379


13 Seiten

80 Days, Kapitel 6, Zucker und Foto

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
Kapitel 6

Zucker und Foto


Seit des gestrigen Tages hatte sich für ihn alles verändert. Alles. War er bisher nur im Dunkeln rum gelaufen und hatte er keine Erinnerung an Stunden oder Tagen gehabt, so schien es jetzt, wo er erkannt war, wo sein Name ausgesprochen war, als sei er nicht gestorben, sondern wiedergeboren. Alles war ihm so unfassbar bewusst, er hatte so viel Leben in sich, wie er zu Lebzeiten kaum hatte.
Das alles war im übrigen ganz zu Matties Verdruss.
Er wollte sie nicht mehr verängstigen, als sie sowieso schon war, aber er wollte sich auch, verdammt noch mal, nicht in SEINEN eigenen vier Wänden verstecken müssen. Es war ihm klar, dass dies im Grunde nicht mehr sein Haus war, aber wo zum Teufel hätte er auch hingehen sollen. Es gab da nämlich eine tricky Angelegenheit, die er noch nicht ganz verstand.
Er konnte die Wohnung nicht verlassen. Und er versuchte es wirklich.
Er schaffte es ein paar Meter bis in den Flur und dann…*Peng* .kam er im Wohnzimmer durch die Tür.
Verwirrt sah er sich um, schüttelte den Kopf und versuchte es noch einmal, aber dann kam er im Badezimmer raus.
Dieses "Beam Phänomen" ereignete sich lediglich, wenn er durch die Haustür raus wollte.
"Zum verrückt werden...", murmelte er und versuchte es noch einmal, nur um sich dann im Schlafzimmer wieder zu finden, in dem Mattie nach dem langen Abend noch den Schlaf der Gerechten schlief. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und betrachtete sie eine Weile Gedanken verloren, ohne sie wirklich an zu sehen. Wie zum Teufel kam er hier raus? Wie konnte er sich wirklich bemerkbar machen, ohne dass die Frau da gleich einen Herzinfarkt bekommen würde. Er konnte sich an seinen Herzinfarkt seit gestern, seit seiner Bewusstwerdung, noch gut erinnern. Und er hatte es als schmerzhafte Angelegenheit in Erinnerung.
Es standen also zwei große Dinge im Raum.
Erstens: Er brauchte offensichtlich Hilfe und die einzige Person, von der er diese erwarten konnte, war die Frau da.
Zweitens: was machte er hier? Nicht, dass er nicht dankbar war, aber er hatte sich die Sache mit dem Sterben und allem was dann kommen könnte doch ein bisschen anders vorgestellt. An welche Behörde wandte man sich in solchen Fällen? Musste er nun für alle Ewigkeiten einfach hier bleiben? Und wenn, was passierte wenn das Gebäude mal in hundert Jahren oder so abgerissen wurde.
Es schüttelte ihn.
Würde er nun stupide die Ewigkeit damit verbringen von der Haustür ins Wohnzimmer zu rennen und sich fragen, wie er hier wegkam?
Schnaufend ließ er sich auf den einzigen Stuhl im Schlafzimmer fallen und zog die Beine an. In alter Manier legte er die Hände auf die Knie und beobachtete die ersten Sonnenstrahlen, die sich wie Eindringlinge auf Matties Bettdecke stahlen.
Sie war mehr als nur spät ins Bett gegangen. Souta blieb fast bis drei am Morgen. Ein sympathischer junger Mann, wie Ryuzaki fand und technisch natürlich sehr begabt. Dass die junge Frau überhaupt Schlaf fand, war für Ryuzaki schon ein Wunder. Sie hatte das kleine Nachtlicht angelassen und eine Weile ins Dunkel gestarrt, immer darauf wartend, dass irgendwann etwas passierte. Aber Ryuzaki hatte sich nicht gerührt und kaum gewagt, auch nur zu atmen....wobei ihm auffiel, dass er das tatsächlich tat. Er hatte dann aus Neugierde die Luft angehalten und merkte, dass das wirklich unangenehm war, aber es ihn wohl offensichtlich nicht "noch mal " umbringen würde. Dennoch hatte er nach zwei Minuten schnappend die Luft wieder eingesogen und den drauffolgenden Schwindel ein wenig genossen.
Er hatte noch ein paar andere interessante Sachen probiert. Zum Beispiel hatte Mattie einen kleinen Schluck Wein in ihrem Glas gelassen und Ryuzaki, der eigentlich kein Weintrinker war, weil er sich augenblicklich betrunken fühlte, trank die Pfütze und stellte das Glas wieder hin.
Er hatte den Geschmack von Wein im Mund, er fühlte die angenehme Wärme und die Flüssigkeit auf seiner Zunge, aber als er dann das Glas sah, war noch genau so viel drin wie vorher auch.
Er erinnerte sich auch an die Schokokugeln.
Er hatte sie gegessen, aber in ihrer Menge hatten sie sich nicht verändert.
Da er zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusst wahrnahm, wie Mattie dann eine nahm und diese wieder ausspuckte, konnte er nicht wissen, welcher Natur die Veränderung war.
Nun stand er auf und wollte in die Küche. Vor der verschlossenen Schlafzimmertür blieb er kurz stehen und biss sich auf die Unterlippe. Konnte er eigentlich durch die verschlossene Tür gehen? Wie in Filmen?
Er steckte die Hände tiefer in die Taschen, kniff die Augen zusammen und.....Bang!
Taumelnd trat er zurück und spürte deutlich den Schmerz auf seiner Stirn und seiner Nase.
Verständnislos rieb er sich die schmerzenden Stellen. Also streckte er die Hand aus und wollte nach der Türklinke greifen und.....griff hindurch.
"Mist!"
Kam er hier nun nicht mehr raus? Er war doch sonst auch durch die Wohnung gewandert. Was war denn nun nicht richtig?
Es musste etwas mit dem "sich bewusst sein" zu tun haben. So eine Art Lernprozess oder ähnliches. Etwas mentales oder auch physikalisches.
Ratlos blieb er vor der verschlossenen Tür stehen und hörte, wie Mattie sich in ihrem Bett bewegte. Sie....

