachsenen Wald erreich, und durchquerten ihn fernab der Wege. Sie waren unglaublich leise und noch bevor sie ihn wieder verließen, hielten sie an und wieder gab er zwei seiner Männer ein Zeichen. Die sprangen von ihren Pferden und schlichen durch die Dunkelheit davon. Die Bäume standen so dicht beieinander, dass man kaum den anderen neben sich erkennen konnte, weil kein bisschen Licht des Mondes den Boden zu berühren schien. Die dichten Zweige ließen einfach nichts hindurch. Es war unglaublich unheimlich und leblos.
Elisabeth versuchte in die Stille hinein zu horchen, doch bis auf eine Eule und den seichten kühlen Wind, der durch die Blätter strich, war nichts zu hören. Selbst die Pferde schienen zu wissen, dass sie ruhig sein mussten, denn auch von ihnen kam kein Schnaufen und schon gar kein Wiehern.
„Elisabeth“, sein Atem streifte warm ihre ausgekühlte Wange und sie spürte wie nah er ihr mal wieder war:“ Habt keine Angst, es ist schnell vorüber und wir wieder zurück.“
„Ich habe keine Angst.“
Antwortete sie kühn und drehte ihren Kopf etwas zur Seite, fort von seinem warmen Atem und den Augen, die sie spürte –aber nicht sehen konnte. Sofort lockerte MacMahon seinen Griff und Elisabeth glitt geschickt aus dem Sattel und nahm direkt Ailean in die Arme, die auf sie zu gerannt kam. Ihre Brüder folgten ihr schweigend.
MacMahon konnte das blinde Vertrauen der Kinder nicht so ganz begreifen. Sie kannten sie nicht, sie wussten, dass sie Engländerin war und dass kaum einer ihr wohlgesonnen zu sein schien. Sie hatten mitbekommen, wie englische Soldaten ihr Zuhause überfielen, brandschatzten und mordeten und doch hielt sich MacAvoys Nichte am liebsten in ihrer Nähe auf. Es war ihm, als wäre Elisabeth sofort für sie zu einer Ersatzmutter geworden. Als wäre das in dem Moment von ihr beschlossen worden, als Elisabeth sie hinter dieser dichten Hecke entdeckte und die Jungen folgten ihrer Schwester. Sie schienen Aileans Menschenkenntnis vollkommen zu vertrauen und stellten ihre Zuneigung zu dieser fremden Frau nicht in Frage. Oder verstanden sie nicht, was ihr geschehen war und noch geschehen würde? Vielleicht verdrängten sie es auch einfach nur und waren froh über die Nähe und Wärme die ihnen Elisabeth gab. Es waren Kinder und somit waren sie nicht nachtragend oder projizierten ihren Schmerz auf einen unschuldigen Menschen. Ihre Seelen waren noch rein und ihr Blick noch lange nicht vom Hass getrübt.
MacMahon kratzte sich gedankenverloren an seinem Kopf und dachte, dass er von ihnen wohl noch sehr viel lernen konnte.
„Versteckt euch im Gebüsch dort“, MacMahon zeigte etwas hecktisch auf eine dicht bewachsene Hecke:“ Wir kommen zurück, sobald alles erledigt ist.“
Sie nickte und ihr Blick verfing sich eine Sekunde lang in seinen Augen. Er glaubte ihre Sorge um ihn darin erkannt zu haben, doch wendete sie sich so schnell wieder von ihm ab, dass er sich nicht wirklich sicher darüber war, was er tatsächlich gerade gesehen hatte. Elisabeth nahm stattdessen Ailean an die Hand, lächelte sie liebevoll an und tat wie ihr geheißen.
„Sollen wir sie wirklich hier alleine lassen?“
Fragte MacAvoy skeptisch, während er sein Pferd neben seinen alten Freund lenkte, doch der meinte gespielt gelassen, sich noch einmal nach ihr umsehend:“ Wo sollte sie denn hin?“
Er sah, wie sie mit den Kindern hinter die Hecke schritt und sich auf die Moos bedeckte Erde setzte und somit aus seinem Blickfeld verschwand. Niemand bekam mit, dass er leise vor sich hin seufzte und kurz ins leere starrte, bevor er seine Männer anführte.
Sie waren bereit zu kämpfen, Menschen zu töten und wahrscheinlich auch selbst getötet zu werden. Eigentlich war es ein endloser Teufelskreis, dachte er. Man erfuhr Leid um dann Leid wider zu geben. Man spürte den Schmerz des Verlustes, der Hilflosigkeit dem Tod gegenüber, um dann andere das gleiche spüren zu lassen. Makaber, sinnlos und im genaueren betrachtet, unendlich dumm.
„Du siehst sie irgendwie anders an.“
Stellte MacAvoy auf einmal abwertend klingend fest und spürte direkt den stechenden Blick seines Freundes auf sich gerichtet.
„Wie meinst du das?“
Wollte er wütend klingend wissen und ritt etwas dichter an ihn heran.
„So wie ich es sage“, erklärte dieser nun auch gereizt, seinen Blick gebannt:“ Anders!
„Du redest Unsinn.“
MacMahon wollte darauf nicht weiter eingehen, nachdem er diese sinnlose Antwort bekam, doch nun wollte sein Freund sich ihm unsinnigerweise mitteilen. Er folgte ihm, als dieser seinen Hengst etwas antrieb und erklärte:“ Unsinn rede ich schon seit meiner Kindheit nicht mehr. Du siehst sie nicht an wie ein Mann der Vergeltung sucht, sondern wie das hirnlose Opfer eines ansehnlichen Weibes. Du beugst dich viel zu nah zu ihr herab, wenn du mit ihr redest. Du berührst sie innig und vorsichtig, du lässt sie an deiner Brust ruhen und, auch wenn du es nicht zugeben würdest, du sorgst dich um ihr wohl … Wie hat sie dich nur so verhext?“
Jetzt reichte es MacMahon. Er stoppte seinen Hengst mit einem kräftigen Ruck, packte die Zügel von MacAvoys Tier, das etwas erschrak und konnte sich nur wegen der drohenden Gefahr zusammenreisen ihn nicht an zu schreien:“ Ich brauche sie für meine Zwecke, alter Freund und zur Zeit kann ich kein zedernes, weinendes und verängstigtes Weibsbild gebrauchen. Ich erschleiche mir ihr Vertrauen, das ist alles.“
„Wenn du es sagst.“
Versuchte MacAvoy ihn zu beschwichtigen, indem er abwehrend seine Hände hob und war irgendwie erleichtert, als er endlich wieder seine Zügel los ließ und schweigend weiter voran ritt. Doch er glaubte ihm kein Wort und er wusste, dass sich dies sehr bald schon bewahrheiten würde.
Noch einmal blickte MacAvoy auf die Hecke hinter der eine Engländerin mit dem Rest seiner Familie saß und schnaubte abfällig. Auch wenn er etwas Dank für sie empfand, weil sie die Kinder entdeckte, war sie ihm doch nicht geheuer. Zu schnell wandte sie sich ihnen zu, zu schnell gestand sie ihnen ihre Hilfe zu und zu schnell gewöhnte sie sich an einen Mann, der ihr alles nahm. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr, es konnte nicht so einfach sein. Das Leben war nicht einfach und schon gar nicht die Windungen eines menschlichen Gehirns. Wer weiß was sie im Schilde führte, welchen abwegigen Plan sie mit ihrer freundlichen List verfolgte?
