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12 Seiten

Die Säulen der Götter - Kapitel 11

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
Die wieso schon bedrückte Stimmung hatte jetzt ihren Tiefpunkt erreicht.
Ben war der treibende Motor der Gruppe.
Was nicht hieß, dass man nun die Flinte ins Korn warf.
Leonie, Alice und Prince würden nichts unversucht lassen die Sache zu Ende zu bringen. Auf die eine oder andere Weise. Sie wussten genauso wie Ben um die Bedeutung. Die Säulen durften unter keinen Umständen in die falschen Hände geraten. Ebenso wenig wie Amanda. Sie war die einzige Person auf der Welt, die das Wissen der Säulen zu Tage fördern konnte. Egal wer wie viele Säulen besaß, Amanda war der Schlüssel zum erhalt des Wissens.
Ihr Schutz hatte höchste Priorität.
Amanda musste mit ansehen, wie ihre Mutter getötet wurde und jetzt hatte sie die zweitwichtigste Person in ihrem Leben verloren. Ein weiterer Schicksalsschlag, der dem Mädchen gehörig zu setzte. Ben war eine Art Vaterfigur für Sie oder eher ein Großer Bruder. Sie konnte sich immer auf ihn verlassen. Nun war diese Bezugsperson weg. Die Lücke konnte selbst Leonie nicht füllen. Was auch nicht ihre Absicht war.
Auch wenn es hart klang, die Welt drehte sich weiter. Genau wie das Leben. Sie mussten weiter machen. Um Ben’s Willen. Jetzt aufzugeben bedeutete alles zu opfern, was sie gemeinsam erreichten.
Natürlich konnte niemand den Verlust ersetzen, denn Sie erlitten.
Sie konnten ihn jedoch begrenzen.
Amanda fand in den Säulen Trost. Seit sie die letzte Säule der Götter vor einem Jahr in Grönland erhielt, spürte sie eine Verbundenheit zu ihnen, die sich schwer in Worte fassen ließ. Mit jeder Säule, die sie fanden, entwickelte sich ein Sog, der stärker als alles andere war. Und seit Kurzem sangen die Säulen. Eine Art Singsang. Sie hörte ihn nicht wie herkömmliche Musik, sondern fühlte ihn. Mit jeder Säule wurde es harmonischer, klarer.
Anfangs konnte Amanda sich keinen Reim darauf machen, weshalb sie es auch niemanden sagte. Doch irgendwann konnte sie sich dem Sog nicht mehr entziehen. Je näher sie den Säulen war, umso deutlicher wurde der Singsang. Er spülte ihren Kummer, ihre Angst, ihre Furcht, die Wut und den Hass fort. Wie eine sanfte Meeresbrise.
Bevor ihr klar war, was geschah, gerieten Ben und Prince in eine Falle und Ben wurde verschleppt. Anfangs empfand Sie Wut über die Unfähigkeit von Sarah und Ali ihre Freunde nicht beschützt zu haben oder irgendetwas unternommen zu haben. Sie sahen einfach nur zu wie Ben, der wichtigste Mensch in ihrem Leben, entführt wurde.
Jetzt, wo sie dem Singsang der Säulen zuhörte, wurde ihr bewusst das Sarah und Ali keine Schuld traf. Die Schuld, die sie deswegen empfand, wurde von den Säulen sachte wegspült. Ebenso ihr Kummer. Die Säulen reinigten ihren Geist.
Leonie trat neben sie. Ben’s Freundin kraulte Jonas, der Amanda nicht von der Seite wich. „Hey. Alles in Ordnung, Kleines?“ Als Amanda sie anblickte, bemerkte die einstige Eingeborene aus dem Hochland Perus, den Glanz in den Augen des Mädchens. Der Glanz besaß eine Reinheit, wie sie Diamanten besaßen.
„Sie singen für mich.“ Nicht nur ihre Augen waren Rein, sondern auch ihre Stimme.
„Wer singt für dich?“
Amanda sah kurz zu den aufgereihten Säulen. „Die Säulen.“

