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17 Seiten

Vergeltung Kapitel 5a (Historisch)

Romane/Serien · Romantisches
© Lilly
Grauenvoll schmerzlich zog sich ihr Herz zusammen und sie konnte einfach nicht mehr atmen. Elisabeth konnte sich nicht bewegen, nicht weg sehen, geschweige denn klar denken. Sie wurde ungeheuerlich bleich und eine unbeschreibliche Übelkeit überrollte ihren schmerzenden Magen. Sofort schossen ihr brennende Tränen in die Augen, denn es war ihr, als würde sie auf den Schlund der Hölle herab blicken.
Kraftlos, ihre Beine gaben einfach nach, sank sie auf ihre Knie. Zitternd legte sich eine Hand auf ihren Mund, denn sie brach in bitterliches Schluchzen aus.
Auf der anderen Seite des Hügels sah sie etwas, das sie an allem Weltlichen, geschweige denn Göttlichen zweifeln lies. Sie betrachtete etwas, das ihr das Herz kummervoll brach und ihr die Augen für die Wirklichkeit öffnete. Es zeigte ihr die bittere Grausamkeit der Menschen!
„Oh mein Gott …“, brachte Elisabeth nur würgend hervor.
An des Hügels Hang, auf der anderen Seite, standen fünf Bäume. An deren, in Farbenbracht blühenden Ästen, hatte man unzählige Kinder stranguliert. Selbst Säuglinge, deren Leben noch weit von allen Schuldbekenntnissen entfernt waren, hingen dort. Ihre leblosen Körper wogen im aufkommenden Abendwind hin und her und es wirkte so unecht, so surreal, dass es nur ein Bild des Teufels sein konnte.
Das Schöne des Frühlings, der Beginn von neuem Leben, verbunden mit dem schrecklichen und aufgezwungenem Tod.
Dahinter stand ein ganzes Dorf in Flammen und eine kleine Festung schien dem Erdboden gleich gemacht worden zu sein. Feine Asche regnete vom Himmel und die Luft war schwer von all dem Rauch. Der Wind trug es zu ihnen hinauf und Elisabeth musste schwerfällig husten, als der Ruß sich auf ihre Lungen legte.
„Ich war bei den Kinnon“, hörte sie auf einmal eine monotone Stimme neben sich und blickte auf. Er klang vollkommen abwesend:“ Ich war nicht da um sie zu schützen.“
„Jonas“, MacMahon legte besorgt einen Arm um seine herabhängenden Schultern:“ Seit wann bist du zurück? Gibt es noch andere überlebende … MacAvoy?“
Doch er antwortete nicht, er löste sich bestimmend von seinem Arm und bewegte sich stattdessen einfach den Hügel hinab. MacMahon folgte ihm und ließ sie einfach zurück. Bestürzt blickte sie hinter sich und sah, dass nun auch die anderen von ihren Pferden abgestiegen waren und auf sie zu kamen. Mit wackeligen Knien erhob sie sich und verharrte einen kurzen Moment und füllte noch einmal mit zitterndem Atem ihre Lunge. Der verrußte Wind verwehte ihr Kleid und legte sich auf ihre Haut. Leicht abwesend wirkend, blickte sie auf ihren linken Arm und strich über die dünne Schicht des schwarzen Staubes, bevor auch sie nach unten ging, in den Abgrund des menschlichen Hasses.
Zögerlich, mit unglaublich schweren Füßen, ging sie auf die Baumgruppe zu und blieb vor ihnen stehen. Fliegen saßen schon auf ihrer von der Sonne vergorenen Haut und wieder überkam sie diese erdrückende Trauer, die nur von einer überwältigenden Übelkeit übertroffen wurde. Sie verstand es nicht warum die Kinder, warum nur? Welch ein Sadist war hier am Werk?
Ein säuerlicher Verwesungsgeruch flog ihr zu, doch sie konnte und durfte sich daran nicht stören. Es war ihr Herkunftsland, ihre Geburtsstätte, die dies angerichtet hatte, sie hatte nicht das Recht dazu, sich vor Ekel abzuwenden, nicht sie!
Sie wusste nicht, wie lange sie so da stand, Minuten oder Stunden, sie hatte vollkommen das Zeitgefühl verloren. Erst als eine Stimme im harten Ton zu ihr sagte:“ Wir haben die Gräber ausgehoben“, blickte sie neben sich. Es war MacMahon und einige seiner Männer, die nun die Kinder abnehmen wollten, um sie zu beerdigen. Elisabeth erkannte sofort, dass einigen schlecht wurde und sie nur schwer einen Brechreiz unterdrücken konnten. Einer drehte sich sogar ab und würgte laut. Doch noch mehr sah sie die Trauer in allen Augen und dann diese Wut …
„Lasst mich bitte helfen.“,bat sie liebevoll klingend und er legte seine Stirn kraus, nickte aber. Er stieg auf eine bereitgestellte Leiter und das erste Kind, was er abschnitt, war noch sehr jung, vielleicht zwei Jahre alt, ein Mädchen mit engelsgleichen Locken. Es glitt sachte in Elisabeth Arme und sie drückte es fest an sich. Verwundert beobachtete er, dass sie sich nicht an dem Geruch störte und dass sie um dieses Kind wahrhaftig weinte. Zärtlich strich sie ihm eine Locke aus dem leblosen Gesicht und meinte flüsternd, leise schluchzend:“ Wir wissen noch nicht einmal ihre Namen …“, Sie blickte zu ihm auf.“ Ich verstehe Euer tun MacMahon … ich verstehe es!“
Zärtlich wiegte sie dieses tote Mädchen in ihren Armen und eine überaus kühle Männerstimme sagte auf einmal hinter ihr:“ Ihr Name war Susan King, sie war die jüngste Tochter von meinem Waffenschmied.“
Elisabeth erstarrte und blickte hinter sich, da stand MacAvoy, und starrte auf die Bäume.
„Francis, Kyle und Ally dort, waren ihre Geschwister …“, Blitzartig und mit festem Griff drehte er sie zu sich und schrie sie auf einmal so ohrenbetäubend an, während er sie unkontrolliert schüttelte, dass sie glaubte sterben zu müssen:“ Kinder, Sasunnach, Kinder deren Eltern elendig verbrannt sind. Ermordet von dem englischen Pack, dessen Blut Ihr angehört.“
Nachdem er sie endlich aufgehört hatte zu schütteln, beugte er sich immer tiefer zu ihr herab und sein Blick, seine dunklen Augen, wirkten unglaublich irre. Ängstlich wich Elisabeth etwas von ihm fort, als er sie los ließ, das Kind noch immer fest in ihren Armen haltend.
„Gebt mir einen guten Grund, warum ich Euch nicht hier und jetzt abschlachten sollte, warum ich Euch nicht dazu hängen sollte?“
„Das kann ich nicht“, flüsterte sie ihm weinend zu, denn das konnte sie wirklich nicht. Wie sollte sie leben dürfen, während diese Kinder unschuldig sterben mussten? Wahrscheinlich würde Gott selbst dafür noch nicht einmal einen Grund finden.
Zu ihrer sichtlichen Überraschung stellte sich ihm MacMahon plötzlich in den Weg und hielt ihn auf.
„Beruhige dich Mann, sie hat es nicht getan. Hilf mir lieber.“
Er legte eine Hand freundschaftlich auf seine Schulter und drückte diese etwas. Benommen rieb sich MacAvoy durch sein erkaltetes Gesicht, sah sie noch einmal verächtlich an, bevor er sich umdrehte und sich von ihr entfernte. Atemlos stand sie da, ihrer ersten Ohnmacht
unwahrscheinlich nahe und konnte sich kaum beruhigen.
„Hier lebt noch einer.“,rief auf einmal ein Krieger und alle blickten in seine Richtung. Er stand neben einer Grube für Dung und zeigte hinein. Sofort eilten MacMahons Krieger hin und sprangen hinein.
„Bringt das Kind weg und haltet Euch dann lieber im Hintergrund“, murrte MacMahon sie mit erzwungener Ruhe an und Elisabeth nickte stumm. Sie zitterte am ganzen Leib, wandte sich ab und brachte Susan King zu ihrem Grab, während er zu dem wohl einzigen Überlebenden dieses Massakers ging.