Er würde es heraus bekommen, schwor sich MacAvoy und dann würde sie bezahlen … und zwar für alles!
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Kapitel 8

Eng umschlungen saß Elisabeth mit den Kindern hinter der Hecke und wartete. Doch worauf genau, das wusste sie irgendwie nicht so recht. Wartete sie darauf, doch noch gerettet zu werden? Oder darauf, von MacMahon wieder geholt zu werden? Wartete sie auf ihr Ende, das - obwohl er abschwor sie zu töten, doch vielleicht noch kommen würde und das vor der Zeit?
Elisabeth verstand ihr Schicksal nicht. Sie verstand nicht, was der Herrgott mit ihr vorhatte. Oder war es gar der Teufel der sich einen Spaß aus ihre Situation machte und in seiner Hölle saß und über ihre Pein lachte? Hatte Gott sie verlassen und war es nun ihre Aufgabe, den Weg zu ihm zurück zu finden?
Für eine Sekunde dachte sie wirklich darüber nach in ein Kloster zu gehen, falls sie dies hier alles überleben sollte. Doch schnell verwarf sie diesen lächerlichen Gedanken wieder, denn sie war nicht der Mensch, der stundenlang betete, sein Leib Gott anpries und hoffte somit die Erlösung zu erlangen. Sie war nicht still genug, nicht demütig genug für solch eine Aufgabe. Dieser Weg war zu groß für sie und mit Sicherheit auch nicht der ihr bestimmte. Egal welcher es war, dachte sich Elisabeth, doch dieser war es auf keinen Fall.
Es schien alles schon eine Ewigkeit zu dauern und obwohl sie sich unglaublich konzentrierte, konnte sie nichts hören. Kein knisterndes, alles zerfressendes Feuer, keine Schreie von sterbenden Menschen und schon gar keine Schlachtrufe. Es herrschte eine seltsame Stille, die fast schon ohrenbetäubend laut auf sie wirkte.
Der Wind kühlte Stunde um Stunde mehr ab und schlich sich nach und nach mit seiner Feuchte unter ihre Röcke.
„Ich habe Angst.“
Sagte Ailean etwas lauter und erst jetzt spürte Elisabeth, dass sie zitterte. Zärtlich legte sie ihre freie Hand auf ihre kühle Wange und flüsterte:“ Schschsch, es wird schon alles gut werden. Aber du musst aber ganz still sein.“
Die Kleine nickte mit müdem Blick und ihre roten Locken wippten.
„Irgendetwas stimmt hier nicht!“
Elisabeth erstarrte als sie diesen tiefen englischen Akzent eines Soldaten vernahm und Ailean hätte beinahe los geschrien, doch geistesgegenwärtig schob sie ihre Hand von ihrer Wange über ihren bereits geöffneten Mund. Mahnend sah sie das Mädchen an und schüttelte ihren Kopf. Die beiden Jungen zogen ihre Knie rasant an ihren Körper heran, umschlangen diese und legten ihre Stirn darauf. Es wirkte vollkommen mechanisch, wie ein vor kurzem noch abgespieltes Programm.
Ganz langsam ließ Elisabeth Ailean los und legte ihren Zeigefinger bedeutsam auf ihre Lippen und das Mädchen nickte fast schon hektisch mit Tränen in den Augen.
Ganz langsam, ohne auch nur ein Geräusch von sich zu geben, erhob sich Elisabeth auf ihre Füße und lugte ganz vorsichtig um die Hecke herum. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, sie glaubte, dass es ihr gleich aus dem Mund fallen würde, wenn sie diesen zum atmen öffnete. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, liefen herab und brannten in ihren Augen.
Sie sah zwei Soldaten, die anscheinend von einem Erkundungsritt zurückkamen und allem Anschein nach jetzt schon merkten, dass hier etwas nicht stimmte. Sie beobachtete wie beide auf den Boden schauten, eine Fackel angezündet hatten und anscheinend Hufabtrücke begutachteten.
„Fünfzehn … vielleicht auch mehr. Hier haben sie kurz angehalten“, sagte der anderen und blickte sich etwas besorgt um. Hastig zog Elisabeth ihr Genick ein und ihr Kopf verschwand wieder hinter der Hecke. Bleich blickte sie zu den Kindern, die starr dasaßen und lächelte Ailean aufmunternd zu. Zumindest versuchte sie es.
„Die Spur reicht in Richtung des Lagers … aber das ist unmöglich, hier lebt weit und breit keiner dieser Bastarde“, fügte er noch hinzu und versuchte sein nervös tänzelndes Pferd zu beruhigen.
Elisabeth biss sich auf ihre Unterlippe, was sollte sie jetzt nur tun? Die beiden dürften keine schwerwiegende Gefahr bedeuten, doch wenn sie die anderen Truppen warnen, könnte alles verloren sein. Sie grübelte und blickte immer wieder auf die verängstigten Kinder. Sie durfte sie nicht in Gefahr bringen, sie durften auf keinen Fall verletzt werden.
Auf einmal riss Ailean ihre Augen auf, es schien als würde sie stumm schreien und auch die beiden Jungen versteiften sich sichtlich. Elisabeth sah sie fragend an und da spürte sie auch schon das kalte Metall an der Seite ihres Halses. Erschrocken zuckte sie zusammen, sie wollte sich umdrehen, doch eine tiefe dunkle Stimme meinte mahnend:“ Nicht so schnell“, und sie verharrte in ihrer Bewegung so abrupt, dass ihre Muskeln direkt begannen zu brennen. Ganz langsam stand sie auf und drehte sich der Gefahr zu. Es war dunkel, der Schein der Fackel reichte kaum bis zu ihnen hin, doch sie erkannte einen englischen Soldaten. Da spürte sie auch schon Ailean, die sich von hinten an ihren Rock klammerte und leise weinte. Besorgt legte sie ihr eine Hand auf den Kopf und versuchte sie nur mit ihrer Ruhe zu beruhigen.
„Na sieh einmal einer an, eine schottische Hure mit ihren Bastarden und das mitten im Wald.“
Sagte er und betrachte sie ausgiebig von Kopf bis Fuß, Elisabeth schwieg lieber. Sie konnte vor Panik auch gar nichts sagen.
Er winkte sie bestimmend hinter der Hecke hervor und präsentierte stolz den anderen beiden seine Beute.
„Seht mal was ich leckeres gefunden habe, während ihr über Hufabtrücke sinniert habt.“
Hastig blickten sie auf und sahen wovon er sprach. Eine hübsche, etwas verschmutzte Frau und drei rothaarige zerzauste Kinder. Man hätte glauben können, dass sie nichts besaßen und hier irgendwo im Wald lebten, so wie sie alle aussahen. Auf die Soldaten wirkten sie wie Wilde.