***

...schlug die Decke beiseite und blinzelte müde. Wie in Trance schwang sie die Beine aus dem Bett und rieb sich durch das zerknitterte Gesicht.
"Guten Morgen an alle Geister.", murmelte sie und streckte sich.
°Guten Morgen°
Mattie schlich zur Tür, öffnete sie...

°Danke, ich habe schon gedacht, ich müsste hier versauern...°

...und wankte in die Küche.
Sie brauchte so dringend einen Kaffee. So unglaublich dringend. Der gestrige Tag/ Abend war einfach zu viel. Schlaftrunken stellte sie die Kaffeemaschine an und ...
°Hast du eigentlich Zucker?°
....taumelte dann mit geschlossenen Augen ins Bad.
Ryuzaki hörte Wasser rauschen und das typische Geräusch von Zähneputzen. Und das noch vor dem Kaffee. Er schüttelte den Kopf. Der ganze leckere Kaffee war damit doch völlig verdorben!

Mattie sah sich im Spiegel und streckte sich die Zunge raus...dann stockte sie und zog sie schnell wieder ein. So unglaublich das auch war, sie musste davon ausgehen, dass sie ja beobachtet wurde.
Nun, wo sie hier stand, wurde ihr die ganze Bedeutung dessen überhaupt klar. Mal ganz davon abgesehen, dass sie nicht an Geister glaubte, aber WENN ein Geist hier war, dann sah er sie bei ALLEM was sie machte.
Sie merkte, wie ihr Röte ins Gesicht stieg.
"Auf Wiedersehen, schöne Masturbation,", murmelte sie und sah an sich herunter.
Sie sollte vielleicht auch nicht in Unterwäsche rumlaufen. Jetzt wurde sie ärgerlich. Auf ihrer Stirn grub sich die typische senkrechte Falte, die sie dann immer bekam.
"Also das ist doch wohl.."
Sie stapfte aus dem Bad und stellte sich in den Flur. Provozierend stemmte sie die Hände in die Hüften. "Das eine sag ich dir, ICH bezahle hier die Miete!"
°Ich habe ja wohl auch kaum noch einen Job, mit dem ich das bewerkstelligen könnte°
"Und ich ..ich...ich meine, es ist sehr traurig, was passiert ist, aber ich finde, du solltest wirklich, bei allem Respekt, einfach verschwinden."
°Und wo soll ich hin? Nach Ghosttown City etwa?°
"Ich denke du musst so was wie...naja...ins Licht gehen oder so."
°Sie haben ganz offensichtlich zu oft " Nachricht von Sam" gesehen.°
"Ich trinke jetzt meinen Kaffee und geh dann einkaufen und wenn ich wieder da bin, dann will ich, dass du weg bist!"
°Wie wollen sie denn Kaffee trinken? Sie haben nicht mal ZUCKER!°, brüllte er mittlerweile wütend geworden. Sie schien ihn nicht zu hören.