Fünf Stunden waren sie damit beschäftigt all diejenigen zu Begraben die sie fanden. Frauen und Männer die nicht den alles verzehrenden Flammen zum Opfer gefallen waren.
Elisabeth saß etwas entfernt am Rande des Geschehens auf einem Baumstamm und betrachtete dies mit müdem Blick. Sie wirkte verloren und einsam in dieser ihr unbekannten Welt. Was wusste sie schon vom Krieg? Nur die Geschichten die man ihr erzählte und die waren, so wie sie es jetzt verstand, geschönt. Sie wusste nichts vom wahren Leben und dabei glaubte sie immer auf alles vorbereitet zu sein. Gott war sie dumm und ein einfältiges Frauenzimmer gewesen, dachte sie. Der Krieg war immer weit weg und nun befand sie sich mittendrin, mittellos, einsam und dem Tode so nahe wie ein Regenwurm auf ausgetrockneter Erde. Wenn sie dies überstehen würde, was sie nicht glaubte, würde niemals jemand ihrer Bekannten sie verstehen. Keiner aus ihrem Stand könnte sich auch nur im entferntesten vorstellen wie es sich anfühlt. Keiner würde ihr wahren Trost spenden können – keiner!
Man beachtete Elisabeth überhaupt nicht mehr. Sie hätte fliehen können, einfach gehen und keinem wäre es aufgefallen. Doch sie wollte sich ihrem Schicksal stellen und jetzt mehr denn je. Sie konnte sich nie vorstellen, dass es wirklich Menschen gab, die sich den Tod wünschten. Die das Schöne der Welt nicht ertrugen und nur schwarz in ihrem Dasein erkennen konnten. Doch jetzt war sie der Wahrheit näher als jemals gedacht. Sie fing an zu verstehen.
Der Überlebende, den sie gefunden hatten, ein jungen Krieger, erlag kurz darauf seinen schlimmen Verletzungen. Fast sein ganzer Körper war verbrannt und dass er überhaupt noch am Leben war, reden konnte, glich einem Wunder. So konnte er ihnen noch hilfreiche, wenn auch wenige Informationen geben. Es waren wichtige Aufschlüsse über die Angreifer, bevor er ein letztes Mal kurz aufstöhnte und dann leblos in sich zusammensackte.
Die Erlösung kam und gewann über die Schmerzen hinweg.
Es war schon dunkel als sie endlich ein Feuer machten und sich um dieses postierten. Sie waren alle vollkommen erschöpft und verschmutzt und all die schrecklichen Bilder nagten an ihrem eh schon wankenden Verstand.
Elisabeth blieb wo sie war, zitternd und alleine, denn mit der Dunkelheit kam auf einmal auch eine seltsame Kälte. Sie wollte jetzt nicht die Nähe des Feuers suchen, sie wollte einfach nur spüren, dass sie noch am Leben war, sie wollte alles an sich fühlen. Immer wieder glitt ihr Blick zu den unzähligen Gräbern, zu dem, was alle darauf hinweisen würde, welche Grausamkeiten hier geschehen waren.
Auch sie würde sich immer daran erinnern, immer und ewig, in jeder Sekunde ihres nun bedeutungslosen Lebens.