***

Niemand konnte sich den Gesang der Säulen, von dem Amanda berichtete, erklären. Der Spektrograf zeigte nichts dergleichen an. Ebenso wenig die übrigen Geräte die Alice einsetzte, um dem Singsang auf den Grund zu gehen.
Keiner zweifelte daran, dass die Säulen tatsächlich für das Mädchen sangen.
Wahrscheinlich war dies die Verbundenheit zwischen den Säulen und der Auserwählten.
Alice fand lediglich heraus dass die einheitliche Frequenz der Säulen sich verschob wenn Amanda nicht in der Nähe war. Eine Erklärung dafür hatte sie nicht. Andererseits spielte es auch keine Rolle. Die Säulen schienen mit dem Mädchen zu kommunizieren, ja zu interagieren.
Was angesichts ihrer Rolle nicht verwunderte.
Sie war ja schließlich die Auserwählte.
Die Säulen kommunizierten demnach nicht nur untereinander, sondern auch mit der Auserwählten. Jedes Mal wenn eine Säule hinzukam, passte sich die Grundfrequenz an. Brachte man die Säulen auf Abstand zueinander, verlor sich die Grundfrequenz und jede Säule strahlte ihre eigene Frequenz aus. Eine Imitation der Signale funktionierte nicht, das hatte Alice probiert. Man konnte die Frequenzen also nicht kopieren oder über eine variable Matrix versuchen die fehlenden Frequenzen zu ersetzen umso an die finale Koordinate zu kommen.
Nein, man brauchte alle Säulen.
Eine andere Möglichkeit gab es nicht um die finale Koordinate zu ermitteln.
Sie wussten, dass die Franzosen jetzt 3 Säulen besaßen.
Bei der Schreiber-Gruppe vermuteten sie 1 Säule.
Sie verfügten über 3.
Die 8te Säule war das Ergebnis der Zusammenführung aller existierenden Säulen. Der Ort dieser Zusammenführung fand sich in der finalen Koordinate.
Niemand würde dem jeweils anderen seine Säulen aushändigen.
Es sei den Sie verfügten über etwas, dass die andere Seite wollte.
Die Franzosen hatten Ben.
Womit Sie ein Druckmittel besaßen.
Doch alleine die Säulen reichten nicht. Um Sie zusammenzufügen brauchte man den Auserwählten, also Amanda. Das gesamte Paket oder gar nicht.
Ein vermeintliches Patt.
Ein fataler Irrtum.

***

Der Zugriff auf die chinesische Säule erfolgte von der japanischen Insel Kyūshū statt. Ben und Co hatten ihr Lager vor den Toren der Stadt Nagasaki aufgeschlagen. Der Kaiser stellte ihnen eine der kaiserlichen Residenzen zur Verfügung. Ein Kommandotrupp vom Verteidigungsdienst hatte die Schutz- und Sicherheitsaufgabe inne.
Niemand ahnte dass die kaiserliche Residenz zu einem Schlachtfeld werden würde, weil man die Entschlossenheit der beiden konturierenden Gruppierungen die Säulen und Amanda zu bekommen unterschätzte, beziehungsweise nicht mit einem nahezu simultanen Angriff rechnete, der stattfand, um das zu bekommen, was beide Seite wollten.
Alles oder Nichts.
Von einem US-Luftwaffenstützpunkt in Südkorea war eine McDonnell Douglas C-17 Globemaster III, ein multifunktionales Transportflugzeug der US-Air Force, gestartet. An Bord befand sich eine Kommandoeinheit vom Delta Team-7 der Schreiber-Gruppe. Angesetzt war der Flug für einen Trainingssprung, den die Soldaten machen sollten. Dafür trugen sie sogenannte Wingsuits, Flügelanzüge für Fallschirmspringer.
Die Truppen der US Special Forces nutzten die Wingsuits. Damit konnten Sie aus größer Höhe abspringen und zum Einsatzort gleiten.
Die Absprungzone, für die falsche Special Force Einheit befand, sich über der japanischen Insel Kyūshū, genauer gesagt 10 Kilometer von der Hafenstadt Nagasaki entfernt. Ihre Landezone lag unmittelbar bei der kaiserlichen Residenz.
Zur gleichen Zeit flogen 2 Eurocopter EC725 Cougar Transporthubschrauber vom Hubschrauberträger der französischen Marine von Südosten die kaiserliche Residenz an. Bei ihrem Überfall auf dem Areal der Östlichen Qing-Gräber hatten sie dem bewusstlosen Prince einen Peilsender unter die Haut gespritzt. Dadurch hatten Sie den aktuellen Standort der Gruppe um Amanda und Co.
Im Bauch der beiden Cougar Transporthubschrauber befanden sich 2 Kommandotrupps vom 21. Regiment der Fremdenlegion. Befehligt wurden die Elitesoldaten von Hauptmann Remy, der rechten Hand vom legendären Generaloberst Emil Loris, dem Befehlshaber des 21. Regiments.
Die Legionäre sprangen, anders als die Amerikaner, mit Militärfallschirmen über die geöffnete Heckrampe aus den Transporthubschraubern, die anschließend abdrehten und in Warteschleife gingen. Sie sollten die Soldaten auch wieder ausfliegen.
Beide Fraktionen erreichten nahezu zeitgleich die kaiserliche Residenz.
Mittendrin die Frauen und Männer der Schutzeinheit des Verteidigungsdienstes sowie Amanda und Co mitsamt den Säulen. Die beidseitigen Ziel- und Beschaffungsobjekte.