„Was machen die hier“, brüllte der eine auf seinem Pferd fast zu ihnen herab:“ Sprießen die hier etwa aus dem Boden?“
„Ist mir doch egal“, brummte der andere gleichgültig zurück und sie hörte, dass er sein Schwert wegsteckte:“ Hauptsache sie bringt meine Lenden zum sprießen.“
Über diese anzüglich gesprochenen Worte hielt Elisabeth ihren Atem an und drückte Ailean noch etwas fester an sich. Übelkeit und eine schreckliche Vorahnung umfing schlagartig ihre Sinne und sie konnte nur mit müh und not das Zittern ihrer Gliedmaßen unterdrücken.
Himmel, sie würden sie vergewaltigen!
Die Schotten rührten sie nicht an, doch ihre eigenen Landsleute würden ihr die Unschuld rauben und das auf brutalste Weise. Das Bild der ihr bekannten Welt, begann immer mehr zu wanken.
„Natürlich, du denkst ja immer nur an das eine.“
Ihr anscheinender Anführer sprang aus seinem Sattel und kam zu ihr herüber gelaufen. Fest umpackte er ihr Kinn und drehte ihr Gesicht begutachtend von einer Seite zur nächsten.
„Nicht schlecht“, ruckartig ließ er sie los:“ Mach sie aber nicht kaputt James, wir teilen.“
Jetzt blieb ihr Herz stehen und sie blickte zu dem dritten, der noch immer auf seinem Pferd saß und nicht sie, sondern Ailean ganz offensichtlich ausführlich begutachtete und ihr schwante Schlimmes.
„Nimm doch die Kleine … die ist noch frisch.“
Sagte der hinter ihr. Kraftvoll faste er Ailean in ihr voll gelocktes Haar und zog ihren Kopf nach hinten um ihr von oben ins Gesicht zu schauen. Sie weinte und hätte am liebsten laut aufgeschrien, doch sie schwieg, verzog nur schmerzlich ihr Gesicht und faste nach der Hand, die ihr so weh tat.
„Nein“, tat er ab und sie fühlte eine zaghafte Erleichterung in sich aufsteigen, doch er wusch diese mit seinen nächsten Worten einfach fort:“ Ist mir zu wider, aber Tenner, er steht auf so etwas. Nicht wahr, du perverser Bock?“
Er blickte sich zu seinem Kumpanen um und Elisabeth sah, das seine Augen erwartungsvoll strahlten, während er nickte und rief:“ Umso jünger, umso besser.“
Jetzt konnte und wollte Elisabeth nicht mehr schweigen und verbergen, dass sie Engländerin war und sagte wütend, mit hasserfülltem Blick:“ Wagt es auch nur, daran zu denken und ich schwöre euch bei Gott, erlebt ihr den nächsten Sonnenaufgang nicht mehr.“
Überrascht sahen sie Elisabeth an und er ließ sofort das Mädchen wieder los. Sie hörten ihr perfektes englisch, kein widerlicher schottischer Akzent rollte über ihre doch so heilig gepriesene Sprache.
„Du bist keine Schottin?“
Fragte der, der vor ihr stand und stemmte seine Hände in die Hüften. Er sah wie sie ganz langsam ihren Kopf schüttelten und ihm dabei tief in die Augen blickte.
„Und das sind deine Kinder?“
Elisabeth schwieg, denn jede Antwort wäre in ihren Augen falsch gewesen. Hätte sie dem zugestimmt, würden sie sie für eine schottische Hure halten und sofort vergewaltigen. Hätte sie dem widersprochen, hätten sie die Kinder dahin gemetzelt und sonst was mit ihr angestellt, weil sie sich mit ihnen umgab und beschützte. Sie musste Zeit schinden und hoffte, das MacMahon bald zurück kommen würde. Falls er noch am Leben war.
Gott, daran wollte sie gar nicht denken und das verunsicherte und verängstigte sie erneut, denn warum scherte sie das Ableben ihres Entführers, dem Mörder ihres Vaters?
Dass sie schwieg, machte ihn unglaublich wütend, denn er konnte sich auf sie keinen Reim machen. Wer war sie und woher kam sie auf einmal und was noch viel wichtiger in seinen Augen war, was machte sie hier, im tiefsten Schottland, in einem abgeschiedenen Wald, in der Nähe seiner Einheit?
Könnte es sein, das etwas hier tatsächlich nicht stimmte? War sie eine Spionin?
„Dann bist du eine Verräterin, du umgibst dich mit diesen Bastarden und schmähst deiner Heimat.“
Stellte er wütend brummend fest und sah, dass sie ihre Stirn runzelte und ihren Kopf etwas neigte, bevor sie ihm mutig antwortete:“ Ich bin nichts von alledem und … und zu diesem Zeitpunkt wiederum doch alles.“
„Miststück“, schrie er sie an und schlug ihr mit der Rückseite seiner Hand hart ins Gesicht. Dies kam so unerwartet und mit solch einer Wucht, dass sie hinfiel. Es war ihr, als hätte man ihr den Boden entrissen.
Sofort kniete Ailean neben ihr und weinte leise, während sie sich an ihren Arm klammerte. Jedoch ihr Finder packte das Mädchen erneut an den Haaren und zog sie kraftvoll von ihren Knien hoch. Diesmal schrie sie hysterisch auf und faste sich an ihre brennende Kopfhaut, während er sie an sich zog und gewaltsam fest hielt. Elisabeth wollte aufspringen, ihr helfen, sie vor ihnen beschützen, doch ein gewaltsamer Tritt gegen ihren Brustkorb, ließ sie wieder hart auf den Boden knallen. Ein lautes Stöhnen entrann ihrer Kehle, als der Tritt und der folgende Aufprall ihr die Luft aus den Lungen presste. Fest stand ein Fuß nun auf ihrer Brust und sie versuchte ihn verzweifelt weg zu schieben, denn er nahm ihr den Atem und sie glaubte ihre Rippen würden gleich unter seinem enormen Gewicht bersten. Es war ihr anscheinender Anführer, der sie so kraftvoll in Schach hielt und keine Anstalten machte sie los zu lassen.
Da stürmte auf einmal Sean auf den Mann zu, der auf ihr stand und riss an ihm, doch er brauchte nur einen Hieb mit seiner Faust und der Junge lag wimmernd am Boden. Stan wollte zum gleichen Zeitpunkt seiner kleinen Schwester helfen und klammerte sich an dessen Arm, mit dem er Ailean fest hielt, doch auch er wurde lachend abgeschüttelt. Elisabeth schrie auf und konnte nur atemlos mit ansehen, wie nun der Dritte, den sie Tenner nannten, aus seinem Sattel glitt und die beiden am Boden liegenden Jungen einsammelte. Er schleifte sie, ungeachtet ihrer Wehr, zu einem der Bäume und fesselte sie an dessen Stamm. Stan weinte bitterlich, während Sean versuchte sich zu befreien, aber schnell kraftlos erkennen musste, dass es schier unmöglich war.
Elisabeth versuchte noch immer den Fuß herab zuschieben, doch er war viel zu schwer für sie.
Mit wütendem Gesicht beugte er sich nun etwas zu ihr herab und meinte:“ Dann wollen wir doch mal sehen, was eine schottische Hure so alles zu bieten hat, oder was meinst du?“
„Fahr zu Hölle!“
Fauchte sie ihn an, doch das reizte ihn nicht. Er nickte James zu und dieser schubste die weinende Ailean zu Tenner, der sie sofort an sich zog und ausgiebig an ihren Locken roch, während sie wie gelähmt zu sein schien.