Mattie stockte. Hatte sie gerade das Wort “Zucker” gehört? Sie war sich nicht sicher, aber es schien in den Raum geworfen worden zu sein wie ein Kübel Wasser. Man konnte es nicht erklären. Es war wie ein Echo, oder wie das Echo eines Echos.
"Zucker?", fragte sie unsicher.
Ryuzaki machte große Augen. Sie hörte ihn!
°Ja, Zucker. Zucker...ZUCKER!°
Tatsächlich. Sie hörte das Wort Zucker. Sie blinzelte. So ein bescheuertes, banales, unbedeutendes Wort. Sie konnte es nicht fassen. Sie bekam hier bald Herzinfarkte und er wollte....Sekunde mal! Sie dachte an die Schokokugeln. War er etwa in der Lage?....unmöglich. Das konnte nicht sein. Konnte ihr Hausgeist etwa etwas zu sich nehmen?
"Ok, du willst Zucker? Versteh ich das richtig?"
°Oh, bitte ja. Bitte besorgen sie mir doch ein bisschen Zucker.°
Mattie hörte nichts mehr. Aber Zucker, das hörte sie deutlich.
"Das ist verrückt. Wie in einem Film oder einer Geschichte und ich bin hier offensichtlich die lächerliche Randfigur." sie ließ die Arme sinken und stöhnte.
"Mein Geist will Zucker.", sagte sie zu niemanden. "Wenn das nicht banal ist, weiß ich`s nicht."

***

T. Klivebacker studierte die Pläne ausgiebig. Dass der "Große" ihn gestern nicht mehr hatte ins Haus gehen sehen, seit er ihn beobachtet hatte, war ebenso banal zu erklären wie Zucker für den Kaffee.
Er ging durch die Tiefgarage, und zwar zu Fuß.
Als der Alarm losging, blieb er im Haus. Nicht etwa, weil er sich beobachtet fühlte, sondern weil er nackt war. Er stand unter der Dusche und als er angezogen war, und dann nach draußen schaute, auf die Menge, war es wohl eher Zufall, dass er jenen Wagen sah.
Er konnte nicht sagen, wieso, aber irgendetwas flüsterte ihm, dass er besser wartete. Und dies erwies sich als goldrichtig.
Nun beugte er sich über die ausgerollten Papiere und kaute dabei auf einer Unebenheit in der Innenseite seiner Wange herum. Eine blöde Angewohnheit.
Die Sache war die...das hatte er während seines nächtlichen Studiums der Pläne schon rausgefunden....Irgendetwas stimmte hier nicht.
Etwas war an den Plänen nicht richtig. Er war nicht blöd und er hatte das, was er vorhatte, schon oft genug gemacht um zu wissen, wann man ihm faule Eier servierte. Und die waren nicht nur faul, die waren schon grün!
"Das gibs doch nicht..."
Wieder steckte er sich eine Zigarette an und stütze den Kopf in seine Hände.
Es war genau eine Passage, die irgendwie falsch zu sein schien, und zwar eine Ära, die mit den Aufzügen zu tun hatte.
Es war mehr oder weniger Zufall, dass er dies mit einer solchen Sicherheit sagen konnte, da er sich am ersten Tag hier verlaufen hatten.
Das war in der achten Etage.
Das kam so: Er musste eigentlich in die Sechste und fuhr aber in die Achte.
In der Sechsten musste er nach rechts um zu seiner Wohnung zu kommen, also einmal nach dem Aussteigen des Fahrstuhls nach rechts, wo er dann noch mal nach rechts musste, in so einen kleinen Gang, um zu seiner Wohnung zu gelangen.
Als er in der Achten ausstieg ging er nach rechts, glaubend, er wäre in seiner Etage und wollte wieder nach rechts und stand dann vor einer Wand, wo keine sein sollte.
Und diese war hier auch so nicht eingezeichnet. Zwar war eine Mauer hier gezogen, aber diese war mindestens einen Meter versetzt nach innen gezeichnet, was aber nicht der Fall war.
Sie schloss absolut eben ab. Das wusste er genau.
Wieso er das so genau wusste?
Weil er nicht mal EINEN Schritt nach rechts gehen konnte.
Es war da also zumindest doch ein Meter Differenz, die nicht sein durfte.
Jetzt könnte man mit den Augen rollen und meinen...meine Güte, ein Meter. Ist doch nichts.
Aber wer sich mit so was auskannte, der wusste, dass so was nicht sein durfte.
Auf keinen Fall. Ein Meter Differenz war so was wie ein Abrissgrund.
T. Klivebacker musste das noch mal überprüfen . Und zwar jetzt.

