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Hannah

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Sie fuhr mit der Hand über ihren Bauch, während sie ihr Spiegelbild im Schaufenster des kleinen Spielwarenladens betrachtete. Sie schaute an sich runter, drehte sich leicht zur Seite und prüfte noch einmal ihr Spiegelbild. Bildete sie es sich nur ein, oder war unter dem Pullover eine kleine Wölbung zu sehen?
Sie strich eine Strähne aus ihrem Gesicht und ging dann durch die große Eisentür, die zum Traum aller Kinder führte.
Schon als Kind hatte sie hier Stunden verbracht. Wenn sie traurig war, setzte sie sich zwischen die unzähligen Teddybären und blätterte im großen Märchenbuch.
Es roch immer noch wie früher. Nach Zuckerwatte, Karamell, alten Büchern und Abenteuern.
Es war ein Duft, der ein warmes Gefühl in ihr verursachte. Ein Gefühl von Vertrautheit und Glück. Sie ging auf das alte rote Sofa zu. Als sie sich setzte, fiel ihr ein kleiner karamellfarbener Bär ins Auge. So einen, wie sie früher auch hatte. Er würde Hannah sicherlich gefallen. Er würde ihr helfen einzuschlafen, wenn sie Angst hatte so wie sie damals.
Sie musste ihn einfach kaufen.

Nachdem sie bezahlt hatte schlenderte sie weiter durch die Straßen der Innenstadt.
Sie wollte einfach nicht heimgehen. Zuhause hatte sie das Gefühl, die Decke fiele ihr auf den Kopf.

Hannah. So würde die Kleine heißen. Nach ihrer Großmutter, bei der sie früher den ganzen Sommer verbracht hatte. Beim Gedanken an ihr zauberhaftes Lachen musste sie selbst ein wenig lächeln. Gedankenverloren ging sie weiter durch die Straßen.
Einen rosa Stampler muss sie kaufen. So etwas hatte sie früher ihre Puppe angezogen und schon damals wusste sie, dass ihre Tochter so einen später auch bekommen würde. Und Socken musste sie stricken. Solche, wie sie damals auch hatte.

Sie würden später im Sommer zusammen an den Baggersee fahren und dort würde sie Hannah das Schwimmen beibringen. Sie würden zusammen in der Sonne liegen und Märchenbücher lesen. Bevor sie heim radelten, würden sie am kleinen grünen Kiosk ein Erdbeereis essen. Das hatte sie früher mit ihrem Vater auch gemacht.

Wenn Hannah dann älter wäre, könnten sie ihre Haare machen und zeigen, wie man sich schminkt.Vielleicht auch zusammen tanzen gehen. Hannah würde bestimmt ein hübsches Mädchen werden. Alle Jungs würden ihr verfallen sein.

Aber so würde es nie kommen.
Sie setzte sich auf eine Parkbank und schaute den vorbeilaufenden Menschen nach. Es waren alte, junge, dicke und dünne dabei. Jeder schien sie anzustarren. Alle verachteten sie für das was sie getan hatte. Sie wussten es, da war sie sich sicher. Beim Anblick der Tüten mit Babykleidung fing sie an zu weinen.
Wieso hatte sie es getan?
Wieso hatte sie Hannah nur abtreiben lassen?
 
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Kommentare  

Ein schwieriges Thema.
Ich interpretiere den kurzen Text in etwa so: Das Mädchen hat sich nach Langem hin und her, Gesprächen mit der Familie usw. für die Abtreibung entschieden, weil es rational gesehen die richtige Entscheidung in dem Moment war - aber wenn sie allein ist, dann malt sich ihr Herz jedoch die schönsten Phantasien aus, wie es hätte sein können und sie stellt vom Standpunkt dieses schönen Traumes aus alles in Frage.


Jingizu (16.03.2012)

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