***

Wer den ersten Schuss abfeuerte, war belanglos, ganz zu schweigen von nachzuverfolgen. Auf ihn folgten Hunderte weiterer, wodurch ein Feuergefecht entstand, das in Krisen- und Kriegsgebieten vorherrschte.
Überall fielen Schüsse. Granaten explodierten. Holz splitterte. Glas berstete. Beton und Stein platzten unter den Kugeleinschlägen.
Die Schutzeinheit vom Verteidigungsdienst sowie Leonie, Alice, Amanda, Prince, Ali und Sarah hatten nie eine echte Fluchtchance gehabt. Sie wurden zeitgleich von 2 Seiten angegriffen, die deutlich schwerer bewaffneten waren. Nichtsdestotrotz lieferten Sie ihnen Widerstand, schossen zurück, verschanzten sich in der Hoffnung die japanische Eliteeinheit würde noch rechtzeitig kommen.
Die Hoffnung erfüllte sich nicht.
Es war das reinste Chaos.
Als Erstes starb Alice.
Sie wurde von Hauptmann Remy zeitgleich mit dem ersten Schuss erschossen, als er unbemerkt mit 5 Mann über den Terrassenbalkon in das Zimmer eindrang, wo Alice mit Amanda zusammen war.
„LAUF!!“, rief Sie dem Mädchen warnend zu, stellte sich schützend vor sie.
Amanda wollte gerade die Säule zurücklegen.
Alice, ihre Freundin, versuchte die Verbindung zwischen Amanda und den Säulen herauszufinden, als plötzlich die Legionäre eindrangen und der erste Schuss fiel. Das Mädchen griff sich eine Säule, behielt die Andere, rannte sofort los, hörte hinter sich einen Schuss, von dem sie sofort wusste, dass Alice getötet worden war.
Mit einmal platzte ein Schussorkan los, der einfach nicht enden wollte.
Ali, der aus Langeweile und Neugierde auf dem Weg zu den Beiden war, nahm Amanda in seine Obhut, schoss auf die französischen Verfolger und lief davon.
Schüsse aus Maschinengewehren und Pistolen fluteten das einstige ruhige Domizil des japanischen Kaisers. Wie ein Tsunami rollte es über Sie hinweg.
Ohne eine Fluchtmöglichkeit.
Als der Doppelangriff begann, hatte Sarah gerade ihr Training im Fitnessraum im Kellergeschoss der Residenz beendet. Sie war auf dem Weg zu ihrem Zimmer, als plötzlich ein Mitglied vom Delta-Team-7 vor ihr stand. Mit ihren Nahkampffähigkeiten schaltete Sarah ihn aus, griff sich sein Sturmgewehr, erschoss seinen Partner Sekunden nach dem Ersten Schuss, der in die wilde Schießerei mündete.
Sie zögerte keinen Moment, eilte bedacht über den zentralen Treppenaufgang nach oben.
Im Ersten Stock angekommen, fand Sarah Ali mit einer doppelten Schusswunde an die Vertäfelte Wand lehnend. Seine Haut war aschfahl. Sein Sweatshirt voller Blut. Unter ihm hatte sich eine Blutlache gebildet. Es war ein Schock für Sie ihn so zusehen, den in ihrem Unterbewusstsein wusste Sarah umgehend das sein Zustand sehr schlecht war. Ali war dem Tode näher als dem Leben.
Sofort drückte sie ihr Handtuch auf die Schusswunden. Um die Blutung zu stoppen. Er drohte wegzudämmern. Ein Anzeichen für hohen Blutverlust.
Da tauchte Leonie im Flur auf, lief zu ihnen. Sie hatte eine Prellung und Schrammen im Gesicht. Die Frau hatte sich einen harten Fight geliefert.