***

Souta hatte einen dicken Kopp. Oh ja.....oh jaaaaa....das hatte er.
Wie ein Elefantenkopf auf einen Mückenkörper. Er saß in seiner Küche und hielt mit geschlossenen Augen eine Tasse Tee in der Hand. Das Pochen in seinen Schläfen schien sich durch seine Schädeldecke graben zu wollen. Und nun, da er hier saß, war ihm auch aus anderen Gründen nicht so wohl. Er hatte gestern alles erzählt, was er zu erzählen hatte. Alles, was ihm auf der Seele lag. Inklusive der L Theorie. War das ein Fehler? Er kannte die Frau gar nicht, aber sie machte den Eindruck als ob sie dringend Hilfe brauchte. Vielleicht hatte er auch überreagiert und ihr nur noch mehr Angst gebracht.
Er stand stöhnend auf und stellte seine Tasse in die Spüle. Irgendwie hatte er keine Lust mehr auf Tee. Beiläufig warf er einen Blick nach draußen und runzelte die Stirn.
Auf der gegenüber liegenden Straßenseite stand ein silberner Wagen in dem jemand saß.
Souta spülte den Rest seines Tees in den Abfluss, ging ins Badezimmer, wusch sich, putze sich die Zähne und blickte aus dem Fenster.
Immer noch der Wagen.
Er ging ins Schlafzimmer, zog sich an, stieg in seine Schuhe, wanderte zurück in die Küche, schaute aus dem Fenster und....der Wagen stand immer noch da.
Souta nahm sich seine Jacke, schnappte sich seinen Schlüssel und öffnete die Haustür.
Und ja...der Wagen war immer noch da.
Er stieg in seinen eigenen Wagen, ließ den Motor an und...als der andere Wagen dann auch den Motor startete, wusste er, dass hier etwas echt nicht richtig war. Sein Herz pochte laut in seiner Brust und übertönte sogar seine Kopfschmerzen.
Er machte den Wagen wieder aus und war nicht mal überrascht, als der andere Wagen auch wieder ausgemacht wurde.
"Scheiße.", fluchte er leise, nicht genau wissend, was er jetzt tun sollte. Mattie! Er kramte sein Handy aus der Tasche und wählte ihre Nummer.

***

"Wie kommst du darauf, dass ich irgend jemanden etwas erzählt habe? Ich habe geschlafen bis vor einer Stunde. Und, och ja, der Geist will Zucker."
Mattie stand an der Kasse und ließ sich von einer ungeduldigen fetten, alten Frau deren Wagen in die Hacken fahren.
"Ey Lady!", schnaufte sie.
"Nein, nicht du...ich bin einkaufen.", erklärte sie. "Zucker holen."
Souta konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
"Ich denke, ich werde beobachtet, deswegen frage ich. Ich habe seit zwei Stunden einen Wagen vor der Tür stehen."
Mattie packte mit einer Hand ihre Tüte an der Kasse ein, mit der anderen Hand hielt sie das Handy.
"Weißt du, es gibt ne Menge Autos auf der Welt. Die stehen überall stundenlang rum."
Sie hievte die Tasche hoch.
"Ja, aber nicht mit jemanden drin." , legte er dar. "Der rührt sich nicht von der Stelle."
Mattie war nun draußen angekommen und wunderte sich wieder über die vielen, kleinen Menschen, die an ihr vorbei gingen.
"Bist du in Gefahr?", wollte sie wissen.
Souta schaute noch mal nach draußen.
"Kann ich mir nicht vorstellen. Ich meine, wenn mich jemand ...hm...umbringen will, dann wäre er doch reingekommen, oder?"
Mattie dachte ebenso, während sie einem besonders kleinen Japaner hinterher sah.
"Komm zu mir. Mal sehen, ob er nach kommt....und übrigens. Ich bin froh, dass du groß bist."
Souta hielt inne. "Ähm, was?"
"Schon gut, nicht so wichtig. Komm einfach."
Sie legte auf und grinste. Vielleicht hatte ihre Mutter nicht mal unrecht mit den Männern und Japan.

