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2 Seiten

Bis bald

Trauriges · Kurzgeschichten
Man sagt immer sie würde nicht wollen, dass wir in der Trauer um sie versinken…..aber genau das ist es was ich wollte. Ich will einmal, dass jemand um mich weint. Ich möchte von dem Ort an dem ich mich dann befinde aus meiner Beerdigung zusehen.

Da saß ich nun. Auf einem grauen Mamorgrabstein verziert mit einer weißen Madonna und an der Seite mit Efeu bewachsen. Es war ein sonniger Tag, aber er wirkte doch sehr grau auf uns alle. Die Sonne schien so unverschämt hell und lachte über den schwarz bekleideten Menschen.

Sie standen alle in einem Halbkreis um die Kapelle vor einem blauen Samttuch, einem Kinderfoto und einem silbernen Gefäß. Im Hintergrund lief die Musik, die wir so oft gemeinsam gehört hatten. Alle standen sie da. Ich blickte durch die Reihen. Selbst bei den sonst so starken Männern, die in ihren dunkelblauen Uniformen zum letzten Gruß dastanden, konnte man das ein oder andere feuchte Auge sehen. Freunde aus Kindertagen, die ich so lange nicht mehr gesehen hatte, blickten entsetzt in die Augen des Mädchens auf dem Foto. In der letzten Reihe entdeckte ich Moritz mit einer weißen Rose in der Hand. Plötzlich schien alles um mich herum still zu stehen. Nur der Wind wehte durch die Äste der Birken, die wie ein beschützendes Dach über uns standen. Eine Träne rollte meine Wange hinunter, doch sie tropfte nicht auf den Stein. Ein weißer Schmetterling flog dem Licht der Sonne entgegen.
Simon stellte sich neben Moritz und sagte „Weißt du noch? Damals. Wir drei.“. Er versuchte dabei zu lächeln. Ich glaub ich war noch nie so glücklich die beiden damals kennen gelernt zu haben. Wir waren damals unzertrennliche beste Freunde, doch dann zog Moritz irgendwann nach Berlin und Simon und ich sahen uns auch immer seltener. Ab und zu ein gemeinsamer Kinobesuch oder mal ein kurzes Gespräch auf einer Party. Man hatte sich auseinander gelebt. Aber jetzt wo wir wieder bei einander waren, war diese magische Spannung zwischen ihnen und irgendwie auch zwischen uns wieder da. Ich wusste, dass ich in ihren Erinnerungen immer die bleiben würde, die damals mit ihnen nachts auf dem Schuldach Sekt aus Pappbechern trank und die mit ihnen lachend den ersten Joint rauchte.
Etwas weiter entdeckte ich Thomas. Thomas. Meine erste große Liebe. Er, der mich damals so verletzt hatte und dem ich so hinterher gelaufen war, schaute zu Boden, damit niemand seine roten Augen sah und diese klitzekleine Träne.
Ach mein Schatz, wieso weinst du jetzt? Du warst damals so kalt. Kalt wie Eis und herzlos wie ein Stein. Hättest du doch nur damals ein einziges liebes Wort zu mir gesagt.
Doch irgendwann warst du trotzdem ein Freund für mich geworden.
Deine Schultern gaben mir Kraft und deine Worte Mut.
Ich baumelte mit meinen Füßen gegen den Stein und stand auf. Fast schwebend ging ich auf Thomas zu und strich über seine Wangen. Er zuckte einwenig zusammen, so als hätte ich ihm einen kleinen Stromschlag gegeben. Als er aufblickte konnte ich ein Glitzern in seinen wunderschönen braunen Augen sehen. Das in das ich mich damals verliebt hatte. Das, das auch bei unserem letzten Kuss aufleuchtete.

Ich drehte mich um, um zu gehen, doch ich konnte nicht. Die plötzliche Leichtigkeit war weg. Ich fühlte mich schwer. Schwer wie ein Stein. Ich merkte erst jetzt wie sehr ich den Menschen, die mich liebten, mit meinem Handeln weh getan hatte. Den Menschen, die ich am meisten liebte. Eine Träne fiel auf meine Schulter. Sie gehörte mal Jenny. Sie brannte ein Loch in meinen Pullover. Sie brannte auf meiner Haut. Es war dasselbe Gefühl, dass ich damals gespürt habe, als ich mir die Zigarettenkippen auf meiner Haut ausgedrückt hatte. Der Unterschied war, dass ich nun den Schmerz fühlte. Wie von Geisterhand verschwand das Loch im Ärmel meines weinroten Lieblingspullies. Doch der Schmerz blieb. Ich wollte durch meinen Tod frei und glücklich sein, doch jetzt war das Stechen in meiner Brust stärker als je zuvor.

Was hatte ich nur getan? Ich habe nur versucht einmal glücklich zu sein. Aber kann man nur glücklich sein, wenn man andere dabei verletzt? In meinem Fall war es so. Der Tod war für mich der einzige Weg mein Glück zu finden. Ich weiß, dass der Tag kommen wird an dem ich alle wiedersehen werde, die mir am Herzen liegen. Dieser Gedanke zauberte mir ein Lächeln auf mein Gesicht. Ich war noch nie so glücklich auf einer Beerdigung gewesen, denn es war MEINE Beerdigung.

Ich blickte noch einmal zurück und flüsterte „bis bald“. Dann merkte ich, wie ich mich langsam auflöste. An meiner Stelle waren hunderte weißer Schmetterlinge, die langsam der Sonne entgegen flogen. Ich war frei.
 
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Kommentare  

Hat in mir ein klammes Gefühl hinterlassen. Ein
Gefühl der trügerischen Erlösung ...


Emilia Wayne (15.07.2014)

Hm... du weißt, dass mir dein Stil gefällt und ich auch deine Texte gern lese, aber auch wenn ich dieser Geschichte und der Thematik gut folgen kann, bin ich doch tief in mir mit dieser unvernünftigen Glorifizierung des Suizids nicht wirklich einverstanden, besonders da ich von Hinterblieben oftmals auch völlig andere Gefühle erfahren habe, als du sie bei deiner Beerdigung beschreibst.
Es bleibt nicht nur Trauer, sondern auch vor allem hilflose Wut über diesen egoistischen Menschen, der seiner ganzen Umgebung diese bösartige Bürde auferlegt hat.
Jemand stiehlt sich einfach davon. Klamm und heimlich entzieht er/sie sich aller Verantwortung und überlässt es Familie oder Freunden die Leiche zu finden.
Das kommt bei dir auch zum Ausdruck wenn du schreibst "Ich wünsche mir, dass jemand um mich weint."
Dein Protagonist fügt also anderen absichtlich seelische Schmerzen zu, nur damit diese Leute weinen...

Der Tote bürdet seine Qualen (so er denn welche hatte) nun also einfach anderen auf. So romantisch oder befreiend die Selbsttötung für die Person selber auch sein mag - seine Umwelt ist davon selten so begeistert und sie reagiert auch ganz sicher nicht romantisch verklärt. Wahrscheinlich verzichtest du deshalb auch auf sämtliche familiäre Beschreibungen. Keine gebrochene Mutter, Vater, keine zutiefst erschütterten Großeltern oder Geschwister, sondern nur trauernde Freunde.

Der Text besitzt somit selbst Parallelen zum Suizid - denn du machst es dir zu leicht.


Jingizu (20.06.2012)

Eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt / anregen sollte. Ein sensibles Thema und gut beschrieben!

Ano Nymos (20.06.2012)

Eine traurige Story. Jedoch hat sie irgendwie ein gutes Ende.

Dieter Halle (20.06.2012)

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