Still saßen sie eine Weile um das leise knisternde Feuer herum und keiner sagte etwas, keiner traute sich auch nur diese andächtige Stille zu unterbrechen. Ihre Gedanken waren sehr eindimensional und blieben immer wieder an den Geschehnissen hängen, die sie gerade begraben hatten.
„Wir könnten unseren englischen Gast einmal fragen, was sie über diesen Krieger weiß. Vielleicht kennt sie ihn ja.“
Alle blickten Broch etwas verständnislos an und er meinte achselzuckend:“ Ich meine, der Junge erzählte doch davon, dass dieser Ritter davon sprach, dass er etwas zurückhaben möchte und vielleicht weiß sie wovon er spricht. Frauen hören doch immer mehr, als sie uns weiß machen wollen – die haben ihre Augen und Ohren überall.“
Broch genehmigte sich einen großen Schluck aus einem Krug Wein, den sie noch unversehrt gefunden hatten und rieb sich nach seinen gesprochenen Worten den Mund mit seinem schmutzigen Ärmel trocken.
„Das wäre der Zufälle zu viel“, meinte MacMahon nicht gerade zuversichtlich und blickte kurz über seine Schulter und sah sie, mit angezogenen Knien und fast schon schlafend dasitzend. Sie wirkte in der leichten Dunkelheit wie ein heller Funke. Ihr Haar hatte sich nach und nach aus dem Zopf gelöst und hing wirr herab.
Dort ist sie zumindest sicher vor MacAvoy, dachte er, denn seine Wut schien sich zurzeit voll und ganz auf sie zu konzentrieren.
„Frag sie!“
Forderte MacAvoy ihn auf und riss ihn somit aus seinen Gedanken. Er blickte seinen alten Freund zögerlich an, denn dieser wollte mit ihr nichts zu tun haben, außer ihren Tod vielleicht, um seinen überquellenden Hass zu stillen. MacMahon erkannte auf einmal die Parallelen zwischen ihm und ihn. Jetzt tat sie ihm schon fast ein wenig leid, denn nun lag die unbändige Wut zweier Männer auf ihr und der eine wusste noch nicht einmal wie er diesen stillen konnte. Wie sollte er da denn zweiten gewähren lassen?
Doch wenn es der Rache förderlich sein könnte, würde selbst MacAvoy sich mit dem Feind verbinden, doch nur so lange, wie es nötig und für ihn erträglich war.
„Bist du dir sicher, dass ich sie herholen soll?“
Wollte MacMahon sicherheitshalber noch einmal wissen und als dieser überzeugt wirkend nickte, stand er auf und ging zu ihr hinüber.
„Elisabeth“, sagte er und sie schreckte aus einem Fast-Schlaf hoch,“ Kommt zu uns ans Feuer, wir müssen Euch einige Fragen stellen.“
Unschlüssig blieb sie sitzen, sie wollte nicht dorthin und diese verabscheuenden Blicke auf sich spüren. Sie war gerade nicht in der Lage dies zu verkraften und mit all ihrer Würde drüber zu stehen.
MacMahon wurde jedoch deutlicher:“ Na los, bewegt Euch endlich.“
Langsam erhob sie sich, richtete ihre Röcke etwas unbeholfen und ging voraus, während er ihr wieder viel zu dicht auflief. Mit einer Hand auf ihrer Schulter, die sie sichtlich irritierte, lenkte er sie auf seinen Platz und drückte sie fordernd hinab. Nur wiederwillig sackte sie nieder und blickte starr auf ihre ineinander gefalteten Hände, während er sich erstaunlich dicht neben sie setzte. Sein Arm berührte den ihren und sie spürte seine Wärme durch den dünnen Stoff seines staubigen Hemdes hindurch. Selbst die Flammen des Feuers kamen dem irgendwie überhaupt nicht Nahe. Elisabeths Körper reagierte auf einmal seltsam auf ihn und wurde von einem angenehmen Schauer überzogen. Ihre Wangen röteten sich vor ungesehener Verlegenheit und sie versuchte ihren Herzschlag wieder etwas zu beruhigen, der sich gerade zu überschlagen drohte.
„Wir hätten da einige Fragen an Euch, Weib, wir wollen wissen was Ihr hierrüber wisst?“
Es war MacAvoy der diese schwer ausgesprochenen Worte hervor würgte und Elisabeth blickte schlagartig auf, direkt in sein Gesicht. Eine kühne Reaktion mit der er nicht von einer eingeschüchterten Engländerin gerechnet hatte.
Ihre kühnen Augen durchdrangen kühl die seinen und rieten ihm im Stillen, zu tun, was er tun musste oder sie in Frieden zu lassen. Verwundert über ihre Furchtlosigkeit zog er eine Augenbraue in die Höhe und fand für einen Moment seine Worte nicht. Doch dafür Elisabeth sehr schnell die ihren.
„Was kann ich schon wissen, was Euch behilflich sein könnte?“
Ihre Stimme war nicht dünn und schüchtern, sie sprach deutlich und klang sogar etwas verärgert. Und das war sie wirklich. Wie konnten sie auch nur annehmen, dass sie mit solchen Grausamkeiten etwas zu tun haben könnte.