James packte in Elisabeths volles Haar und schleifte sie zu einem der Bäume. Feuer breitete sich auf ihre Kopfhaut aus. Der Schmerz zog bis in ihre Wirbelsäule und Elisabeth versuchte verzweifelt schreiend nach den beiden Händen zu fassen. Ihre Füße fanden einfach keinen Halt auf dem feuchten Boden, so sehr sie es auch versuchte. Endlich ließ er von ihr ab, aber nur um ihre Handgelenkte zu packen, dass er um sie ein dickes Seil binden konnte. Atemlos, unglaublich verzweifelt und von der Angst übermannt, reckte sie ihren Kopf und sah, dass er sie auch an einen Baum band, aber so, dass sie noch immer flach auf der Erde lag. Elisabeth spürte wie die Kälte des Bodens in ihre Knochen kroch und nun konnte sie das Beben ihres Körpers nicht mehr verbergen.
Ihr Atem raste und die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sich beide vor ihr postierten und der Anführer fragte:“ Was sind das für Hufabdrücke hier?“
Doch Elisabeth schwieg beharrlich.
Jetzt kniete er sich über sie und fragte noch einmal, mit unglaublich unterdrückter Wut:“ Was sind das für Hufabdrücke?“
Ihr Blick hätte hasserfüllter nicht sein können, doch ihr Schweigen bewegte mehr in ihm. Wutentbrannt schlug er zu und Elisabeth schmeckte Blut in ihrem Mund. Ihre Wange brannte, ihr linkes Auge schien sich direkt schmerzlich zusammenzuziehen. Sie spuckte blutigen Speichel aus und hustete vor Schmerzen. Aber bis auf ein leises qualvolles Stöhnen, bekam er nichts von ihr zu hören.
Nur schemenhaft sah sie, das er hektisch begann an seinem Beinkleidern herum zu nesteln. Dann spürte sie, wie er kraftvoll begann ihre Beine auseinander zu schieben. Sie wehrte sich, wand sich unter ihm, so gut sie konnte, doch er war zu dick und zu schwer und ihr blieb kaum Luft um nicht das Bewusstsein zu verlieren. Nach einer Weile hatte er es geschafft und zog ihre Röcke geschickt nach oben. Seine Hand glitt grob zwischen ihre Beine und Elisabeth stöhnte vollkommen erschrocken auf. Ein seltsamer Schmerz erklomm ihr Bewusstsein und am liebsten hätte sie geschrien, doch irgendetwas schnürte ihr die Kehle zu.
„Das glaub ich jetzt nicht“, rief er seinen Männern zu:“ Diese Schlampe ist noch unberitten.“
„Was? Woher willst du das wissen?“
Fragte James und trat nun so dicht neben sie, als könne er an ihrem äußeren erkennen ob er die Wahrheit spricht.
„Ein Könner weiß so etwas. Sie ist noch so wunderbar eng.“
Mit diesen Worten näherte er sich ihrem Gesicht und sah Tränen, die stumm über ihre schmutzigen Wangen glitten.
„Nicht wahr meine Schöne, du hast noch nicht die Freuden eines Mannes verspüren dürfen?“
Elisabeth sah ihn nur fassungslos an, nicht in der Lage auch nur ein Wort zu sagen. Obwohl ihre Gedanken überliefen und ihr Kopf fast explodierte. Aber sie fanden einfach nicht den Weg zu ihrem Mund, zu groß war das Chaos, zu mächtig die Panik.
„Ha“, rühmte er sich:“ Wusste ich`s doch.“
Mit einer widerlichen Zärtlichkeit strich er ihr einige Strähnen aus dem Tränen nassen Gesicht und fragte erneut:“ So, ein letztes Mal und überlege dir gut ob du weiterhin schweigen willst, denn vielleicht lass ich dir dann deine Jungfräulichkeit … kommt aber ganz auf deine Antwort an. Was sind das für Hufabtrücke?“
Stumm blickte Elisabeth nun neben sich und sah die beiden Jungen, die wie erstarrt zu ihnen rüber blickten und dann sah sie, das Tenner gerade mit Ailean verschwand. Mit gefühlter letzter Kraft, rief sie vollkommen unerwartet Stan und Sean zu:“ Schließt die Augen“, und sie gehorchten sofort, wahrscheinlich sogar erleichtert über diesen schroffen Befehl. Dann sah sie zu dem verwirrten Soldaten und schwor ihm, mit unglaublich erzwungener Ruhe:“ Dich wird der Teufel holen und ich … ich werde die verdammte Klinge führen.“
Für eine Sekunde starrte er sie verwirrt an, bevor er wieder zu schlug, diesmal auf die andere Wange. Wieder spuckte sie Blut aus und spürte, dass es nun auch aus ihrer Nase lief. Ruckartig wandte sie sich ihm zu und spuckte ihm ihr Blut ins Gesicht. Für Elisabeth war dies wie ein Brandmal, denn wenn nicht hier und jetzt, dann bald und egal wo. Sie würde ihn und seine Schergen finden und ausmerzen für diese Qualen.
Sein Hass sprudelte regelrecht über und angewidert rieb er sich ihren Speichel aus seinem Gesicht.
„Wie du willst.“
Und schon lag er wieder schwer über ihr, umklammerte mit der einen Hand ihr Gesicht und hielt es in der Position, das sie ihn ansehen musste.
Ihr ganzer Körper versteifte sich und ihre Muskeln begannen zu brennen, doch sie konnte dagegen nichts tun. Sie wand sich erneut unter ihm, doch dies schien ihn nur zu animieren und er lachte erregt auf.
Immer wieder riss sie wie verzweifelt an ihren Fesseln. Ihre Handgelenke brannten und sie spürte auf einmal, dass sie sich leicht lösten. Hoffnung keimte in ihr auf, doch es war zu spät.
Der Schmerz, als er gewaltsam in sie eindrang, erreichte sofort ihre Sinne. Sie erstarrte und schrie so laut auf wie niemals zuvor in ihrem Leben. Diese Pein war so mächtig, unbekannt und alles verzehrend, dass sie nicht glaubte, dies überleben zu können. Es raubte ihr den Atem, nahm ihr die Realität und versetzte sie in einen Zustand der Pein, aus dem sie niemals glaubte entfliehen zu können. Sie spürte ihn in sich, grob, mächtig, ekelig und eine alles verzehrende Qual durchfuhr ihren gesamten Unterleib. Es war ein endlos wirkender Schmerz, der sich bis in ihre Lungen zog und sich von nun ab für immer unauslöschlich in ihre Seele brannte.
Er schnaufte ihr stöhnend ins Gesicht, während er sich immer schneller in ihr bewegte. Sein Speichel tropfte auf sie herab und vermischte sich klebrig mit ihren Tränen und dem Blut. Sie hatte vollkommen vergessen wie man atmete, denn dieser Schmerz und diese Scham übertünchte nun alle Reize, auch die des Überlebens.
Während der gesamten Zeit, starrte er ihr in die Augen und Elisabeth starrte willenlos zurück. Es war ihr, als würde sie nicht nur ihre Jungfräulichkeit verlieren, nein, es war ihr, als würde sie sich selbst verlieren. Als würde er ihr, mit jeder einzelnen seiner schmerzlichen Bewegungen, immer mehr von ihr nehmen. Sie wusste, dass sie niemals wieder zu ihrer Unbeschwertheit zurückkehren konnte und war es doch das letzte, was ihr geblieben war – was sie sich bis jetzt bewahren konnte.