Seine Augenlieder flackerten. „Verdammt, Ali. Stirb mir hier ja nicht weg.“, blaffte Sarah ihn an. Sein Zustand war ohne Zweifel kritisch. Der Palästinenser brauchte sofortige medizinische Hilfe.
Inzwischen hatte sich die Schießerei ins Erdgeschoss verlagert.
Leonie war im Bad gewesen, als alles begann und hatte sich übergeben.
Sie eilte sofort los, kam jedoch zu spät. Amanda sollte bei Alice sein. Doch die rothaarige Frau lag tot in ihrem Zimmer. Von den Säulen und dem Mädchen keine Spur. Also suchte Leonie im Haus nach ihr, begegnete einem Legionär, der Sie aufschlitzen wollte, tötete ihn und suchte weiter. Sie wurde von 2 Franzosen unter Beschuss genommen, konnte weder vor noch zurück. Amerikaner erschossen die Legionäre. Die sich ihr bietende Chance nutzte Leonie, tötete die Amerikaner und setzte ihre Suche fort.
Prince war mit Amir, einem Mitglied der Schutzeinheit vom Verteidigungsdienst in der Küche im Erdgeschoss, als die Amerikaner in die Residenz eindrangen. Sie eröffneten, ohne jede Warnung, das Feuer. Die Beiden hatten keine Chance.
Der Afrikaner prallte gegen den Kühlschrank, als ihn die Kuglen trafen, sackte zusammen. Prince wusste in diesem Augenblick das er sterben würde. Die Amerikaner ließen ihn zum sterben zurück, verließen die Küche und ein Tornadohagel aus Schüssen ertönte.
Die aufkommende Taubheit spürte Prince bei seinen Zehen. Sie kroch seine Beine entlang. Er wurde schläfrig. Dann spürte er ein merkwürdiges kribbeln in seinem Arm. Prince schaute sich seinen linken Arm an. Unter seiner Haut spürte er einen Fremdkörper. Da erkannte der Afrikaner, das er derjenige war der die Franzosen anlockte. Als er bewusstlos war, hatten Sie ihm einen Peilsender unter die Haut gespritzt.
Schuldgefühle nagten an ihm als er starb. Dagegen konnte Prince einfach nichts tun.
Die heftige Schießerei ebbte immer mehr ab, bis kein einziger Schuss mehr fiel.
Über die großen Fenster vom Treppenaufgang sah man wie die Amerikaner das Haus verließen. Sie hatten Amanda und 2 Rollenbehälter.
An der Küste war ein amphibisches Transportboot gelandet, die Söldner vom Delta-Team-7 mitsamt den erbeuteten Säulen und der entführten Auserwählten gingen an Bord. Woraufhin das Transportboot sofort ablegte.
Kurz nach der Bootslandung, landeten 2 Transporthubschrauber der französischen Marine. Sie nahmen die überlebenden Legionäre an Bord, plus eine Säule der Götter, hoben ab und flogen davon.
Zurück blieben Leonie, Sarah, der schwer verletzte Ali und 3 israelische Soldaten vom Verteidigungsdienst, von denen einer wenig später seinen Verletzungen erlag.
Kaum war Ruhe eingekehrt stürmte die japanische Spezialeinheit die völlig zerstörte Residenz. Ein medizinisches Notfallteam kümmerte sich sofort um Ali. Unter schwerer Bewachung wurde er in ein Militärkrankenhaus eingeliefert. Die Notoperation rettete dem Palästinenser das Leben.
Leonie und Sarah waren die Einzigen, die übrig waren.
Jetzt lag es an ihnen.