„Vielleicht mehr als Ihr glaubt.“
MacMahon beugte sich etwas näher an sie heran, als er das mit ruhiger Stimme sagte.Und sein warmer Atem löste auf ihrer kalten Haut wieder diesen unbekannten Schauer aus. Elisabeth sah ihn nicht an, denn sie wusste wie nah er ihr war. Ihre Hände verkrampften sich regelrecht in einander und begannen langsam zu schmerzen.
„Vielleicht kennt Ihr zufällig den englischen Ritter, der das hier …“, er zeigte einmal umher, um ihr noch einmal das Ausmaß der Verwüstung bewusst zu machen.“...angerichtet hat.“
„Das glaube ich kaum, Ich kenne nicht viele Ritter und schon gar keine Monster.“, murrte sie MacMahon zu, ohne ihn anzusehen. Was wollten sie nur? Woher sollte sie denjenigen kennen, der so etwas Abscheuliches tat. Sie kannte keine Monster, das hatte sie ihm aber schon gesagt. Wollte er ihr nicht glauben oder konnte er das wegen seines Hasses einfach nicht.
„So, wirklich? Aber vielleicht sagt Euch der Name Dommhan ja doch etwas?“
Jeder erkannte wie sie, auf Brochs Frage hin, erstarrte und ihre Hand blitzartig zu ihrem Mund raste, um einen grellen Aufschrei der Verzweiflung daran zu hindern, dass dieser aus ihr hervorbrechen konnte. Das durfte nicht sein, das war schier unmöglich! Verzweiflung umfing ihre Sinne und nebelte alles ein.
„Ihr kennt ihn also doch!“,stellte MacAvoy verletzt klingend fest und sie sahen alle, dass sie, gequält aussehend, nickte. Tränen liefen über ihre, von den Flammen des Feuers geröteten, Wangen und sie schloss ihre brennenden Augen. Das konnte nicht wahr sein, Himmel, das konnte einfach alles nicht wahr sein!
„Aber …“, ihre Stimme klang erbärmlich und sie kämpfte kraftlos gegen das Weinen an: „Aber er ist doch nur ein unbedeutender Krieger – ein Lord, kein … kein Ritter, das wüsste ich, wirklich.“
„Warum seid Ihr Euch denn da so sicher, vielleicht wurde er ja zum Ritter geschlagen? Einer stirbt, der andere steigt auf.“,fauchte MacMahon Elisabeth an und sie zuckte erschrocken und total verängstig zusammen. Ihre Nerven waren dünn wie Papier und die begannen ganz langsam zu reißen.
„Oh Gott im Himmel …“, Elisabeth zögerte einen Augenblick, das Schluchzen nur schwer unter Kontrolle habend:“ Er … weil er … wir sind verlobt.“
Eine Stille des Entsetzens brach über sie ein, nur das Feuer und ihr verzweifeltes Schluchzen durchbrach diese Barriere. Alle sahen sich gegenseitig an und verstanden nicht.
„Warum tut er das … WARUM?“
MacMahon durchbrach diese als erster und rüttelte sie unsanft an ihren Schultern. Blut schoss schwallartig hinter ihre Augen und pumpte sich durch ihren Kreislauf. Elisabeth wurde nach und nach wieder etwas lebendiger. Sie riss sich kraftvoll los und rieb sich ihre schmerzenden Arme.
„Vielleicht weil Ihr mein Zuhause zerstört habt und unzählige Unschuldige sterben mussten. Vielleicht aber auch, weil Ihr mich entführt habt, vielleicht wirklich deswegen …“, schrie sie nun außer sich zurück, langsam ihre zur Zeit erschreckende Realität wieder findend:“ Und Ihr so arrogant davon überzeugt ward, dass man mich suchen würde. Und jetzt tötet er alles was ihm begegnet! Seid Ihr nun Zufrieden, habt Ihr Euch das so vorgestellt?“
Fest umfing er wieder ihren Arm, zog sie ganz dicht an sich heran und raunte ihr mit verkrampften Kiefern zu:“ Aber wir haben keine Frauen und Kinder ermordet, wir ließen sie alle gehen – nennt mich ruhig schwächlich, aber ich bin kein Meuchelmörder.“
Er hatte recht, denn sie erinnerte sich daran, wie Ritter Westen ihr erzählte, dass er gesehen hatte, wie einige Frauen mit ihren Kindern flüchten konnten.
Elisabeth sprang auf. Sie musste fort von diesen abwertenden Blicken, sie musste weg von ihren Anschuldigungen, denn sie musste für sich erst einmal verstehen, welch ein Monster ihr Verlobter war. Sie musste begreifen lernen, dass sie beinahe den Teufel selbst geheiratet hätte und das nur, weil ihr Vater sie darum gebeten hatte.
Ihr Vater ...
War er anscheinend genauso wie sie Dommhan jetzt kennenlernte? Empfand er ihn deshalb als passend für seine einzige Tochter? Oh Himmel, das vermochte sie nicht zu glauben, das hoffte sie niemals glauben zu müssen.
Sie verschwand weinend in der schützenden Dunkelheit.