Dann endlich, nach einer schieren Ewigkeit, sackte er mit einem tiefen Seufzer auf sie herab. Angewidert drehte sie ihr Gesicht weg und biss sich fest auf ihre Unterlippe um selbst zu spüren, dass sie noch lebte. Sie spürte wie sich etwas warmes klebriges zwischen ihren Schenkeln ausbreitete, als er sich endlich von ihr erhob. Nur schwer konnte sie ein bitterliches weinen unterdrücken und es begann von dieser unterdrückten Qual in ihrem Hals zu schmerzen. Doch ihre Tränen liefen ungehindert aus ihren Augen und vermischten sich weiter mit dem Schmutz und Blut auf ihrem Gesicht. Ihre Scham brannte und ihr Unterleib zog sich immer wieder krampfhaft zusammen, als wolle er das, was dieser Bastard hinterlassen hatte, wieder los werden. Am liebsten hätte sie sich auf die Seite gerollt, ihre Knie ganz dicht an ihren Körper gezogen und wäre auf der Stelle gestorben. Zum ersten Mal konnte sie MacMahon wirklich verstehen. Sie glaubte immer, dass sie seinen Hass nachvollziehen konnte, doch nun wusste sie, das dies nicht stimmte und nicht mal ansatzweise so war. Denn nun hasste sie vollkommen, unerbittlich und kompromisslos. Nichts konnte auch nur im geringsten ihre Gefühle beschreiben, nichts konnte ihr das wieder nehmen.
Fest umpackte er ihr Kinn, drehte es noch einmal zu sich und drückte einen harten Kuss auf ihren Mund. Seine Lippen waren rau, hart und fordernd. Ihr wurde erneut unglaublich schlecht.
„Hat es dir genauso gefallen wie mir?“
Fragte er, ohne eine Antwort zu wollen. Dann endlich trat er von ihr weg und steckte seine erschlaffte Männlichkeit zurück in seine Hose.
„Tob dich aus.“
Rief er James zu und Elisabeth erstarrte erneut. Noch einmal, oh Himmel, dachte sie … wie sollte sie das nur überleben?
Schon war James über ihr und öffnete seine Hose, während der andere sich entfernte um sich an einem Baum zu erleichtern. Verzweifelt, das Blut an ihren Handgelenken nicht beachtend, riss sie an ihren Fesseln und immer wieder blickte sie zu den beiden Jungen. Sie hatten noch immer ihre Augen geschlossen. Das war für sie die einzige Erleichterung. Sie würden nichts sehen, was sie ihr Leben lang begleiten musste. Doch Ailean … die arme kleine unschuldige Ailean. Sie musste ihr irgendwie helfen. Himmel, rief sie den Sternen stumm entgegen, hilf mir das ich ihr helfen kann.
Schnell spürte sie sein Gewicht auf ihren schmerzenden Körper. Spürte seine Knie zwischen ihren Beinen und seinen Atem an ihrem Hals. Elisabeth war starr, wie gelähmt, doch ihre Hände arbeiteten.
Das brennen, als nun auch er sich ihrer bemächtigte, war fast unerträglich, als würde etwas sie innerlich zerreisen und sie stöhnte schmerzverzerrt auf.
Endlich konnte sie eine Hand lösen und schnell glitt diese zu seinem Gürtel herab. Sofort hatte sie den Griff seiner Klinge in der Hand und noch während er sich in ihr, und auf ihr bewegte, stöhnte und irgendetwas vor sich hin murmelte, zog sie diese langsam und mit unbändiger Geduld aus deren Scheide. Er grunzte und seine Bewegungen wurden fordernder, fester und der Schmerz verstärkte sich, aber ihr Bewusstsein hatte sich abgeschaltet. Irgendwie war sie mit ihren Gefühlen und Empfindungen auf einmal ganz weit weg.
Er bemerkte nichts von ihrem Tun. Erst als sie die Klinge gewaltsam zwischen seine Rippen bohrte, hielt er erschrocken inne. Sein Atem stockte und er blickte ihr unglaubwürdig ins Gesicht. Blut lief aus seinem Mund und tropfte auf ihr Gesicht, doch das war Elisabeth egal, sie spürte es gar nicht. Nichts konnte sie von diesem Zeitpunkt an mehr schocken, ekeln oder verletzten. Alles in ihr war erstarrt.
„Wir sehn uns in der Hölle“, hauchte sie ihm entgegen, ohne einer Regung in ihrem Gesicht.
Er hustete, röchelte, riss noch einmal seine Augen auf und sackte leblos auf sie herab.
Für eine Sekunde atmete sie still durch, doch dann schob sie ihn hecktisch von sich runter und mit ihren Füßen von sich. Sie blickte zum Anführer der Männer, er stand mit dem Rücken zu ihr und pinkelte gegen einen Baum. Schnell zog sie das Schwert aus dem leblosen Körper neben sich und machte sich daran, auch noch ihre letzte Hand von der Fessel zu befreien.
„Was zum Teufel …“, hörte sie den englischen Soldaten fluchen. Aus dem Augenwinkel erkannte sie, dass er auf sie zugestürmt kam. Endlich hatte sie die Fessel durch und erhob sich mit unglaublich krampfartigen Schmerzen auf ihre Beine. Er hatte auch schon sein Schwert gezogen und wollte gerade auf sie einschlagen, als Elisabeth ihres erhob und sich dem wiedersetzte.
Überrascht sah er sie an und hielt für einen Augenblick lang inne.
„Willst du noch immer wissen wer ich bin?“
Kampfbereit stand er ihr gegenüber und nickte skeptisch ausschauend.
Elisabeth lächelte fast, als sie meinte:“ Ich bin Elisabeth von Sullvyn, die Verlobte von Dommhan, die Frau die ihr sucht.“
Sie konnte sehen, dass er unglaublich bleich wurde.
„Du lügst“, brüllte er sie an, doch Elisabeth blieb unglaublich gelassen:“ Wenn du das sagst. Aber mein Vater war Bryce, Lord von Sullvyn, er kämpfte gegen MacMahon und dieser hat mich entführt und hier zurückgelassen um euer Lager niederzumetzeln.“
Er war sprachlos, am Ende seiner Vorstellungskraft und schaute sie vollkommen verwirrt an. Das nutzte Elisabeth für sich und griff ihn an. Er konnte sich im ersten Augenblick nur schwer wehren, aber er parierte. Er wusste, dass er sie töten musste, denn wenn ihre Geschichte stimmte und sie zu seinem Herrn zurückkehren würde, dann wäre er dem Tode geweiht. So würde jeder glauben, das es MacMahon war und warum sollte Dommhans Wut auf die Schotten nicht noch mehr wachsen. Eigentlich hätte er England damit sogar einen Gefallen getan.
Elisabeth konnte sich nur schwer bewegen, denn alles tat ihr weh, aber sie gab alles was sie noch hatte. Sie spürte wie Blut ihre Beine herab lief und leider schränkte sich auch ihr Sichtfeld immer mehr ein, da ihr Gesicht weiter anschwoll.