***

Aus Alice Computer war die Festplatte entfernt worden.
Niedergeschlagen schmiss Sarah die Überreste des völlig zerstörten PC-Towers achtlos auf den Boden. Auf der mobilen Festplatte waren alle Daten, die die junge Frau bezüglich der Säulen sammelte. Soweit die Israelin sich erinnerte, waren die Daten auf der Festplatte verschlüsselt. Egal wer sie also hatte, musste erst die Verschlüsselung knacken.
Ein winziger Trost.
Sie atmete tief durch.
Die Ereignisse hatten sich überschlagen. Nichts war mehr so wie vorher.
Unter dem zerstörten Mobiliar im Zimmer, entdeckte Sarah eine Schwarze Box. Sie hob sie auf. Bis auf Kratzer und Dellen schien sie intakt. Bei der schwarzen Box handelte es sich um Alice Black Box. Ein Datenspeichergerät, vergleichbar mit den Flugschreibern. Alle Daten, die sie am Computer erzielte, wurden automatisch via WLAN (drahtloses lokales Netzwerk) an das Datenspeichergerät gefunkt und gespeichert. Die Box sah wie eine schnöde Schmuckschatulle aus.
Sarah kam eine Idee.
Sie schaute den bedröppelt dreinblickenden Jonas, der von einem Legionäre bewusstlos geschlagen wurde, als er die französischen Soldaten angriff um Amanda zu schützen. Der Jack Russell Terrier hatte eine Platzwunde davon getragen, die eine Krankenschwester im Militärkrankenhaus nähte.
„Komm, Kleiner.“, sagte Sie hoffnungsvoll. „Suchen wir Leonie.“ Noch war nichts verloren.
Da die Black Box aller wahrscheinlich nach ebenfalls verschlüsselt war, brauchten sie jemanden der ihnen Zugriff auf das Datenspeichergerät ermöglichte und Alice Arbeit gegebenenfalls fortsetzte. Nur so konnten sie den Ort der Finalen Koordinate, an der die junge Frau arbeitete, finden.
An wen sie sich diesbezüglich wendeten, wusste Sarah bereits als ihr die Idee kam. Leonie war bereit einen Versuch zu starten. Sie wollte genauso wie die Israelin Amanda ausfindig machen und verhindern dass das Wissen der Säulen in falsche Hände geriet. Ob nun die Schreiber-Gruppe und/oder die Franzosen spielte keine Rolle. Keine der Seiten durfte in den Besitz kommen.
Wenn sie also schnellstmöglich den Ort, der durch die Finale Koordinate markiert wurde, fanden konnte man sich auf die Lauer legen. Sarah war der Auffassung das weder die Schreiber-Gruppe noch die Franzosen sich gegenseitig bekriegen würden. Beide Seiten hatten etwas was beide brauchten. Ein Waffenstillstand schien daher die logische Konsequenz.
Soweit waren sie noch nicht und kümmerte sie auch nicht. Erst brauchten Sarah und Leonie Zugriff auf das Datenspeichergerät.