„Was hab ich nur getan?“,fragte MacMahon sich selbst und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Seine Bartstoppeln kratzten an seinen schwieligen Handinnenflächen und er roch den Geruch der Erde an ihnen.
„Das konnte doch keiner ahnen. Du wusstest nicht, dass sie verlobt ist und dann auch noch mit so einem … einem perversen Bastard.“
Brüderlich berührte Broch seinen Arm, doch MacMahon riss sich los und murrte:“ Nein, das wusste ich nicht und sie hat es uns auch sehr geschickt verschwiegen.“
„Glaubst du denn wirklich, dass es Vorsatz von ihr war? Hättest du ihr denn überhaupt zugehört, oder es gar als relevant betrachtet?“,fragte Broch so leise, dass es nur sein Cousin hören konnte und brachte ihn für einen Augenblick zum nachdenken. Unvermittelt sprang er plötzlich auf und meinte zu allen:“ Ich rede mit ihr, vielleicht kann sie uns etwas über ihn erzählen und wir können uns auf diesen Mistkerl besser vorbereiten.“
„Wenn sie dir die Wahrheit sagt.“, gab MacAvoy zu bedenken, doch er verwarf dies direkt und meinte überzeugt:“ Das wird sie, ihr Gewissen wird schon dafür sorgen.“
Dann lief er mit großen Schritten in die Richtung, in der Elisabeth verschwunden war. Schnell fand er sie, sie saß inmitten einer Wiese und blickte hinauf in den sternenklaren Himmel. Die Klammern ihrer Frisur hatte sie vollkommen gelöst und die Haare bewegten sich jetzt sachte im immer kälter werdenden Abendwind. Er war überrascht wie schnell seine Wut verrauchte, als er sie, so traurig wirkend, da sitzend sah. Irgendwie rührte es sein Herz und das irritierte ihn sichtlich. Nun, sie war wirklich eine unglaubliche Schönheit, jedoch keine Schottin und die Tochter seines größten Feindes, der noch immer in seinem dunkelsten Kerker dahinvegetierte und nur darauf wartete, dass MacMahon kommt, um ihm von dem Tod seiner Familie zu berichten.
Auf einmal hatte er ein schlechtes Gewissen Elisabeth gegenüber. Er hatte das Gefühl, dass er ihr nicht so weh tun konnte, wie er es eigentlich vor gehabt hatte. Er wollte sie auf keinen Fall leiden sehen und das wiederum machte ihn nervös und wütend. Sie machte ihn schwach und brachte ihn dazu, seine ganzen Vorsätze über den Haufen zu werfen. Doch warum nur?
„Am Anfang wollte ich ihn nicht, ich kannte ihn doch überhaupt nicht … ich kenne ihn nicht“, sagte sie müde klingend, nachdem sie kurz einmal über ihre Schulter geblickt hatte und ihn hölzern da stehen sah, während sie wieder in den Himmel schaute.
„Er wirkte auf mich zuerst so kühl, so unberechenbar. Doch er gab sich Mühe, war … nett, aufmerksam, zeigte mir wirkliches Interesse und ich glaubte mich getäuscht zu haben. War es doch der innigste Wunsch meines Vaters, eine sehr gute Verbindung für unser Haus.“
Jetzt senkte sie wieder ihren Blick und seufzte trostlos. Sterbenselend, mit hoffnungsloser Stimme, erzählte sie nach einer Sekunde weiter:“ Niemals, oh Gott wirklich niemals, habe ich daran gedacht, dass er so etwas tun könnte. Dass überhaupt ein Mensch zu so etwas in der Lage sei.“
„Er ist Engländer.“, sagte er, als wäre dies eine prädikative Tatsache und die Erklärung für alle Schandtaten, während er näher kam. Elisabeth wandte sich ihm zu, neigte ihren Kopf etwas zur Seite und fragte schockiert:“ Dann bin ich also genauso wie er?“
MacMahon wusste nicht was er dazu sagen sollte, das hatte er so nicht gemeint.
Ihre Stimme zitterte, als sie seine Definition von ihrer Herkunft wiedergab:“ Dann bin ich ein gewissenloses Monster und kann nichts dagegen tun? Ich sitze nur da und warte darauf, dass es ausbricht?“
Er wollte nicken, nur um sie zu schocken, doch konnte er es nicht und er wusste überhaupt nicht weshalb. Vor wenigen Sekunden war er noch so unbeschreiblich wütend auf sie gewesen, doch nun tat sie ihm einfach nur fürchterlich leid. Er wollte sie nicht verletzten oder auch nur auf die gleiche Stufe mit diesen Bastard stellen. Irgendwie wurde sie noch nicht einmal ihrem Vater gerecht.
„Warum habt Ihr nichts von ihm erzählt?“
MacMahons Stimme war weich und streichelte somit etwas ihre verkümmerte Seele. Elisabeth wusste gar nicht so richtig warum. Und so legte sie ihre Stirn kraus und dachte eine Weile darüber nach, bevor sie ihm traurig antwortete, ihre Schulter einmal kurz anhebend:
„Vielleicht … vielleicht weil es für mich in diesem Moment irrelevant erschien. Vielleicht weil ich dachte, dass es sowieso keinen Sinn mehr macht. Vielleicht weil ich nicht daran erinnert werden wollte, was diesen Sommer hätte passieren sollen … hm … vielleicht war es aber doch nur einfach nicht mehr wichtig für mich … ich weiß es einfach nicht!“
„Aber für uns wäre es relevant gewesen.“
Er ging vor ihr in die Hocke und seine scharfe Stimme ließ sie eingeschüchtert aufblicken.
„Warum? Ich meine, hättet Ihr mir geglaubt und mich dann direkt getötet? Oder wärt Ihr sofort wieder abgereist und hättet mich zu Hause und in Frieden gelassen?“
Er konnte darauf schon wieder nichts sagen, er wusste einfach keine Antwort und so sprach Elisabeth nach einer Sekunde der Stille einfach weiter, ihm tief in die Augen blickend:“ Seht es doch einmal realistisch, Laird MacMahon, und nicht durch die Gläser dieser Abscheulichkeit hindurch: Ihr seid mir alle keine Freunde. Alles was Ihr bisher getan habt, wurde von Eurer Wut auf mich und meiner Familie gesteuert, warum sollte ich mir darüber Gedanken machen, was gut für Euch sein könnte? Eure Gedanken drehen sich ja auch nicht freundschaftlich um mich. Ihr habt mein Zuhause zerstört, viele Menschen getötet, glaubtet Ihr den wirklich dies bliebe unbemerkt? Glaubtet Ihr wirklich, dass, wenn Ihr die Tochter eines hoch angesehenen Ritters des Königshauses entführt, nachdem Ihr ihn getötet habt, es niemanden interessiert?“
„Nein, das glaubte ich nicht“, traurig wirkend strich er sich durch sein dichtes Haar:“ Doch ich dachte ihre Wut würde sich einzig und allein auf mich konzentrieren.“