Er hieb wie wild auf sie ein, vergab seine ganze Kraft, während Elisabeth nur versuchte dem irgendwie entgegen zu setzen. Sie hoffte drauf, dass er seine Kraft verlor und das würde sie dann nutzen. Das war ihre einzige Möglichkeit, mehr würde sie nicht schaffen.
Schneller als sie dachte, war dies dann auch soweit. Er keuchte, konnte kaum noch das schwere Schwert heben und als er mal wieder auf sie zu stürmte, trat er in eine kleine Mulde am Boden. So verlor er das Gleichgewicht und sie stach zu. Ihr Schwert durchbohrte seinen Hals und er gluckste seltsam auf. Schockiert griff er nach dem Metall, das aus ihm herausragte. Er würgte als Elisabeth es mit einem Ruck wieder aus ihm herauszog. Blut schoss im hohen Bogen aus seinem Hals und fast schon verzweifelt versuchte er es zu stoppen, in dem er beide Hände auf die Wunde drückte. Doch es lief unaufhaltsam zwischen seinen Fingern hindurch. Er röchelte und es hörte sich an, als würde er ertrinken. Seine Haut im Gesicht wurde grau und er sackte er auf seine Knie. Noch einmal blicke er zu ihr auf, bevor er dann leblos zusammensackte.
Atemlos stützte sich Elisabeth für eine Sekunde auf das Schwert und konnte ein schluchzen nur zurückhalten, indem sie sich ihre Hand auf den Mund drückte. Ihr Blick glitt zu den beiden Jungen, die ihre Augen wieder geöffnet hatten und sie fassungslos anstarrten.
Schwerfällig bückte sie sich zu dem toten Soldaten herab, zog ein kleines Messer von seinem Gürtel und warf es den Jungen zu. Dann lief sie ohne ein Wort in die Richtung, in der Tenner mit Ailean verschwunden war.
Da hörte Elisabeth auch schon das Mädchen schreien und ein ihr unbekannter Instinkt erwachte. Er machte sie wütend und unglaublich unberechenbar. Nur allein der Gedanke daran, das man Ailean verletzte, ihre Seele zerstörte, ihren kleinen Körper schändete und sie vielleicht tötete, entfachte in ihr einen Hass, den sie so noch nicht kannte. Ganz anders als den Schmerz den sie bis vor wenigen Sekunden noch empfand, ganz anders als den Hass den sie verspürte. Es war noch tiefer, noch intensiver und wenn sie nichts dagegen tun würde, dann würde dies alles sie lähmen und unfähig machen zu denken.
Sie vergaß ihren Schmerz, das ganze Blut und rannte so schnell sie nur konnte.
Hinter einer Hecke fand sie die beiden dann. Ailean lag zitternd auf dem feuchten Boden. Ihre Augen, die ihn bannten, waren vor Schreck unnatürlich geweitet. Er stand über ihr, wie ein Jäger über seiner erlegten Beute und nestelte ungeduldig an seiner Hose herum. Ihr Kleidchen war zerrissen und ihre Lippe blutete. Er hatte sie geschlagen, weil sie sich anscheinend gewehrt hatte. Elisabeth Blick klebte kurz auf der völlig verängstigten Ailean, bevor sie erneut auf seinen Rücken schaute. Er sah sie nicht und er war so sehr mit seinem Opfer beschäftigt, dass er sie auch gar nicht hörte.
So hob sie das Schwert an, schlich langsam auf ihn zu und stach ihm von hinten in den Rücken und das so fest, dass die Klinge unterhalb seines Sternums wieder austrat. Er erstarrte, blickte herab auf die Klinge die aus ihm heraus ragte und fiel jammernd in sich zusammen. Zuerst fiel er auf seine Knie und schwankte. Ailean starrte fast schon schockiert auf die Klinge, von der Blut tropfte und kroch panisch etwas von ihm fort. Er schaute das Mädchen noch einmal an, stumm bewegten sich seine Lippen und sackte dann nach vorne über.
Elisabeth ließ den Griff des Schwertes einfach los und Ailean robbte sich noch etwas weiter von ihm fort.
Atemlos und irgendwie Abwesend, stand Elisabeth da und schaute auf den Toten vor sich. Sie sah zu, wie das Blut sich auf seinem Rücken ausbreitete und wie dann seine Atmung stockte, während seine Augen ins leere starrten.
Elisabeth sah Ailean nicht, die sie ungläubig anstarrte. Jetzt kam der Schmerz zurück. Er kroch wie ein Parasit in ihren Kopf zurück und ermächtigte sich ihres ganzen Körpers. Ein seltsames Zittern befiel ihre Muskeln und obwohl sie schwitzte, schien sie zu frieren. Das gesamte Blut ihres Körpers sackte auf einmal in ihre Füße, ihre Ohren begannen zu summen, ihr Blickfeld wurde kleiner und kleiner und kleiner … und dann war alles um sie herum schwarz und still.
Ailean raffte sich auf ihre Füße und stürmte zu ihr. Weinen sackte sie neben sie auf ihre Knie und versuchte sie wecken, doch Elisabeth rührte sich einfach nicht.

„Ailean, Sean … verdammt, Stan - wo seid ihr“, schrie MacAvoy durch die Dunkelheit, als sie zwei tote Soldaten fanden, aber von den Kindern und Elisabeth jede Spur fehlte. Verzweifelt blickte er sich um und fasste sich an seinen Kopf, während er fast schon panisch weiter rief:“ Wo seid ihr?“
MacMahon legte eine Hand auf dessen Schulter und versuchte ihn somit zu beruhigen, doch er wurde eher wütend, riss sich los und fuhr ihn an:“ Wir hätten sie nicht hier lassen dürfen, nicht mit diesem Weib. Sie haben sie gefunden und wer weiß was sie mit den Kindern angestellt.“
Er konnte sich dessen nicht wehren, weil er leider befürchtete, dass er recht hatte und er sich in ihr getäuscht hatte. Hatte er sich tatsächlich so von ihr blenden lassen? Hatte sie sich in Sicherheit gebracht und die Kinder verraten? Aber warum lagen dann da zwei tote englische Soldaten? Das passte alles nicht zusammen.
Brow und die anderen hielten ihre Fackeln und ihre Schwerter hoch und versuchten den dunklen Wald zu erhellen. Auf einmal sah er einen Schatten, hielt inne und erkannte die kleine Ailean. Weinend, schmutzig und mit zerrissenen Kleid stand sie zwischen einer Baumreihe und brachte keinen Ton über ihre bebenden Lippen.
„MacAvoy“, rief er befreit aus und dieser wandte sich ihm ruckartig zu und folgte der Deutung seines Kopfes.
„Ailean“, es war ein erleichterndes Aufstöhnen als er sie sah, doch direkt erkannte er auch ihren verzweifelten Ausdruck im Gesicht und ihren Zustand. Sofort stürmte er zu ihr, gefolgt von MacMahon und den anderen Männern. Fest nahm er sie in seine Arme, drückte sie fest an sich, doch sie rührte sich einfach nicht. Starr wie ein Brett stand sie da und blickte apathisch ins Leere.