***

Souta hatte richtig gelegen. Der Wagen folgte ihm in gebührendem Abstand. Ein silberner Mercedes, ziemlich teures und wuchtiges Model. Er folgte ihm bis an die Straße des Komplexes, und als Souta in die Tiefgarage fuhr, parkte der andere Wagen am Straßenrand.
Mit polterndem Herzen fuhr Souta mit dem Aufzug direkt von der Tiefgarage in die achte Etage, wobei er noch mal einen argwöhnischen Blick in das Düstere der Garage warf, bevor sich die Fahrstuhltüren schlossen. Er kam sich schon paranoid vor.
Als sie sich wieder öffneten, lief er beinahe einem Mann in die Arme.
"Entschuldigen sie.", äußerte dieser fahrig und stieg in den Fahrstuhl.
Souta starrte ihm nach.
Was war hier nur los?

***

Es stimmte. Es fehlten ein Meter vierzehn. Das war beachtlich viel.
Und nicht nur das. T. Klivebacker war ein cleveres Kerlchen und so einfach ließ er sich nicht verarschen. Nein, er nicht. Die Wand war praktisch hohl. Er hatte daran geklopft und schnell festgestellt, dass dahinter ein Hohlraum war.
T.Klivebacker wischte sich über die vor Aufregung feucht gewordenen Stirn. Meine Güte, er schwitzte wie ein Schwein, wenn er erregt war. Und momentan war er so aufgewühlt, dass er eine Wanne hätte füllen können!
Soso, ein Meter vierzehn, ja?
Er ließ sich nicht verarschen, oh nein, wahrlich nicht. Nicht Thomas T. Klivebacker!
Er beugte sich über die Pläne und kicherte.
Jetzt machte alles ein bisschen mehr Sinn. Er steckte sich wieder eine Zigarette an und hustete ein wenig.
"Wollen wir doch mal sehen, wohin uns diese Scheiße hier führt.", erklärte er niemanden und kicherte wieder.
Diese Wand grenzte genau an der Wohnung daneben.

***

Und die Wohnung daneben wurde gerade von frischen Kaffeeduft erfüllt.
Mattie stellte zwei Tassen auf den Tisch und ließ sich auf den Stuhl fallen. Souta saß ihr gegenüber. Er war nervös, fühlte sich aber schon besser.
"Und er ist dir tatsächlich gefolgt?", wollte sie wissen, nachdem Souta ihr alles noch einmal erzählt hatte.
"Schau vorne raus. Ich wette, er ist immer noch da."
"Ich glaub dir das.", nickte sie. " Mittlerweile sind so viele komische Dinge passiert, dass ich dir alles glauben würde."
Sie nahm einen Schluck Kaffee und seufzte.
"Und was war das mit dem Zucker?", hakte Souta nach.
"Och ja. Mein Geist will Zucker. Kein Witz. Er will Zucker."
Eine Weile blickten sie sich still an, dann begannen sie beide zu lachen. Es war ein nervöses Lachen.
"Ich meine, man sollte denken, er würde irgendwelche anderen Motive haben, aber er will Zucker."
Souta deutete auf die Einkaufstüte.
"Und du hast welchen gekauft?"
Sie nickte ein wenig verlegen.
"Ich hoffe, er will nicht irgendwann mit dir baden oder so was,", grinste Souta und Mattie lachte.
Ihr fielen ihre Gedanken vom Morgen wieder ein. Sie musste ihre Mutter wohl doch enttäuschen. Sie konnte keinen Mann hier haben.
Wie sollte sie das anstellen? Kuschelsex im Schlafanzug?
"Aber egal. Der Geist ist schon ein Ding, aber alles Andere ist auch irre. Ich meine, wieso wirst du verfolgt? Ich habe niemanden etwas gesagt."
Der junge Japaner zuckte mit den Schultern.
"Dabei fällt mir ein. Wer war das, der gerade da war?"
Mattie sah ihn verständnislos an.
"Es war niemand da."
Kurz berichtete Souta von seiner Begegnung im Flur.
"Es wohnt doch noch keiner hier im Flur, oder?"
Mattie schüttelte den Kopf. "Nein, ich bin noch alleine hier." So langsam wurde ihr alles ein bisschen zu bunt. Ein Geist, ein Verfolger und ein Typ, der auf ihrem Flur rumlungerte. Vielleicht war doch jemand hinter das Geheimnis des Gebäudes gekommen? Vielleicht gab es mehr in diesem Gebäude, als sie beide vermuten würden.
"Hast du eigentlich noch die Pläne des Hauses?"
Souta schüttelte den Kopf. "Aber ich bin sicher, dass Mika sie noch hat. Er würde sie nicht vernichten. Mit Sicherheit hat er Kopien gemacht. Ich kenne ihn zu gut dafür."
"Vielleicht sollten wir mal einen Blick darauf werfen. Wer weiß, was wir finden."