Elisabeth war sichtlich geschockt. Wollte er sich etwa selbst zerstören? War dies seine Art der Bestrafung, weil er seine Familie nicht beschützen konnte?
„Aber Elisabeth“, sprach er angespannt weiter:“ Wir hätten dann das“, er zeigte wütend hinter sich,“ Vielleicht verhindern können, wenn Ihr es mir gesagt hättet.“
Leidend kniff sie ihre Augen zusammen und kämpfte erneut gegen einen Weinkrampf an, der schon die ganze Zeit versuchte die Oberhand zu gewinnen.
„Ja, vielleicht hättet ihr das“, wisperte sie leise:“ Doch war es für mich in diesem Moment einfach nicht von Belang. Oder glaubt Ihr etwa ich wollte, dass so etwas geschieht? Glaubt Ihr wirklich, ich wollte die armen Kinder an diesem Baum hängen sehen? Ich bin doch kein Unmensch, MacMahon“, ihre Stimme bebte vor Wut und Traurigkeit:“ Ich habe ein Herz! Ich fühle diese abscheuliche Wut über diese unnütze Tat in meinem Herzen, es zerplatzt fast und dass ich den Verursacher auch noch kenne, macht es keinesfalls besser.“
Ganz dicht zog sie nun ihre Beine an sich heran und umschlang diese mit ihren Armen. Ihre Stirn ruhte nun auf ihren Knien und er hörte ihr leises weinen. MacMahon war verwirrt, er wusste nicht ob er sie trösten oder ihr vielleicht befehlen sollte damit aufzuhören. Er mochte keine Frauen die weinten. Doch er konnte es ihr irgendwie auch wiederrum nachfühlen, denn schon den ganzen Tag war er dieser Schwäche unglaublich nahe.
Für eine Weile schwiegen beide und er hörte ihrem leisen Weinen zu. In dieser Ruhe beschlich ihn auf einmal eine erschlagende Erkenntnis, die er vorhin noch zu verdrängen versuchte. Müde klingend sagte er:“ Dann ist es also meine Schuld.“
Da blickte sie auf einmal auf und ihre roten Augen brannten, als sie ihn anstarrte und vollkommen überzeugt sagte:“ Nein! Es ist die Schuld derjenigen, die das alles hier begonnen haben.“
„Euer Vater“, gab er knapp wieder, überzeugt davon, die richtige Antwort gegeben zu haben. Doch Elisabeth schüttelte energisch ihren Kopf und entgegnete ihm:“ Unsere Könige.“
Überrascht sah er sie an und fragte sie:“ Ihr wisst schon, das Ihr mit diesen Worten gerade Euren König verratet?“
Belanglos zuckte Elisabeth mit ihren Schultern und meinte:“ Ich habe doch keine Ahnung von solchen Dingen, ich weiß nichts von Politik und deren Auswirkungen. Es interessiert mich auch ehrlich gesagt nicht, wer hier wen mehr hasst oder die meisten Gründe dazu hat. Doch es interessiert mich, warum so etwas Sinnloses wie dort hinten passieren musste? Ich will wissen weshalb und dann will ich ihm und egal wer es ist, in sein Gesicht schlagen und meine Verachtung für diese abscheuliche Tat bekennen. Das ist das einzige was zählt und keine politischen Hintergründe.“
„Es ist aber meistens die Politik die einen Krieg beginnt, Elisabeth“, begann er mit ruhigem Ton ihr zu erklären:“ Diese kämpft nicht, diese wird nicht verletzt oder fällt gar auf dem Schlachtfeld und deshalb wird dieser Grund niemals ein anderer sein. Die Politik ist feige und redet nur, aber kämpfen lässt sie andere. Manch einer, dem zu viel Macht auferlegt wird, verliert dadurch den Verstand, wird zu einer Bestie und tut dann unglaublich grausame Dinge.“
„Nehmt Ihr ihn jetzt in Schutz? Entschuldigt ihr damit seine Taten?“, wollte sie vollkommen entsetz wissen und sofort widersprach er energisch ihrem Verdacht:
„Bei Gott, nein! Aber ich brauche einen Grund, nur einen kleinen, damit ich wieder klar denken kann. Ihr könnt mir keinen geben, also schlussfolgere ich, denke nach und hoffe für ihn und seine Seele inständig, dass er den Verstand verloren hat. Denn wenn nicht …“, MacMahon zögerte kurz:“ Wenn nicht, dann schwöre ich bei den Göttern der alten Welt, werde ich ihn leiden lassen und das so lange, dass er mich anflehen wird endlich in die Hölle absteigen zu dürfen.“
Elisabeth nickte stumm, ihn noch immer ansehend. Starr sah er sie an, vertieft in ihre Augen, die in dieser klaren Nacht, wie dichter Nebel auf ihn wirkten. Sie war so einzigartig, sie konnte gar nicht seine Tochter sein. Vielleicht hatte ihre Mutter einen Liebhaber, so oft wie ihr Vater im Krieg gegen sein Land war. Vielleicht wurde diese dunkle Blutlinie durch etwas anderes gekreuzt und gaben ihr einen wachen und klaren Verstand. Vielleicht ähnelte sie aber auch nur ihrer Mutter und überhaupt nicht ihrem Vater. Auf einmal, ohne dass er es selbst richtig wahrnahm, berührte seine kühle Hand ihre feuchte Wange und Elisabeth zuckte merklich zusammen. Schnell nahm er sie wieder fort und rutschte etwas von ihr ab.
„Verzeiht“, flüsterte er ihr entgegen und starrte den grasbewachsenen Boden an.
„Warum bin ich hier, MacMahon?“, fragte sie plötzlich und brachte ihn damit etwas aus der Fassung. Sie wusste doch weshalb, er hatte es ihr zur Genüge zu verstehen gegeben. Er wollte sie quälen, er wollte, dass sie ihren Vater hasste und er wollte ganz am Anfang, dass sie ihn um ihren Tod anbettelte. Doch das Letzte hatte sich ziemlich schnell geändert … nein … eigentlich hatte sich alles verändert. Wenn er mit ihr alleine war, dann war alles anders, denn dann fühlte er sich wohl, so als wäre er wieder zu Hause angekommen. Dann wollte er sie necken, sie zum Lachen bringen oder sogar verärgern. Er mochte ihr Spiel mit der Mimik und ihre Stimme, wenn sie einfach und ungezwungen wie jetzt mit ihm sprach.
Er schwieg, er konnte jetzt nichts mehr auf diese Frage hin antworten, denn alles hatte sich auf einmal verändert. Eigentlich, wenn er jetzt genauer darüber nach dachte, hatten sich seine Vorstellungen zu diesem Zeitpunkt geändert, als er ihr zum ersten Mal gegenüberstand. Als sie da stand, in ihrem Nachtgewand, das grobe Schwert in ihren zarten Händen und die kalte Klinge an seiner Kehle. Er kam mit der Absicht dieses Familie auszulöschen und schon allein das er das nicht konnte, hätte für ihn ein Warnsignal sein müssen.