„Ailean … liebes“, begann er mit sanfter Stimme, während er eine verklebte Strähne aus ihrem Gesicht strich:“ Wo sind deine Brüder?“
Ganz sachte versuchte er Informationen von ihr zu bekommen, doch sie schwieg, drehte sich jedoch um und zeigte auf eine Hecke, die etwas entfernt von ihnen von dunklen Schatten umhüllt lag. Dort standen die beiden, stumm, im Schatten und hielten sich an den Händen. Mit einem Schwung nahm er seine Nichte auf den Arm. Sie wirkte auf ihn wie eine leblose Puppe, und lief zu den Jungen. Erleichtert legte er eine Hand auf Stans ausgekühlte Wange.
„Was ist hier passiert?“
Fragte er ihn und dieser erklärte ihm leise, kaum hörbar für die anderen:“ Sie haben uns gefunden …“, er holte tief Luft und sein Atem bebte verdächtig:“ Sie haben sie geschlagen, Onkel“, alarmiert blickte er auf MacMahon, der Stan reglos anstarrte:“ Sie haben uns gefesselt und bestimmt wollten sie uns so weh tun wie unseren Freunden. Doch die Lady hat ihnen mehr weh getan … aber“, er stockte und sein Blick glitt zu Boden und in diesem Moment fing auch Ailean wieder an zu weinen. Es war ein bitterliches Weinen, was irgendwie vollkommen unvermittelt kam und was zuerst keiner verstand.
„Was, Stan? Was ist noch passiert? Sprich weiter!“
MacAvoy ging in die Knie, aber ohne seine Nichte los zu lassen und versuchte ihm in die Augen zu blicken um ihn aufzumuntern, ihm Mut zu schenken. Erschrocken sah er, dass sich eine Träne aus seinem Auge löste und verstohlen über seine schmutzige Wange lief. Er hatte seinen kleinen tapferen Neffen noch nie weinen gesehen, noch nicht einmal, als er von seinem Vater einmal seinen Hintern versohlt bekam, weil er dachte, er müsse die Schafe aus der Knechtschaft der Menschheit befreien. Stolz erklärte er nur damals, mit erhobenen Haupt und fester Stimme:“ Frei sind sie doch glücklicher, wie wir alle auch!“
Was seine Mutter beinahe vor Rührung zum Weinen brachte.
„Stan?“
Der Junge schluckte schwer und holte noch einmal tief Luft, bevor er weiter erzählte:“ Ich denke sie ist tot, Onkel, da ist soviel Blut und sie wacht einfach nicht mehr auf … Ich habe wirklich alles versucht, aber sie will nicht aufwachen.“
MacMahon erstarrte und eine unbeschreibliche Übelkeit überfiel ihn plötzlich. Panik durchflutete seinen ganzen Körper und er begann am ganzen Leib zu zittern. Ohne den Jungen zu fragen wo sie war, riss er Brow die Fackel aus der Hand und rannte an Stan vorbei.
Schnell fand er sie, sie lag noch immer unbeweglich hinter der Hecke und auf den ersten Blick schien sie wirklich tot zu sein. Sie war so fürchterlich bleich und grauenvoll zugerichtet.
Ein weiterer Leichnam lag in ihrer Nähe. Noch ein Soldat und das Schwert steckte noch in seinem leblosen Körper, doch er beachtete ihn kaum, in seinem Kopf war gerade nur Platz für sie.
Kraftlos sank er neben ihr auf die Knie und da sah er plötzlich, dass sie noch atmete. Flach, kaum sichtbar, aber sie lebte. Himmel, schrie er in seinen Gedanken, ich danke dir.
Erleichtert holte er tief Luft und sprach sie leise an. Dabei strich er unglaublich zärtlich über ihre schmutzige Stirn.
„Elisabeth … Elisabeth, bitte wach auf. Es ist alles gut, bitte … bitte wach auf.“
Doch sie rührte sich nicht und so begann er sie oberflächlich zu untersuchen. Ihr Gesicht war geschwollen und überall klebte Blut … Was hatte man ihr angetan, dass sie nun nicht mehr erwachte?
Die Schläge in ihr Gesicht waren mit Sicherheit schmerzvoll gewesen, doch unter ihrem Haar war ihr Kopf nicht verletzt. Dort war kein Blut. Auch die Knochen in ihrem Gesicht schienen noch in Ordnung zu sein. Das konnte also nicht der Grund für ihre Bewusstlosigkeit sein.
„Sieh ihr unter den Rock.“
Erschrocken blickte er neben sich und erkannte Brow. Er wollte schon aufspringen und ihn für seine unmögliche Aufforderung niederschlagen, doch da hob Brow schützend seine Hände und erklärte ihm:“ Ich habe mir die Toten dort hinten mal etwas genauer angesehen und einem von ihnen hing noch sein Ding aus der Hose.“
Entsetzt blickte MacMahon zurück auf Elisabeth und fasste nach dem Saum ihres Kleides. Er zögerte, doch dann hob er den schmutzigen Stoff etwas an und erkannte was sein Krieger gemeint hatte. Er sah das Blut, den Samen und wusste, dass sie geschändet worden war. Fast schon zärtlich legte er den Saum wieder ab und seufzte unglaublich schwer, während er sich durch sein Haar fuhr.
„Hier in der Nähe gibt es eine heilkundige Frau, sie kann ihr vielleicht helfen.“
Gab Brow wiederwillig zu verstehen, denn eigentlich mochte er sie noch immer nicht. Er konnte ihr einfach nicht trauen. So sehr es auch die anderen anscheinend taten, er würde ihr nie trauen – denn sie war und blieb eine Engländerin. Seine Lebenserfahrungen lehrten ihn über die Jahre nun mal andere Dinge, ihn konnte man nicht mehr so leicht täuschen.
„Eine Kräuterhexe?“
Fragte MacMahon mürrisch, ohne den Blick von ihr zu nehmen und Brow meinte achselzuckend, denn es war ihm wirklich egal was mit ihr passierte:“ Besser als nichts. Es geht ihr ganz und gar nicht gut, falls es dir entgangen ist. Entweder diese Hexe oder wir haben bald ein englisches Problem weniger, mir ist es gleich.“
Der wütende Blick seines Lairds schien ihn nicht zu stören, er starrte einfach zurück. Doch nach einer Sekunde nickte MacMahon und hob Elisabeth ganz sachte vom Boden auf. Vorsichtig lief er mit ihr zurück zu den anderen und alle starrten auf ihre blutgetränkte Kleidung.
„Ist sie tot?“
Fragte Ailean weinend und MacMahon überzeugte sie, indem er ruhig sagte:“ Nein, sie ist nur sehr müde und schläft sich etwas aus.“
Damit gab sie sich zufrieden und nickte völlig erschöpft.
MacAvoy lies Ailean nun wieder herab auf ihre Füße und trat mit großen Schritten zu ihm.
„Was ist mit ihr passiert?“
MacMahon blickte ihr noch immer ins Gesicht. Sie sah so anders aus, so entstellt, aber für ihn noch immer wunderschön.
MacAvoy klang ungewohnt besorgt, was sie anbetraf. Nun, sie hatte den Rest seiner Familie beschützt, vielleicht erlangte auch er gerade etwas Respekt ihr gegenüber.