***

Der Fahrer des gepanzerten SUV’s hielt am Straßenrand der Hauptstraße von Nablus in den Palästinensischen Autonomiegebieten.
Die Stadt lag zwischen den biblischen Bergen Ibāl und Dschirzim. Im Stadteinzug befanden sich 2 Flüchtlingslager Askar und Balata, diverse umliegende Ortschaften und 9 israelische Siedlungen. Vor der Einigung eines schrittweisen Abbaus der israelischen Siedlungen, im Zuge der Friedensannäherung, gab es um Nablus 14 Stück.
Aus dem SUV stiegen Sarah Cohen und Leonie, die Stunden zuvor auf dem Ben-Gurion-Flughafen bei Tel-Aviv gelandet waren.
Ohne große Umwege hatte Sie der Fahrer nach Nablus gefahren. Das identische Begleitfahrzeug hatte ebenfalls angehalten. Darin saßen 5 schwer bewaffnete Palästinenser vom Sicherheitsdienst der Autonomiebehörde. Ali’s Boss Jamal Hasan Amir hatte sie ihnen zur Seite gestellt.
Mit den Frauen stieg Jonas aus dem SUV.
Sarah nickte dem Fahrer zu, setzte die Sonnenbrille auf und ging in die Gasse, von denen etliche von der Hauptstraße abgingen und das dicht bebaute Wohngebiet der Altstadt miteinander verband.
Auch wenn der Friedensprozess im Nahen Osten im quälend langsamen Schneckentempo voranging, hatten sich die Lebensbedingungen der Menschen in den Autonomiegebieten ein kleinwenig verbessert. Die Nachwirkungen der Feindschaften waren weiterhin sichtbar, was auch noch einige Zeit so bleiben würde.
Sarah empfand keine Furcht oder Angst sich in den Siedlungen, Ortschaften und Städten der Autonomiegebieten zu bewegen. Natürlich blieb man trotz allem wachsam, mehr aber auch nicht. Sie war schon früher niemand gewesen der ängstlich durchs Leben ging. Sicherlich hatte man damals immer die drohende Gefahr im Hinterkopf. Die einfachen Leute waren freundlich ohne den blendenden Hass.
Ausnahmen gab es auf beiden Seiten.
Was sich bei der Vergangenheit nicht vermeiden ließ.
Dennoch war weder Sarah noch Leonie unbewaffnet. Sie trugen Pistolen von Glock bei sich. Die letzten Geschehnisse hatten deutlich gemacht, dass man zu jeder Zeit bewaffnet sein musste. Trotz der schwer bewaffneten Leibwache.
In der Altstadt von Nablus waren die meisten Häuser und Gebäude aus Stein erbaut und mit Lehm verputzt worden. Oder gleich komplett aus Lehmziegeln. Der feine, festgetretene Sand knirschte unter ihren Sohlen.
Palästinenser, Jung und Alt saßen in den offenen Hinterhöfen beisammen, tranken Tee, spielten Dame, Schach oder ein anderes Brettspiel. Irgendwo lief stets ein Radio. Meist BBC oder der Sender der Autonomiebehörde. Aus den offenen Fenstern drangen Stimmen, westliche oder orientalische Musik, lachende Kinder und herrliche Düfte, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Mädchen und Jungs spielten in den Gassen fangen, verstecken oder Fußball.
Ein scheinbar unbeschwertes Leben hatte man sich in den Seitenstraßen und Gassen bewahrt.
Die Frauen gingen zu einem der dutzenden Wohnhäuser die an der Gasse lagen.
Sarah musste innerlich schmunzeln. Seit ihrem letzten Besuch, damals mit Ali, hatte sich nichts verändert. Wobei es sich meist um Schönheitsreparaturen handelte.
Die Israelin trat an die Tür, schlug dagegen.
Sie wiederholte, dass Ganze als sich nichts zu rühren schien.
Schlurfende Schritte waren zuhören.
Knirschend öffnete sich die Haustür einen Spalt.
Ein junger Mann mit Bartstoppeln im Gesicht blickte die Israelin an.
„Wie geht es dir, Mahmoud?“, fragte Sarah höflich.
Der Palästinenser schaute an ihr vorbei, zu Leonie und dem bei ihr stehendem Jack Russell Terrier. „Was willst du?“, wollte Mahmoud verschwörerisch wissen.
„Kein Hallo, Sarah! Wie geht es dir! Danke das du mir mein Leben gerettet hast!“, erwiderte Sie lächelnd. Seine Zurückhaltung war verständlich. Beim letzten Treffen war es hoch her gegangen. „Wir brauchen deine Hilfe?“ Den Satz hatte beim letzten Treffen Ali zu ihm gesagt. Damals hatte Mahmoud ihn und Sarah widerwillig hereingelassen.
Er grunzte. „Als ich dir das letzte Mal geholfen habe, wurde auf mich geschossen.“
„Uns.“, korrigierte Sie ihn. „Auf uns wurde geschossen, Mahmoud.“ Noch war der junge Mann nicht überzeugt. Das er sie mit offenen Armen empfing hatte Sarah nicht erwartet. „Es ist wichtig.“, sagte sie ernst. „Bitte, Mahmoud. Du bist der Einzige, der uns helfen kann.“
Sein Widerstand bröckelte. „Wo ist Ali?“
Der Kummer um den Palästinenser kehrte kurzweilig zurück. Die Notoperation hatte ihm das Leben gerettet, doch sein Zustand blieb kritisch. Erst wenn er transportfähig war, würde man ihn aus Japan ausfliegen. Bis es soweit war, blieb er in der Obhut der Japaner. Vor ihrem Flug nach Tel Aviv hatte sie mit ihm sprechen können. Was Sie erleichterte.
„Er wurde schwer verletzt und liegt in einem Militärkrankenhaus in Japan.“
Verwundert hoben sich seine Augenbrauen. „Na gut.“ Langsam öffnete er die Tür. „Wobei soll ich euch helfen.“