“MacMahon“, Elisabeth riss ihn aus seinen fernen Gedanken und er blickte sie an. Seine Augen wurden von einem seltsamen Schatten bedeckt und sein Gesichtsausdruck war unergründlich. „Ich …“, sie zögerte einen Moment, seufzte leise, während sie ihren Kopf schüttelte und sprach nach einem Moment weiter:“ Ich wünschte wirklich ich könnte Euch von diesem Hass befreien. Doch glaube ich kaum, das mein Tot allein diese Ummantelung die Euer Herz umschließt durchbrechen kann. Das kann nur die Zeit für sich. Doch weiß ich auch, und ich verstehe es, dass es Euch das kurze Gefühl der Befreiung geben kann und ich es Euch nicht absprechen will - oder gar kann ... Denn es ist doch so, ein Gefangener würde für einen kurzen Blick in die Freiheit seine Seele verkaufen.“
Falten bildeten sich auf seiner Stirn. Bot sie ihm gerade ihr Leben an, damit er wieder Leben konnte?
„Ihr habt das doch alles hier nur gemacht, damit ein Krieg zu Euch zieht um Euer Gewissen von der Schande zu befreien, nicht genug für Eure Familie getan zu haben.“
„Was …?“
Er war schockiert und sprachlos. Was sagte sie da Abscheuliches? Er hatte alles versucht, um das Leben seiner Lieben zu schützen, wirklich alles. Er hätte sein Leben gegeben, nur um das seiner Brüder zu sichern. Er hätte alles gegeben, um seine kleine Schwester zu schützen – er hätte sich die Hände dafür abgehackt … Doch das alles ist nicht geschehen. Sie waren alle tot!
Sie hatte recht, Himmel, sie hatte wirklich recht.
Da nahm sie auf einmal seine Hände, drehte seine Handinnenflächen nach außen und legte ihre hinein. Überrascht sah er kurz darauf und dann wieder in ihr Gesicht. Sie war bleich und erst jetzt sah er die dunklen Ringe unter ihren Augen. Fest umpackte er ihre angebotenen Finger, auch wenn er nicht verstand was da gerade zwischen ihnen geschah.
„Ich …“, Elisabeth blickte zu Boden und schluckte schwer:“ Ich bin Eure Sklavin und lege mein Leben in Eure Hände, Laird MacMahon. Tut was immer ihr tun müsst. Ich habe seit diesen letzten schrecklichen Stunden keine Kraft mehr, um mich darum zu bemühen es am Leben zu erhalten.“
Einen unscheinbaren langen Augenblick starrte er sie an, während Elisabeth dem auswich, noch immer hielt er sie fest. Er genoss es ihre warmen Finger zwischen seinen kalten zu spüren. Sie waren weich und doch fühlte er einige kleine Schwielen. Sie war es wohl gewohnt zu arbeiten und zu kämpfen, anders als er dachte.
„Seit wir siegten und während meine Wunden heilten“, begann er auf einmal mit leiser und sanfter Stimme:“ Malte ich mir aus, wie ich Eure Familie vernichten würde. Jedes Detail, jeder Stich, jede der einzelne Qualen hatte sich in meinem Bewusstsein verankert. Ich lebte nur noch für diesen einen kleinen Moment.“
Jetzt sah sie ihn endlich an, nicht schockiert, eher wissend und verständnisvoll. Doch ihr Herz schlug laut pochend in ihrer Brust, denn sie wusste nicht was nun in den nächsten Minuten geschehen würde.
„Ich wollte meine Rache, Elisabeth, nur allein um wieder schlafen zu können. Ich will nicht mehr sehen wie meine kleine Schwester aus dem Fenster springt, weil man sie mehrfach brutal Geschändet hat. Ich will ihren zerschmetterten Körper nicht mehr sehen, wenn ich meine Augen schließe … Ich will meine Brüder nicht mehr bluten und sterben sehen. Und meine aufrechte Mutter … wie sie so dasitzt, weinend und entkräftet, den Kopf meines sterbende Vaters auf ihrem Schoß gebettet, bevor man sie rücksichtslos enthauptet. Ich will nicht mehr sehen, wie ihr Kopf zu meinen Füßen rollt.“
Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen und sie sagte kaum hörbar:“ Es tut mir so leid, es tut mir alles so unsagbar leid. Wenn ich doch nur gewusst hätte ...“
„Elisabeth!“
Er sagte ihren Namen mit solch einem Nachdruck, dass sie nicht weiter sprach und ihn fragend ansah.
„Ich kann und werde Euer Angebot nicht annehmen. Ich weiß was ich einst wollte, doch nun will ich es nicht mehr, denn ich kann es nicht mehr tun, da ich Euch nun kenne. Ihr seid nicht wie Euer Vater, Ihr seid es einfach nicht … und ich bin es auch nicht! Ich kann keine guten Menschen töten, Menschen die mich in keinster Weise angreifen!“
„Aber … aber was tue ich denn dann noch hier?“
Sie klang verzweifelt, dem Wahnsinn langsam wirklich nahe.
„Hm“, er zuckte mit seinen Schultern:“ Vielleicht nur noch damit ich begreife das Hass nicht alles im Leben ist. Das Blut nicht Blut bereinigt ... Vielleicht, damit ich endlich erwachsen werde und somit lerne gute und gerechte Entscheidungen zu treffen. Damit ich zu guter letzt lerne, aus meinen Fehlern zu lernen.“
Elisabeth verstand nicht weshalb er ihr auf einmal solch eine hohe Rolle zusprach, sie war doch noch immer eine Engländerin, der Todfeind, seine ehrlose Sklavin. Sie war ein Teil dessen, was diese abscheuliche Tat begann, auch wenn sie nicht selbst Hand anlegte, war es doch ihre Herkunft die es tat.
Sie war es doch nicht wert zu verstehen warum sie ihr Land so hassten. Sie konnte doch nichts daran ändern, sie war kein Krieger, kein hoch degradierter Ritter. Sie war schlichtweg eine Frau, zerbrechlich, ängstlich und ab und an leider auch hilflos.
Er blickte kurz in ihr zerstreut wirkendes Gesicht und sagte nur:“ Geht bitte zurück zum Lager, ruht Euch aus, die nächsten Tage werden anstrengend.“
Elisabeth wollte aufstehen, vierwirrt über seine Worte hin, doch er hielt noch immer ihre Hände fest. Ihr Herz pochte immer lauter und kraftvoller gegen ihre Brust, sie glaubte, dass es gleich zerspringen würde. Doch nicht vor Angst, sondern vor positiver Aufregung. Sie fühlte sich erschreckenderweise Wohl und unglaublich Sicher in seiner Nähe, wenn sie so alleine mit einander sprachen.
„Gute Nacht“, hauchte er ihr entgegen und erst dann ließ er sie endlich gehen. Sie sagte nichts weiter dazu, zögerte einen Augenblick, erhob sich aber dann und ging.