„Was tun englische Soldaten besonders gerne?“
Stellte er eine wütende Gegenfrage und trug sie zu seinem Pferd. MacAvoy verstand sofort und nickte stumm zur Bekräftigung, während er ihm zu seinem Pferd folgte. Ohne ein Wort der Verständigung nahm MacAvoy sie für einen Augenblick auf seine Arme und blickte ihr währenddessen starr ins Gesicht. MacMahon stieg auf seinen Hengst und nahm Elisabeth wieder entgegen. Ganz sachte bettete er sie vor sich in den Sattel und deckte sie mit seinem Umhang zu. Er spürte ihren Atem auf seiner Haut und das beruhigte ihn.
„Brow“, rief er und dieser kam direkt zu ihm:“ Zeig uns den Weg.“
Er nickte und stieg etwas schwerfällig auf seinen Wallach.
„Hey, MacMahon …“, es war der Junge Ian der ihn rief und als er sich umdrehte sah er, das er drei Pferde an den Zügeln mit sich führte.
„Hat sie wirklich drei englische Bastarde kalt gemacht?“
Wieder glitt sein Blick auf ihr Gesicht und MacAvoy meinte geschockt und gleichermaßen beeindruckt:“ Ja, drei gegen eine Frau und sie hat gewonnen.“
Ian sah den Stolz auf dem Gesicht seines alten Freundes, während dieser Elisabeth betrachtete, die noch immer bewusstlos in seinen Armen lag. Dann setzte er sein Pferd in Bewegung.
Die Pferde nahm man mit und die toten Soldaten überließ man einfach den Tieren, die sollten sich um diesen Abschaum kümmern.
Es wurde ein stiller Ritt. Keiner sagte etwas, keiner wagte es ihren Laird anzusprechen und doch wollte jeder wissen, was dort geschehen war. Aber die Kinder schwiegen. Sie hatten sich in eine kleine Welt abgekapselt die niemanden an sie heran ließ, in der sie beschützt waren. Erst das mit ihren Eltern, ihrem Zuhause und dann diese Erfahrung, wo keiner wusste wie traumatisch diese waren.
Es dämmerte bereits in den Morgen hinein, als sie eine kleine Hütte erreichten. Sie lag versteckt zwischen dicht bewachsenen Bäumen und sie war über und über mit Moos und Ästen bedeckt. Es war so, als würde sie mit dem Wald verschmelzen. Das einzige was sie verriet, war der Kamin, aus dem etwas grauer Rauch quoll. Vor der Hütte hingen getrocknete Kräuter an einer stramm gespannten Schnur.
In sicherer Entfernung hielten sie an und MacMahon fragte Brow skeptisch:“ Woher kennst du dieses Weib?“
Dieser zögerte etwas und meinte dann, seltsam beschämt herum drucksend:“ Sie und ich … naja … wie soll ich es sagen …“, er spürte nun alle Augen neugierig auf sich gerichtet und das machte ihn noch mehr nervös:“ Wir …“, er holte tief Luft und spuckte es dann so hastig aus, das man kaum Zeit hatte dem zu folgen:“ Sie ist die Schwester meiner Mutter.“
„Du bist mit einer Hexe verwandt?“
Rief einer der Männer aus und Brow brüllte wütend, tief in seiner Ehre verletzt, zurück:“ Und du mit einem Schaf.“
MacMahon ging darauf nicht weiter ein, er sagte nur:“ Dann los.“
„Nein warte“, hielt ihn Brow etwas hektisch wirkend zurück:“ Lass mich lieber erst einmal alleine hingehen. Sie hasst Besuch von Fremden.“
Ian, der neben ihm auf seinem Pferd saß verdrehte die Augen, doch sein Laird nickte und Brow ritt zu der Hütte. Er stieg von seinem Pferd, trat an die Tür heran, blickte noch einmal über seine Schulter und klopfte dann endlich an.
Es dauerte eine Weile bis die Tür endlich aufging und eine fürchterlich alte Frau, mit grauen und wild abstehenden Haaren, vor ihm erschien. Sie sahen wie sie ihn skeptisch ansah, so als wüsste sie nicht wer er war, während er mit ihr sprach. Ihre Stirn lag in tiefe Falten und ihr Rücken war etwas gebeugt und zeugte von harter Arbeit in ihrem wohl schon sehr langen und entbehrungsreichen Leben. Sie stützte sich schwerfällig auf einen Stock und blickte auf einmal an Brow vorbei. Jeder konnte sehen, dass sie daraufhin energisch ihren Kopf schüttelte, doch Brow schien das nicht einfach so hin zu nehmen. Er beugte sich etwas zu der Alten herab und es war den anderen so, als würde er ihr drohen, denn sie blickte entsetzt zu ihm auf. Doch sie nickte dann auf einmal mit wütendem Gesicht, sagte etwas mit lehrhaft erhobenem Zeigefinger und verschwand wieder im Haus.
Brow kam nach kurzem zögern wieder zurück, kratzte sich an seinem Kopf und meinte trocken:“ In Ordnung, ich bin zwar jetzt auf Lebzeiten verflucht, aber sie darf hinein, sie hilft ihr.“
MacMahon übergab Brow Elisabeth und wollte gerade von seinem Pferd absteigen, als dieser jedoch sagte:“ Nein … nur sie, du musst draußen bleiben. Das war ihre Bedingung … sie … sie hasst Krieger. Sie sagt immer, sie kann das Blut derer riechen, die sie getötet haben.“
Mitten in seiner Bewegung hielt sein Laird inne und sah ihn skeptisch an. Sollte er sie ihm, und dieser seltsamen Hexe wirklich anvertrauen? War er nicht noch immer gedemütigt von ihrer versuchten Flucht? Aber was hatte er denn für eine Wahl?
Keine! sie brauchte Hilfe!
Und so nickte er, zögerlich, aber er nickte und sah zu, wie Brow mit ihr in der Hütte verschwand. Aber er kam nach einer Minute auch wieder heraus und während er zu ihnen lief, hob er seine Schultern und sagte:“ Sie kann mich nicht riechen.“
„Ob das wirklich nur am Blut liegt, Mann.“
Rief einer der anderen aus und alle lachten verhalten, bis auf MacMahon, der rief nur:“ Los, wir schlagen hier unser Lager auf und warten. Ruht euch aus.“
Und alle verstummten wieder, während sie sich direkt an die Arbeit machten.
 
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Ich schließe mich Petra an. Kapitel acht ist wahnsinnig spannend und sehr dramatisch geschrieben. Arme Elisabeth,(und arme Kinder) aber sie ist eine starke Frau und wird es wohl schaffen, wieder in die Normalität zurück zu finden. Aber ich vermute mal, dass sie enorm an "Wert" für alle Leute durch dieses Geschehen - vor allem wegen der mittelalterlichen Denkweise - verloren haben wird. Du hast alles sehr plastisch und hautnah beschrieben und ich gespannt wie es weitergehen wird.

Jochen (30.01.2011)

Während der Anfang dieses Teils noch ziemlich gemütlich dahin floss, war, war es das nächste Stück keinesfalls. Hochdramatisch ist es und es geschehen Dinge mit denen der Leser wirklich nicht rechnet. Ein dickes grün von mir und ich freue mich schon auf das nächste Kapitel.

Petra (29.01.2011)

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