***
Ryuzaki hörte sehr genau zu. Die Pläne des Hauses. Wenn die beiden wirklich finden, was das Haus verbarg.....Dann würden aus Theorien Beweise werden.
Er lehnte sich an die Küchenwand und wackelte nervös mit seinen nackten Zehen.
Er konnte nichts anderes tun, als alles auf sich zukommen zu lassen und ....er sah auf und blickte zum Wohnzimmerfenster. Vielleicht konnte er auch erkennen, wer Souta gefolgt war.
Gemächlich schlürfte er ins Wohnzimmer und blickte auf die Straße. Den Wagen, den Souta beschrieben hatte, sah er. Aber natürlich nicht, wer drin saß. Es war aber auch wirklich ein Kreuz mit dem Geist sein.
Er musste wissen, wer das war. Wieder wanderte er in die Küche, legte seine Lippen an Matties Ohr und brüllte aus Leibeskräften: "FOTO! AUTO"

***

Mattie jagte zusammen, kippte die Hälfte ihres Kaffee`s auf ihre Jeans und auf den Tisch. Ihre Augen wurde tellergroß und sie schnappte nach Luft.
"Was ist denn?" Souta war aufgesprungen und sah sie besorgt an.
"Foto, Auto.", sagte sie und hielt sich demonstrativ die Brust. "Hab ich mich erschrocken."
Ihr Herz jagte in der Brust und ihr war nach weinen zumute. Das war einfach nicht ihr Ding. Und sie hatte schon Casper , der freundliche Geist gesehen. Das war unfreundlich.
Soutas Blick verriet, dass er ahnungslos war.
"Das war wohl mein Hausgeist. Er rief "Foto, Auto"."
Souta kratze sich am Kopf.
°Mein Gott, die können doch nicht so begriffsstutzig sein. selbst Matsu war schneller.°
"Sollen wir ein Foto vom Auto machen?", wollte Souta wissen.
°Nein, ihr sollt ein Foto von dem machen, der drin sitzt. Was zum Teufel soll ich mit einem Bild von nem Auto?°
"Was will er denn mit nem Bild von nem Auto?", fragte Mattie, als könne sie Ryuzakis Gedanken lesen.
°Danke, damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie schneller denken als Matsu auf über 7% gestiegen.°
Souta und Mattie gingen ins Wohnzimmer und schauten aus dem Fenster. "Sollen wir von hier eines machen? Wir könnten doch durch die Nummernschilder.."
Souta lachte. "Was hast du für ne Kamera? Kann die um die Ecke Blitzen? Man sieht die Nummernschilder nicht mal"

°Gut, 12% Und was sieht man noch nicht? Hm?°

"Über die Nummernschilder kann man aber raus finden, wem der Wagen gehört. Wenn wir runter gehen und.."
°Ups...5%.°
"Dann können wir auch gleich ein Foto machen von dem, der drinsitzt und...."
Mattie und Souta sahen sich an.
"OCH SO! Wer DRIN sitzt!", riefen beide wie aus einem Mund.
°100%. Ihr seid definitiv schneller als Matsu. Meinen Glückwunsch!° Ryuzaki klatschte zwei mal in die Hände.
Mattie und Souta zuckten zusammen.
"Ich hoffe, ich habe das nicht alleine gehört."
Mattie schüttelte den Kopf. "Jetzt weißt du, was ich durchmache..."