MacMahon kam zwei Stunden später zurück. Seine Männer lagen um das Feuer herum und schliefen, bis auf Sam, Cohen und Ian, sie hielten Wache und blickten sich nach ihm um, als sie ihn kommen hörten. Nach einer kurzen Registrierung nickte Sam kurz und widmete sich wieder, wie die anderen auch, seiner überaus wichtigen Aufgabe: niemand durfte das Lager ungesehen betreten!
Müde und erschöpft von diesem abscheulichen Tag, sah er sich suchend um und da sah er sie liegen, ganz in der Nähe der Gräber, in eine dünne Decke gehüllt, in sicherer Entfernung von seinen Männern, und schlafend. Eine Weile beobachtete er sie, diese rothaarige Schönheit, mit diesen seltenen Augen, an die er sich wohl nicht so schnell gewöhnen würde. Immer wieder gerne dachte er an ihre sanften Stimme, mit der sie Worten einen Sinn verlieh, dessen er nie glaubte das ein Mensch zu so etwas in der Lage sei. Sein Gesicht zeugte von tiefen, zerrissenen Qualen, als er in seine Gedanken vertieft nachdachte.
Was war nur los mit ihm? Was machte sie aus ihm? Sie war trotzdem noch immer die Tochter seines größten Feindes, der Grund seiner Reise, der Grund warum hier alle sterben mussten … Sie war der Grund, doch ihn traf die Schuld!
Sein unüberlegtes Handeln, seine ständige unkontrollierbare Wut, sein Zorn auf die Engländer, brachten ihn dazu, solch einen nicht wieder gut zumachenden Fehler zu begehen. Und was lastet schwerer als die Sünde an dem Tot so vieler schuld zu sein? NICHTS!
Ihm wurde immer mehr klarer, dass es nicht ihre Schuld war, denn er hatte wirklich nicht über die Konsequenzen nachgedacht und schon gar nicht daran geglaubt, dass man solch ein Aufsehen für eine unverheiratete Frau veranstalten würde, deren Vater hochgradig versagt hatte. Er hätte nicht gedacht, dass man sich so offen für jemanden präsentierte und mit seinem Tun zeigt, was man vor hat und wo alles enden würde. Nämlich im Tod!
War sie das wert? War sie so kostbar für Dommhan, oder tat er es eigentlich gar nicht für sie direkt, sondern nur für seinen Aufstieg – er, der junge Ritter, der ganze Clans auslöschen würde um der englischen Krone das Hochland auf dem Silbertablett zu präsentieren.
Gereizt schüttelte er diese dunklen Gedanken ab und schwor sich, dass er es nicht so weit kommen lassen würde. NIEMALS!!!!
MacMahon setzte sich auf einen der zerborstenen Balken ganz in ihrer Nähe, beobachtete ihren Brustkorb, wie er sich ruhig und gleichmäßig senkte und wieder hob. Er bemerkte ihre dunklen langen Wimpern, wie sie sacht ihre weißen Wangen berührten, während sie ruhig schlief.
Gedankenvoll rieb er sich durch seine dunklen Haare und dann immer wieder durch sein kaltes und unrasiertes Gesicht. Er würde sich noch heute Nacht einen Plan ausdenken, wasserdicht und siegreich würde er sein!
Niemand legte sich ungeschoren mit einem MacMahon an, niemand!

(Dieses Kapitel nennt sich 5a, weil ich leider das vierte Kapitel schon mit 5 tituliert habe. Man wird halt alt.)
 
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Kommentare  

Danke liebe liebe liebe Petra!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Lilly (21.12.2010)

Grausam aber du hast recht. So werden wohl die Zeiten früher gewesen sein. Kaum jemand dachte damals anscheinend so richtig nach. Wie immer spannend und sehr echt geschrieben.

Petra (18.12.2010)

Hallo Jochen,
ich weiß, ich weiß. Leider war diese Zeit damals kein Zuckerschlecken und wer überlebte und alt werden durfte, hatte unmengen an Glück. Wenn du nicht gerade reich warst und von irgendwen beschützt wurdest - hattest du kaum eine Chance. Wenn dich nicht der Hunger oder Krankheiten hinrafften, dann war es halt der Krieg. Ich glaube in dieser Zeit wurdest du nur geboren um zu sterben!!!


Lilly (16.12.2010)

Das ist ja wirklich schrecklich, was du uns da in dem nächsten Kapitel präsentierst-die armen Kleinen! Dennoch scheint MacMahon immer nachdenklicher zu werden. Ein schönes Kapitel.

Jochen (15.12.2010)

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