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Gespräche eines Zeitreisenden II

Romane/Serien · Fantastisches
Bild II
[Ein mittelalterliches Verlies. Der Zeitreisende, noch recht jung, sitzt darin als Gefangener.]

Z: Hier möchte noch niemand etwas von Revolution hören. Es ist zu früh. Man möchte fast den Menschen glauben, wenn sie sagen: „Die Zeit war reif“. Für dies und jenes. Der Griff der Institution ist konstant und fest. Aus erster Hand zu erfahren, wie man mit Furcht herrschen kann, das ist faszinierend. Die einzigen, die meine Intention verstünden und helfen könnten sind dann doch jene, die um jeden Preis Umwälzung und Reformation verhindern wollen.
[Ein älterer Priester betritt seine Zelle.]
PRIESTER: Es ist entschieden. Tod durch den Scheiterhaufen. Wenn es Euch genehm ist, dann werde ich Euch jetzt die Beichte abnehmen.
Z: Ihr solltet sie aufschreiben, es wird eine fantastische Geschichte.
P: Das Beichtgeheimnis verbietet es mir.
Z: Natürlich... Wo soll ich beginnen? Ich komme nicht von hier, das behaupten alle und sie haben Recht.
P: Das ist keine Sünde.
Z: Ich fürchte aber schon.
[Pause]
Gut, dann werde ich beim Wesentlichen bleiben. Ich komme aus einer anderen Zeit. Viele Jahre aus der Zukunft, interessant, nicht wahr?
P: Bitte erzählt mir die Wahrheit, mein Sohn. Gebt ihnen doch nicht die Genugtuung, dass sie im Recht waren, mit ihren Behauptungen Ihr seiet ein Ketzer!
Z: Nun, das bestreite ich nicht. Ich bin sogar fasziniert von diesem Verhalten. Ich hätte nicht gedacht, wie stark die Herrschaft der institutionalisierten Religion sein kann. In meiner Zeit gibt es sie nicht mehr, aus gutem Grund. Die Menschen begannen allmählich selbstständiger und kritischer zu werden. Leider viel zu spät. Deswegen bin ich hier.
P: Ihr sehnt euch nach Gottes Geleit?
Z: Nein. Ich war der festen Überzeugung, eine frühere Offenbarung, eine frühere Aufklärung, würde das Schlimmste abwenden. Ich war nicht darauf vorbereitet, wie stark der Widerstand sein würde.
P: Ich verstehe nicht ganz, mein Sohn.
Z: Das müsst Ihr auch nicht, das könnt Ihr auch nicht. Dazu müsstet ihr erst akzeptieren, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist.
P: Mein Sohn, ich bin ein einfacher Geistlicher, ich verstehe Eure Worte nicht wirklich.
Z: Die Menschen werden das irgendwann tun. Aber dann ist es nun mal zu spät. Ich würde Euch liebend gerne alles erklären, aber dieses Wissen ist in dieser Zeit zu gefährlich, wenn Ihr es mit Euch herumtragt. Und ich fürchte, es würde verloren gehen, ohne auch nur den geringsten Einfluss auf den Lauf der Dinge zu haben.
P: Gefährliches Wissen?
Z: Zuerst dachten wir, eine Manipulation der Vergangenheit könnte weitreichende Konsequenzen haben. Und um ehrlich zu sein: Wir haben diesen Glauben nie wirklich aufgegeben. Aber die Situation wurde so ernst, dass wir sämtliche Bedenken über Bord warfen und einfach den Versuch wagten.
[Pause]
Das Ergebnis war ernüchternd... Bis jetzt konnte ich noch keine wirklichen Veränderungen wahrnehmen, allein schon deswegen, weil bis jetzt jede Bemühung vergebens war. Und umso näher ich in meine Gegenwart gelange, umso fruchtloser scheint mein Bemühen.
[Pause]
Umso weiter ich in die Vergangenheit eindringe, umso... unvernünftiger werden die Menschen, bis zu dem Punkt, an dem sie noch nicht mal in der Lage sind, mit mir zu kommunizieren.
P: Ihr müsst doch zugeben, dass Eure Geschichte wenig Sinn ergibt.
Z: Ja, das mag für Euch stimmen, aber sie ergibt tatsächlich immer mehr Sinn.
[Die Kirchenglocken läuten.]
P: Es ist nun Zeit.
Z: Habt ihr mir mein Familienerbstück mitgebracht?
P: Es war nicht einfach, aber hier ist es.
[Er überreicht dem Zeitreisenden eine Art dickes Armband mit Zeigern und Knöpfen.]
Z: Nun, vielen Dank. Dann muss ich mich jetzt verabschieden.
[Der Priester spricht seinen Segen und der Vorhang fällt.]
 
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Kommentare  

Kurz und knapp, aber sehr aussagekräftig. Hat mir gefallen, dein Zeitreisender.

Else08 (18.01.2013)

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