***

Ein Foto zu machen war ihr in ihrem Leben noch nie so unglaublich aufregend vorgekommen wie an diesem Tag. Ihre Hände schwitzen, ihre Augen waren dafür wie ausgetrocknet und ihre Zunge fühlte sich an wie ein Fisch in der Wüste.
Souta und Mattie standen beide im Schatten der Ausfahrt der Tiefgarage und stierten, wie Geheimagenten an die kühle Wand gepresst, auf den silbernen Wagen.
"Meine Güte, ich komm mir vor wie James Bond..", bemerkte sie passend.
"Oder Jeane Blond.", fügte Souta hinzu und schallt sich gleich einen Idioten dafür. Aber offensichtlich hatte Mattie das nicht als Beleidigung angesehen, denn sie kommentierte es nicht.
"Ich meine, was machen wir hier eigentlich? Wir stehen hier wie Verbrecher um ein Foto von einem Mann zu machen, der dich verfolgt und möglicherweise, Nein, wahrscheinlich sogar, gefährlich ist. Das ist Wahnsinn!"
Souta kicherte nervös. "Im übrigen machen wir das Foto für einen Geist, vergiss das nicht."
" Und das ist das krankeste von allen. Ich meine, schlimmer kann es nicht mehr werden." Mattie schüttelte verständnislos den Kopf. "Das ist echt Wahnsinn.", wiederholte sie.
"Gib mir mal dein Handy." Souta streckte ihr auffordernd die Hand aus und sie legte es hinein.
"Wir halten es einfach um die Ecke."
"Klar, das fällt gar nicht auf.", quengelte sie. "Der braucht doch nur mal zu gucken und dann.....werden wir wahrscheinlich erschossen."
"So schnell stirbt es sich nicht." Eine Weisheit, die Souta von seiner Mutter hatte.
"Da frag mal meinen Hausgeist. Der weiß dazu anderes zu erzählen."
Sie fuhr zusammen, als sie hörte, wie der Auslöser betätigt wurde. Es war ihr klar, dass er nicht so laut war, dass auch nur irgend jemand das mitbekommen könnte, aber in diesem Moment hatte sie das Gefühlt, als würde die ganze Welt nur von diesem Geräusch ausgefüllt werden.
Nun sah sie zu, wie Souta sich das Foto betrachtete.
Es war nicht mal schlecht, nur ein bisschen schief und außerdem....
"Ich glaube, der Typ pennt!"

Hätte Souta gewusst, dass der "Große" die ganze Nacht kein Auge zugemacht hatte, hätte er wahrscheinlich Verständnis dafür gehabt.

***

Mogi, Kanzo ?
Ryuzaki legte den Kopf schief, um das Bild besser zu betrachten. Mattie hatte das Handy mit dem Bild auf den Küchentisch gelegt und nun liefen sie und Souta abwartend im Flur auf und ab. Eine verrückte Situation, die ein bisschen aussah, als würden zwei Menschen vor einem Entbindungszimmer darauf warten, den ersten Schrei zu hören.

°Mogi. Das ist doch unmöglich. Wenn Mogi jemanden wie Souta beschattete, dann konnte das doch nur einen Grund haben. Souta war vielleicht nicht der, der er zu sein schien. Es war unwahrscheinlich an zu nehmen, dass es etwas mit ihm selbst zu tun haben konnte. Mit einer Wahrscheinlichkeit von über 89,2% ging Mogi nicht davon aus, Ryuzaki hier zu treffen. Das war mal sicher. Wäre es so, wäre er einfach hoch gekommen und ...das war das Zweite: Es gab ja keine Verbindung zwischen Ryuzaki und Souta. Also war der Grund, warum Mogi hier war, war Souta allein.
Souta wurde observiert.
So einfach war das.
Ryuzaki sah Souta mit Mattie im Flur auf und ab gehen. Dass Mogi eigentlich jemand anderes im Auge hatte, konnte er nicht ahnen.
War Mattie vielleicht in Gefahr. Vielleicht war das sogar der Grund, warum er noch hier war? Wieso er nicht....naja....ins Licht oder weiß der Geier was gegangen war.
In Filmen war es ja auch immer so, dass der Geist noch etwas zu tun hatte. Souta sah so harmlos aus, und dass er da war, war aber, so erinnerte sich Ryuzaki, seine eigene Schuld. Hätte er nicht unbeabsichtigt auf sich aufmerksam gemacht, wäre Souta nie aufgetaucht um einen neuen Code ein zu geben. Und hätte Ryuzaki diesen Code nicht wieder verändert, wäre Souta nun auch nicht hier.
Nein, vielleicht war Souta doch nicht der Grund.
Ryuzaki ließ die Arme sinken und starrte auf seine Füße.
Es musste ein Zufall sein, der zu einem "Unzufall" wurde.
Er musste Mogis Motive heraus finden. Zu viele Unwahrscheinlichkeiten machen aus einem Zufall einen Fall. So viel war mal sicher.
°Sieht aus, als wäre ich wieder im Geschäft.°, grinste er und er spürte das erneut entflammte Feuer in sich.