***

Mahmoud Salam war 21 Jahre alt, arbeitete Freiberuflich als Systemanalytiker.
Geboren und aufgewachsen war er als Waise in einem Flüchtlingslager. Dadurch lernte er früh sich zu behaupten, zu kämpfen und zu arbeiten. Er besuchte die Schule im Flüchtlingslager. Mit 12 baute Mahmoud aus Schrottteilen seinen ersten Computer, brachte sich das Programmieren selbst bei. Die Geburtsstunde seines Hacker Alias.
Er war 16 als Ali ihm im Zuge einer Ermittlungen wegen Kreditkartenbetrugs von Touristen aufspürte. Statt ihn zu verhaften nutzte er seine Computerfähigkeiten um einen terroristischen Geldwäscherring hochzunehmen. Seither arbeitete Mahmoud mehr oder weniger über Ali für die Sicherheitsbehörde der Autonomiebehörde. Ali betitelte ihn als externen Dienstleister.
Im Keller seines Hauses hatte sich Mahmoud eine vernetzte Computeranlage errichtet.
Als Sarah ihm berichtete worum es ging, schloss er das Datenspeichergerät an. Die Verschlüsselung, so der junge Palästinenser, war durchaus nicht ohne. Er brauchte gute 45 Minuten um durchzubrechen, ohne dabei die Systemintegrität zu gefährden, ansonsten bestand die Möglichkeit dass die Daten gelöscht wurden, sofern Alice entsprechende Vorkehrungen getroffen hatte. Was sie günstigerweise nicht hatte.
Das Datenmaterial verblüffte Mahmoud.
Er liebte es Geheimnisse zu entschlüsseln. Weswegen sein Alias mitunter ein gefürchteter Enthüllungshacker war. Was ihn in gewissen Kreisen nicht allzu beliebt machte. Womit er leben konnte. Zum Teil dank Ali.
„Wir müssen wissen wo sich der Ort der Finalen Koordinate befindet.“
Mahmoud tippte auf die Tastatur ein. Seine Stirn schlug Falten. „Das ist nicht so einfach.“, entgegnete er ein wenig abwesend.
In den aufgezeichneten Frequenzmuster steckten verschlüsselte Teilkoordinaten, die die eigentliche Besitzerin des Datenspeichergeräts entschlüsselte. Die Teilkoordinaten waren Teil einer finalen Koordinate. Hatte man alle ergab sich eben diese und damit der Ort, den sie markierte. 3 Teilkoordinaten waren bekannt. 4 fehlten, um die 7-stellige finale Koordinate zu ermitteln. Je mehr man hatte umso einfacher war es.
Unmöglich war es nicht, aber schwierig. Verdammt schwierig. Zumal unter dem Zeitdruck. Sarah und Leonie hatten weder Tage, Wochen noch Monate Zeit. Was es für Mahmoud nicht einfacherer machte. Er musste tief in seine Trickkiste greifen. Nichtsdestotrotz geriet er ab und an in eine Sackgasse.
Die Varianten, die per Zufallsgenerator entstanden waren einfach zu viele. Das Ausschlussverfahren dämmte das Ganze zwar ein, aber halt nicht genug. Man brauchte einfach mehr Teilkoordinaten um die Suche nach der finalen Koordinate abzukürzen.
Während Mahmoud an der Angelegenheit arbeitete und im Datenspeicher nach irgendwelchen Hinweisen suchte, die sein Tun erleichterten, stieß er auf Symbolschriften.
Um seinen Wissensdurst zu stillen, speiste er sie in eine Suchmatrix und ließ sie anonym durch das Internet laufen.
20 Minuten später ertönte die vorprogrammierte Treffermelodie, worauf er sich dem Nebenschirm seiner 3 nebeneinander liegenden Bildschirme.