***

Mattie hatte von Ryuzaki weder noch etwas gehört noch sonst irgendwas. Sie und Souta hatten noch eine Weile gewartet, aber es passierte nichts mehr.
Irgendwann sah Mattie dann auf ihre Uhr, um zu verkünden, dass sie so langsam aber sicher runter müsste und Souta, der auf gar keinen Fall alleine in der Wohnung bleiben wollte, obschon Mattie es ihm angeboten hatte, begleitete sie zumindest bis zu der Sicherheitstür, durch die er dann nicht mehr durch durfte.
Nun war er allein und stand noch eine Weile im Haupteingang. Er sah den Wagen nicht mehr, aber das musste natürlich nichts bedeuten. Wahrscheinlich war er noch irgendwo. Hockte in irgendeiner Gasse und wartete nur auf ihn. Souta traute sich kaum aus dem Eingangsbereich.
Er nahm sein Handy und rief seinen Schwager an.
Er musste sowieso nach den Plänen fragen und da konnte er sich genau so gut abholen lassen.

***

Yamamoto, Mika, seit sechs Jahren verheiratet, zwei Kinder, wollte die Geschichte nun zum dritten Mal hören.
Souta rollte mit den Augen.
"Nicht noch einmal, Mika. Es reicht."
Mika hob abwehrend die Hände.
"Entschuldige bitte, aber du erzählst mir von Verfolgern, Geistern, Selbstauslösende Alarmanlagen und netten Amerikanerinnen....was erwartest du von mir? Das ich dir DAS alles glaube? Ich bitte dich."
Mika lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
"Ich kann nicht mal glauben, dass du jemandem davon erzählt hast. Wir hatten mehr als genug Ärger deswegen. Wie kannst du das machen?"
Souta, vier Jahre jünger als der Andere, fühlte sich schon wieder wie von einem großen Bruder getadelt.
"Sie brauchte doch Hilfe! Du musst das verstehen. Was hätte ich denn machen sollen?"
Der Andere schüttelte den Kopf.
"Du hast echt ein Problem mit Frauen. Und jetzt, wo das raus ist....mein Gott, wahrscheinlich hat sie..."
"Nein, hat sie nicht.", unterbrach er ihn. " Und nun tue mir einen Gefallen, und lass uns die Pläne durchgehen. Es ist wichtig für mich."
Mika sah das. Er sah die Verzweifelung in den Augen des jüngeren. Er sah es sehr deutlich.
"Du schuldest mir was.", beharrte Souta.
"Das weißt du genau. Du hast gesagt, wann immer ich einen Gefallen brauche, ich brauche nur zu fragen. Ohne mich hätte du nie mein Schwesterchen heiraten können."
Die alte Geschichte kam Mika wieder in den Sinn und er stöhnte.
Langsam stand er auf.
"Ich komme mit, das sage ich dir. Ich drücke dir nicht einfach die Kopien in die Hand. Wir machen das zusammen. Ich bin sowieso so gut wie tot weil ich dir die Pläne zeige und wenn ich nicht so dermaßen neugierig wäre...."
Souta konnte nicht anders. Glücklich drückte er Mika kurz an sich.
"Das wird ein riesiges Abenteuer." Seine Augen leuchteten.
"Und ich hoffe für dich, dass die Frau das wert ist.", stellte Mika fest.
"Denn Geister, Verfolger, falsche Pläne, geheime Gänge und solche Sachen bringen einen in der Regel nicht so in Schwierigkeiten wie eine Frau.", ergänzte er.
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Spannend und sehr mitreißend geschrieben. Liest sich sehr gut, ist keine Sekunde langweilig. Prima auch, wie du die verschiedenen Charaktere lebendig werden lässt.

Else08 (15.06.2011)

Wieder sehr gut. Ich bin ganz begeistert. Du hast einen tollen Schreibstil. Ja, ich finde es schön, dass ich über deine Story diese besonderen Filmhelden ganz allmählich kennenlerne.

Dieter Halle (09.06.2011)

So, Kapitel 6 ist auch überarbeitet und on. Ich muss sagen, ich freue mich, dass doch einige Menschen Gefallen an der Geschichte haben, obschon sie die ursprüngliche Geschichte nicht mal kennen. Oder vielleicht gerade deswegen? Wer weiß.
Ich danke euch auf jedenfall :) Es macht wirklich wieder Spaß, zu schreiben und an solche Sachen zu arbeiten.
Ganz liebe Grüße
Sas


Barbara Saskat (08.06.2011)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Human Soul Saver - Inhaltsangabe  
80 Days - Inhaltsangabe  
80 Days, kapitel 20, Gedankengut  
80 Days, kapitel 19, blutende Wunden  
80 Days, Kapitel 18, Todesgötter und Reisen  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De