***

Laut der Trefferanzeige gehörten die Symbolschriften zu einer urantiken Steintafel. Auf dem Digitalfoto waren 7-Reihen dieser Symbolschriften zusehen. Im Bogenkopfteil der Steintafel war eine altrömische 1 zusehen, die für Sarah und Leonie Ähnlichkeit mit einer Säule der Götter hatte.
Die, auf dem Datenspeicher gespeicherte Symbolschrift stammte aus dem Notizbuch von Professor Stein. Alice hatte sie digitalisiert. Für den Fall, dass es verloren ging, besaßen sie eine digitale Kopie.
Im Notizbuch befand sich lediglich eine Symbolschrift. Eben jene fand sich in der Steintafel.
Bei der weiteren Recherche über die Steintafel fanden sie heraus, das es 6 weitere solcher Steintafeln auf der Welt gab. 5 davon waren über Museen und Kulturstiftungen im teilstaatlichen Besitz. Die restlichen 2 befanden sich in Privatbesitz. Man hatte sie zeitweise ausgestellt.
Durch die Ähnlichkeit der Symbolschriften ging man davon aus, das sie zusammenhingen. Was angesichts der Fundort kaum möglich schien. Davon abgesehen, dass es keine bekannte Symbolschriftsprache auf der Welt gab. Weshalb einige Wissenschaftler meinten die Steintafeln stammten aus keiner menschlichen Epoche. Zumindest aus keiner bekannten.
Reihte man die Abbilder der Steintafeln aneinander, war die Ähnlichkeit unverkennbar. Diejenigen die die Steintafeln anfertigten waren ein und die Gleichen. Brachte man jetzt das bisherige Wissen damit in Einklang, gewann das bisherige Bild eine gewisse Schärfe.
Mahmoud fand via Computer in allen Steintafeln eine mathematisch basierende Verschlüsselung, die kryptografisch alles da gewesene weit in den Schatten stellte. Die Symbolschriften waren einer Analyse zur Folge mit einem Hochleistungslaser in die Steintafeln eingebrannt worden, wie legal oder illegal gebrannte CD’s und DVD’s.
Was die makrotechnischen Verschlüsselungscluster erklärte, die Mahmoud entdeckte. Eine Erklärung für diese Entdeckung blieb er schuldig, weil er schlichtweg keine hatte. Schließlich galten die Steintafeln als bis zu 70.000 Jahre vor Cristus alt. Wodurch Sie zu den ältesten jemals gefundenen Artefakten gehörten.
Sein Supercomputer brauchte geschlagene 7 Stunden um die Verschlüsselungscluster zu knacken, zu analysieren und zusammenzufügen. Ohne einen Computer wäre dies unmöglich gewesen.
Was dabei rauskam, war unfassbar.
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Ende, Kapitel 11
© by Alexander Döbber
 
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